Untersuchungen zur Abflusssteuerung in der Stadtentwässerung am Beispiel des Drehbogens - Erprobung Dresden
Förderkennzeichen | 00650 |
Finanzierung | Deutsche Bundesstiftung Umwelt Ingenieurbüro Kupczik Hamburg |
Bearbeitungszeitraum | 1992 - 1994 |
Projektleitung | Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Lützner |
Projektbearbeitung | Dipl.-Ing. Matthias Barth |
Kooperationspartner | TU Dresden - Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik |
Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Dresden GmbH | |
Ingenieurbüro Kupczik Hamburg |
Hintergrund
Die Bearbeitung des Projektes "Untersuchungen zur Abflusssteuerung in der Stadtentwässerung am Beispiel des Drehbogens - Erprobung des Drehbogens" erfolgt im Auftrag des Ingenieurbüros Kupczik. Die Patentrechte liegen bei Herrn Dipl.-Ing. G. Kupczik. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (Osnabrück) fördert dieses Projekt. Das Gesamtziel des Forschungsvorhabens besteht im hydrodynamischen und technologischen Nachweis der Funktionssicherheit eines Drehbogens zur Abfluss- und Speichersteuerung. Das Gesamtprojekt ist in drei Phasen unterteilt:
Phase 1 : Hydraulische Untersuchungen am Drehbogenmodell sowie Festlegung des Standortes der Pilotanlage eines Drehbogens mit seinen Randbedingungen. Phase 2 : Bau der Pilotanlage Phase 3 : Untersuchungen zum Einsatz des Drehbogens im Kanalnetz zur Abfluss- und Speichersteuerung anhand der Pilotanlage
Mit dem vorliegenden Bericht wird die Phase 1 des Projektes abgeschlossen. Das Manuskript bezieht sich nur auf die Arbeiten des Institutes für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft. Es wird über die Standortwahl und die Ermittlung der notwendigen Randbedingungen für den Bau der Pilotanlage berichtet. Der Projektpartner, das Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik, veröffentlicht seine Arbeiten zu den hydraulischen Untersuchungen am Drehbogenmodell in einem gesonderten Dokument.
Allgemeine Vorbemerkungen
Der hohe Stellenwert des Umweltschutzes verlangt es, Kanäle und Kläranlagen in ihrer Funktion auf den Stand der Technik zu heben. Neben der Verbesserung des Einzelzustandes (Sanierung, Erweiterung und Neubau von Kanälen und Kläranlagen) rückt die Betrachtung des Gesamtkomplexes Kläranlage-Kanalisation-Vorfluter in den Mittelpunkt. Ziel ist es, die Gewässerbelastung eines Einzugsgebietes zu minimieren. Die Gewässerbelastung kann nur über Gesamtemissionsbetrachtungen wirkungsvoll erfasst werden. Einflussfaktoren für die Gesamtemission sind:
- die Direkteinleiter, die bisher noch nicht an die Kanalisation angeschlossen sind,
- die Einleitung unbehandelten Regenwassers aus dem Trennkanal,
- die Einleitung der Kläranlage,
- der Zustand der Kanalisation (Beckenüberläufe, Speicher, Regenüberläufe).
Die Wichtigkeit einzelner Faktoren kann abgemindert werden durch:
- Anschluss der Direkteinleiter an die öffentliche Kanalisation,
- Regenwasserbehandlung im Trennsystem (Regenklärbecken),
- Ausbau der Kläranlage auf die dritte Reinigungsstufe,
- Sanierung der Kanalisation (baulich und hydraulisch),
- Reduzierung der Spitze in der Abflusswelle (Entsiegelung, Bewirtschaftung des Kanalnetzes) und damit Verringerung der Entlastungshäufigkeit der Regen- bzw. Beckenüberläufe.
Für immer mehr Kommunen gewinnt die Kanalnetzbewirtschaftung an Bedeutung. Die Wissenschaft ist gefordert, geeignete Steuerstrategien (dezentrale und zentrale Regenwasserbehandlung) und Steuerorgane zu entwickeln. Bisherige Steuerorgane zeigten während des betrieblichen Einsatzes im Kanal teilweise Mängel (Zusetzen der beweglichen Teile mit Textil- und Spinnstoffen; schlechte Regelcharakteristik des Abflusses), die eine sichere Bewirtschaftung gefährden können. Anforderungen an ein Regelorgan sind Schlichtheit im Aufbau bei gleichzeitig hoher Betriebssicherheit und guter Regelcharakteristik.
