03.09.2025
#FactFriday: Male Loneliness Epidemic

Male Loneliness Epidemic
Male Loneliness Epidemic: Zwischen Leere und Wut – Warum Einsamkeit gefährlich wird
Was ist das?
Die „male loneliness epidemic“ (auf Deutsch: Einsamkeitskrise unter Männern) beschreibt ein gesellschaftliches Phänomen, bei dem Männer – besonders in westlichen Ländern – zunehmend unter Einsamkeit, sozialer Isolation und fehlenden engen Beziehungen leiden. Es handelt sich dabei nicht nur um ein individuelles Problem, sondern um eine zunehmend sichtbare soziale und psychische Gesundheitskrise.
Neben den ansteigenden psychischen Problemen, die vor allem bei jungen Männern auftreten, ist vor allem die steigende Radikalisierung und der damit verbundene Hass auf Frauen extrem problematisch.
Kernpunkte
1. Männer haben seltener enge, emotionale Freundschaften
In vielen Kulturen – besonders in westlichen Gesellschaften – pflegen Männer oft weniger enge Freundschaften als Frauen. Während Frauen in der Regel ein soziales Netz aus vertrauten Freund:innen aufbauen, sind Männer häufig auf eine einzige Bezugsperson angewiesen, meist eine Partnerin. Viele Männer haben außerdem keine Person, mit der sie offen über Gefühle oder Sorgen sprechen.
Weiterhin sind Freundschaften zwischen Männern häufig aktivitätsbezogen (z. B. Sport, Arbeit), aber selten emotional intim.
Meistens wird nur innerhalb der Partnerschaft über Emotionen gesprochen, doch wird die Partnerschaft a, bleibt häufig eine emotionale Leere zurück.
2. Psychische Gesundheit leidet – aber Männer suchen selten Hilfe
Einsamkeit kann zu ernsthaften psychischen Problemen führen, etwa zu: Depressionen, Angststörungen, Suchtverhalten (z. B. Alkohol, Drogen, exzessives Gaming). Viele Männer haben gelernt, gesellschaftliche Rollen anzunehmen und Emotionen zu unterdrücken oder nicht zu zeigen, weil sie Angst haben, als „schwach“ oder “unmännlich” zu gelten. Dadurch suchen Männer seltener therapeutische Hilfe und reden weniger über ihre Probleme, was diese Probleme aber verstärkt. In Folge ist das Suizidrisiko bei Männern deutlich höher, besonders in mittleren und älteren Altersgruppen.
Studien & Statistik
- Eine Studie des Survey Center on American Life (2024) zeigt: Nur 26 % der Männer haben sechs oder mehr enge Freunde (1990 waren es noch 55 %). 17 % der Männer gaben an, gar keine engen Freunde zu haben – eine fünffache Steigerung seit 1990
- Außerdem ergab eine Pew Research Center‑Studie 2025: Rund 16 % der Männer fühlen sich „häufig einsam“ und Männer kommunizieren deutlich seltener mit Freunden über Gefühle – etwa nur 38 % im Vergleich zu 54 % bei Frauen.
- Einsamkeit stellt dabei ebenfalls ein Risiko für die physische Gesundheit dar: UCLA Health / Psychiatry Research zeigte, Einsamkeit führt bei Männern zu einem um 10 % erhöhten Krebsrisiko und auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Sterberisiko steigen deutlich – vergleichbar mit den Risiken durch Rauchen oder Übergewicht .
- Männlichkeitsnormen & soziale Verbundenheit: Ein Scoping-Review aus 2024 untersuchte 13 Studien, die zeigen: Traditionelle Normen wie Selbstständigkeit, emotionale Kontrolle und Maskulinitätserwartungen sind direkt mit höherer Einsamkeit verbunden.
Radikalisierung & Frauenhass
In den letzten Jahren mehren sich die Hinweise darauf, dass viele junge Männer unter sozialer Isolation, Einsamkeit und Orientierungslosigkeit leiden – und dass diese Gefühle nicht selten in Wut, Radikalisierung und Frauenhass münden. Besonders in Online-Communities lässt sich beobachten, wie aus Frustration extreme Weltbilder entstehen, in denen Frauen zum Feindbild werden. Doch wie genau kommt es dazu?
Viele junge Männer wachsen heute in einer Gesellschaft auf, in der traditionelle Rollenbilder zunehmend hinterfragt werden. Das klassische Ideal des „starken, unabhängigen Mannes“ gilt heute vielen als überholt – aber es fehlt an neuen, positiv gelebten Vorstellungen von Männlichkeit. In dieser Unsicherheit sind viele Männer mit einem Problem konfrontiert, das lange tabuisiert wurde: Einsamkeit.
