11.09.2025
#FactFriday: Pretty Previlege

Pretty Privilege
Wer normschön ist, hat es besser? Dieses Konzept klingt nicht abwegig und wird deshalb seit etwa einem Jahr auf TikTok hoch gehandelt. Doch neu ist es auch nicht: schon seit den 70er Jahren wird sich mit "pretty privilege", also dem Privileg, schön zu sein, beschäftigt. Im heutigen #factfriday schauen wir uns genauer an, was der Begriff umfasst!
Was ist das, pretty privilege?
Das Konzept der „pretty privilege“ beschreibt das Privileg, schön zu sein. Menschen, die als attraktiv oder schön wahrgenommen werden, erfahren in verschiedenen Lebensbereichen eine besondere Behandlung. Sie werden aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes automatisch von der Gesellschaft mit positiven Eigenschaften verknüpft - das verschafft diesen Menschen Vorzüge in allerlei Kontexten.
Laut Wirtschaftspsychologe Martin Gründl ist das auf das “Beauty-is-good”-Stereotyp bzw. den Halo-Effekt zurückzuführen. Attraktive Personen sind scheinbar moralisch überlegener als jene, die weniger attraktiv erscheinen.
Wie kann sich das im Alltag äußern?
Normschöne Menschen finden oft leichter eine Wohnung und haben außerdem mehr Erfolg im Job, besagt eine Studie von Tu Min-Hsuan der Universität Buffalo. Schöne Menschen werden mit höherer Wahrscheinlichkeit eingestellt, haben eine kraftvollere Ausstrahlung und werden von Personalmanagern oft besser bewertet. Weitere Untersuchungen zeigen, dass attraktive Menschen oft bis zu 15% mehr verdienen. Konventionell schöne Menschen haben außerdem nachweislich höhere Chancen, auf Dating-Apps eine höhere Anzahl an Matches zu erzielen und leichter eine*n Partner*in zu finden.
Oft beginnt pretty privilege bereits im Kindesalter. Schon Säuglinge oder Kleinkinder, die von der Gesellschaft als schön oder ansprechend empfunden werden, erfahren nachweislich mehr Fürsorge, Aufmerksamkeit und körperliche Zuwendung als andere Kinder. Das wirkt sich auch in Kindergarten und Schule auf die Kids aus: “attraktivere” Kinder haben größere Freundeskreise, stehen öfter im Mittelpunkt. Sie haben tendenziell bessere Noten und kriegen bessere Empfehlungen für weiterführende Schulen. Es ist nachvollziehbar, dass genau diese Kinder dadurch selbstbewusster und gefestigter auftreten - Charaktereigenschaften, die wir als attraktiv empfinden und diesen Kindern Erfolg im Leben garantieren.
Pretty privilege geht Hand in Hand mit Rassismus
In Europa bzw. der westlichen Welt gilt: wer weiß ist, ist schön. Überall sehen wir auf Werbeplakaten, im Fernsehen und Social Media weiße Menschen als Schönheitsideal. Dementsprechend werden People of Colour systematisch benachteiligt und haben es unfassbar viel schwerer als weiße Menschen, pretty privilege überhaupt erst zu erreichen oder als schön wahrgenommen zu werden. Analog zu dem Halo-Effekt werden BIPOC dann gleichzeitig mit weniger positiven Eigenschaften belegt - ein Freifahrtsschein für Diskriminierung und negative Stereotype. Menschen berichten von verletzenden Kommentaren:
“Leute sagen mir zum Beispiel, wenn meine Haut heller wäre, wäre ich hübscher."
Aber auch andere Diskriminierungsformen werden bedient
- Ableismus: Menschen mit Behinderungen werden nicht als normschön betrachet.
- Alter: Ältere Menschen sind im Bezug auf Schönheit dauerhaft unterrepräsentiert.
- Bodyshaming: “Zu dünne” oder “zu dicke” Körper (auch hier die Frage, wer das definiert?) gelten nicht als schön. Menschen, die dem perfekten Körperideal nicht entsprechen, werden nie “pretty privilege” haben.
Ist pretty privilege immer ein Privileg?
Schönheit kann oft positive Erfahrungen mit sich bringen - oder aber auch kompliziert sein. Der Halo-Effekt kann sich sehr schnell umkehren, und das ist besonders anfällig für Sexismus: während normschöne Männer als kompetente Führungskräfte wahrgenommen werden, werden attraktive Frauen mit sexistischen Vorurteilen konfrontiert. Sie werden als besonders emotional und kompromissorientiert wahrgenommen, sie wären “zu weich” für eine Führungsposition. Weiter wird ihnen oft vollständig jegliche Kompetenz abgesprochen, ganz nach dem Motto “schön, aber dumm”. Auch ganz typisch: Frauen hätten ihre Erfolge nur ihrem äußeren Erscheinungsbild und der daraus resultierenden Bevorzugung zu verdanken. Damit wird normschönen Frauen auch ihre Intelligenz und Kompetenz abgesprochen. Attraktivere Frauen sind außerdem häufiger von Belästigung und Catcalling betroffen - auch ein Nachteil von pretty privilege.
Fazit
Das wichtigste zuerst: ALLE KÖRPER SIND SCHÖN! Jede*r definiert Schönheit anders und keine Definition ist weniger wert, als eine andere. Menschen empfinden unterschiedliche Dinge als schön und das dürfen sie auch. Der Druck, pretty privilege zu erreichen, ist absolut unnatürlich und für viele niemals auf gesundem Weg erreichbar. Außerdem ändern sich aktuelle Schönheitsideale sowieso alle paar Jahre. Neue Trends werden zu alten und Charakteristika, die vor Jahrzehnten wünschenswert waren, werden plötzlich wieder modern. Diese Änderungen, was unsere Gesellschaft als normschön empfindet, kann keiner belastbar vorhersagen. Also: macht euch bitte keinen Druck! Ihr seid schön so, wie ihr seid.
Quellen:
1. https://www.unipress.at/wissenschaft/pretty-privilege-wer-schoen-ist-wird-bevorzugt/ (14.08.2025)
2. https://www.20min.ch/story/es-ist-mehrfach-belegt-dass-attraktive-menschen-ueberall-vorteile-haben-621031017305 (14.08.2025)
3. https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/pretty-privilege-wie-schoen-sein-uns-im-leben-weiterhilft?x-craft-preview=10e3904583316a6e4606e7b7ec65fb750bb86d07d8296500fc46be08bc17049dxcxobsbtur (19.08.2025)
4. https://www.morgenpost.de/ratgeber/article242391578/Attraktive-Menschen-verdienen-besser-Diskrepanz-ist-enorm.html (22.08.2025)
5. https://www.fr.de/ratgeber/gesundheit/leichter-job-gehalt-beziehungen-darum-haben-es-attraktive-menschen-zr-93889217.html (27.08.2025)
6. Tu, M.H., Gilbert, E.K., Bono, J.E. (2022). Is beauty more than skin deep? Attractiveness, power and nonverbal presence in evaluations of hirability. Personnel Psychology, 75, 119-146. https://doi.org/10.1111/peps.12469 (27.08.2025)
7. https://www.welt.de/kmpkt/article256218898/Studie-zeigt-Nicht-ueberall-greift-das-Pretty-Privilege.html (27.08.2025)