Welche Vorteile könnte ein Drehbogen gegenüber herkömmlichen Stellgliedern in der Kanalisation bringen?
Als Stellglieder kommen in der Kanalisation Schieber (von oben und von unten schließend), bewegliche Wehre, Drosseln und Schütze zum Einsatz. Alle genannten Bauformen (außer den Drosseln) engen den Kanalquerschnitt ein und sind dem Feststoffstrom ausgesetzt. Daraus ergeben sich Probleme bei der Wartung. Potentiell stellt der Feststoffstrom eine Gefahr für die Betriebssicherheit dar. Im Drehbogen wird der vorhandene Kanal weitergeführt, wobei der volle Querschnitt erhalten bleibt. Aus bautechnischen Gründen kann der Drehbogen nur im Kreisquerschnitt ausgeführt werden. Eventuell muss der Querschnitt des ankommenden Sammlers über einen Übergabeschacht angeglichen werden (z.B. Sonderprofile). Bei einer Installation des Drehbogens befinden sich alle Stellorgane außerhalb des Nassbereiches und sind nicht dem Feststoffstrom ausgesetzt, so dass von dieser Seite betriebliche Gefährdungen ausgeschlossen werden können.
Eine gute Abflusssteuerung kann man bei Pumpen, beweglichen Wehren und von unten schließenden Schützen erwarten, da diese von der Drehzahl bzw. von der Überfallhöhe beeinflusst werden können. Von oben schließende Schieber und Schütze weisen dagegen schlechte Kennlinien zur Durchflusssteuerung auf. Den Drehbogen kann man in die Gruppe der Stellglieder mit einer guten Durchflusssteuerung einordnen, da sich bei gehobenem Bogen eine Überfallströmung ähnlich dem beweglichen Wehr ausbildet. Der dritte Aspekt, der den Einsatz des Drehbogens in der Kanalisation nahe legt, ist eine mögliche Kanalreinigung. Mit sämtlichen Stellgliedern kann im Unterwasserbereich durch schnelles Öffnen, Heben bzw. Absenken der Abfluss erhöht und somit Ablagerungen remobilisiert werden. Was passiert mit den Ablagerungen im Oberwasser? Bei beweglichen Wehren und von unten schließenden Schiebern werden die Feststoffe aus dem Oberwasser vor diesen Organen abgelagert, da bei der Erzeugung einer Sunkwelle der Durchfluss im oberen Bereich des Kanalquerschnittes freigegeben wird, der Feststofftransport aber weitgehend an der Sohle des Kanals erfolgt.
Mit Schützen und von oben schließenden Schiebern kann durch die Erzeugung von Sunkwellen das Oberwasser gereinigt werden. Beim Drehbogen steht die volle Fließfläche zur Verfügung, d. h. der Feststoffstrom wird nicht vom Volumenstrom getrennt. An der Pilotanlage muss untersucht werden, ob es bei gehobenen Bogen im Bereich der aufsteigenden Strömung zu Ablagerungen kommt. Erste Vorversuche bestätigen das nicht.
Im Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik und im Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft der TU Dresden wird überprüft, unter welchen Bedingungen der Drehbogen als Steuerorgan in der Kanalisation zur Netzbewirtschaftung eingesetzt werden kann. Näher betrachtet werden die Auswirkungen des Drehbogens auf den Kanalnetzbetrieb:
- Spülung der Kanäle,
- Ablagerungen bei Einstau des Oberwassers und deren Beseitigung in Abhängigkeit von der Schleppspannung,
- Auswirkungen der zusätzlichen Belastung der Kanalisation hinsichtlich Material, Rohrverbindungen usw.,
- Funktionssicherheit des Drehbogens (Dichtungen, Störanfälligkeit usw.),
- Luftbewegungen und -kompressionen im Netz bei Heben und Senken des Drehbogens,
- Rückstauverhalten und Stauraumaktivierung in Abhängigkeit der Netzstruktur,
- Nachweis linearer Überflutungskurven an der Pilotanlage und damit der Eignung als Regelorgan,
- Verhalten der Sielhaut.
