Mischwasserbehandlung im Nachklärbecken
Förderkennzeichen | Interreg IIIC-Projekt SiTaR Sub-Projekt 19 |
Finanzierung | Europäische Union |
Bearbeitungszeitraum | 2005 - 2006 |
Projektkoordinator | Dipl.-Ing. Gerhard Spatzierer Amt der Burgenländischen Landesregierung |
Projektbearbeiter | TU Dresden, Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft Prof. Dr.-Ing. Dr. Peter Krebs Dr.-Ing. Volker Kühn Dipl.-Ing. Markus Ahnert Dipl.-Ing. Norbert Günther |
Kooperationspartner | TU Wien, Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft Ass.-Prof. DI Dr. Karl Svardal DI Dr. Brigitte Nikolavcic DI Dr. Gerald Wandl Burgenländische Landesregierung Dipl.-Ing. Gerhard Spatzierer |
Hintergrund
Hauptanliegen des immissionsbasierten Ansatzes der neuen EU-Wasserrahmenrichtlinie ist die gesamthafte Minimierung der Gewässerbelastung. Dies kann durch verschiedene Maßnahmen, wie z.B. Verbesserung der Reinigungsleistung von Kläranlagen und Erhöhung der zu behandelnden Mischwassermenge mittels Kanalnetzsteuerung usw. realisiert werden.
Im Rahmen des durch die EU geförderten Interreg IIIC Projektes SiTaR wurde ein Verfahren zur Mischwasserbehandlung in Nachklärbecken untersucht. Ziel der Untersuchungen war es, im Regenwetterfall einen über die bisher übliche Abwassermenge hinausgehenden Anteil an Mischwasser auf der Kläranlage zu behandeln und so die anthropogen verursachten Einleitungen ins Gewässer insgesamt zu minimieren. Dazu wird mittels einer Bypassführung mehr Mischwasser direkt in den Zulauf zum Nachklärbecken eingeleitet und so einer Behandlung zugeführt. Durch die Mischung von Rohabwasser mit dem belebten Schlamm im Einlaufbauwerk des Nachklärbeckens wird ein hoher Anteil der partikulären Stoffe entfernt und zudem ein Teil der gelösten Abwasserinhaltsstoffe durch Adsorption gebunden.
Die folgenden Partner arbeiteten in diesem Projekt zusammen:
- Land Burgenland – Österreich
- Landkreis Waldeck-Frankenberg – Hessen/Deutschland
- Autonome Provinz Bozen – Südtirol/Italien
- Region Nord – West Transdanubien – Ungarn
Externe Partner waren:
- Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft (TU Wien)
- Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft (TU Dresden)
- Regional Management Burgenland - RMB
Ziel der Untersuchungen war es, wissenschaftliche und betriebliche Grundlagen für die Anwendung des Verfahrens zu gewinnen und im Wirkungsbereich der beteiligten Regionalpartner die Implementierung der Mischwasserbehandlung auf Kläranlagen zu untersuchen.
Das Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft der TU Dresden (ISI) führte im Rahmen dieses Projekts Laborversuche zur Charakterisierung der Adsorption der im Mischwasser enthaltenen Abwasserinhaltsstoffe und halbtechnische Versuche, die die Erstellung eines Bemessungsmodells für dieses Verfahren zum Ziel hatten, durch. Daneben wurde die Implementierung des Verfahrens bei der Erweiterung der Kläranlage Bergheim (Gemeinde Edertal)/ Hessen im Rahmen der Anpassung der Anlage an den Stand der Technik untersucht.
Das Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft der TU Wien (IWAG) führt gemeinsam mit der Gewässeraufsicht Burgenland (GWA) Messungen an der Kläranlage Wulkatal im Burgenland durch, wo das Verfahren im großtechnischen Maßstab untersucht wurde. Ein weiteres Projektsziel war die Implementierung des Verfahrens auf den Kläranlagen in Bergheim – Edertal/Deutschland (8.000 EW), in Sopron/Ungarn (165.000 EW) und in Sarntal - Südtirol/Italien (7.000 EW), bei der die TU Wien die wissenschaftlichen Begleitung durchführte.
Der vorliegende Endbericht umfasst alle Teilbereiche des Projekts, vom Labormaßstab über halbtechnische Versuche und der großtechnischen Anwendung. Auch die Grundlagen für die Umsetzung des Verfahrens auf den Kläranlagen Bergheim und Sopron werden dargestellt.
Laborversuche und halbtechnische Versuche, Modellbildung
Im Rahmen von Laborversuchen mit Standzylindern wurde die Entfernung von partikulären und gelösten Parametern bei Einmischung von Mischwasser in Belebtschlamm und anschließender Sedimentation untersucht. Dabei wurden die partikulären Stoffe des Kläranlagenzulaufes (als partikulärer CSB bzw. als abfiltrierbare Stoffe (AFS) im Mittel zu mehr als 85 % entfernt.
