Entwicklung eines hybriden Steuerungssystems zur rechnergestützten Prozessführung von Abwasserreinigungsanlagen - Projektphase II
Projektphase II: Leittechnische Implementierung und praktische Erprobung des Steuerungssystems in zwei Großkläranlagen
Abschlussbericht der Untersuchungen für die Erstellung und Kalibrierung eines Simulationsmodells der Kläranlage Halle-Nord und der Kläranlage Hamm-West
Förderkennzeichen | 02 WA 0076 |
Finanzierung | Bundesministerium für Bildung und Forschung |
Bearbeitungszeitraum | 2000 - 2003 |
Projektleitung | Dr.-Ing. E. Böhm, Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (Gesamtprojekt) |
Prof. Dr.-Ing. habil Klaus Lützner (Arbeitsteil TU Dresden) | |
Projektbearbeitung TU Dresden |
Dr.-Ing. Volker Kühn |
Kooperationspartner | Fraunhofer-Institut für Informations- und Datenverarbeitung - Außenstelle für Prozesssteuerung, Dresden |
Dr.-Ing. Gerhard Billerbeck Dipl.-Ing. Andreas Jacobs Dr.-Ing. Lutz Klinsmann Dipl.-Ing. Peter Toth |
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Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung, Karlsruhe | |
Dr.-Ing. Eberhard Böhm Dipl.-Ing. Thomas Hillenbrand Dipl.-Ing. Cristiane Schmid |
Kläranlage Hamm-West
Im Rahmen des BMBF-Projektes war es Aufgabe der TUD, ein dynamisches Simulationsmodell der Kläranlage Hamm-West zu erstellen, mit dem die Entwicklung des adaptiven Mehrgrößenreglers für die Anlage durchgeführt wurde. Grundlage für die Nachbildung der biologischen Prozesse in der Belebungsstufe ist das "Activated Sludge Model No. 1" (Henze et al., 1987). Für die Anwendung eines solchen Modells ist es erforderlich, die notwenigen Parameter zu ermitteln sowie die Fraktionierung des KA-Zulaufes durchzuführen. Dies ist nur mit aufwendigen Messungen möglich. Es hat sich aber gezeigt, dass bei Verwendung von Standardparametern und -fraktionierungen gute Übereinstimmungen zwischen Messwerten und Simulation erzielt werden können, wenn das Abwasser einen weitgehend kommunalen Charakter hat und die Einflüsse durch industrielle Einleiter vernachlässigbar sind. Deshalb wurde für die KA Hamm-West der Standardparametersatz nach Bornemann et al. (1998) genutzt und im Rahmen der Kalibrierung an die speziellen Verhältnisse angepasst. Daneben wurde ein Arbeitsbericht der ATV (1997) zum Vorgehen bei der dynamischen Simulation von Kläranlagen herangezogen. Nach Sichtung und Auswertung der Betriebs- und Anlagendaten wurde im Programmsystem MATLAB/Simulink® mit der Bibliothek SIMBA® ein Simulationsmodell der gesamten KA Hamm-West erstellt.
Die Datenbasis für die Simulation wurde durch ein Intensivmessprogramm mit einem Messwagen des Projektpartners Emschergenossenschaft/Lippeverband (EGLV) ermittelt. Neben dem Zulauf zum Belebungsbecken wurden verschiedene Ablaufparameter sowie Parameter in einzelnen Beckenstufen über einen Zeitraum von ca. 180 Tagen gemessen.
Die generelle Vorgehensweise einer dynamischen Simulation der biologischen Prozesse in den Belebungsbecken einer Kläranlage gliedert sich wie folgt:
- Analyse der Anlagenstruktur und aller beteiligten Stoffströme und Aufbau des Anlagenmodells
- Intensivmessprogramm mit Zu- und Ablauffrachten sowie evtl. weiteren Parametern (1-2 Wochen)
- Kalibrierung des Anlagenmodells auf die Intensivmessdaten
- Nach einigen Schlammaltern nochmaliges Intensivmessprogramm
- Verifizierung des kalibrierten Anlagenmodells mit den neuen Daten
- Nachweis der Schlamm bildenden Modellparameter mittels Langzeitsimulation
Im vorliegenden Fall wurde auf Grund der dichten Datenbasis durch die günstigen Voraussetzungen mit Hilfe des Messwagens eine andere Vorgehensweise gewählt. Der gesamte Zeitraum des Intensivmessprogramms wurde als Kombination von Kalibrierung/Verifizierung und Langzeitsimulation simuliert. Durch die hoch aufgelöste Datenbasis lässt sich ein Modellabgleich sehr gut für einen weiten Temperaturbereich der Zulaufbedingungen durchführen.
Die dynamische Simulation der Kläranlage Hamm-West als Ausgangspunkt für den Entwurf des adaptiven Mehrgrößenreglers wurde beschrieben und der Modellabgleich dargestellt. Durch Fehler in der ÜSS-Mengenmessung konnten die Werte nicht als Prüfgrößen angewendet werden. Durch die umfangreiche Datenbasis über einen langen Zeitraum erhöht sich die Aussagekraft des Modellabgleichs bezüglich der Qualität des Abgleichs. Die Dynamik und die Absolutwerte der Konzentration der Stickstoffverbindungen konnten sehr gut nachgebildet werden. Die Dynamik im Schlammhaushalt der Anlage wurde durch die verwendeten Teilmodelle sehr genau erfasst.