Einschätzung der Situation in Dresden
Der Anfang der Kanalisationsgeschichte Dresdens geht in das Jahr 1853 zurück. Von 1853 -1860 wurden erste Bauten der Kanalisation in der Antonstadt errichtet. Oberingenieur Mank erarbeitete dazu ein "Schleusen-Systematisierungsprojekt". Das Projekt sah mehrere zur Elbe verlaufende Sammelleitungen vor, die in die längs der Elbe verlaufenden Abfangsammler mündeten. Ab 1890 erfolgte der planmäßige Netzausbau. In den Jahren 1899 und 1900 wurden 25 km Abfangsammler hergestellt, die 1910 an die Kläranlage Dresden-Kaditz angeschlossen wurden. Im heutigen Entwässerungsnetz Dresdens werden die Abwässer von rund 516.000 Einwohnern (98 % der Bevölkerung) transportiert. Das Gesamteinzugsgebiet der Kanalisation und der Kläranlage umfasst ca. 290 km². Angeschlossen sind neben der Stadt die Gemeinden Altfranken, Bannewitz, Gompitz, Ockerwitz und Weißig sowie Tharandt, Hainsberg, Freital, Gohlis, Mobschatz, Cossebaude und Teile von Weixdorf. Die Stadt Dresden selbst hat eine Fläche von rund 225 km², von denen ca. 180 km² bebaute Fläche sind. Dresden verfügt in den Kerngebieten über ein klassisches, gewachsenes Mischsystem. Die Kanalisation der in den letzten Jahren entstandenen Neubaugebiete wurde hauptsächlich im Trennverfahren errichtet. Es handelt sich hier in der Mehrzahl um Randgebiete oder Gebiete mit schlechten Gefälleverhältnissen. Zugunsten kommt hier die relativ große Zahl an kleinen und mittleren Vorflutern, die in Richtung Elbe führen.
Das Kanalnetz der Stadt hat heute eine Gesamtkanalnetzlänge von ca. 1340 km. Davon werden schätzungsweise 10 - 15 % im Trennsystem entwässert. Annahmen für die Länge der Schmutzwasserkanalisation belaufen sich auf 95 km und für die Regenkanalisation auf 80 km. Stadtgebiete, die im Trennsystem entwässert werden, sind Klotzsche (Ezg I), Hellerau (Ezg I), Gorbitz (Ezg VIII), Leubnitz (Ezg V), Lockwitz (Ezg XVII), Nickern (Ezg VII; XVII), Mockritz (Ezg IV), Kaitz (Ezg IV), Prohlis (Ezg VII), die Försterlingstraße, die Reicker Straße und die Dohnaer Straße. Über 49 % der Kanäle sind älter als 70 Jahre und über 86 % der Kanäle sind älter als 45 Jahre. Hauptsächlich sind in die Kanalisation Steinzeug- und Betonprofile eingebaut worden (Steinzeug 35 %, Beton 57 %), aber auch Mauerwerk und Klinker.
Aufgrund der Netzstruktur lässt sich das Entwässerungssystem Dresdens relativ klar in einzelne Entwässerungsgebiete unterteilen. In der Stadtentwässerung ist die Kanalisation Dresdens in 17 Teileinzugsgebiete gegliedert. Diese Einzugsgebiete haben Verästelungsnetze und weisen teilweise Vermaschungen auf. Zwischen benachbarten Einzugsgebieten kann es allerdings Verbindungen geben. Die Gebiete können weitgehend selbständig berechnet und bewirtschaftet werden. Die Einzugsgebiete münden mit ihren Hauptsammlern in Abfangsammler rechts (6,1km) und links (16,7km) der Elbe. Die Abfangsammler führen das Abwasser zur Kläranlage nach Kaditz. Im gesamten Stadtgebiet gibt es zwei Kläranlagen. Hierbei handelt es sich um die zentrale Kläranlage Dresden-Kaditz, die teilweise mit biologischer Stufe betrieben wird, und die unbedeutende Kläranlage Stetzsch (Emscherbrunnen). Die Kläranlage Stetzsch wird stillgelegt. Die Abwässer der Stadt Dresden werden in Zukunft zentral auf der Kläranlage Dresden-Kaditz behandelt. Die Kläranlage befindet sich derzeit in der Erweiterung, um zukünftig den Mindestanforderungen an die Einleitung in Gewässer zu genügen. 2 % der Einwohner im Einzugsgebiet der Stadt Dresden sind an Kleinkläranlagen angeschlossen. Schwerpunkte der Entwässerung in Dresden sind:
- Ausbau der Kläranlage einschließlich Schlammbehandlung; Es ist dringend geboten, dass die Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer gemäß § 7a des WHG stufenweise erreicht und die Klärschlammentsorgung gelöst werden.
