Dr.-Ing. Torben Stefani - Thesen zur Dissertation
"Zur Konkretisierung der Privatnützigkeit von Bodenordnungsverfahren"
- Bei der Umlegung und bei der Flurbereinigung findet ein Entzug von Eigentum mit dem Zweck statt, einen Ausgleich privater Interessen herbeizuführen. Eine Konsequenz des Entzugs aus Sicht der betroffenen Eigentümer ist der Verlust des konkreten Bestandes in der Hand des einzelnen, die Bestandsgarantie wird also überwunden.
- Beim Eigentumsentzug im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung hat der Ausgleich privater Interessen primär in der horizontalen (privaten) Ebene, also im Bürger-Bürger-Verhältnis, stattzufinden. Damit dies zutrifft, darf die Bodenordnungsmaßnahme lediglich die Neuordnung Eigentums- und nicht der Eigentümerverhältnisse herbeiführen. Eine Durchbrechung der Eigentumsordnung ist der Enteignung zuzuordnen.
- Laut BVerfG ist das Eigentum gekennzeichnet durch Privatnützigkeit – private Initiative und privates Interesse – und grundsätzliche Verfligungsbefugnis. Die Umlegung soll die verfassungsrechtlich gewährleistete Baubefugnis konkretisieren. Daß die Umlegung privatnützig sein muß, wie es in der Rechtsprechung des BGH und des BVerwG sowie im Schrifttum heißt, erwähnt das BVerfG jedoch mit keinem Wort. Daher war die Privatnützigkeit im Zusammenhang mit Bodenordnungsverfahren zu konkretisieren.
- Anhand fachfremder Rechtsprechung läßt sich zeigen, daß die höchsten Gerichte (BVerfG, BGH, BVerwG) die Begriffe ,privatnützig' und ,fremdnützig' als sich gegenseitig ausschließende Antonyme verstehen. Des weiteren können beiden Begriffen umschreibende Inhalte zugeordnet werden. So ist der Tatbestand der ,Privatnützigkeit' insbesondere dann erfüllt, wenn der Betroffene eine eigene Wertschöpfung betreiben kann und eine bestimmte Nutzung in eigener Person umsetzen kann. Dies kann eine vorher ergangene Erweiterung von Nutzungsmöglichkeiten inkludieren. Fremdnützigkeit hingegen heißt staatliche Wertschöpfung und Umsetzung der Nutzung durch den Staat. Für den betroffenen Eigentümer kann das Resultat auch die Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeiten heißen.
- Fokussiert man die ,Privat-' oder ,Fremdnützigkeit' auf Grundstückseigentum, darf die Betrachtung nicht gebietsbezogen, sondern muß grundstücksbezogen erfolgen. Denn auch wenn Planungen oder die Einleitung von Bodenordnungsmaßnahmen für ein ganzes Gebiet erfolgen, wird das Eigentum nach Art. 14 GG einzelfallbezogen gewährleistet. Zudem behandelt das BauGB die Verwirklichung der Bebauungspläne und deren Auswirkungen ebenfalls im Grundstückskontext selbst.
- Da die Umlegung die verfassungsrechtlich gewährleistete Baubefugnis konkretisieren, die plangemäße bauliche Nutzung also erst ermöglichen soll, und das BVerfG mit dem Eigentum Privater die private Initiative und das private Interesse des jeweiligen Eigentümers verbindet, sind an die Planungsgrundlage bestimmte Anforderungen zu stellen. Sie muß aus objektiver Hinsicht durch Private umsetzbar sein und dem Eigentümer eine eigene Wertschöpfung zufließen. Diese Wertschöpfung kann sich sowohl aus der Eigennutzung als auch aus der Vermietung, Verpachtung oder der Einräumung eines Erbbaurechts ergeben. Damit hat die Planung ,privatnützig' zu sein, damit deren Umsetzung im Rahmen eines Bodenordnungsverfahrens, das den Ausgleich privater Interessen herbeiführt, vorbereitet werden kann.
