Dec 04, 2025
#FactFriday: Hebammenhilfevertrag
Hebammenhilfevertrag
Worum geht es?
Am 1. November 2025 tritt in Deutschland der neue Hebammenhilfevertrag nach § 134a SGB V in Kraft. Er wurde zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Hebammenverband (DHV) geschlossen und regelt bundesweit die Leistungen und Vergütung freiberuflicher Hebammen.
Ziel ist eine modernere, fairere Bezahlung und bessere Qualität der Betreuung. Neu ist vor allem die zeitabhängige Vergütung (z. B. im 5-Minuten-Takt) sowie eine Förderung der 1:1-Betreuung während der Geburt.
Der Vertrag betrifft alle Hebammen, die mit Krankenkassen abrechnen, also in Hausgeburten, Geburtshäusern oder als Beleghebammen tätig sind. Trotz der Verbesserungsabsicht gibt es viel Kritik, vor allem wegen finanzieller Nachteile für Beleghebammen und praktischer Umsetzungsprobleme.
In diesem #FactFriday wollen wir dieses Thema intensiver beleuchten. Bitte teilt uns gern weitere Fakten oder eure Meinung dazu in den Kommentaren mit, da dies ein vielschichtiges Thema ist und wir nicht alles abdecken können und gern verschiedene Sichtweisen annehmen wolle.
Was ändert sich ab November?
- Der Vertrag tritt in Kraft für Leistungen, die ab diesem Datum erbracht werden. Für Leistungen davor gilt der alte Vertrag. Mischabrechnungen (also Teil alt / Teil neu) sind nicht erlaubt.
- Die Vergütung für freiberuflich tätige Hebammen außerhalb der Klinik (also z. B. Haus- oder Geburtshaus-Betreuung) wird deutlich erhöht. So steigt der Stundenvergütungssatz z. B. von ca. 56 € auf etwa 74,28 € (≈ +33 %) ab dem Stichtag.
- Die Abrechnung wird neu strukturiert: Statt vieler kleiner Pauschalen wird künftig ein 5-Minuten-Takt eingeführt (also Leistung nach Zeit messen) für viele Leistungen.
- Für Geburten außerhalb der Klinik: Verbesserung der Vergütungsstruktur – bestehende Pauschale wird erhöht, zusätzlich kommt eine zeitabhängige Vergütung hinzu (z. B. pro Stunde Betreuung).
- Für Beleghebammen (Hebammen, die z. B. in Klinik oder Belegsystem tätig sind): Es gibt neue Regelungen zur Einzel-Betreuung („1:1-Betreuung“) – wer während der wesentlichen Geburtsphase eine Frau durchgängig betreut, erhält einen Zuschlag. Für parallele Betreuung von zwei oder mehr Frauen gelten neue Staffelungen.
- Reduktion des Bürokratieaufwands: Der Vertrag sieht Vereinfachungen bei Dokumentation, Versichertenbestätigungen und Abrechnung vor.
Warum war das nötig?
Die Reform des Hebammenhilfevertrags, die zum 1. November 2025 in Kraft tritt, ist eine Reaktion auf langjährige strukturelle Probleme in der Geburtshilfe.
Ziel der Reform ist es, die wirtschaftliche Situation freiberuflicher Hebammen zu verbessern und die Geburtshilfe insgesamt attraktiver zu machen. Der neue Vertrag nach § 134a SGB V führt eine zeitgerechtere Vergütung ein. Damit soll die Bezahlung transparenter und fairer werden.
Ein Schwerpunkt liegt zudem auf der Qualität der Betreuung. Die kontinuierliche 1:1-Begleitung einer Frau während der Geburt gilt als internationaler Standard und wird künftig finanziell gefördert. So sollen Betreuung und Arbeitsbelastung besser ausbalanciert werden. Auch bürokratische Hürden sollen sinken: Der Vertrag sieht vereinfachte Dokumentations- und Abrechnungsprozesse vor, damit Hebammen mehr Zeit für ihre eigentliche Arbeit haben.
Politisch wurde die Reform von der Bundesregierung und Berufsverbänden vorangetrieben, um die Geburtshilfe langfristig zu sichern. Die Reform ist zugleich Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandels.
Insgesamt soll der neue Vertrag Anerkennung, Wertschätzung und Zukunftssicherheit schaffen – für Hebammen und für Familien. Ob dieses Ziel erreicht wird, hängt jedoch davon ab, wie gut die neuen Regelungen in der Praxis umgesetzt werden.
Was ist die Kritik?
Auch Emma Klenk, Hebamme am Klinikum Rechts der Isar München, nutzt Social Media, um Kritik am neuen Hebammengesetz zu üben. Normalerweise nutzt sie Instagram/TikTok, um Einblicke in ihren Alltag zu geben. Jetzt postet sie Kritikpunkte auf ihren Plattformen und gab sogar ein Interview bei Femtastisch.
