03.01.2025
#FactFriday: TERFs
TERFs – Transfeindlichkeit unter dem Deckmantel des Feminismus
Für viele geht der Begriff “Feminismus” einher mit einer zwingenden Intersektionalität: die Überzeugung, dass eine Person mehrere Formen von Diskriminierung gleichzeitig erfahren kann. Intersektionaler Feminismus bezieht also auch Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe, Herkunft, finanziellen Lage etc. ein. Besonders: alle geschlechtlichen Identitäten werden inkludiert. Doch besonders innerhalb der letzten Jahre gibt es vermehrt Gegenstimmen: sogenannte TERFs, die sich der Inkludierung von Trans-Frauen in den feministischen Diskurs entgegensetzen. Was genau hat es mit diesen TERFs auf sich? Wie ist die Lage momentan in Deutschland? Und was können wir tun?
Was bedeutet „TERF“?
Der Begriff „TERF“ ist ein Kürzel für „trans-exclusionary radical feminism“ bzw. TERFs sind trans-exclusionary radical feminists. Das Wort wurde von der Autorin und Bloggerin Viv Smythe geprägt, die zu Beginn der 2000er radikalfeministische Standpunkte erforschte. Der Begriff umfasst also eine Gruppe an Menschen, die trans*Personen aus ihrer Auffassung des Feminismus ausschließen. “Radikalfeministisch” bedeutet hierbei, dass eine grundsätzliche Umwälzung des patriarchalen Systems gewünscht ist - nur eben nicht für trans*Personen.
Welche Überzeugungen haben TERFs und welche Argumente liefern sie?
Grundsätzlich sehen TERFs trans*Frauen nicht als Frauen an, sondern eher als Gegnerinnen der Befreiung von Frauen aus dem Patriarchat. Aber auch andere Geschlechtsidentitäten wie Nicht-binäre oder inter*Menschen werden von TERFs nicht als legitim wahrgenommen; für sie gibt es nur die zwei Geschlechter Mann und Frau. Auch Sexismen gegen trans*Personen u.a. weiblich gelesene Personen, die sich nicht als “Frau” identifizieren, werden von TERFs ignoriert. TERFs sind der festen Überzeugung, dass trans*Frauen Männer sind, während trans*Männer Frauen sind. Nicht-binäre sowie Inter*Menschen werden in dieser Einteilung oft vollständig ausgeschlossen oder ihre Identität als “Genderideologie” abgetan.
Für ihre Überzeugung haben TERFs mehrere Argumente, auf die sie sich immer wieder stützen:
- Trans*Menschen sowie queere und intersektionale Feminist*innen würden die Diskriminierung von cis Frauen nicht anerkennen
- Trans*Frauen leugneten, dass sie “eigentlich Männer sind”, um Zugang zu Frauenschutzräumen zu bekommen. Sie seien damit “gleichzusetzen” mit Vergewaltigern.
- Trans*Frauen könnten nicht weiblich sein, da sie männlich sozialisiert wurden, während trans*Männer automatisch “Frauen” seien, da sie weiblich sozialisiert wurden.
- Der Kampf um Rechte für trans*, inter* und nicht-binäre Menschen sei nur eine “Ideologie”, um den Begriff Frau abzuschaffen.
Gibt es berühmte TERFs?
Ja, auf jeden Fall! Sehr bekannt ist die Autorin J.K. Rowling, berühmt durch ihre Buchreihe “Harry Potter”. Doch vor allem in den letzten Jahren fiel sie immer häufiger durch Verbindungen zu transfeindlichen Menschen oder durch transfeindliche Kommentare auf. Besonders auf Social-Media-Plattformen wie X veröffentlicht sie immer wieder ihre trans*exklusive Meinung, z.B. wie hier in einem Tweet in Reaktion auf einen Kommentar:
“There are no trans kids. No child is ‘born in the wrong body’. There are only adults like you, prepared to sacrifice the health of minors to bolster your belief in an ideology [...]."
Die Kritik an J.K. Rowling ist schon länger laut und bekannt; dennoch ist sie immer noch sehr erfolgreich als Autorin und verdient sehr gut an ihren Büchern und den dazu veröffentlichten Filmen, Merch und Computerspielen.
Warum ist das transfeindlich?
TERFs berufen sich in ihrer Argumentation immer auf “den Feminismus”, sie bezeichnen sich als Feminist*innen. Mit ihrer Überzeugung sorgen sie jedoch nur noch weiter für eine Zementierung geschlechtsspezifischer Rollenbilder und Stereotype, da sie am Zweigeschlechtermodell und damit an “typisch Mann, typisch Frau” festhalten. Somit wird gekonnt ignoriert, dass Sexismus, Unterdrückung, Gewalt und Diskriminierung eben nicht nur Frauen betrifft. Gerne wird sich auch auf die “Biologie” als Denkgrundlage berufen; doch die Biologie begreift Geschlecht schon längst nicht mehr als Schwarz-Weiß-Modell, sondern als Spektrum. Die TERF-Argumentation mit “Biologie” zu begründen, ist also nur ein Vorwand, um das eigene transfeindliche Verhalten fälschlicherweise zu legitimieren. Zuletzt ist Sozialisation ein äußerst komplexer Prozess, den TERFs gern viel zu sehr vereinfachen. Indem gesagt wird, dass “die Frauen” und “die Männer” gar nicht anders könnten, als ihren anerzogenen Verhaltensmustern zu folgen, sprechen sie ALLEN auch den eigenen Einfluss auf ihre Entwicklung ab.