- Beseitigung der Ablagerungen des Hauptkanalnetzes; Im Netzbereich mit Nennweiten > 1400 mm müssen bis zu 25000 m³ Sand und Spinnstoffe beseitigt werden. Die Ablagerungen sind Ursache für Rückstauschäden und Gewässerbelastungen durch Regenüberläufe. Sie setzen die hydraulische Leistungsfähigkeit der Kanäle und ihrer Überläufe herab. Ein Untersuchungsprogramm zum Ausmaß der Ablagerungen wurde 1991 über eine Förderung durch den Hamburger Senat von der WAB Dresden GmbH, dem Ingenieurbüro Kupczik sowie dem Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft der TU Dresden durchgeführt.
- Ermittlung des bauseitigen Ist-Zustandes der Kanalisation; Trotz der hohen Überalterung im Kernbereich der Stadt wird der Zustand der Kanalisation als gut eingeschätzt. Jährlich treten 5 bis 10 Schäden auf (Schacht-, Kanaleinstürze und offensichtliche Undichtigkeiten). Schwerpunkte der Sanierung sind die Außengebiete Gorbitz, Prohlis, Lockwitz, Großzschachwitz, Kleinzschachwitz, Dobritz, Reick, Seidnitz, Klotzsche und Hellerau. Zur Zeit werden durch mehrere Inspektionskolonnen TV-Untersuchungen nichtbegehbarer Kanäle durchgeführt. Es ist anzunehmen, dass der Anteil der schadhaften Kanalisation an der Gesamtkanalisation über dem Bundesdurchschnitt liegt.
- Ermittlung der Auslastung der Kanalisation mit Hilfe von Netznachrechnungen; Die WAB-Dresden GmbH führt hydrodynamische Netznachrechnungen durch. Die theoretischen Berechnungen müssen durch Messungen im Kanalnetz und parallelen Niederschlagsmessungen untersetzt werden. Dieser Prozess wird als Kalibrierung bezeichnet. Der Kenntnisstand des hydraulischen Leistungsvermögens der Kanalisation ist für den Anschluss von Entwässerungsgebieten sowie für die strategische Entwicklung des Entwässerungssystems (Generalentwässerungsplan; —> Netzbewirtschaftung, Wahl des Entwässerungssystems) bedeutungsvoll und stellt eine Entscheidungsgrundlage für Sanierungsvorhaben dar. Hydraulisch überlastete Gebiete befinden sich in der Antonstadt, Hellerau, Lockwitz, Dobritz, Großluga, Seidnitz, in Teilgebieten von Reick, Loschwitz und entlang der Salzburger Straße. Eine ordnungsgemäße Abwasserentsorgung dieser Gebiete ist nur nach Kanalauswechslungen möglich. Ein besonderes Problem stellen die Loschwitzer Holz-Dükerrohre dar (DN 300, DN 400).
- Anschluss nicht kanalisierter Gebiete in Dresden und Einbeziehung des Umlandes in den Generalentwässerungsplan; Ziel muss es sein, alle anfallenden Abwässer nach dem Stand der Technik zu reinigen. Dazu ist es notwendig, noch nicht an die Kanalisation angeschlossene Gebiete unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit wenigsten an eine Schmutzwasserkanalisation und damit Abwasserreinigung anzuschließen. Durch die Erschließung wird gleichzeitig der Entwässerungskomfort gehoben. Noch nicht an die Kanalisation angeschlossene Gebiete sind Meußlitz, Söbrigen, Oberpoyritz, Pillnitz, Hosterwitz, Niederpoyritz, Teile von Wachwitz und Rochwitz, Hellerau, Wilschdorf, Kaditz, Gorbitz, Omsewitz, Roßthal, Gittersee, Lockwitz, Nickern und Kleinluga.
