2014 DFG - Forschungsgruppe FOR 2089
Inhaltsverzeichnis
Dauerhafte Straßenbefestigungen für zukünftige Verkehrsbelastungen - Gekoppeltes System Straße–Reifen–Fahrzeug
Beteiligte Institutionen
Multiphysikalische und mehrskalige theoretisch-numerische Modellierung der Reifen-Fahrbahn-Interaktion
Institut für Statik und Dynamik der Tragwerke
Multiphasen- und Mehrskalenbetrachtung des Fahrbahnsystems
Institut für Straßenwesen
Mehrskalen-Mehrphasensimulation der funktionalen Eigenschaften von Straßenoberflächen
Institut für Straßen- und Verkehrswesen
Institut für Straßen- und Verkehrswesen
Universität Stuttgart
Charakterisierung des Materialverhaltens von Asphalt als Grundlage für eine Mehrskalenmodellierung
Institut für Stadtbauwesen und Straßenbau
Charakterisierung der generischen Straßenbelastungskollektive aktueller und zukünftiger Fahrzeugpopulationen
Institut für Kraftfahrzeuge
Auftraggeber
Deutsche Forschungsgemeinschaft
Projektdauer
2014 - 2020
Kurzbeschreibung Gesamtprojekt
Straßenverkehrsinfrastrukturen sind eine wesentliche Voraussetzung und ein zentraler Bestandteil einer wettbewerbsfähigen sowie erfolgreichen Industriegesellschaft. Sie stellen zudem einen sehr großen volkswirtschaftlichen Wert dar. Leider ist in Deutschland und vielen anderen entwickelten Ländern den Akteuren in Politik, Wirtschaft und Forschung die Bedeutung der Straßenverkehrsinfrastrukturen nicht klar bewusst.
Während die Entwicklung neuer Fahrzeuge und intelligenter Transportkonzepte in Deutschland vor allem von der Industrie vorangetrieben werden, sind im Bereich der Straßenverkehrsinfrastruktur in den letzten Jahrzehnten kaum größere Innovationen bekannt. Dieses Defizit liegt einerseits an fehlenden Forschungsmitteln, die – anders als bei den vermarktungsfähigen Produkten des Automobilbaus – nicht von der Industrie sondern hauptsächlich aus öffentlichen Ressourcen zu leisten sind und andererseits an relativ starren Vorschriften, die kaum dazu geeignet sind, die Kreativität und Innovationskraft der deutschen Industrie, Ingenieure und Wissenschaftler zu stimulieren.
Diese Umstände haben dazu beigetragen, dass beim Bau und der Erhaltung von Straßenverkehrsinfrastruktur nicht oder nur sehr selten mit den Konzepten und methodischen Ansätzen progressiver Ingenieurdisziplinen gearbeitet wird. Deshalb werden oft unzureichende und wenig dauerhafte Lösungen erhalten. Um dieses Problem zu bewältigen und die Straßeninfrastruktur auf die Anforderungen der Zukunft vorzubereiten, wird ein Paradigmenwechsel bei der Dimensionierung, baulichen Umsetzung und Erhaltung angestrebt, für den die geplante Forschungsgruppe die wissenschaftlichen Grundlagen erarbeiten soll. Die neuen Anforderungen ergeben sich im Wesentlichen aus:
- steigendem Verkehr und höheren Achslasten,
- Verknappung und Verteuerung der Rohstoffe,
- Rückgang der Finanzmittel, die für den Bau und die Erhaltung der Straßenverkehrsinfrastruktur zur Verfügung stehen,
- sich ändernden Klimabedingungen mit den Auswirkungen starker Hitze- oder Kälteperioden und extremer Regenereignisse,
- neuen Funktionen zur Verbesserung der Sicherheit, des Fahrkomforts und der Leistungsfähigkeit der Straßeninfrastruktur und aus
- neuen ökologischen Randbedingungen, die einen umweltschonenden Bau und Betrieb von Straßen gewährleisten müssen.
