Titel
Förderkennzeichen | 01/01-96/26 |
Finanzierung | Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung |
Bearbeitungszeitraum | 1996 - 1999 |
Projektleitung | Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Lützner Prof. Dr.-Ing. habil. Joachim Hackenberger Dr. rer. nat. Klaus Kermer |
Projektbearbeitung | Dipl.-Ing. Christina Maibaum Dipl.-Ing. Wieland Panzner Dipl.-Ing. Constanze Albert Dipl.-Ing. Volker Kühn Dr. rer. nat. Heike Brückner Dipl.-Ing. Klaus Dorschner |
Kooperationspartner | Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie Entsorgungs- und Aufbereitungsgesellschaft Zobes/Vogtland |
Einführung
Im Jahre 1982 stand vor dem ehemaligen Landwirtschaftsbetrieb „Zwischenbetriebliche Einrichtung (ZBE) Geflügel Plauen" die Aufgabe, sowohl die Gülle von ca. 250.000 Legehennen zu entsorgen als auch die Beheizung von drei Kückenaufzuchtanlagen von Heizöl als Folge der Ölkrise auf einen anderen Energieträger umzustellen. Es wurde eine Biogasanlage nach dem "Plauener Verfahren" [Hackenberger, 1988] entwickelt und großtechnisch in Plauen/Zobes realisiert.
Die Wahrungsunion im Juli 1990 und die damit verbundene marktwirtschaftliche Ordnung entzog der ZBE Geflügel in ihrer gesamten Struktur die ökonomische Existenzgrundlage. Um die Jahreswende 1990/91 erfolgte durch „Management buy out" die Privatisierung der Biogasanlage. Neben der Betrachtung als Anlage zur alternativen Energieerzeugung, die mit dem 1991 in Kraft getretenen Bundesgesetz zur Elektroenergieeinspeisung (Einspeisegesetz) Bestätigung fand, hat sich die Anlage inzwischen als Entsorgungsanlage für organische Reststoffe profiliert. Dieser Entsorgungsaspekt besitzt heute Primat, da vor dem Hintergrund der ständig wachsenden Palette organischer Reststoffe "saubere" Entsorgungsmöglichkeiten gefragter sind denn je [Buschner, 1997].
Bei dem "Plauener Verfahren" handelt es sich um ein zweiphasiges und zweistufiges Verfahren mit Biomasserückführung zur Co-Vergärung von organischen Siedlungsabfällen und Hühnergülle. Die zweiphasige Prozessführung beinhaltet eine Trennung der sauren Phase (Hydrolyse und Versäuerung) von der Methanphase (Acetogenese und Methanbildung). Durch die Biomasseanreicherung werden hydraulische Verweilzeit und Feststoffverweilzeit entkoppelt. Somit wird es möglich, auch schwach konzentrierte Substrate in verhältnismäßig kleinvolumigen Faulanlagen zu behandeln.
Die Verfahrensgestaltung und die Bemessung erfolgten auf der Grundlage umfangreicher Labortests [Buschner, 1990]. Die Erprobung des Verfahrens wurde vor Ort mit Hilfe einer halbtechnischen Versuchsanlage vorgenommen. Auf der Basis der Ergebnisse wurde die großtechnische Biogasanlage errichtet, die seit Mai 1987 ununterbrochen und störungsfrei betrieben wird. Die Anlage wurde 1997 komplett modernisiert.
Zielstellung
Das Hauptziel des Forschungsvorhabens "Anaerobe Vergarung als Baustein im Bereich der Abfallverwertung" bestand in der Optimierung und Leistungssteigerung des gegenwärtigen Verfahrens. Dabei wurde im Forschungsvorhaben gemäß Antrag die thermophile Betriebsweise der ersten Methanstufe untersucht.
Über die Erhöhung der Stoffwechselgeschwindigkeit unter thermophilen Bedingungen kann die Durchsatzmenge gesteigert werden. Alle Vorgänge stehen in Verbindung mit den Anforderungen und Kriterien der Klarschlammbehandlung (Stabilisierung, Hygienisierung, Entwässerbarkeit des Schlammes) und mussten im konkreten Fall überprüft werden. Die bekannten Vorteile:
- höhere relative max. Versauerungsrate der Säurebakterien bei Glucose bei 55 °C als bei 35 °C [Hashimoto und Hruska, 1982; Kaltwasser, 1980]
- bessere Hygienisierung bei 55 °C als bei 35 °C [Temper, 1983; Roediger et al., 1990; Fisher und Green, 1945],
welche sich bei thermophilem Betrieb nach Literaturangaben ergeben, mussten nachgewiesen und weitere offene Fragen sowohl im Laborversuch als auch durch halbtechnische Versuche geklärt werden.