- Reduzierung der Schmutzfrachteinleitungen in die Gewässer; Die Gewässer werden in Dresden durch die Einleitungen der Kläranlage, der Regenwasserkanalisation und durch über 135 Regenüberläufe belastet. Nach dem Umbau der Kläranlage ist davon auszugehen, dass die durch die Kläranlage eingetragenen Stofffrachten den Anforderungen an den Gewässerschutz genügen. Außerdem sind Maßnahmen zur Reduzierung der Gewässerbelastung durch die Regenwasserkanalisation und die Regenüberläufe erforderlich. Es ist diesbezüglich notwendig, eine zeitliche Differenzierung vorzunehmen.
- Entkopplung der Flussläufe aus der Kanalisation; In die Kanalisation werden zum Teil Gewässer eingeleitet (z.B. Kaitzbach, Bonngraben, 'Himmelsbach). Das stellt eine unnötige Belastung der Kanäle und der Kläranlagen dar.
Die bisherigen Ausführungen unterstreichen, dass die Regenwasserbehandlung im zu erarbeitenden General - Entwässerungsplan ein wichtiger Bestandteil ist. Das betrifft u. a. grundlegende Fragen der Entwässerungsverfahren (Misch-, oder Trennsystem) sowie der Netzbewirtschaftung. D.h. es sind Entscheidungen bezüglich der zentralen bzw. der dezentralen Niederschlagswasserbehandlung zu treffen. Beide Formen werden in Dresden Anwendung finden. Die zentrale Niederschlagswasserbehandlung erfordert große Speicherräume und ein Konzept zur Netzbewirtschaftung. Der Drehbogen kann mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Lösung der Dresdner Probleme (Ablagerungen im Netz; keine Speicher- und Rückhalteanlagen, aber teilweise große Kanalabschnitte; Netzüberlastung in einigen Gebieten) eine ökonomisch günstige Alternative sein.
Auswahl des Standortes der Pilotanlage
Ersten Überlegungen folgend wurden für den Drehbogen fünf Standorte ausgewählt. Eine eingehende Prüfung der in der Vorauswahl festgelegten Standorte zeigte, dass vier von fünf Plätzen Nachteile aufwiesen. Vorhandene Einschränkungen waren:
- ein hohes Verkehrsaufkommen, welches die Bauphase wesentlich komplizierter gestalten würde,
- starke Netzvermaschungen zu Nachbareinzugsgebieten, die eine Volumenbilanzierung erschweren und eine genaue Beschreibung der Wirkung des Drehbogenbetriebes auf das Kanalnetz nicht zulassen,
- kleine Kanalnetze, die für eine Speicherbewirtschaftung auf Grund ihres geringen potentiellen statischen und dynamischen Speichervolumens nicht praktikabel sind.
Zum Zeitpunkt der Festlegung des Drehbogenstandortes waren die hydrodynamischen Netznachrechnungen im Stadtgebiet noch nicht flächendeckend abgeschlossen. In die engere Wahl kamen nur die Einzugsgebiete, für die Aussagen zur hydraulischen Leistungsfähigkeit der Kanalisation gemacht werden konnten. Der Standort der Kläranlage Leuben wurde als der günstigste erachtet und näher auf seine Eignung untersucht.
Beschreibung des Standortes
Der Standort befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Kläranlage Leuben. Mit dem Ausbau der Kanalisation und zentralen Kläranlage wurden Möglichkeiten geschaffen, das Entwässerungsgebiet Leuben an den Abfangsammler anzuschließen und die Abwässer zur Kläranlage Dresden-Kaditz zu leiten. Mit der Stilllegung der Kläranlage wurden deren Bauwerke geschliffen und auf dem Gelände eine Grünfläche angelegt. Vorhanden sind nur noch der Abwurf, der Entlastungskanal zum Lockwitzbach und die Verbindungsleitung DN 800 zum Abfangsammler.
