Titel
Arbeitspaket TU Dresden: Entfernung gelöster Prozess- und Abwasserinhaltsstoffe
Förderkennzeichen | 16IN0267 |
Finanzierung | Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie |
Bearbeitungszeitraum | 2004 - 2008 |
Projektleitung | Prof. Dr. sc. techn. Peter Krebs (Arbeitsteil TUD) Prof. Dr.-Ing. C. Schuster, FH Südwestfalen (Gesamtprojekt) |
Projektbearbeitung | Dr.-Ing. Volker Kühn Dipl.-Ing. Matthias Barth Dipl.-Ing. Thilo Koegst Dipl.-Ing. Thomas Schalk |
Kooperationspartner | FH Südwestfalen HST Hydro-Systemtechnik GmbH HST-WKS Hydro-Systemtechnik GmbH ISATT GmbH Lonkwitz Anlagenbau GmbH Co.KG EKOF Flotation GmbH |
Zusammenfassung
Im Rahmen des Verbundvorhabens "Mobiles und modularisiertes Technologiesystem zur Behandlung von Produktionsabwässern (MOTES)" befasste sich das Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft vorrangig mit der Behandlung gelöster Inhaltsstoffe in Prozessabwässern. Ausgehend von einer Marktrecherche der FH Südwestfalen und eigener Erhebungen wurden Marktpotenziale für den Einsatz der zu entwickelnden Modulanlagen ermittelt. Auf Grund der Vielschichtigkeit der untersuchten Einzelfälle wurde die Bewertung des Marktpotenziales durch die Einschätzung von Abwasserzusammensetzungen verschiedener Industriezweige unterstützt. In diesem Zusammenhang wurde, in Abstimmung mit den Projektpartnern, der Modulentwicklung für die Behandlung stickstoffreicher Prozesswässer der Vorrang gegeben
Arbeitspaket 1
Der erste Schwerpunkt der Projektbearbeitung befasst sich mit der Modulentwicklung von innovativen Verfahrenstechniken zur Behandlung von stickstoffreichen Prozesswässern. Vorteile innovativer Verfahren bestehen in einer größeren Prozessstabilität bei höheren Ammoniumkonzentrationen, in einem geringeren Belüftungsbedarf, in einer geringeren Überschussschlammproduktion und in einem geringeren Bedarf an externen Kohlenstoffverbindungen. Auf Grund der durch die Abwässerzusammensetzung bedingten technischen Anforderungen an die Verfahrenstechnik und den durch die energiepolitische Entwicklungen zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteilen stellen die innovativen Verfahren eine attraktive Alternative zur Behandlung stickstoffreicher Abwässer dar. Im Rahmen der Projektbearbeitung wurden innovative Verfahrensführungen zur Stickstoffelimination untersucht und bewertet. In Ergänzung zur Literatur wurden mit labortechnischen Untersuchungen Bemessungsgrundlagen technischer Anlagen erarbeitet.