Untersuchungsprogramm
Die Untersuchungen gliederten sich in Laborversuche und halbtechnische Versuche:
- Durchführung von Voruntersuchungen im Labormaßstab zur thermophilen Vergärung.
- Versuchsbegleitender Betrieb der Laboranlage zu den halbtechnischen Versuchen in Plauen/Zobes.
- Halbtechnische Bestätigung der kinetischen Parameter und Dimensionierungsgrößen aus den Laborversuchen im mesophilen und thermophilen Betrieb, im Einzelnen:
-
- der Biogasausbeute und der Biogasbildungsgeschwindigkeit
- des Stabilisierungsgrades des ausgefaulten Schlammes in Abhängigkeit von der Substratbelastung bzw. der hydraulischen Aufenthaltszeit im Reaktor und
- des Substratumsatzes und der prozentualen Reduzierung der Eingangsstoffe.
- Im Ergebnis der Versuche sollten Aussagen gefunden werden zu:
- Einflüssen von Temperaturschocks
- erforderlicher Zeitdauer und Problemen bei der Anzucht thermophiler Mikroorganismen
- Anforderungen an das Misch- bzw. Umwalzsystem zur Vermeidung von Temperaturgradienten im Reaktor
- dem Betriebsverhalten der Wärmetauscher bei höherer Heizleistung
- der Gefahr der Schaumbildung im Reaktor
- der Entwässerbarkeit des Endproduktes und
- dem Verhalten bei Belastungsspitzen.
Auf der Grundlage dieser Untersuchungen war ein leistungsfähiges Verfahren zur Vergärung organischer Siedlungsabfälle vorzuschlagen, wobei die Biogasanlage Plauen/Zobes den Status einer großtechnischen Referenzanlage für den Freistaat Sachsen und die anderen Bundesländer erfüllen soll.
Randbedingungen
Beim Betrieb sowohl der Laborreaktoren als auch der halbtechnischen Versuchsanlage wurden
- die hydraulische Aufenthaltszeit und damit die organische Raumbelastung und
- die Reaktortemperatur (in den Laborversuchen).
variiert.
Dabei erfolgte eine Einarbeitung der Ergebnisse der Laborversuche in das Versuchsprogramm der halbtechnischen Anlage. Im Laborversuch wurde die Aufenthaltszeit zwischen 4 bis 20 Tage variiert. Außerdem sollte eine Aussage zur günstigsten Temperatur innerhalb des thermophilen Bereiches gefunden werden. Die Beschickung des Methanreaktors der halbtechnischen Anlage mit vorversäuertem Substrat erfolgte einmal bis mehrmals am Tag. Der Reaktorinhalt der halbtechnischen Anlage wurde sowohl mittels Umwälzpumpe, als auch mittels Gaslift umgewälzt, die Auswirkungen einer Dauerumwälzung sowie einer intervallweisen Durchmischung wurden untersucht. In Abhängigkeit von der hydraulischen Aufenthaltszeit wurde der Methananteil im Biogas ermittelt.
Proben- und Analysenprogramm
Proben- und Analysenprogramm
Das Probenprogramm erstreckte sich auf die regelmäßige tägliche Probenahme an der Laborversuchsanlage:
- Substratzufuhr - Faulbehälter
- Faulgasableitung.
Das Probenprogramm erstreckte sich auf die regelmäßige tägliche Probenahme an der halbtechnischen Versuchsanlage:
- Substratzufuhr (Hydrolyse)
- Faulbehälter (Entnahmehahne in zwei verschiedenen Höhen des Faulreaktors)
- Ablauf der Röhrensedimentation
- Grundschlammabzug
- Faulgasableitung.
Eine genaue Beschreibung der Proben- und Analysenplane für die Laborversuchs- und halbtechnische Versuchsanlage befindet sich unter Punkt 3.3 und in den Anlagen zum Bericht.
