Titel
Förderkennzeichen | 02WS9966/4 |
Finanzierung | Bundesministerium für Bildung und Forschung |
Bearbeitungszeitraum | 1999 - 2004 |
Projektleitung | Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Lützner |
Projektbearbeitung |
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Kooperationspartner |
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Hintergrund
Klärschlamm fällt bei der Abwasserreinigung in Abhängigkeit von der Verfahrensgestaltung als Primärschlamm, Überschussschlamm und ggf. durch Verwendung von Fällmitteln an. Die Rohschlämme bedürfen einer Behandlung, die Beschaffenheit wird dabei so verändert, dass keine kritischen Belastungen mehr für die Umwelt in Luft, Boden und Wasser während der nachfolgenden Verwertung oder Beseitigung auftreten.
Die Schlammbehandlung und -entsorgung ist direkt oder indirekt mit einer erhöhten Emission von Treibhausgasen aus der Schlammstabilisierung verbunden. (Kohlendioxid beim Energielieferanten und aus der Umsetzung der organischen Substanz auf der Kläranlage, Methan, falls der Schlamm gefault wird und keine Verbrennung oder Verwertung des Gases erfolgt). Dabei ist das gleiche Volumen an Methan gegenüber Kohlendioxid für den Treibhauseffekt 21-mal höher anzusetzen.
Klärschlamm kann aber auch als klimaneutraler, nicht fossiler Energieträger genutzt werden. Biogas aus der Schlammbehandlung wird auf größeren Kläranlagen im Regelfall als erneuerbare Energiequelle genutzt, in zunehmendem Maße wird Klärschlamm auch verbrannt oder vergast. Zu den allgemeinen Randbedingungen für die anaerobe Schlammstabilisierung ist festzustellen, dass
- die für die Nährstoffelimination (Mindestanforderung ab 10.000 EW) erforderliche organische Fracht als Biogaspotenzial verloren ist, so dass ein Kompromiss zwischen Anforderungen an die Abwasserreinigung (ist primär zu sichern!) und optimaler Energieerzeugung zu finden ist,
- die Reaktionsgeschwindigkeit des anaeroben Abbaus einer Reaktion 1. Ordnung folgt, wobei sich die limitierende Geschwindigkeit aus der Hydrolysereaktion ergibt,
- in kalten Regionen (z. B. Wintersportgebieten) die simultane aerobe Schlammstabilisierung umstritten ist (Stabilisierungsgrad, oTS-Abbau),
- anaerob stabilisierte Schlämme gegenüber aerob stabilisierten Schlämmen bei üblichen Bemessungswerten bessere Entwässerungseffekte aufweisen.
Im Hinblick auf die Effektivität der Schlammstabilisierung sind folgende Zusammenhänge besonders zu beachten:
- Für den Hydrolyseprozess ist die energieaufwendige Bildung lysierender extrazellularer Enzyme notwendig.
- Durch den gezielten Aufschluss von Zellen kann der anaerobe Abbau beschleunigt werden und weitergehend erfolgen.
- Mit dem Zellaufschluss ist eine erhöhte Rückbelastung durch das Schlammwasser verbunden, die Auswirkungen auf den Betrieb der Kläranlage sind nicht endgültig geklärt (NH4+, CSB, Schadstoffe).
Im Rahmen des bearbeiteten Forschungsthemas war zu untersuchen, inwieweit bei kleinen und mittleren Kläranlagen die organischen Abwasserinhaltsstoffe stärker als bisher als erneuerbare Energiequelle genutzt werden können, um letztlich auch die CO2-Belastung und die Schlammentsorgungskosten zu verringern. Dabei war auch die Intensivierung der Schlammfaulung zu untersuchen und deren Auswirkungen für den Kläranlagenbetrieb zu erfassen.
Schwerpunkte der Forschungsarbeit sind die nachfolgenden Untersuchungen zur Optimierung der Schlammfaulung:
- Verfahrensgestaltung (mesophil, thermophil) auf der Grundlage von Laborversuchen und gezielten großtechnischen Versuchen,
- Rohschlammkonditionierung, insbesondere Desintegration und thermische Konditionierung,
- Rückbelastung bei verschiedenen Konditionierungsverfahren,
- Verbesserung der Energiebilanz durch Zusatzsubstrate (insbesondere Fäkalschlämme),
- Untersuchungen zum Betrieb einer großtechnischen Schlammfaulung mit einfacher bautechnischer Lösung und
- Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen.
Verfahren zur Abwasser- und Schlammbehandlung kleiner und mittlerer KIäranlagen
Am Beispiel Sachsens wird die Verfahrensverteilung zur Abwasser- und Schlammbehandlung dargestellt. In Sachsen existieren 82 Kläranlagen mit einer Ausbaugröße zwischen 5.000 bis 20.000 EW. Mit Erreichen des Endausbaus wird das Abwasseräquivalent von ca. 960.000 EW in diesen Anlagen gereinigt. Das Verfahrensspektrum der Abwasserreinigung erstreckt sich vom Abwasserteich (unbelüftet, belüftet) über mechanische Reinigung, Belebungsverfahren (kontinuierlich bzw. SBR), simultane aerobe Schlammstabilisierung, überstauter Festbettreaktor bis zum Tropfkörper. Ein Überblick der Verfahrenshäufigkeit gibt Abbildung 1.