Ausgehend von der durch die FH Südwestfalen in Meschede durchgeführten Marktrecherche zu den Einsatzmöglichkeiten der in dem Forschungsvorhaben zu entwickelnden Technologien wurden vertiefende Bestandsaufnahmen für die Industriezweige Papierherstellung, Brauereien, Schlacht- und Fleischverarbeitende Industrie sowie Speisewürzemittelherstellung durchgeführt. Zusätzlich wurde die gewerbliche Struktur einer Kleinstadt aufgenommen und bewertet. Auf Grund der erzielten Ergebnisse konnte zunächst keine zu favorisierenden Ansatzpunkte der Technologieentwicklung abgeleitet werden. In der weiteren Projektbearbeitung wurden die Abwasserzusammensetzung einzelner Industrie- und Gewerbebetriebe analysiert. In diesem Zusammenhang konnte die Stickstoffproblematik als zentrales Problem der Abwässer aus dem Schlacht- und Fleischverarbeitenden Gewerbe, der Tierkörperverwertung, der Fischindustrie, der Stärkeindustrie, der Zuckerfabriken, der Kartoffel verarbeitenden Betriebe, der Molkereien, der Brauereien, der Pektin- und Hefefabriken, der Abfallvergärung, der Deponierung von Hausmüll und der Klärschlammbehandlung abgeleitet werden. Die Vielfalt der mit der Stickstoffproblematik konfrontierten Industrie- und Gewerbebetriebe sowie kommunalen Kläranlagen verdeutlichen das umfassende Marktpotenzial einer für die Abwasserbehandlung zu entwickelnden Technologie. In der Praxis ist die klassische Verfahrensführung der Stickstoffelimination über die Teilprozesse Nitrifikation und Denitrifikation weit verbreitet. Vorteile dieser umfangreichen Verfahrensanwendung bestehen in der Verfügbarkeit fundierter Bemessungsansätze und Technologien, so dass eine ausgereifte Verfahrensstabilität und -effizienz erreicht wird. Nachteile dieser Behandlungsmöglichkeiten bilden hohe Investitions- und Betriebskosten der Abwasserbehandlungsanlagen. Während die Investitionskosten durch den hohen Volumenbedarf des zu gewährleistenden Schlammalters bestimmt werden, resultieren die Betriebskosten aus den hohen Aufwendungen für die Belüftung und Umwälzung sowie gegebenenfalls den Einsatz externer Kohlenstoffverbindungen. Grenzen der Anwendung dieser Technologie sind bei der Behandlung von Abwässern mit hohen Stickstoffkonzentrationen (NH4-N) und/oder niedrigem Gehalt organischer Kohlenstoffverbindungen gesetzt. Zum einen können hohe Stickstoffkonzentrationen den Grad der Stickstoffoxidation durch Hemmungen der Nitratation bzw. Nitritation beeinflussen und zum anderen wird das Ausmaß der Reduktion von Nitrat bzw. Nitrit zu Stickstoff durch die Verfügbarkeit organischer Kohlenstoffverbindungen bestimmt. Mit der Entwicklung innovativer Verfahrenstechniken wie Nitritation/Denitritation, Nitritation/autotrophe Stickstoffelimination oder Deammonifikation kann den Anforderungen an die Behandlung dieser Abwässer besser entsprochen werden. Zusätzlich können durch den Einsatz innovativer Verfahren zur Stickstoffelimination zum Teil die Investitions- und insbesondere die Betriebskosten gegenüber klassischen Verfahren stark verringert werden. Während bei den Investitionskosten die für die Nitritation niedrigeren Reaktionsvolumina der höheren Anforderungen an die Prozessregelung gegenüberstehen, weisen die innovativen Verfahren bei den Betriebskosten gegenüber der klassischen Nitrifikation/Denitrifikation deutliche Vorteile auf. Die günstigeren Betriebskosten entstehen vor allem durch die verminderten Aufwendungen der Belüftung bei der Nitritation, den reduzierten Verbrauch externer Kohlenstoffverbindungen bei der Denitritation gegenüber der Denitrifikation, den Wegfall des Bedarfes externer Kohlenstoffverbindungen bei der autotrophen Stickstoffelimination bzw. Deammonifikation und der geringeren Überschussschlammproduktion und den damit verbundenen Schlammentsorgungskosten. Durch den Einsatz innovativer Verfahren zur Stickstoffelimination können die Betriebskosten gegenüber der klassischen Stickstoffelimination von 0,8 – 3,0 EUR/kg Neliminiert auf 0,5 – 1,8 EUR/kg Neliminiert (Nitritation/Denitritation) bzw. 0,1 EUR/kg Neliminiert (Nitritation/autotrophe Stickstoffelimination) gesenkt werden. Auf Grund der durch die Abwässerzusammensetzung bedingten technischen Anforderungen an die Verfahrenstechnik und den durch die energiepolitische Entwicklungen zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteilen stellen die innovativen Verfahren eine attraktive Alternative zur Behandlung stickstoffreicher (NH4-N) Abwässer dar. Erste Erfahrungen und technische Umsetzungen dieser Verfahrentechniken liegen vor. Neben den angesprochenen Vorteilen wurde der hohe Anspruch an die Betriebsführung innovativer Verfahren zur Stickstoffelimination deutlich. Eng damit verbunden waren großen Schwankungsbreiten der technischen Verfahrensauslegung. Gleichzeitig stellen diese Bemessungsunterschiede große Unsicherheiten bei der Dimensionierung dar. In diesem Zusammenhang wurden im Rahmen der Projektbearbeitung Versuche zur Ermittlung von Bemessungsparametern von Modulstufen zur Nitritation und zur autotrophen Stickstoffelimination durchgeführt.