Mit den vorgestellten Szenarien zur Anlagenoptimierung wurde gezeigt, dass in der Anlage Potenzial besteht, Energiekosten zu sparen bzw. die Ablaufkonzentrationen weiter zu senken. Für weitergehende Untersuchungen eignet sich die dynamische Simulation als Werkzeug sehr gut, gerade weil für diese Anlage ein kalibriertes Modell vorliegt.
Kläranlage Halle Nord
Eine weitere Hauptaufgabe bestand in der Implementierung eines dynamischen Simulationsmodells zur Abbildung der biologischen und verfahrenstechnischen Vorgänge auf der Kläranlage Halle. Die Aufgabenstellung bestand weiterhin in der detaillierten Aufarbeitung des vorhandenen Datenmaterials sowie einer weieren Datenverdichtung durch Messungen und Analysen an der betreffenden Abwasserreinigungsanlage. Auf dieser Basis wurde das Modell kalibriert und die modelltechnische Abbildung der Gesamtanlage vorgenommen.
Grundlage für die Nachbildung der biologischen Prozesse in der Belebungsstufe ist das "Activated Sludge Model No. 1" (Henze et al., 1987). Für die Anwendung eines solchen Modells ist es erforderlich, die notwenigen kinetischen und stoffspezifischen Parameter der Behandlungsstufen sowie die stoffliche Fraktionierung des KA-Zulaufes auf Basis aufwendiger Mess- und Analysenprogramme zu ermitteln.. Es hat sich gezeigt (nach Bornemann et al., 1998), dass bei Verwendung von Standardparametern und -fraktionierungen gute Übereinstimmungen zwischen Messwerten und Simulation erzielt werden können, wenn das Abwasser einen weitgehend kommunalen Charakter hat und die Einflüsse durch industrielle Einleiter vernachlässigbar sind. Deshalb wurde für die KA Halle-Nord der Standardparametersatz nach Bornemann et al. (1998) genutzt und im Rahmen der Kalibrierung an die speziellen Verhältnisse in Halle angepasst. Daneben wurde ein Arbeitsbericht der ATV (1997) zum Vorgehen bei der dynamischen Simulation von Kläranlagen herangezogen.
Nach Sichtung und Auswertung der Betriebs- und Anlagendaten wurde in Zusammenarbeit mit dem IVI im Programmsystem MATLAB/Simulink® mit der Bibliothek SIMBA® ein Simulationsmodell der gesamten KA Halle-Nord erstellt. Aufgrund der Anlagenstruktur wurden je eine Strasse und ein Nachklärbecken aus Rechenzeitgründen abgebildet und die Abwasserströme entsprechend angepasst.
Am 11. und 12.12.2000 wurde durch den AN ein Intensivmessprogramm in Zusammenarbeit mit dem Betriebspersonal der KA Halle-Nord durchgeführt. Mit den ermittelten Daten wurde eine Kalibrierung des Simulationsmodells durchgeführt.
Um die Plausibilität des Simulationsmodells (u.a auf Basis des spezifischen Überschussschlammanfalles) zu prüfen, wurde eine Langzeitsimulation über 4 Monate durchgeführt (Kapitel 3). Aufgrund der Datenaufnahme im Zulauf als Stichproben konnten für diesen Zeitraum die Ablaufkonzentrationen nur bedingt vorausgesagt werden. Als Ziel war die Ermittlung des generellen Trends der Feststoffentwicklung in den Becken infolge Überschussschlammproduktion und die daraus resultierenden Massenströme in die Schlammbehandlungsstufen vorgesehen.
Der vorliegende Bericht gibt einen Überblick über das Simulationsmodell, welches für die Erstellung der adaptiven Regelkreise der KA Halle-Nord entwickelt wurde. Neben der Darstellung des Anlagenmodells sowie der Modellgleichungen für das Belebtschlamm- und Faulungsmodell erfolgt die Beschreibung der Kalibrierung und Verifizierung mittels Langzeitsimulation. Als Kriterien für den Modellabgleich dienen:
- Vorhersage der Ablaufkonzentrationen wie in der Realität,
- Einstellung der Schlammkonzentrationen wie in der Realität,
- Erfüllung der Mengen- und Feststoffbilanzen ähnlich der Realität sowie
- Einhaltung der Stickstoffgehalte in den CSB-Fraktionen.
Die Qualität der erreichten Kalibrierung wird mit Gütefunktionen dargestellt. Damit steht für die Erstellung und den Test der adaptiven Regelstrategie für die KA Halle-Nord sowie für weiterführende Simulationsaufgabe für die Hallesche Wasser und Abwasser GmbH ein geprüftes Simulationsmodell zur Verfügung.
Literatur
- Bornemann C., Londong J., Freund M., Rolfs T., Nowak O., Otterpohl R. (1998). Hinweise zur dynamischen Simulation von Belebungsanlagen mit dem Belebtschlammodell Nr. 1 der IAWQ. Korrespondenz Abwasser 45 (3) 455-462.
- ATV (1997). Simulation von Kläranlagen. Arbeitsbericht der ATV-Arbeitsgruppe 2.11.4 'Simulation von Kläranlagen'. Korrespondenz Abwasser 44 (11) 2064-2074.
- Henze M., Grady C. P. L., Gujer W., Marais G.v.R. and Matsuo T. (1987). A general model for single-sludge wastewater treatment systems. Water Research 21 (5) 505-515.
Schlagwörter
Abwasserbehandlung, Steuer- und Regelkonzepte, adaptiver Regler, dynamische Simulation, Belebungsverfahren, MSR-Technik