12.07.2024
#factFriday: Mikrofeminismus
Mikrofeminismus
Was ist das überhaupt?
Mikrofeminismus [engl. micro feminism]: Eine Bewegung, ein Trend, bei dem kleine, alltägliche feministische Gesten gegen das Patriarchat rebellieren und Schritt für Schritt für mehr Gleichberechtigung sorgen.
Da sich große, feministische Ziele wie Überwindung des Gender Pay Gap, des Care Gap und des Health Gap schwer – allein – umsetzen lassen, haben Frauen weltweilt kleine, persönliche Methoden entwickelt, um ihre Umwelt gerechter, sicherer und feministischer zu machen.
Urpsrung
Woher kommt der Begriff?
Die Mikrofeminismus-Bewegung startete als Trend in den Sozialen Medien. Besonders bemerkenswert ist diese Entwicklung, welche auch schon durch die „Mann oder Bär?“ Frage (über die FUN berichtete) vorangetrieben wurde, da sich neben scheinbaren belanglosen Trends Social Media User auch vermehrt mit politischen und feministischen Themen auseinandersetzen und ihre Reichweite nutzen, um auf Probleme und Missstände aufmerksam zu machen. „Microfeminism“ wurde durch die Creatorin Ashley Chaney auf TikTok etabliert. Sie berichtete davon, wie sie in geschäftlichen Mails oftmals weibliche Personen, die in ihrer Erfahrung meist Assistenzposten beziehen, vor den meist männlichen Chefs anspricht. In der Kommentarspalte finden sich darauf viele weitere Beispiele ein.
Dabei wird der Charakter der Mikrofeminismusbewegung besonders deutlich: kleine alltgägliche Gesten, die mit patriarchalischen Gewohnheiten brechen. Unter #Mikrofeminismus (oder #Microfeminism) lässt sich ein ganzes Reservoir solcher Ideen finden.
Was sind weitere Mikrofeminism-Aktionen?
Eine Schulsekretärin berichtete, dass sie bei finanziellen Anfragen immer die Mutter des Kindes kontaktiert, während sie sich bei gesundheitlichen oder krankheitsbedingten Problemen an den Vater wendet. Somit versucht sie, bestehenden Rollenklischees entgegenzuwirken. Besonders bei der Kindererziehung ist der Unterschied zwischen dem Anteil der aufgewendeten Zeit noch immer groß: Frauen tragen noch immer die Hauptlast der Kindererziehung: ohne Kinder arbeiten 63% der Frauen und 93% der Männer in Paaren, wenn Kinder dabei sind nur noch 29% der Frauen, jedoch weiterhin 94% der Männer.
To Do-List
Was könnt ihr machen?
Ihr wollt euch auch im Mikrofeminismus versuchen? Hier sind einige Ideen, die ihr gern selbst versuchen könnt:
- Männern auf dem Gehweg nicht selbstverständlich aus dem Weg gehen
- Bei Sportereignissen von der „Männer-Fußball EM“ oder dem „Männer-Handball“ sprechen. Der Begriff „Frauen-Fußball“ ist komplett normalisiert und unterstreicht das patriarchalische Problem, welches Simone de Beauvoir in ihrem Werk „Das andere Geschlecht“ thematisiert: Männer sind der „Normalzustand“ und Frauen nur, das zweite, das andere Geschlecht. Mit solchen kleinen sprachlichen Taktiken kann man darauf aufmerksam machen, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind und nicht Männer der „Ausgangszustand“.
- Wenn jemand von Arztterminen etc. berichtet, nachfragen, was SIE gesagt hat – und nicht direkt davon ausgehen, dass es sich um einen Arzt handelt.
- Menschen darauf ansprechen, wenn sie dich beim Sprechen unterbrechen
Unwichtig?
Die Welt hat größere Probleme
Natürlich gibt es „wichtigere“ Dinge in der Welt. In kaum einem Land sind Frauen und Männer gleichgestellt, viele Frauen werden im Kindesalter verheiratet, als Objekte behandelte, vergewaltigt oder misshandeltet oder erleiden Femizide. Dennoch thematisiert Mikrofeminismus Bereiche, die immer noch die Unterdrückung der Frauen deutlich machen. Und vor allem gibt und diese Bewegung Macht. Macht, einen kleinen Bereich zu verändern und vielleicht das Denkmuster eines einzelnen Menschen zu erreichen. Wer sich für Frauenrechte weltweit einsetzt, tut etwas Gutes und Wichtiges. Doch auch kleine, alltägliche Aktionen wie der Mikrofeminismus können Schritt für Schritt zur Gleichstellung beitragen.
Wichtig!
Warum ist es dann wichtig?
Viele Feministen und Feministinnen, aber auch Experten und Expertinnen auf dem Gebiet der Sozialwissenschaften sehen großes Potential im Mikrofeminismus. Die Sozialforscherin Bettina Kohlrausch sieht großes Potenzial in den Veränderungen in Sprache und Verhalten, die durch den Mikrofeminismus herbeigeführt werden, jedoch lassen sich durch kleine Gesten eben keine großen Probleme wie Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern behandeln.
- Das System hinterfragen: Jedes Mal, wenn auf Ungerechtigkeit durch subtile oder weniger subtile Gesten hingewiesen wird, kommen wir der Gleichstellung näher. Mitmenschen werden sich auch in anderen Situationen fragen, wie man sich besser verhält.
- Nachahmeffekt: Solches Verhalten lädt als gutes Beispiel zum Nachahmen ein – und wenn man nicht gewillt ist, dann zumindest zum Nachdenken. Wenn viele Menschen mikrofeministisches Verhalten an den Tag legen, wird es normalisiert – womit wir einer gleichen Gesellschaft näher kommen.
- Machtlosigkeit überwinden: Anstatt in unangenehmen, klischeehaften Momenten gelähmt zu sein und diese herunterzuschlucken, sollten sie aufgezeigt werden, was dir mehr Handlungsspielraum und Macht über die jeweilige Situation gibt.
Und deshalb macht es doch einen großen Unterschied, kleine Veränderungen im Alltag zu integrieren. Es darf nicht vergessen werden: es geht hier um uns alle – um alle Frauen und deren Rechte.
Quellen:
[1] https://www.glamour.de/artikel/mikrofeminismus-einfach-erklaert
[2] HBS Erwerbspersonenbefragung 2021
[3] https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/mikrofeminismus-mit-kleinen-gesten-fuer-mehr-gleichberechtigung-sorgen
[4] https://www.theworkingwoman.de/mikrofeminismus/
[5] https://www.tiktok.com/@iamashleychaney/video/7350480639679925547