Schwerpunkt der Untersuchungen zur Nitritation bildete der Einfluss der Selbsthemmung ammoniumhaltiger Abwässer unter Berücksichtigung der Beeinflussung der Pufferkapazität durch die Zugabe von Überschussschlamm. Im Ergebnis konnte die Wirkung der Pufferkapazität auf den Grad der Nitritation nachgewiesen werden. Größere Pufferkapazitäten führten zu höheren Nitrit/Nitrat Verhältnissen. Auf Grundlage der Untersuchungen können definierte Nitrit/Nitrat Verhältnisse im behandelten Abwasser durch Selbsthemmung und Beeinflussung der Pufferkapazität erreicht werden, wobei die Wechselwirkungen zwischen Abwasserzusammensetzung (Ammoniumgehalt) und Pufferkapazität in technischen Untersuchungen verifiziert werden müssen.
Die Untersuchungen zur autotrophen Stickstoffelimination konzentrierten sich auf die Ermittlung von Bemessungsparametern für die Auslegung von Verfahrenstechniken mit suspendierter Biomasse bzw. unter Nutzung von Aufwuchsträgern. In Zusammenhang mit der Literaturauswertung konnten Bemessungsvorschläge für die Dimensionierung technischer Anlagen erarbeitet werden. Eine Verifikation auf Grundlage technischer Untersuchungen wird empfohlen.
Aus den Untersuchungen konnten folgende Vorzugslösungen der Verfahrensführung zur Nitritation und Nitritation/autotrophe Stickstoffelimination abgeleitet werden:
- Die Nitritation kann sowohl durch Verfahren mit suspendierter Biomasse als auch mit Biofilmverfahren realisiert werden. Vorteil von Verfahren mit suspendierter Biomasse besteht in der zusätzlichen Nutzung des Schlammalters als Regelparameter der Nitritation. Gegenüber der Biofilmtechnik sind der Nitritation bei den Verfahren mit suspendierter Biomasse keine Grenzen gesetzt. Bei der Biofilmtechnik wird der Nitritationsgrad durch die mit der Nitritation verbundene Abnahme der Ammoniakhemmung beschränkt.
- Für eine Behandlung stickstoffreicher Prozesswässer mit unvollständiger Eliminationsleistung werden einstufigen Verfahrensführungen mit Aufwuchsträgern empfohlen. Gegenüber Verfahren mit suspendierter Biomasse sind geringere regelungstechnische Anforderungen erforderlich. Zudem sind Biofilmverfahren gegenüber Nitrithemmungen toleranter.
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Wird eine Behandlung stickstoffreicher Prozesswässer mit vollständiger Eliminationsleistung angestrebt, sind bevorzugt mehrstufige Prozessführungen zu realisieren.
Bei einer Trennung von Nitritation und autotropher Stickstoffelimination kann die Nitritation durch Verfahren mit suspendierter Biomasse konsequent verwirklicht werden (siehe vorheriger Abschnitt). Die autotrophe Stickstoffelimination kann sowohl durch Verfahren mit suspendierter Biomasse als auch mit Aufwuchsträgern realisiert werden. Auf Grund der größeren Prozessstabilität gegenüber Nitrithemmungen sind die Biofilmverfahren zu bevorzugen.