Der Drehbogen soll im Bypass der Leitung DN 800 betrieben werden. Der Bypass ist für alle am Pilotprojekt beteiligten eine Sicherheitslösung, um auch bei Schäden an der Pilotanlage den Kanalnetzbetrieb aufrecht zu erhalten. Nach ausreichender Erforschung des Betriebsverhaltens des Drehbogens ist für spätere Lösungen kein Bypass vorgesehen. Das Bauvorhaben wird durch ein geringes Verkehrsaufkommen (Gartenanlage) und leicht zu klärende Grundstücksfragen begünstigt. Aussagen der WAB Dresden GmbH zu Folge handelt es sich um ein öffentliches Gelände. Inzwischen wurde der Standort mehrmals besichtigt. Dabei konnten das Entlastungsbauwerk und ca. 300 m Kanal inspiziert werden. Mit dem Einbau des Drehbogens werden aus betrieblicher, hydraulischer und baulicher Sicht hohe Anforderungen an die Kanalisation gestellt. Während des Drehbogenbetriebes treten hohe Fließgeschwindigkeiten und Schleppkräfte auf, die die Kanalwandungen stark belasten. Zum Zeitpunkt der Besichtigungen waren an der Kanalwandung keine Korrosions- bzw. Erosionsschäden bemerkt worden. Trotz des relativ hohen Alters (80 Jahre) ist der bauliche Zustand der Kanalisation gut.
In Folge der hohen Schleppkräfte waren im begangenen Kanalabschnitt kaum Ablagerungen vorhanden. Die Ablagerungsfreiheit ist eine günstige Voraussetzung, um den Einfluss des Drehbogens auf das Sedimentationsverhalten im Kanalnetz zu untersuchen. Hohe Schleppkräfte resultieren aus einem guten Gefälle der Kanalisation. Gutes Gefälle und maximaler Kanalstauraum schließen einander aus. Angaben, die die hydraulische Kanalnetzberechnung des Oberwassers betreffen (Einzugsgebietsfläche, Netzstruktur usw.) sind im Folgenden aufgeführt.
Hydraulische Nachrechnung des Einzugsgebietes
Für die Realisierung des Vorhabens ist der Nachweis des hydraulischen Leistungsvermögens der Kanalisation erforderlich. Durch die Simulation verschiedener Bauzustände soll verhindert werden, dass der momentane Entwässerungskomfort im Oberwassereinzugsgebiet durch die Baumaßnahmen und spätere Steuerung nicht verschlechtert wird. Des Weiteren können verschiedene Lösungsvarianten verglichen werden. Für die hydrodynamischen Netzberechnungen wurde das Programmpaket Hystem/Extran des ITWH Hannover genutzt. Als Ausgangsparameter für die Berechnungen gelten folgende Annahmen:
Das Einzugsgebiet umfasst die Stadtteile Leuben, Niedersedlitz, Großzschachwitz, Sporbitz, Groß- und Kleinluga und den östlichen Teil von Prohlis. Die Einzugsgebietsfläche beträgt 421,4 ha. Davon werden 49 % als undurchlässig eingeschätzt. Grundlage der Berechnungen stellt die für Dresden gültige Regenspende von 113,3 l/(s · ha) dar. Aus dieser Regenspende wurden Modellregen (Typ EULER 2) konstruiert. Neben den Modellregen wurden für die hydrodynamischen Berechnungen reale Niederschlagsereignisse (vom Institut für Siedlungsund Industriewasserwirtschaft in Dresden gemessen) genutzt. Aus programmtechnischen Gründen wurde für die Berechnungen ein Grobnetz erstellt. Die Grobnetzberechnung stellt ein gängiges Verfahren dar, um große Einzugsgebiete als Ganzes zu überprüfen. Beim Grobnetz werden Haltungen ähnlichen Charakters (keine starken Gefälleunterschiede, keine Verzweigungen, gleiches Profil usw.) zu einer Haltung zusammengefasst, wobei die Längen addiert werden. Im Berechnungsgebiet gibt es neben dem Standard Ei- und Kreisprofilen auch Sonderprofile. Für die Sonderprofile lagen maßstäbliche Zeichnungen vor, die digitalisiert wurden. Das Netz hat 7 Regenüberläufe, die in den Lockwitzbach entwässern. Alle Wehre wurden als Seitenwehre mit einem Überfallbeiwert von 0,6 angenommen. Als Parameter für die Ermittlung des Oberflächenabflusses wurden im wesentlichen die vom Programm vorgegebenen Standardparameter (z.B. Benetzungsverlust, Muldenverlust usw.) benutzt, da keine exakten Angaben durch Messungen vorliegen. Die Berechnungsgebiete wurden abhängig vom Anteil der undurchlässigen Flächen, von der Einwohnerdichte, dem Wasserverbrauch, dem Fremdwasseranfall und dem Stundenmittel in Klassen identischer Siedlungsstruktur eingeteilt. Der Wasserverbrauch wurde zu 180 l/(E · d) angenommen, das Bemessungsstundenmittel entsprechend der Einzugsgebietsgröße zu 14 h/d. Der Fremdwasseranteil wurde mit 40 % und in Gebieten mit Trennsystem mit 100 % angesetzt. Die Einwohnerdichten wurden aus Unterlagen der WAB Dresden GmbH entnommen. Für das Einzugsgebiet wurden 7 Klassen ermittelt.