- Würde die Planungsebene ausgeblendet und der Aspekt der Privatnützigkeit lediglich auf das Ergebnis der Bodenordnungsmaßnahme – also, daß die Umlegung privatnützig sein muß – bezogen, könnte jegliche Bodenordnungsaufgabe über die Umlegung mit dem Argument gelöst werden, daß die Grundstücke nach Abschluß der Neuordnung in ihrer Nutzbarkeit weniger eingeschränkt als vorher seien. Dies würde letztlich sogar die Enteignung überflüssig erscheinen lassen und wäre zudem grober Verstoß gegen die Eigentumsdogmatik des BVerfG. Denn das Gericht ordnet ein Bodenordnungsinstrument anhand des Entzugszwecks selbst und nicht
über dessen Auswirkung auf das Eigentum in Art. 14 GG ein. - Sind sich die Eigentümer über die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse einig, so ist die Bodenordnung entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip in einem freiwilligen Verfahren zu erledigen.
Ein hoheitliches Verfahren ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Hinweis erfolgt, daß auf diese Weise die Grunderwerbsteuer gespart werden könne und sich diese Ersparnis aus Sicht der privaten Eigentümer privatnützig auswirke. - Damit eine Bodenordnungsaufgabe im Rahmen des Ausgleichs privater Interessen gelöst werden kann, müssen die betroffenen Grundstücke in einem Interessenverbund liegen, bei dem die Beteiligten untrennbar miteinander verbunden sind. Die gegenläufigen Interessen dürfen nicht (eher) zufällig miteinander kollidieren, d.h. also, daß die Interessengemeinschaft nicht willkürlicher Natur sein darf. Diese Problemlage dürfte regelmäßig dort auftreten, wo sich eine Planung in voneinander räumlich getrennte Teilbreiehe aufspaltet und die Flächen des einen Teilbereichs für die Umsetzung der Planung im anderen benötigt werden. Ein häufiges Beispiel dafür ist die Ausweisung naturschutzrechtlicher Ausgleichs- und Ersatzflächen an einem anderen Ort als dem Eingriff in Natur und Landschaft.
- Ist die Eigentümerstruktur nicht konform mit der geplanten Nutzungsstruktur, läßt sich die Bodenordnungsaufgabe in der Regel nicht über den Ausgleich privater Interessen lösen. Dieser Fall kann insbesondere dann eintreffen, wenn die Planung deutlich weniger privatnützige Grundstücke vorsieht als Eigentümer im Plangebiet liegen. Die Bodenordnungsmaßnahme würde die Verdrängung einer beträchtlichen Eigentümerzahl aus dem Gebiet zur Folge haben, also zu einer (zumindest teilweisen) Neuordnung der Eigentümerverhältnisse führen. Und genau dies ist im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung unzulässig.
- Erschließungsflächen im Plangebiet, die für die Planungsumsetzung benötigt werden, sind privatnützig, auch wenn sie aus Sicht der unmittelbar betroffenen Flächen zunächst einmal fremdnützig sind. Doch durch die Durchführung einer Bodenordnungsmaßnahme für den Ausgleich privater Interessen bekommen auch diese Eigentümer privatnützige Grundstücke zugeteilt. Damit sind diese Erschließungsflächen Bestandteil des privaten Interessenausgleichs.
Die Bodenordnungsaufgabe hinsichtlich der Erschließungsflächen ist ausschließlich im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung lösbar, selbst dann, wenn die Bereitstellung dieser Flächen der einzige Zweck der Bodenordnung ist. - Liegt eine fremdnützige Planung inmitten einer ansonsten privatnützigen, läßt sich die erforderliche Enteignung eingebettet in eine Inhalts- und Schrankenbestimmung durchführen, wenn dieser Flächenerwerb nicht der Hauptzweck und -anlaß der Bodenordnungsmaßnahme ist. Der Erwerb geschieht entweder über§ 55 V BauGB oder§ 40 FlurbG.
- Nach der Untersuchung der Planungsgrundlage auf ihre Privat- oder Fremdnützigkeit ist die Betrachtung weiter auf die Bodenordnung selbst einzuengen, also auch das Topos des ,Ausgleichs privater Interessen' zu beachten. Da der Interessenausgleich in der horizontalen Ebene (Bürger-Bürger-Verhältnis) stattzufinden hat, haben die Eigentümer das Recht, sich gegen den Eigentumsentzug im Rahmen der Bodenordnungsmaßnahme zu wehren. Wehrt sich über die Hälfte der betroffenen Eigentümer gegen den Einleitungsbeschluß der Bodenordnungsmaßnahme, wäre die Bodenordnungsaufgabe nicht über ein Instrument, das den Ausgleich privater Interessen herbeiführen soll, lösbar.