Wird die Nitritation/autotrophe Stickstoffelimination simultan durchgeführt, sind zur vollständigen Stickstoffelimination mehrere Verfahrensstufen erforderlich. Die gegenüber den Verfahren mit suspendierter Biomasse genannten Vorteile der Biofilmtechnologie treffen auch für die simultane Nitritation/autotrophen Stickstoffelimination zu.
Bei der Erarbeitung der Bemessungsgrundlagen für die autotrophe Stickstoffelimination zeigte sich die Sensibilität des Prozesses. Neben der geringen Wachstumsrate der Planctomyceten bestimmten die Reaktionsbedingungen zur Verhinderung von Nitrithemmungseinflüssen den Einfahrzeitraum. Im Versuchsmaßstab wurden teilweise Einfahrzeiträume > 6 – 9 Monate benötigt, teilweise mussten Versuchsreihen verworfen werden. Mit dieser Erkenntnis und der Zielstellung im Projektverbund kurzfristig nutzbare Ergebnisse zu erzielen, wurde von den Projektpartnern beschlossen, die großtechnische Umsetzung auszusetzen. Mit den erzielten Ergebnissen liegen Grundlagen zur Dimensionierungen technischer Anlagen vor, welche jeder Zeit realisiert werden können.
Arbeitspaket 2
Der zweite Schwerpunkt der Bearbeitung befasst sich mit der Entwicklung einer Wissensdatenbank für die im dritten Schwerpunkt zu erarbeitende Planungshilfe. Ausgangspunkt der Bearbeitung bildete eine Datenbank für die zu betrachtenden Prozesswässer. Nach Erarbeitung der Datenbankstruktur wurde diese exemplarisch für Schlachtbetriebe und fleischverarbeitende Betriebe erstellt. Die vorhandene Datenbasis kann um neue Ergebnisse der Forschung und Entwicklung ständig erweitert werden. Mit dem vorhandenen Datenbanksystem können weiterhin neue Industriezweige aufgenommen werden, welche dann der Verarbeitung in der Planungshilfe zur Verfügung stehen.
Abwasseranfall, Abwasserbeschaffenheit
Der Abwasseranfall wird aus einem in der Datenbank hinterlegten produktionsspezifischen Grundwert (m³/Einheit) berechnet, der auf dem Fünf-Tages-Wochenmittel basiert. Der wöchentliche Abwasseranfall wird aus der vom Nutzer einzugebenden mittleren wöchentlichen Produktionskapazität (Einheiten/[5 Arbeitstage]) ermittelt. Die Berechnung des täglichen Spitzenabflusses (maximaler Abwasseranfall) erfolgt auf Basis der nutzerspezifischen Eingabe der maximalen Tagesproduktion. Die Abwasserbeschaffenheit kann durch den Nutzer bei vorhandenen Daten vorgegeben werden oder sie wird anhand von in der Datenbank enthaltenen Angaben für die einzelnen Industriezweige pauschal definiert. Die optionale Eingabe durch den Nutzer beschränkt sich auf in der Datenbank enthaltene Parameter.
Besteht ein Prozess aus mehreren Teilprozessen, umfasst der Abwasseranfall die Summe der Teilströme. Durch die nutzerseitige Auswahl der von der Datenbank angebotenen Teilprozesse eines Gesamtprozesses erfolgt die Berechnung der Gesamtfracht aus der Addition der Teilfrachten.
Rohstoffspezifische Belastungsgrößen
Rohstoffspezifische Belastungsgrößen sind in der Datenbank enthaltene, auf das dem jeweiligen Betrieb zugeführte Substrat, d. h. den unverarbeiteten Rohstoff, bezogene Größen, die nach Eingabe des verarbeiteten Substrates (Wochenproduktion, maximale Tagesproduktion) zur Berechnung des Abwasseranfalls und der Abwasserfrachten genutzt wird.