Die Erfüllung der neuen Anforderungen birgt jedoch – im Hinblick auf die Baustoffentwicklung und strukturelle Ausbildung von Straßen – einige Zielkonflikte, die anhand ausgewählter Beispiele geschildert werden sollen.
- In den vergangenen Jahrzehnten wurden Asphalte insbesondere für Deckschichten vorrangig mit der Zielrichtung der Verbesserung der Verformungsbeständigkeit optimiert. Dabei wurden der Einsatz steiferer Bindemittel und die Reduzierung des Bindelmittelanteils forciert, wodurch sich jedoch wiederum Riss- und Ermüdungsresistenz verminderten. Dieses Vorgehen hat zur Folge, dass die reale Nutzungsdauer von Straßen gegenüber den im Regelwerk des Straßenbaus empfohlenen Planungszeiträumen deutlich reduziert wurde. Die Schäden an Befestigungen auf deutschen Autobahnen veranlassten den ADAC in einer Veröffentlichung (Quelle: SZ-online (06.06.2011)) zu der etwas spekulativen Aussage, dass infolge der gestiegenen Verkehrsbelastungen „die heutigen Straßenbefestigungen nur noch etwa 10 Jahre, statt der geplanten 30 Jahre Nutzungsdauer überdauern“.
- In schwer belasteten Verkehrsflächen wurden zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Befestigungen dicke Asphaltpakete und steife (hydraulisch gebundene) Tragschichten eingesetzt, ohne die Konsequenzen der dadurch wesentlich erhöhten gestaltsändernden Beanspruchungen in den Deck- und Binderschichten zu berücksichtigen. Dieser Ansatz führt zu einer starken Zunahme von Spurrinnen und zu negativen Auswirkungen auf die Ebenheit der Straßen mit großem Einfluss auf die Interaktion zwischen Fahrzeug und Fahrbahn.
- Um die Entstehung von Rollgeräuschen zu vermindern und die Bildung von Sprühnebel bei nasser Fahrbahn sowie Aquaplaning zu unterbinden, wird häufig mit offenporigen Deckschichten gearbeitet. Derartige Schichten realisieren den Abfluss von Oberflächenwasser und Luft in der Reifen-Fahrbahn-Kontaktzone über ihren Porenraum und erfüllen die Anforderungen an die Fahrsicherheit und Lärmminderung. Allerdings haben offenporige Beläge eine erhöhte Alterungsneigung und geringe Dauerhaftigkeiten.
Anhand der wenigen ausgewählten Beispiele werden bereits die zukünftigen Herausforderungen und die besondere Schwierigkeit des Entwurfs, der Entwicklung und der Dimensionierung dauerhafter Straßenbefestigungen deutlich. Nur eine ganzheitliche Lösung, die die Bestandteile Straßenbefestigung, Luftreifen und Fahrzeugkomponenten umfasst, schafft das Verständnis der komplexen Interaktionsmechanismen und erlaubt eine problemangepasste, verbesserte Auslegung des gesamten Systems.
Übergeordnetes Ziel der Forschungsgruppe ist die Bereitstellung eines gekoppelten thermo-mechanischen Modells zur ganzheitlichen physikalischen Analyse des Systems Straße–Reifen–Fahrzeug. Mit diesem Modell können Straßenbefestigungen und Straßenbaumaterialien so konzipiert werden, dass die neuen Anfor-derungen mit dem Hauptziel der Dauerhaftigkeit der Strukturen und Materialien vereinbar werden.