Die Adsorption von Ammonium und gelöstem CSB an den Belebtschlamm war nach ca. 5 Minuten beendet. Die auf die organische Trockensubstanzkonzentration bezogene adsorbierte CSB-Fracht (mg CSBmf/g oTS) kann als Sättigungsfunktion nach Langmuir in Abhängigkeit der Gleichgewichtskonzentration vom CSB der membranfiltrierten Probe beschrieben werden. Im Mittel wurde bei den Versuchen 34 % des membranfiltrierten CSB entfernt. Die Adsorption vom Ammonium erfolgt in deutlich geringerem Ausmaß als jene von organischen Verbindungen.
Zur Bewertung der Eliminationsleistung und für die Bestätigung der Laborversuche wurden halbtechnische Versuche in einer Pilot-Kläranlage auf der Kläranlage Dresden-Kaditz durchgeführt. Auf der halbtechnischen Versuchsanlage wurden Bypassversuche mit Trockenwetterzulauf und mit Mischwasserzulauf durchgeführt. Es hat sich gezeigt, dass bei diesen Versuchen die Entfernung des gelösten CSB etwa zu gleichen Teilen durch Rückführung mit dem Rücklaufschlamm und durch Adsorption an den Belebtschlamm erfolgte. Ammonium-Stickstoff wurde fast ausschließlich mit dem Rücklaufschlamm entfernt.
Die Ergebnisse dieser Versuche dienen zusätzlich als Datenbasis für die Kalibration eines numerischen Modells für die Eliminationsprozesse bei Bypassbetrieb. Als Modellgrundlage wurde das Belebtschlammmodell Activated Sludge Model No. 3 (ASM 3) der IWA angewendet.
Im Modell wird die Adsorption von gelöstem CSB nicht über Langmuir-Terme sondern über Speicherung mit Monod-Termen für Sauerstoff und Nitrat und in linearer Abhängigkeit von der heterotrophen Biomasse angesetzt. Die Adsorption von NH4-N wird proportional zur CSB-Speicherung angesetzt. Eine Nachmodellierung der Prozessdynamik ist möglich, wobei die kinetischen Parameter für die Adsorption Anlagen-spezifisch und nicht unmittelbar auf andere Anlagen übertragbar sind. Das Modell war anfangs nicht geeignet, um Aussagen über die Entfernung von partikulären Stoffen aus dem Bypass zu treffen. Eine Verbesserung für die Abbildung der Entfernung partikulärer Stoffe (als CSB) wurde durch Einführung von zusätzlichen partikulären, nicht absetzbaren Stoffkomponenten erreicht.
Großtechnische Anwendungen
Auf der Kläranlage Wulkaprodersdorf wird die Mischwasserbehandlung im Nachklärbecken im normalen Kläranlagenbetrieb seit mehr als 30 Jahren angewendet. Die detaillierte Aufnahme von 55 Mischwasserereignissen im Rahmen des Forschungsprojekts diente dazu, einen besseren Einblick in das Verfahren unter Betriebsbedingungen zu gewinnen. Da im regulären Betrieb einer Großanlage die Ablaufwerte zu jeder Zeit eingehalten werden müssen, war es nicht einfach möglich Grenzbelastungen einzustellen.
Bei Mischwasser steigt die ins Nachklärbecken geleitete Schlammmenge. Um die notwendige Eindickung des Schlammes zu erreichen, ist in jedem Fall eine gewisse Aufenthaltszeit im Nachklärbecken notwendig. Um die Schlammmenge aus dem Nachklärbecken auch wieder zu entfernen, ist daher eine bessere Eindickung oder eine höhere Rücklaufschlammmenge erforderlich. Die Untersuchungen auf der Kläranlage Wulkaprodersdorf haben gezeigt, dass eine Erhöhung der Rücklaufschlammmenge nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Es scheint, dass dadurch der Kurzschlussstrom in Nachklärbecken verstärkt wird und der eingedickte Schlamm durch den Nachklärbeckenzulauf zunehmend verdünnt wird. Die ins Belebungsbecken zurückgeführte Schlammfracht steigt durch die Erhöhung der Rücklaufschlammförderung nicht.
Für die Kläranlage Wulkaprodersdorf kann die Rücklaufschlammförderung daher auf ca. 500 l/s begrenzt werden. Das Rücklaufverhältnis bezogen auf die im Belebungsbecken behandelte Abwassermenge beträgt dann im Mischwasserfall etwa 70 %. Das für die Bemessung empfohlene Rücklaufverhältnis von maximal 0,75 (bzw. 75%) lt. ATV-DVWK A131(2000) kann in diesem Fall bestätigt werden. Durch die Bypassmenge muss die Rücklaufschlammförderung nicht erhöht werden. Ein höherer Wert hat eher einen negativen Effekt.