Produktspezifische Belastungsgrößen
Während rohstoffspezifische Belastungsgrößen zur werkseingangsseitigen Charakterisierung des Abwassers dienen, kennzeichnen produktspezifische Belastungsgrößen das Abwasser auf der Austragsseite des Werkes. Sie sind wie die rohstoffspezifischen Größen in der Datenbank hinterlegt. Zur Berechnung der Frachten ist die Eingabe der produzierten Einheiten erforderlich.
Verfahrenstechnik
Die in der Datenbank enthaltenen Verfahren sind in Umwandlungsverfahren und Trennverfahren untergliedert. Umwandlungsverfahren bewirken eine Änderung der Fraktionierung durch Überführung einer bestimmten Fraktion in eine andere Fraktion (biologische Verfahren). Mit Trennverfahren wird eine Fraktion durch physikalische Vorgänge aus dem Abwasser entfernt (Rechen, Siebe, Absetzbecken, Flotation, Fettabscheider). Aufgrund der Unterteilung in diese beiden Gruppen sind die biologischen Abbauprozesse des Belebtschlammverfahrens als Umwandlungsverfahren erfasst, während die Abtrennung des Belebtschlamms, sei es durch Flotation, Nachklärbecken oder Membranen anschließend mit einem Trennverfahren durchgeführt wird.
Bemessung
Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten, auf welchem Weg die Bemessung der Module erfolgen kann. Einerseits kann vom Nutzer ein Reinigungsziel vorgegeben werden, auf dessen Einhaltung hin die Bemessung erfolgt und an dessen Ende ein spezifisches Behandlungsvolumen steht. Andererseits kann vom Nutzer ein spezifisches Behandlungsvolumen eingegeben werden, dessen Folge ein bestimmter Wirkungsgrad ist. Die erste Variante entspricht der Auslegung im Hinblick auf die Einhaltung von Grenzwerten, die zweite, der Nutzung einer bestehenden Anlage. Als Ausgangswerte zur Bemessung dienen die mittlere Wochenfracht, die maximale Tagesfracht sowie der mittlere Wochenzufluss und der maximale Tageszufluss.
Die Bemessung von biologischen Verfahren erfolgt in Abhängigkeit der Technologie u. a. nach dem Schlammalter, der Schlammbelastung sowie der Raum- und Flächenbelastung. Trenn- und Ausgleichsverfahren werden nach der Aufenthaltszeit bzw. zulässigen hydraulischen Beschickung bemessen.
Reinigungsleistung
Die Reinigungsleistung der in der Datenbank hinterlegten Verfahren wird nach dem Wirkungsgrad auf die im Abwasser enthaltenen Fraktionen unabhängig vom Einzelfall bestimmt, d. h. ein definiertes Verfahren hat auf eine Fraktion stets die gleiche Wirkung. Aufgrund der industriespezifischen Abwasserbeschaffenheit variieren die zur Bemessung genutzten Fraktionen, so dass sich auf dieser Basis differenzierte Reinigungsleistungen ergeben.
Arbeitspaket 3
Im dritten Schwerpunkt erfolgte die Erstellung einer Planungshilfe. Auf Grundlage der hinterlegten Datenbank und der auf Basis von Stoffkomponenten entwickelten Prozessabläufe der Verfahrensstufen der Prozesswasser- und Abwasserreinigung können geeignete Verfahrenskombinationen der Abwasserbehandlung unter der Vorgabe definierter Ausgangsbedingungen mit Hilfe von Ursache-Wirkungs-Beziehungen ermittelt und bewertet werden. Dem Nutzer werden unter diesen Umständen in kürzester Zeit Lösungsmöglichkeiten der Prozess- und Abwasserbehandlung zur Verfügung gestellt, wodurch der Planungsaufwand deutlich reduziert wird.
