Modul 2 - Physikalische Grundlagen - Die Elektromagnetische Strahlung - Ausbreitung elektromagnetischer Wellen
Während sich elektromagnetische Wellen im Vakuum ungehindert ausbreiten können, werden sie von gasförmigen, flüssigen und festen Materiebausteinen beeinflusst. Dadurch ändern sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit und -richtung, die Strahlung kann aber auch reflektiert oder absorbiert werden. Diesen materialspezifischen Wechselwirkungen ist es zu verdanken, dass mit Hilfe der Fernerkundung Informationen über entfernte Objekte gewonnen werden können. Im Folgenden werden die Brechung und Absorption, die Reflexion sowie die Wechselwirkungen in der Atmosphäre behandelt.
Brechung und Absorption
Elektrisch geladene Teilchen der Materie, vor allem Elektronen, verursachen eine Brechung der elektromagnetischen Strahlung und ändern infolgedessen deren Ausbreitungsgeschwindigkeit und Ausbreitungsrichtung. Das Verhältnis der Lichtgeschwindigkeit c [km/s] im Vakuum zur Geschwindigkeit v [km/s] der Strahlung in einem Stoff heißt Brechungsindex n [ ] des Stoffes und wird durch die Gleichung:
n = c / v,
beschrieben. Der Brechungsindex hängt von den elektrischen Eigenschaften des Stoffes ab, welche durch seine relative Dielektrizitätskonstante genauer charakterisiert werden. Die Dielektrizitätskonstante ist der Faktor, um den sich ein elektrisches Feld durch die Anwesenheit eines nicht leitenden Stoffes (Isolator) verringert. Beide (n, εr) sind von der Frequenz der Strahlung abhängig. Diese Frequenzabhängigkeit des Brechungsindex' wird Dispersion genannt. Zwischen n und εr gilt die Maxwell'sche Beziehung:
n = sqrt(εr)
Strahlung kann beim Durchgang durch Materie auch absorbiert werden. Die Strahlungsenergie wird dabei in Wärme umgewandelt. Der Absorptionskoeffizient µ [m-1] ist stoffabhängig, verschiedene Stoffe absorbieren also unterschiedliche Frequenzen . Bekannt ist diese Stoff- und Frequenzabhängigkeit aus so genannten Absorptionsspektren, beispielsweise von Sternen, mit deren Hilfe Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung der Sterne gezogen werden können.
Reflexion
Elektromagnetische Strahlung muss Objekte nicht unbedingt durchdringen oder von ihnen absorbiert werden, sie kann an ihnen auch reflektiert werden. Die Reflexion ist von mehreren Parametern abhängig, von der Oberfläche der Objekte und deren Lage in bezug auf die einfallende Strahlung, von den spektralen Merkmalen (Farbe im sichtbaren Bereich) der Objekte sowie von der Art der Beleuchtung, ob sich ein Objekt innerhalb direkter Bestrahlung oder ob es sich im Schatten befindet. Generell gilt, die reflektierte Strahlungsenergie ist gleich der einfallenden Strahlungsenergie minus der Summe der absorbierten und transmittierten Energie.
ρ(λ) | = | 1 - ( α(λ) + τ(λ) ) |
ρ(λ) | ... | spektraler Reflexionsgrad |
α(λ) | ... | spektraler Absorbtionsgrad |
τ(λ) | ... | spektraler Transmissionsgrad |
Gerichtete und diffuse Reflexion an der Geländeoberfläche
Je nach Richtungsverteilung der reflektierten Strahlung wird zwischen gerichteter und diffuser Reflexion unterschieden. Gerichtete Reflexion tritt dabei immer an glatten Oberflächen auf. Wird ein Stoff allerdings von Strahlung durchdrungen und trifft diese in ihm auf eingeschlossene Partikel, so tritt an diesen, wie auch an rauen Oberflächen, eine diffuse Reflexion auf.
Die Abbildungen 2-4 und 2-5 verdeutlichen die verschiedenen Reflexionsarten
Ob eine Oberfläche für eine Strahlung als rau anzusehen ist oder nicht, hängt von der Wellenlänge und dem Einfallswinkel der Strahlung ab. Für sichtbares Licht kann von allen natürlichen Oberflächen nur eine Wasseroberfläche als glatt bezeichnet werden, wohingegen für Mikrowellen mit ihrer großen Wellenlänge selbst Sand und Schotterflächen spiegelglatt sind . An der normalen Erdoberfläche tritt demzufolge für Lichtwellen stets eine diffuse Reflexion auf.
Die Fernerkundung arbeitet also hauptsächlich mit diffuser Reflexion. Sie wird von den Materialeigenschaften, der oberflächigen und inneren Struktur der reflektierenden Objekte bestimmt.