80 % der Abwasserbehandlungsanlagen sind jünger als 10 Jahre. Ca. 72 % aller EW dieser Anschlussgrößen werden mit Verfahren auf Basis der simultanen aeroben Schlammstabilisierung gereinigt. Der Anteil der anaeroben Stabilisierung beträgt ca. 20 % der EW. Auf den verbleibenden Anlagen werden andere Verfahren zur Schlammstabilisierung eingesetzt (getrennte aerobe Stabilisierung, aerob-thermophile Verfahren, Kompostierung). Die Fakten verdeutlichen, dass für Kläranlagen der Größenordnung 5.000 - 20.000 EW, wie bekannt, die simultane aerobe Schlammstabilisierung die Vorzugslösung darstellt. Ähnliche Ergebnisse zeigen veröffentlichte Daten aus Osterreich (Abbildung 2, Svardal, 2002). Mehr als die Hälfte der dortigen Kläranlagen werden mit aerober simultaner Stabilisierung betrieben.
Gemäß ATV-DVWK (2001a) haben 30% aller Anlagen (5.000 — 20.000 EW, Sachsen) eine externe Schlammstabilisierung. Abbildung 3 stellt die Verteilung der gewählten Verfahren dar.
Zusammenfassung
Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden Untersuchungen zur Thematik "Erneuerbare Energie und Minderung der Emission von Treibhausgasen durch moderne Verfahren der Abwasser- und Schlammbehandlung auf kleinen und mittleren Kläranlagen" durchgeführt. Insbesondere wurden die thermophile bzw. mesophile Betriebsweise der anaeroben Stabilisierung, die Nutzungsmöglichkeiten der Klärschlammdesintegration sowie das Handling von Fäkalschlammen betrachtet. Darüber hinaus wurde eine 2-stufige Pilotanlage großtechnisch überprüft und ein Bemessungsvorschlag vorgestellt. Im Abschluss der Ergebnisse erfolgte eine wirtschaftliche Bewertung der anaeroben Stabilisierung unter den Bedingungen kleiner und mittlerer Anschlussgrößen. Im Einzelnen wurden folgende Ergebnisse erzielt:
Die aerobe bzw. anaerobe Abwasserbehandlung führt zur Emission von Treibhausgasen. Dabei fallen als Stoffwechselprodukte CO2 (aerob) und CH4 und CO2 (anaerob) an. Verfahren mit anaerober Stabilisierung ohne Biogasnutzung weisen mit einem CO2-Äquivalent von 330 g CO2/(EW*d) die größte Emission an Treibhausgasen auf. Auf Grund der geringen Anschlussgröße wird dieser Emission keine Bedeutung zugeordnet. Schwerpunkt der Abwasser- und Schlammbehandlung ist die simultane aerobe Schlammstabilisierung. Im Vergleich mit einer Abwasserbehandlung und anaerober Schlammbehandlung ergab sich eine bis zu 2,3-fach höhere Emission von Treibhausgasen (CO2-Äquivalent 80 g CO2/(EW*d)). Unter Annahme einer bundesweiten Abwasser- und Schlammbehandlung nach dem Verfahren der simultanen aeroben Schlammstabilisierung von 20 % beträgt die jährliche Emission von Treibhausgasen als CO2-Aquivalent 467.200 t/a.
Die anaerobe Schlammstabilisierung wird vorzugsweise unter mesophilen Bedingungen durchgeführt. Das thermophile Verfahren wird dagegen nur vereinzelt in Kombination mit einer mesophilen Verfahrensstufe praktiziert. Die Stabilisierungskriterien können durch beide Betriebsarten erreicht werden, wobei hydraulische Verweilzeiten von 12 d (thermophil) und 20 d (mesophil) nicht unterschritten werden sollten. Vorteile der thermophilen Betriebsweise bestehen in den aus den kürzeren Verweilzeiten resultierenden kleineren Reaktorvolumina.
Außerdem kann durch thermophile Verfahren bei Verweilzeiten < 20 d ein weitergehender anaerober Abbau erzielt werden, wobei der Einfluss mit zunehmender Verweilzeit zurückgeht. Als Nachteile der thermophilen Betriebsweise ergeben sich höhere Belastungen des Prozesswassers, die bei der Stickstoffelimination zu berücksichtigen sind. Das Entwässerungsverhalten thermophil gefaulter Klärschlamme kann durch eine Anpassung des Konditionierungsmittels dem von mesophil stabilisierten Schlämmen vergleichbar gemacht werden. Bei Kapazitätsengpässen bzw. Verweilzeiten < 15 d empfiehlt sich ein thermophiler Betrieb. Sind größere Reserven vorhanden (Verweilzeiten > 20 d) kann durch die mesophile Arbeitsweise eine ausreichende Stabilisierung des Klärschlammes erfolgen.