Ziel ist die Beschreibung eines Software-Werkzeugs (von nun an Planungshilfe) zur Aufstellung von Verfahrensketten für die Industrieabwasserreinigung am Beispiel der
fleischverarbeitenden Industrie. Schwerpunkt der Arbeit ist die Systematisierung vorhandenen Expertenwissens und deren formale Beschreibung in einer Wissensdatenbank. Durch die Planungshilfe werden zwei Fragestellungen bearbeitet. Erstens, Abschätzung der zu erwartenden Abwasserzusammensetzung und Abwassermenge. Zweitens, Ableitung von Verfahrenskombinationen, sowie vereinfachte Kostenschätzungen der Verfahrensketten.
Folgende Vereinfachungen wurden für die Umsetzungen angenommen:
- Berücksichtigung einer einzelnen Abwasserquelle (End of Pipe Lösung);
- Schwankungen des anfallenden Abwasserstromes werden nur statisch in Form eines zu erwartenden Wochenabflusses und eines maximalen Tagesabflusses berücksichtigt
- Schwankungen in der Abwasserzusammensetzung werden nicht berücksichtigt
In den folgenden zwei Unterpunkten wird die Vorgehensweise der Planungshilfe kurz erläutert.
Prozesswasseranalyse
Der erste Teil der Planungshilfe umfasst eine vereinfachte Prozesswasseranalyse. Ergebnis dieses Schrittes ist die Definition der Abwassermatrix als Voraussetzung der nachfolgenden Verfahrensgenerierung. Da in den meisten Fällen nicht von einer in allen Punkten bekannten Abwassermatrix ausgegangen werden kann, z. B. durch detaillierte Messungen, müssen die Werte der Matrix durch spezifische Kenngrößen abgeleitet werden. Zum besseren Verständnis und zur späteren Formalisierung sollen dabei die Terme Primäre Eigenschaften und Echte Eigenschaften unterschieden werden. Primäre Eigenschaften beschreiben Parameter, die direkt gemessen werden können und die somit zur Festlegung von Überwachungswerten (i. e. Grenzwerten) verwendet werden.
Echte Eigenschaften werden aus den Primären Eigenschaften abgeleitet und dienen zur genaueren Beschreibung dieser (z.B. Auftreten: gelöst, suspendiert, partikulär;
Abbaubarkeit: biologisch abbaubar, inert; etc.). Die Berechnung der Veränderung der Abwassermatrix erfolgt an Hand von Echten Eigenschaften. Der Zusammenhang zwischen Primären und Echten Eigenschaft wird durch Regeln zur Fraktionierung beschrieben. Als Vorbild für die Fraktionierung dient die Stoff-Beschreibung des Activated Sludge Models. Zur Umsetzung des Planungsalgorithmus ist des Weiteren die Definition von Stoffklassen gleicher Eigenschaft notwendig, um Stoffe mit ähnlichen Eigenschaften zusammenzufassen. Bei einer Vielzahl von beschriebenen Stofffraktionen, sowie Verfahren zu deren Behandlung führt eine solche Zusammenfassung zu einer schnelleren Suche (i. e. Verfahrensidentifikation) als Teil des verwendeten Planungsalgorithmus.
Bei der Prozesswasseranalyse werden drei wesentliche Schritte durchlaufen:
- Identifikation der gültigen Grenzwerte in Abhängigkeit des Industriezweiges und der Art der Einleitung, d.h. Indirekteinleitung oder Direkteinleitung. Als Ergebnis liegt eine Matrix mit Primären Eigenschaften vor sowie konkrete Werte (i. e. Grenzwerte) für diese Eigenschaften.
- Das nachfolgende Ziel der Prozesswasseranalyse ist die Bestimmung des Ist- Zustandes der Primären Eigenschaften für die Grenzwerte vorliegen. Diese Parameter-Liste soll wird durch weitere Primäre Eigenschaften erweitert, um auf mögliche betriebsbedingte Besonderheiten eingehen zu können. Zum Beispiel bestehen keine Ablaufanforderungen für die fleischverarbeitende Industrie hinsichtlich lipophiler Stoffe oder Sand. In der Praxis, d. h. in bei der Verfahrenstechnik müssen diese Inhaltsstoffe dennoch berücksichtigt werden.