Ihre Kritik:
„Es droht eine echte Versorgungskrise: weniger Betreuung, weniger Hebammen, mehr Geburten – ohne die notwendige finanzielle Unterstützung.“
Konkret bemängelt sie, dass der Vertrag zwar formal die 1:1-Betreuung fördern will, dies aber in der Praxis kaum erfüllbar sei:
„Das klingt zunächst gut … aber … wenn in diesem Zeitraum eine zweite Frau hinzukommt, geht die Rechnung nicht mehr auf.“
Sie versucht dabei besonders Schwangere, werdende Eltern, sowie Hebammenkollegen und -kolleginnen, sowie natürlich auch die breite Öffentlichkeit über Social Media informieren zu können.
Neben ihr tun das noch andere Creatorinnen wie zum Beispiel Franziska Rasche (@hebammesissirasche), oder Helen (@hebammehelen).
Obwohl die Vergütung insgesamt steigt, sehen insbesondere Beleghebammen deutliche Risiken: Wenn sie nicht durchgängig eine Frau betreuen können oder mehrere Frauen gleichzeitig betreuen müssen, drohen Vergütungs-Einbußen.
Der Deutscher Hebammenverband (DHV) kritisiert, dass die Rahmenbedingungen (Personal, Struktur, Klinik-Abläufe) nicht flächendeckend vorhanden seien, um die 1:1-Betreuung wie vorgesehen umzusetzen — somit bestehe die Gefahr, dass Hebammen unter den neuen Bedingungen wirtschaftlich benachteiligt werden.
Es besteht die Befürchtung, dass durch diese Regelungen die Versorgung von Schwangeren und Gebärenden insbesondere in ländlichen Regionen noch schwieriger wird, da Hebammen ihren Beruf aufgeben könnten.
Konkret teilte der DHV mit: Der im Vertrag festgelegte Stundensatz von 74,28 € (für viele Hebammenleistungen) sei „deutlich zu niedrig“. Weiterhin drohen wirtschaftliche Einbußen und damit Versorgungsengpässe in der Geburtshilfe für Beleghebammen.
„Kommt der Hebammenhilfevertrag wie geplant, wird dies die Versorgungssituation Schwangerer und Gebärender regional spürbar beeinträchtigen.”
Auch die Landes- und regionalen Hebammenverbände kritisieren das Gesetz. So sagt teilt zum Beispiel der Saarländischer Hebammenverband mit:
„Diese Regelung bedeutet eine massive Entwertung der Arbeit von Dienst-Beleghebammen … und gefährdet langfristig die geburtshilfliche Versorgungsstruktur.“
Überblick
Nochmal kurz im Überblick - warum wird das Gesetz kritisiert:
- 5-Minuten Pauschale erreicht jetzige Pauschale erst nach 35 Minuten → kurze Besuche und Abklärungen werden schlechter vergütet
- Digitalisierung: nur über das Telefon und mindestens 5 Minuten - alles darunter oder eine SMS werden nicht vergütet
- Nur Vergütung für Teilnehmende an Kursen, nicht pauschal für Kurs → Absagen und Nicht-Teilnahmen unbezahlt
- 1:1 Betreuung: nur erste Frau wird entsprechend gut vergütet, 2te und 3te Frau nur zu einem Bruchteil
- weniger Betreuung durch 1:1 Betreuung → Versorgungskrise
- vor allem im ländlichen Raum Probleme
⟶ das Gesetz hilft Hebammen nur augenscheinlich, bedroh jedoch deren Existenzen und kann zu Versorgungskrisen führen
Fazit
Der neue Hebammenhilfevertrag ab dem 1. November 2025 soll die Arbeit von Hebammen fairer vergüten und die Qualität der Geburtshilfe verbessern. In der Praxis stößt er jedoch auf deutliche Kritik: Viele Hebammen befürchten finanzielle Einbußen, mehr Arbeitsdruck und eine Verschlechterung der Versorgung, besonders in Kliniken und auf dem Land.
Um auf diese Probleme aufmerksam zu machen, wurde eine Petition auf openPetition (hier: https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-den-erhalt-einer-sicheren-individuellen-geburtshilfe-stoppt-den-neuen-hebammenhilfevertrag-2) gestartet, die Nachbesserungen am Vertrag fordert und den Erhalt einer sicheren, menschlichen Geburtshilfe in Deutschland sichern soll. Die breite Unterstützung dieser Initiative zeigt, dass die Reform zwar wichtig ist – aber noch nicht alle Bedürfnisse von Hebammen und Familien berücksichtigt.
Quellen:
[2] https://www.aok.de/gp/vertraege/hebammen/rahmenvertrag
[5] Instagram: @hebemma
[7] Instagram: @hebammesissirasche
[8] Instagram: @hebammehelen
[9] https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-den-erhalt-einer-sicheren-individuellen-geburtshilfe-stoppt-den-neuen-hebammenhilfevertrag-2