Studien zeigen, dass Männer deutlich weniger enge Freundschaften pflegen als Frauen. Emotionale Gespräche, Unterstützung im Alltag oder das Teilen von Sorgen sind für viele Männer selten geworden. Gleichzeitig erleben viele von ihnen Ablehnung oder Unsicherheit im Umgang mit Partnerschaft und Intimität – ein Zustand, der schmerzt, aber schwer zu thematisieren ist. Gefühle wie Ohnmacht, Frustration und Selbstzweifel bleiben häufig unausgesprochen.
In dieser Lage suchen viele junge Männer online nach Orientierung und Zugehörigkeit. In Internetforen, sozialen Medien oder Chatgruppen finden sie Gleichgesinnte – oft jedoch in problematischen, extremen Milieus. In sogenannten Red-Pill-Foren, Incel-Communities oder Männlichkeits-Coaching-Kanälen treffen sie auf ein einfaches, aber gefährliches Weltbild: Frauen seien oberflächlich, Feminismus sei schuld an ihrer Einsamkeit, und Männer müssten „zurück zur Dominanz“ finden.
Diese Gruppen bieten nicht nur Gemeinschaft, sondern auch eine einfache Erklärung für komplexe persönliche Probleme: Schuld sind nicht die eigenen Unsicherheiten oder die gesellschaftliche Veränderung – sondern Frauen und die moderne Gesellschaft.
Aus der Frustration über Einsamkeit entsteht so schnell Wut, die sich gezielt gegen Frauen richtet. Diese Wut wird online nicht nur toleriert, sondern aktiv befeuert: durch hasserfüllte Beiträge und abwertende Sprache. Die Folge: eine Radikalisierung, bei der Gewaltfantasien gegenüber Frauen, Hass auf erfolgreiche Männer und Ablehnung des gesellschaftlichen Wandels miteinander verschmelzen.
In extremen Fällen hat dies reale Auswirkungen – etwa in Form von Online-Belästigung, Hassrede, oder sogar Gewaltandrohungen und Anschlägen, wie sie in der Incel-Szene vereinzelt vorkamen.
Handlungstipps
Es gibt mehrere wirksame Ansätze, um der Radikalisierung einsamer, verunsicherter junger Männer vorzubeugen oder entgegenzuwirken. Wichtig ist: Einsamkeit, Unsicherheit und Wut dürfen nicht ignoriert, sondern müssen empathisch, aber klar aufgegriffen werden. Hier sind konkrete Handlungsempfehlungen auf persönlicher, gesellschaftlicher und politischer Ebene:
- Emotionale Bildung & neue Männlichkeitsbilder fördern: vor allem in Schulen und auf Social Media braucht es Aufklärung und positive Vorbilder.
- Aufklärung über Radikalisierung & Frauenhass: toxische Inhalte müssen erkannt werden können und es muss klar werden, wie Creator:innen von solchen Inhalten profitieren
- Gesprächsangebote & sichere Räume schaffen: Orte für Gespräche schaffen, ggf. mit Mentoren oder Gleichgesinnten, ohne Verurteilung oder Verharmlosung
- Professionelle Hilfe enttabuisieren
- Klare Haltung gegen Misogynie & Hass: in Bildung, Politik und vor allem den Sozialen Medien müssen Frauenhass und Radikalisierung benannt und gestoppt werden
Was kannst du selbst tun:
- Freund isoliert sich? Nachfragen, echtes Interesse zeigen – nicht belehren
- Jemand äußert frauenfeindliche Sätze? Ruhig konfrontieren
- Du fühlst dich selbst verloren? Hilfe suchen
Fazit
Viele junge Männer erleben heute Einsamkeit und Orientierungslosigkeit – verstärkt durch starre Rollenbilder und fehlende emotionale Nähe. Diese Leere wird in Online-Communities oft mit Wut, Frauenhass und einfachen Feindbildern gefüllt. Radikalisierung gibt scheinbar Sinn, wo Nähe fehlt – aber sie verstärkt nur Isolation und Gewalt. Was hilft, sind Zugehörigkeit, Aufklärung und neue Männlichkeitsbilder, die Nähe, Verletzlichkeit und Respekt zulassen. Denn: Einsamkeit braucht Verbindung – nicht Hass.
Einsamkeit braucht Nähe – keine Feindbilder.
Quellen:
[1] https://www.americansurveycenter.org/research/americans-relationships-friends-family-sex-marriage-2021/
[2] https://www.pewresearch.org/social-trends/2023/05/23/mens-and-womens-social-connections/
[3] https://www.uclahealth.org/news/article/the-hidden-health-risks-of-loneliness-in-men
[4] https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/15579883241304585
[5] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21896239/
[6] https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000381383
[7] https://www.bbc.co.uk/programmes/m000z4tm
[8] https://theconversation.com/how-loneliness-can-fuel-radicalisation-180168