Zusammenfassung
Bei der anaeroben Behandlung von Siedlungsabfällen sind beträchtliche Substratschwankungen bezüglich Zusammensetzung, Trockenrückstand und Nährstoffgehalt bei der Auslegung von Vergärungsanlagen zu beachten. Die Substratzusammensetzung hat Einfluss auf Gasausbeute, oTR-Abbau, Restsäurekonzentration und Stabilität des Prozesses. Die hydraulische Aufenthaltszeit ist in Abhängigkeit von Zeiträumen im Jahr so festzulegen, dass die maximale Substratmenge behandelt werden kann (z.B. maximaler 2-Wochenmittelwert). Eine mittlere Faulzeit von 12 Tagen im mesophilen Temperaturbereich und von 8 Tagen im thermophilen Temperaturbereich ist nach den Ergebnissen der labor- und halbtechnischen Versuche ausreichend.
Im Vergleich zur mesophilen Betriebsführung sind durch die thermophile Betriebsführung bei gleicher hydraulischer Aufenthaltszeit folgende Vorteile zu erwarten:
- Die Gasausbeute [m3 Methangas/(kg oTRzuge)], die Raumabbauleistung [m3 Methangas/(m3 Faulraum*d)] sowie die Biogasbildungsgeschwindigkeit [m3 Methangas/(kg TRFaulraum*d)] sind höher als im mesophilen Betrieb.
- Der Methangehalt im Faulgas ist im mesophilen und im thermophilen Betrieb annähernd gleich.
- Es werden höhere oTR-Abbaugrade und daraus resultierend geringere oTR-Restkonzentrationen erzielt als im mesophilen Betrieb.
- Bei Aufenthaltszeiten unter 8 Tagen ist der mesophile Prozess überlastet und damit wachstumslimitiert, während der thermophile Prozess weiterhin substratlimitiert ist. Das Verhältnis von Propion/Essigsäure verschiebt sich bei mesophilen Prozessen deutlich zugunsten der Propionsäure. Der Propionsäuregehalt ist mesophil wesentlich höher als thermophil (bei Aufenthaltszeiten unter 8 Tagen).
- Durch thermophile Betriebsführung kann in der vorhandenen Anlage mehr Annahmegut verarbeitet werden.
Nachteile der thermophilen Betriebsführung im Vergleich zur mesophilen Betriebsführung bei gleicher hydraulischer Aufenthaltszeit sind die höheren Restsäurekonzentrationen beim substratlimitierten Prozess. Die Auswirkung der zweistufigen thermophilen Prozessführung auf die Restsäurekonzentration ist zu untersuchen. Erwartungsgemäß wurde bei thermophilen gegenüber mesophilen Milieubedingungen der Hygienisierungsgrad verbessert. Allerdings liegen dazu nur orientierende Untersuchungen vor.
Die Entwässerungseigenschaften des thermophil ausgefaulten Schlammes sind gemessen am CST-Wert zum Teil schlechter als die des mesophil ausgefaulten Schlammes. Die Übertragbarkeit der CST-Werte auf die fest-flüssig-Trennung durch Feststoffseparatoren, Zentrifugen und andere Entwässerungsapparaturen sind im praktischen Betrieb zu ermitteln.
Das Mischsubstrat von Plauen/Zobes kann unter folgenden Bedingungen thermophil behandelt werden:
- Die Aufenthaltszeit in der ersten Methanstufe Stufe beträgt 8 Tage, in der nachgeschalteten Methanstufe 4 Tage, so dass sich eine Gesamtaufenthaltszeit in den Methanstufen von 12 Tagen ergibt. Die zweite Stufe ist eine Sicherheitsstufe, mit der Belastungsstöße ausgeglichen werden können. Die Auswirkungen auf die Qualität der Endprodukte sind zu ermitteln.
- Die Feststoffkonzentration des der Hydrolyse zufließenden Substrates darf 7 % nicht übersteigen.
- Bei einem pH-Wert von 7,4 im Methanreaktor darf die Ammoniumkonzentration maximal 2,2 g/l betragen. Das kann durch folgende Maßnahmen erreicht werden:
- es ist eine Teilstrombehandlung zur Verringerung der Strickstofffracht erforderlich oder
- die Substratzusammensetzung und -aufbereitung wird dahingehend verändert, dass die Annahmemenge der Hühnergülle begrenzt beziehungsweise ganz darauf verzichtet wird und das Aufmaischen des Substrates ausschließlich mit Frischwasser erfolgt.