- Nachdem für die Primären Eigenschaften Werte ermittelt wurden, ist eine weitergehende Beschreibung dieser Parameter notwendig. Vor allem die Verwendung von Summenparametern erfordert eine Beschreibung hinsichtlich der Fraktionierung, um Aussagen über die Eliminierungsmöglichkeiten, der durch den Summenparameter beschriebenen Eigenschaften, zu ermöglichen.
Zur Werteabschätzung der Primären und Echten Eigenschaften werden Messwerte und industriezweigspezifische Kenngrößen verwendet. Dabei gilt der Grundsatz je mehr verlässliche Messwerte vorliegen, desto genauer sind die von der Planungshilfe getroffenen Aussagen.
Generierung von Verfahrensketten
Die grundsätzliche Vorgehensweise zur Generierung von Verfahrensketten, welche im Rahmen dieser Arbeit angewandt wurden basiert auf der Arbeit von Linninger and
Chakraborty (1999). Ein vereinfachter Überblick zur Arbeitsweise der Planungshilfe ist in den nachfolgenden Punkten zusammengefasst:
- Bei der Diagnose wird für jede Primäre Eigenschaft einer Abwassermatrix Sn der Ist-Zusand mit dem geforderten Grenzwert verglichen. Liegt der Grenzwert unter dem Ist-Zustand werden für alle mit der Primären Eigenschaft verbundenen Echten Eigenschaften Teilziele aufgestellt. Ein Teilziel ist dabei allein qualitativ beschrieben, z.B. "Entferne gelöste biologisch abbaubare Stoffe".
- Bei der Verfahrenswahl werden alle Verfahren gesucht, die mindestens ein Teilziel erfüllen können. Alle Verfahren sind dabei durch eine Logische Komponente und eine Berechnungs-Komponente beschrieben. Die Logische Komponente umfasst so genannte post-conditions und pre-conditions. Post-conditions beschreiben, was ein Verfahren bewirkt (z.B. Abbau gelöste biologisch abbaubare Stoffe). In den pre-conditions einer Verfahrensbeschreibung können Anwendungsgrenzen (engl.: Limitations) berücksichtigt werden (z.B. die zu behandelnde Abwassermenge darf 10 m3/h nicht überschreiten).
- Im nachfolgenden Berechnungsschritt wird die Veränderung der Abwassermatrix durch vereinfachte Modelle zum Stoffumsatz und zur Kostenberechnung abgeschätzt. Diese Modelle sind in der Berechnungskomponente der Verfahrensbeschreibung aufgeführt. Die Abschätzung der Veränderung der Abwassermatrix erfolgt dabei ausschließlich für die Echten Eigenschaften. Für eine anschließende Diagnose müssen die Werte für die Primaren Eigenschaften aus den Werten der Echten Eigenschaften neu berechnet werden.
- Beginnend mit der Abwassermatrix S0, die das ungereinigte Abwasser beschreibt, werden die Schritte der Diagnose, Verfahrenswahl und Neuberechnung so lange wiederholt, bis alle Werte der Primären Eigenschaften unterhalb der Grenzwerte liegen. Als Resultat liegt ein Verfahrensbaum (engl. Superstructure) mit allen sinnvollen Verfahrensketten zur Behandlung der identifizierten Abwassermatrix vor.
- Im letzten Schritt erfolgt eine vereinfachte Kostenabschätzung aller identifizierten Verfahrensketten. Dazu werden alle angefallen Kosten pro gewähltes Verfahren für jede Verfahrenskette summiert. Als Endergebnis liegen überschlägige Aussagen zur Kosten-Effizienz aller ermittelten Verfahrensketten vor.
Schlagwörter
Industrieabwasser, Nahrungsmittelindustrie, Schlachtbetriebe, Fleischverarbeitende Betriebe, Nitritation, Denitritation, autotrophe Stickstoffelimination, Planungshilfe, Ontologie