Angaben über die Einleitmengen der Großverbraucher wurden den Trinkwasserverbrauchslisten der WAB Dresden GmbH entnommen. Für das Gebiet Prohlis (Sternhäuser) und das Neubaugebiet Försterlingstraße liegen keine Unterlagen für die Kanalisation vor, d. h., die Gebiete selbst konnten nicht berechnet werden. Die dort anfallenden Abflüsse können für die Berechnungen im weiteren Netzverlauf berücksichtigt werden, indem die dort über Fläche und Einwohner bestimmten Abflüsse als Punkteinleitungen in das weiterführende Netz eingebracht werden. Die durchgeführten Berechnungen hatten zum Inhalt:
- hydraulisches Verhalten der Kanalisation im Ist- Zustandes,
- Simulation des Kanalnetzes mit einer Drosselleitung NW 1200 statt NW 800 am Drehbogenstandort,
- Simulation des Drehbogeneinsatzes.
Zusammenfassung und Ausblick
In der ersten Phase der Projektbearbeitung wurde durch das Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft der Standort für die Pilotanlage des Drehbogens festgelegt. Nach einer Vorauswahl von 5 Standorten erschien der Standort der Kläranlage-Leuben als der günstigste. Er weist eine für wissenschaftliche Betrachtungen positive Netzstruktur (weitgehend Verästelungsnetz) auf. Für den Standort sprechen leicht zu klärende Grundstücksfragen sowie eine ruhige Lage, die in der Bauphase von Vorteil ist. Im Fortgang der Projektbearbeitung wurde der Standort mehrmals begangen. Baulich ist die Kanalisation des Standortes in einem guten Zustand. Mit Hilfe hydrodynamischer Kanalnetzberechnungen wurde versucht, die Auswirkungen des Drehbogeneinsatzes abzuschätzen. Aus dem jetzigen Kenntnisstand wird eine Überhöhung des Drehbogens von 1,80 m empfohlen. Diese Höhe stellt einen Kompromiss bedingt aus der Zielfunktion der Speicherbewirtschaftung dar (Nutzung des maximalen Stauraumes bei minimaler Gewässerbelastung und Aufrechterhaltung des Entwässerungskomforts). Bei sich ergebenden Änderungen in der Netzstruktur wird diese Höhe erneut überprüft. Es muss darauf hingewiesen werden, dass zur Zeit eine Kalibrierung der Modelle nicht möglich ist.
Durch zahlreiche Simulationen konnte nachgewiesen werden, dass für das Oberwassergebiet der Kläranlage-Leuben positive Effekte durch den Einsatz des Drehbogens erreichbar sind. Neben den hydraulischen Betrachtungen sind in den folgenden Phasen Untersuchungen zur Auswirkung des Drehbogeneinsatzes auf den Kanalnetzbetrieb erforderlich. Im Vorfeld durchgeführte Versuche zum Feststofftransport deuten das breite Einsatzspektrum des Drehbogens an.
Schlagwörter
Kanalisation, Trockenwetter, Stauraum, Kanalreinigung, Kanalsedimente, Steuer- und Regelkonzepte, Sielhaut, Drehbogen