Die wissenschaftliche Basis für diese neuen und qualitativ verbesserten Ansätze können nur dann entwickelt werden, wenn ein ganzheitliches Vorgehen durch Kopplung der theoretisch-numerischen und experimentellen Ansätze wie auch ein die Disziplinen übergreifendes eng vernetztes Arbeiten für das ganze System bestehend aus Straße-Reifen-Fahrzeug entwickelt wird. Durch interdisziplinäres Forschen wird ein vertieftes Verständnis zur Physik des Gesamtsystems erzielt und ein Fortschritt im Sinne verbesserter und dadurch dauerhafter und nachhaltiger Strukturen erreicht. Langfristig wird eine systematische Forschung in diesem äußerst wichtigen Bereich des Ingenieurwesens zur Schonung der Ressourcen beitragen, indem die Forschungsergebnisse zur Qualitätsverbesserung der Produkte und zur energetischen Optimierung der Strukturen sowie des Herstellungs- und Betriebsprozesses eingesetzt werden. Neue Werkstoffe und Konstruktionsansätze können entwickelt werden bis hin zu Technologien, mit denen die Charakterisierung von Struktur-, Material- und Belastungsparametern auf intelligente und verlässliche Weise gelingt.
Während einzelne Modelle zur Simulation des Verhaltens der Teilsysteme Fahrzeug/Fahrwerk und Reifen bereits einen relativ hohen Entwicklungsstand erreicht haben, steht die Modellierung des Strukturverhaltens von Straßenbefestigungen noch am Anfang. Eine gekoppelte Betrachtung der beschriebenen Systemkomponenten wurde bisher nicht durchgeführt. Forschungsaufgaben stellen sich deshalb vorrangig auf den Gebieten der theoretisch fundierten Beschreibung des Verhaltens geschichteter StraßenbefestigungStraßenbefestigungen und der Interaktion zwischen Fahrzeug/Fahrwerk, Reifen und Straße.
Kurzbeschreibung Teilprojekt 4
Das Ziel des Teilprojektes 4 besteht darin, aufbauend auf die experimentelle Simulation der Beanspruchungszustände in Asphaltbefestigungen aus der Belastung infolge Verkehr und Temperatur, das Verständnis für das Verhalten von Asphalt zu vertiefen und zu charakterisieren, aufbauend auf dem bisherigen Stand Prozeduren für die Simulation der Belastung weiterzuentwickeln und die Versuchsergebnisse für die Modellentwicklung in Zusammenarbeit mit den Partnern der Teilprojekte 1 und 2 aufzubereiten. Weiterhin sollen die Grundlagen für die Parameteridentifikation für die Modelle aus den Teilprojekten 1 und 2 geschaffen werden.
Die Hauptziele sind:
- Entwicklung eines generellen Verständnisses des Verhaltens von Asphalt unter Belastung aus Verkehr und Temperatur in den verschiedenen Schichten einer Fahrbahnbefestigung durch experimentelle Charakterisierung. Dabei sollen insbesondere der Einfluss des Verhaltens der Asphaltbestandteile auf das Verhalten des Asphalts untersucht werden,
- Gestaltung modellspezifischer Analyseverfahren (Versuchsprozeduren und Auswerteverfahren) als Grundlage für die experimentelle Charakterisierung des Verhaltens von Asphalt,
- Absicherung der relevanten Belastungsbereiche durch iterative Abstimmung der Versuchsparameter auf die maßgebende Beanspruchung in Straßenbefestigungen mit Hilfe der Berechnungsergebnisse aus den Teilprojekten 1 und 2,
- Erstellung experimenteller Grundlagen zur Parameteridentifikation für die Modelle auf Mikro-, Meso- und Makroebene für verschiedene Asphalte (Deck-, Binder- und Tragschichten) aus verschiedenen Bestandteilen (Bindemittel verschiedener Steifigkeit und Modifizierung, verschiedene Gesteine und Korngrößenverteilungen).
Hauptaugenmerk liegt zunächst auf der Entwicklung des generellen Verständnisses des Verhaltens von Asphalt und seiner Bestandteile sowie von Grundlagen für die Durchführung der Versuche und der Gestaltung der Versuchsbedingungen.