Durch die Desintegration kann der mesophile anaerobe Abbau verbessert werden. Dabei kommt es zur Steigerung des Biogasanfalls und einer Verringerung des organischen Feststoffgehaltes. Gleichzeitig erhöht sich die Belastung des Prozesswassers mit Nährstoffen. Für den Kläranlagenbetrieb ist insbesondere die Stickstofffracht bedeutsam. Der Einsatz der Klärschlammdesintegration ist unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Kostensituation und der getroffenen Annahmen nicht wirtschaftlich. Ein wesentlicher Kostenfaktor ist der für den Klärschlammaufschluss benötigte hohe Energieeinsatz.
Fäkalschlamm weist gegenüber kommunalem Abwasser eine günstigere Nährstoffzusammensetzung für die Denitrifikation auf. Vorzugsweise kann der Fäkalschlamm in den Abwasserstrom eingeleitet werden. Eine direkte Zugabe in die Faulung empfiehlt sich nicht, da Fäkalschlamm auf Grund der langen Lagerzeiten ein niedriges Biogaspotenzial besitzt. Gleichzeitig wird durch die Faulung (direkte Zugabe) das C/N-Verhältnis verschlechtert. Wird der Fäkalschlamm vorentwässert oder in Kläranlagen mit Vorklärung behandelt, kann durch die Zugabe von Fäkalschlamm in den Abwasserstrom bzw. in die Faulung das C/N-Verhältnis verbessert werden.
Das vorgestellte Verfahren zur anaeroben Schlammstabilisierung beruht auf einer zweistufigen Prozessführung. Die erste Faulstufe wird liegend ausgeführt und als Plug-Flow-Reaktor betrieben. Infolge der verhältnismäßig großen Oberfläche ergaben sich im zweijährigen Betrieb keine Betriebsschwierigkeiten (Schwimmschlamm usw.). Ein Betrieb als Hochlastanlage ist unter dem Aspekt der Betriebsstabilität nicht vorgesehen. Die erste Faulstufe kann sowohl mesophil als auch thermophil betrieben werden. Die zweite Faulstufe wird unter mesophilen Bedingungen gefahren. Folgende Verweilzeiten werden für eine stabile Arbeitsweise empfohlen:
- Mesophil/mesophiler Betrieb: erste Faulstufe 7 d HRT, zweite Faulstufe 13 d HRT
- Thermophil/mesophiler Betrieb: erste Faulstufe 5 d HRT, zweite Faulstufe 10 d HRT.
Im zweijährigen Pilotbetrieb wurde die Versuchsanlage wissenschaftlich begleitet. Über einen Zeitraum von einem Jahr wurde die Versuchsanlage im mesophil/mesophilen bzw. thermophil/mesophilen Arbeitsbereich betrieben. Die erzielten Versuchsergebnisse (358 l/kg oTSzu, 38,5 % oTS-Abbau - erste Versuchsphase, 388 l/kg oTSzu, 44,3 % oTS-Abbau - zweite Versuchsphase) entsprechen dem Leistungsvermögen anaerober Stabilisierungsanlagen, wobei das Gaspotenzial durch das hohe aerobe Schlammalter des Überschussschlammes und durch die Zwischenlagerung im Clarigester gemindert wird.
Die Wirtschaftlichkeit der anaeroben Schlammstabilisierung ist von standortspezifischen Faktoren (Art der Abwasserbehandlung, Möglichkeiten der Integration einer Faulung) sowie verfahrenstechnischen Vorteilen abhängig. Während die standortspezifischen Einflüsse im Einzelfall ermittelt werden müssen, können die verfahrenstechnischen Vorteile aus dem Vergleich mit der simultanen aeroben Schlammstabilisierung bestimmt werden. Gegenüber der simultanen aeroben Schlammstabilisierung zeichnet sich die anaerobe Schlammbehandlung durch ein besseres Entwässerungsverhalten, einen geringeren Schlammanfall und niedrigere Schlammentsorgungskosten aus. Gleichzeitig kann das Biogas energetisch genutzt werden. Als Nachteile ergeben sich größere Anforderungen an die Stickstoffelimination. Im Vergleich zur simultanen aeroben Schlammstabilisierung betragen in Abhängigkeit der Schlammeigenschaften und der Kosteneinflüsse die betriebsbedingten Einsparungen einer Faulung 2,00 - 10,00 EUR/(EW*a). Bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung dürfen die Investitionskosten demzufolge 2,00 - 10,00 EUR/(EW*a) nicht überschreiten. Ein Verfahrensvergleich ist für Anschlussgrößen > 10.000 EW zu empfehlen.
Literatur
- ATV-DVWK (2001a). Kläranlagen-Nachbarschaften. F. Hirthammer Verlag, München.
- Svardal K. (2002). Betrieb von Stabilisierungsanlagen. Kanal- und Kläranlagen-Nachbarschaften. Informationsreihe Betriebspersonal Abwasseranlagen, Band 10, 93-107, Österreichischer Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV), Wien 2002.
Schlagwörter
Anaerobtechnik, Klärschlammbehandlung, Energie, kleine Kläranlagen