Wie ist die Lage in Deutschland?
Auch in Deutschland wird die Debatte um trans* und nicht-binäre Menschen täglich geführt. Besonders stark wurde in den vergangenen Monaten das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz diskutiert: als dringend nötige Überarbeitung des teils verfassungswidrigen “Transsexuellengesetzes” von 1980 ermöglicht es ab dem 1. November 2024, amtliche Namens- und Geschlechtseinträge leichter ändern zu lassen. Zuvor waren dafür ein Gutachten eines Sachverständigen, neun Monate Wartezeit und hohe Geldbeträge nötig. Doch nicht alle begrüßten diese Änderung. Wie vielleicht schon bemerkt, bedienen sich TERFs feministischer Konzepte und Rhetorik, decken sich jedoch in ihrer Überzeugung mit Argumenten und Begriffen einer breiten konservativen, rechtskonservativen, rechtsextremen und antifeministischen Bewegung.
Auch in Deutschland haben rechte und konservative Parteien bzw. deren Anhänger vehement gegen das Selbstbestimmungsgesetz protestiert. Politiker*innen argumentierten zum Beispiel, dass damit das Kindeswohl gefährdet sei, da man Kinder und Jugendliche zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen ermutigen würde. Außerdem würde die Meinung der Eltern nicht berücksichtigt werden. Andere Politiker*innen, zum Beispiel Beatrix von Storch, beleidigen trans*Menschen in ihren Reden sogar direkt und bezeichnen das Selbstbestimmungsgesetz als “Symbiose von Nordkorea und Gender-Gaga.” Auch Sahra Wagenknecht hält das Selbstbestimmungsgesetz für “frauenfeindlich”. Viele der genannten Argumente wurden jedoch bereits widerlegt: Keineswegs sieht das Gesetz zur Namensänderung eine Vereinfachung der geschlechtsangleichenden Maßnahmen im medizinischen Kontext vor. Außerdem benötigen Kinder sowieso die Erklärung bzw. Zustimmung der Sorgeberechtigten, sollten sie eine Änderung wünschen. Fakt ist: das Gesetz hilft einigen Menschen sehr, für die Mehrheit ist es absolut irrelevant.
Wie können wir mit TERFs umgehen?
Konsequenterweise sollten wir aufhören, TERFs als feministische Aktivist*innen zu bezeichnen - denn Transfeindlichkeit ist nicht kompatibel mit progressivem feministischen Gedankengut. Auch ist es wichtig zu betonen, dass wir alle in unserem Alltag mit transfeindlichen Aussagen und Verhaltensweisen in Kontakt kommen, und reproduzieren diese sogar manchmal. Das macht uns noch nicht zu TERFs, die Transfeindlichkeit bewusst als Waffe einsetzen - doch wir sollten uns stets selbst hinterfragen und reflektieren. Schlussendlich müssen wir als Feminist*innen zusammenarbeiten! Denn wir haben ein gemeinsames Ziel: den Abbau von Diskriminierung und Gewalt. Das muss aber auch für alle gelten, die von patriarchaler Gewalt betroffen sind - also auch trans*Menschen. Auch einander zuhören hat noch nie geschadet. Es ist möglich, die eigene Diskriminierung sichtbar zu machen und gleichzeitig anzuerkennen, dass andere auch und anders/zusätzlich diskriminiert werden. Das ändert nichts an der eigenen Lebensrealität.
Quellen:
1. https://www.bundesverband-trans.de/wp-content/uploads/2024/04/BVT-Kurzbroschuere-TERFs_web.pdf (06.12.2024)
2. https://www.gwi-boell.de/de/2021/03/31/terfs-falsche-freundinnen-feminismus-fuer-privilegierte-frauen (06.12.2024)
3. https://missy-magazine.de/blog/2016/12/01/was-ist-denn-swerf-und-terf/ (06.12.2024)
4. https://www.thelist.com/668617/what-is-a-terf-and-how-can-you-spot-one/ (06.12.2024)
5. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/queerpolitik-und-geschlechtliche-vielfalt/gesetz-ueber-die-selbstbestimmung-in-bezug-auf-den-geschlechtseintrag-sbgg--199332 (06.12.2024)
6. https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/555990/1-november-selbstbestimmungsgesetz-tritt-in-kraft/ (06.12.2024)
7. https://www.sueddeutsche.de/politik/selbstbestimmungsgesetz-paus-buschmann-kritik-diskriminierung-gefaehrlich-1.6304066 (06.12.2024)
8. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw48-pa-familie-selbstbestimmungsgesetz-978748 (06.12.2024)