Durch den beschriebenen thermophilen Betrieb der Anlage ist es möglich, die Durchsatzleistung der Biogasanlage Plauen/Zobes um maximal 50 % zu steigern. Im gegenwärtigen Betrieb in Plauen/Zobes kann durch eine Feststoffabtrennung im Rücklaufwasser der TR-Gehalt des Rücklaufwassers verringert werden. Dadurch verringert sich die Frischwassermenge zum Aufmaischen des Substrates. Durch diesen Schritt müsste auch unter mesophilen Bedingungen eine Erhöhung der Durchsatzmenge um ca. 20 % möglich sein.
Die sinnvolle Anwendbarkeit der Teilstrombehandlung zur Reduzierung des Ammoniumgehaltes wird dadurch ebenfalls erhöht. Die Auswirkung der in der Biogasanlage Plauen/Zobes praktizierten Rücklaufwasserführung auf die Weiterverarbeitbarkeit des Substrates sowie auf den Betrieb der gesamten Anlage ist nicht geklärt und muss untersucht werden.
Der Betrieb einer ersten thermophilen Methanstufe und einer nachgeschalteten mesophilen Methanstufe ist unter der gegebenen Anlagenkonfiguration in Plauen/Zobes nicht ohne weiteres möglich, allerdings grundsätzlich eine weitere sinnvolle Variante.
Im Rahmen des Forschungsprojektes waren sehr umfangreiche Untersuchungen mit sehr kostenaufwendigen Untersuchungen, Analysen und zeitaufwendigen Versuchen notwendig. Besondere Probleme ergaben sich durch die enormen Substratschwankungen und den Betrieb der halbtechnischen Versuchsanlage in Plauen/Zobes. Trotz umfangreicher Plausibilitätsuntersuchungen und Bilanzen waren einige Versuchsergebnisse nicht zu deuten. Es liegt ein umfangreiches Datenmaterial vor, das im Zusammenhang mit weiteren notwendigen Versuchen zur Verfahrensoptimierung insbesondere unter Einbeziehung ökonomischer Variantenuntersuchungen nutzbar ist. Die umfangreichen Untersuchungen waren nur mit Hilfe studentischer Hilfskräfte sowie Diplomandinnen und Diplomanden möglich, wofür herzlich gedankt sei. Ganz besonderer Dank gilt Frau Dipl. Biol. B. Ohme und Herrn Dr. J. Albrecht, Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie, für die zahlreichen fachlichen Hinweise und die ständige organisatorische und wissenschaftliche Begleitung des Themas.
Gleichfalls danken wir Herrn Dipl.-Chem. G. Buschner für die fachliche Beratung und die ständige Unterstützung der Versuche in Plauen/Zobes, ohne die die vorliegenden Ergebnisse nicht erreichbar gewesen wären.
Literatur
- Buschner G. (1990). Untersuchungen zum Abbauverhalten von Fettsäuren unter anaeroben Faulbedingungen. TU Dresden, Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft. Dresdner Berichte, Band 2, 153-161.
- Buschner G. (1997). Biohgasanlage Zobes/Vogtl. Betriebserfahrungen un Möglichkeiten. 1. Biogas-Tagung Sachsen, 03.06.-04.06.1997, St. Marienthal. Tagungsband, 23-27.
- Fisher A.J. und Green R.A. (1945). Plant-scale tests on thermophilic digestion. Sewage Wks. 17, 718.
- Hackenberger J. (1988). Verfahren zur anaeroben Behandlung von Abwässern, Schlämmen und Abprodukten. Patentschrift DD 260 397 A3.
- Hashimoto A.G. und Hruska R.L. (1982). Methane from cattle wastes - effects of temperature, hydraulic retention time, and influent substrate concentration on kinetic parameter. Biotechnology and Bioengineering 24 (9) 2039-2052.
- Kaltwasser B.J. (1980). Regenerative Energieerzeugung durch anaerobe Fermentation organischer Abfälle in Biogasanlagen. Bauverlag Berlin.
- Roediger H., Roediger M., Kapp H. (1990). Anaerobe alkalische Schlammfaulung. R. Oldenbourg Verlag GmbH München.
- Temper U. (1983). Methangärung von Klärschlamm und anderen komplexen Substraten bei mesophilen und thermophilen Temperaturen. Dissertation. Ludwig-Maximilian-Universität München, Fakultät für Biologie.
Schlagwörter
Anaerobtechnik, Landwirtschaft, Gülle, Bioabfall, thermophil, mesophil, Vergärung