Die Mischwasserbehandlung im Nachklärbecken führt zu einer Reduktion der in das empfangende Gewässer eingeleiteten Frachten. Die Bypassmenge auf der Kläranlage Wulkaprodersdorf beim maximalen Mischwasserzufluss betrug etwa 30% der gesamten Abwassermenge. Unter diesen Bedingungen wurden im Mittel 92 % des CSB, 88 % des NH4-N und 98 % der abfiltrierbaren Stoffe aus dem Bypass entfernt. Die beobachtete Reinigungsleistung in der praktischen Anwendung ist somit deutlich höher als bei den Laborversuchen und bei den halbtechnischen Versuchen. Der Wirkungsgrad der Entfernung von CSB und abfiltrierbaren Stoffen entspricht jenen, die bei biologischer Reinigung erreicht werden.
Ein Teil der Entfernung erfolgt durch eine direkte Rückführung von Mischwasser mit dem Rücklaufschlamm. Zusätzlich kommt es bei der Vermischung von Belebtschlamm mit dem Bypass zu einer Aufnahme von Abwasserinhaltsstoffen in die Belebtschlammflocke. Unter regulären Bedingungen, wie sie auf der Großanlage vorliegen, ist nur eine Abschätzung des adsorbierten Frachtanteils möglich. Anhand von fünf auswertbaren Ereignissen wurde festgestellt, dass ca. ein Drittel des CSB und der abfiltrierbaren Stoffe durch Adsorption aus dem Bypassstrom entfernt wurden.
Wegen der ungünstigen Immissionssituation – die Wulka mündet in den Neusiedler See – sind die einzuhaltenden Ablaufwerte der Kläranlage Wulkaprodersdorf mit 3 mg NH4-N/l und 50 mg CSB/l niedriger als bei üblichen kommunalen Kläranlagen in Österreich. Trotzdem konnten diese Werte für CSB bei allen beobachteten Mischwasserereignissen eingehalten werden. Beim Parameter NH4-N kam es zu zwei Überschreitungen bei Mischwasser, die jedoch auf einen nicht optimalen Betrieb der Belüftung im Belebungsbecken zurückzuführen sind. Durch die Bypassführung wurde die Einhaltung der Ablaufgrenzwerte nicht gefährdet. Die bei Mischwasser auf der Kläranlage behandelte Abwassermenge kann durch Bypassführung um etwa die Hälfte erhöht werden, ohne dass sich signifikante Auswirkungen auf die Reinigungsleistung feststellen lassen. Die Grenze für die maximal mögliche Bypassführung, bei der eine Verschlechterung des Ablaufs eintritt, konnte aufgrund der lokalen Gegebenheiten und des hohen Schlammvolumens im Belebungsbecken nicht ausgetestet werden.
Die bei den Untersuchungen aufgetretenen Ereignisse, bei denen die Leistungsfähigkeit der Nachklärbecken erreicht wurde und daher ein zusätzliches Nachklärbecken in Betrieb genommen wurde, waren immer auf zu hohen Schlammgehalt im Belebungsbecken zurückzuführen. Daher ist es nicht sinnvoll, eine Belebungsanlage mit mehr Schlamm zu betreiben, als in den gängigen Bemessungsrichtlinien empfohlen wird. Wurde die Belebungsanlage mit bemessungskonformem Schlammvolumen betrieben, so war auch bei Bypassbetrieb die Funktion der Nachklärbecken gewährleistet.
Durch die Bypassführung konnten im Einzugsgebiet der Kläranlage Wulkaprodersdorf etwa 200.000 m³ Mischwasser pro Jahr zusätzlich behandelt werden, die Reinigungswirkung lag deutlich über jener von konventionellen Mischwasserbehandlungsanlagen. Die Installation der Mischwasserbehandlung auf der Kläranlage Sarnthein zeigte bei vier dokumentierten Ereignissen im Jahr 2006 keine Verschlechterung des Ablaufs. Für die Anlagen Sopron/Ungarn und Bergheim/Deutschland wurde die Anwendbarkeit des Verfahrens untersucht. Für die Mischwasserbehandlung auf den beiden Anlagen wurden die verfahrenstechnischen Kennwerte als Basis für die Erweiterungsplanungen erarbeitet.
Schlagwörter
Belebtschlammverfahren, Nachklärbecken, Mischwasser, Bypass, Betriebsoptimierung, Stickstoffelimination, Kohlenstoffelimination, Regenwasserbehandlung, Mischwasserbehandlung