Die Rückstrahlfähigkeit im sichtbaren Bereich wird als Albedo bezeichnet, wobei Albedo das Verhältnis der reflektierten zur absorbierten Strahlung angibt. Objekte, die alle sichtbare Strahlung reflektieren, erscheinen weiß und haben folglich eine hohe Albedo, während schwarz erscheinende Objekte Strahlung stark absorbieren, also eine niedrige Albedo aufweisen.
Warum sehen wir eigentlich Gegenstände in Farbe, obwohl doch die Gesamtheit des Lichts weiß, d.h. farblos, ist? Licht wird teilweise reflektiert bzw. absorbiert. Der reflektierte und somit sichtbare Teil ist dabei komplementär zum absorbierten Teil. Ein Pflanzenblatt erscheint deshalb grün, weil die Wellenlängen des roten Bereichs absorbiert, die Wellenlängen des grünen Bereichs jedoch reflektiert werden.
Diese Eigenschaften treten nicht nur im sichtbaren, sondern auch im infraroten Bereich auf. Gesunde grüne Pflanzen reflektieren beispielsweise infrarotes Licht, wohingegen bereits erkrankte, aber immer noch grüne, Pflanzen das Infrarot absorbieren. Mit Hilfe von Aufnahmen im Infrarotbereich sind also Vegetationsschäden schon frühzeitig zu erkennen.
Wechselwirkungen in der Atmosphäre
Auf ihrem Weg zur Geländeoberfläche und zurück zum Sensor muss die elektromagnetische Strahlung verschiedene Bereiche der Atmosphäre zwei mal durchdringen. Sie wird dabei stark gestreut.
Dies geschieht durch kleine feste oder gasförmige Partikel (Stickstoff, Sauerstoff und diverse Edelgase), die in der Atmosphäre vorkommen. Die Streuung in der Atmosphäre ist von großer Bedeutung für die Beleuchtungsverhältnisse auf der Erdoberfläche und damit auch für die Fernerkundung. Ohne sie wäre der Himmel so schwarz wie während einer klaren Nacht und die Sonne würde sich von ihm extrem hell und scharf abheben.
Es wird zwischen zwei verschiedenen Arten der Streuung unterschieden, der selektiven und der nicht-selektiven Streuung.
Die selektive Streuung wird durch Teilchen (Gasmoleküle, Dunst- und Rauchpartikel), deren Durchmesser kleiner oder gleich der Wellenlänge der Strahlung ist, hervorgerufen. Diese diffuse Himmelsstrahlung hat ihr Maximum im kurzwelligen, also im ultravioletten und blauen, Bereich. Aufgrund dieser Eigenschaft erscheint uns unserer Himmel blau. Mit zunehmender Trübung der Atmosphäre durch Dunst, Staub und Wasserdampf nimmt die nicht-selektive Streuung und damit die Intensität der Himmelsstrahlung zu. Der Relativanteil der kurzwelligen Strahlung wird in dieser Phase jedoch geringer (grau-weißliche Himmelsfarbe).
Die nicht-selektive Streuung wird durch Staub, Nebel oder Wolken hervorgerufen. Da diese Partikel bis zu 10-mal größer als die Wellenlänge sind, wird die gesamte Strahlung gestreut (Transmissionsgrad τ = 0), weshalb Wolken und Nebel weiß erscheinen.
Während einer Aufnahme registriert ein Sensor folglich eine Summe verschiedener Strahlungen. Zum einen wird ein Teil der Sonnenstrahlung absorbiert und gestreut. Der restliche Teil erreicht die Geländeoberfläche als direkte Sonnenstrahlung. Die durch die Atmosphäre gestreute Strahlung pflanzt sich teilweise nach unten in Richtung Geländeoberfläche (Himmelsstrahlung), teilweise aber auch nach oben in Richtung Sensor fort. Dies wird als Luftlicht bezeichnet, es überlagert die von der Geländeoberfläche reflektierte Strahlung und ruft eine Kontrastminderung der Fernerkundungsbilder hervor. Auf Abb. 2-6 ist zu erkennen, dass gerade die Streuung durch die Atmosphäre einen großen Einfluss auf die Qualität eines Luftbildes hat.
Auf eine Geländeoberfläche fallen demnach immer zwei Arten von Strahlung, nämlich die trotz Absorption und Streuung verbleibende direkte (gerichtete) Sonnenstrahlung und die indirekte (diffuse) Himmelsstrahlung. Diese Strahlungsarten werden in Abbildung 2-7 veranschaulicht. Ihre Summe wird Globalstrahlung genannt. Die Globalstrahlung beleuchtet also das Objekt, welches wiederum Wechselwirkungen auslöst und bestimmte Anteile der Strahlung reflektiert. Auf dem Weg zum Sensor wird diese reflektierte Strahlung erneut gestreut, absorbiert und gebrochen. Nur ein reduzierter Anteil der ursprünglichen Strahlung erreicht als direkt reflektierte Strahlung den Sensor. Dieser Strahlungsanteil ist meist kontrastärmer und etwas blaustichig.
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