Titel
Förderkennzeichen | |
Finanzierung | Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung |
Bearbeitungszeitraum | 1996 - 1997 |
Projektleitung | Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Lützner |
Projektbearbeitung | Dipl.-Ing. Constanze Fiedler Dipl.-Ing. Klaus Heinze Dipl.-Ing. Volker Kühn Dipl.-Ing. Volker Müller |
Hintergrund
Mit der Rahmen-AbwasserVwV, 1991 über die Mindestanforderung an das Einleiten von Abwasser in Gewässer, gültig seit 01.01.1990 und geändert am 27.08.1991 mit Wirkung vom 01.01.1992, wurde für Kläranlagen der Größenordnung 3 - 5 in der Bundesrepublik Deutschland die Berücksichtigung einer Nitrifikation/Denitrifikation sowie ab Größenklasse 4 der Phosphorelimination bindend. Vergleichbare Forderungen, die jedoch im Detail auch abweichen, werden in der Vorschrift 91/271/EWG der Europäischen Union über die Behandlung kommunaler Abwasser erhoben (Europäische Gemeinschaft, 1991).
Die "Verwaltungsvorschrift zum stufenweisen- Ausbau der Abwasserbehandlungsanlagen" (Freistaat Sachsen, 1993) soll die zur Durchsetzung der Rahmen-AbwasserVwV notwendigen Investitionen begrenzen, indem in einem ersten Ausbauschritt zunächst auf die Stickstoff- und Phosphorelimination verzichtet wird.
Abwasserreinigungsanlagen nach dem Belebungsverfahren zur Stickstoff- und Phosphorelimination werden heute üblicherweise nach dem Arbeitsblatt A 131 (ATV, 1991) bemessen. Dieses Arbeitsblatt gilt allgemein für "Abwasser, das im wesentlichen aus Haushaltungen stammt" und stellt zurzeit die einzige Bemessungsrichtlinie nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik dar. Im Allgemeinen können mit derartig ausgelegten Belebungsanlagen auch bei etwas abweichender Abwasserzusammensetzung und ausgeprägten Frachtschwankungen die derzeitigen Mindestanforderungen nach der Rahmen-Abwasserverwaltungsvorschrift eingehalten werden.
An Anlagen ohne gezielte Stickstoffentfernung lassen sich Sicherheiten bzw. Unsicherheiten hinsichtlich des erforderlichen Volumens des Belebungsbeckens vor allem aus den Annahmen über den zu erwartenden Überschussschlammanfall und damit des zu erwartenden Schlammalters herleiten. Beide Parameter, Überschussschlammanfall und Schlammalter, wirken sich direkt auf das erforderliche Volumen des Belebungsbeckens aus. In konkreten Fallen kann daher eine genaue Kenntnis dieser Parameter zu Einsparungen an Belebungsbeckenvolumen und somit an Baukosten führen. In Zusammenhang mit der Auslegung der Belüftungseinrichtungen lässt sich durch eine detaillierte Untersuchung der zu erwartenden Belastungsverhältnisse eine kostenintensive Überdimensionierung vermeiden. Die dazu erforderlichen Parameter können mit ausreichender Sicherheit durch halbtechnische Versuche ermittelt werden. Auch das Arbeitsblatt A 131 (ATV , 1991) erwähnt die Ableitung individueller Bemessungswerte vor Ort mit Hilfe einer halbtechnischen Versuchsanlage aus einer mindestens dreivierteljährigen Untersuchung unter praxisnahen Betriebsverhältnissen. Ein derartiger Aufwand kann jedoch nicht grundsätzlich für alle Kläranlagenstandorte betrieben werden.
Die Auslegung von Kläranlagen zur Nährstoffelimination nach A 131 beruht einerseits auf den umfangreichen fundierten Kenntnissen bezüglich der ammoniumoxidierenden Mikroorganismen sowie auf bilanztechnisch erfassbaren Umsatzraten (TKN/CSB-Verhältnis, CSBOVD/CSBÜS) für die Denitrifikation. Die aus dem Abbau resultierende Schlammenge ist über empirisch bestätigte Ansätze quantifizierbar.
Es ist zu beachten, dass Stickstoffverbindungen eindeutig determiniert sind und außerdem weitgehend Klarheit über die an der Nitrifikation beteiligten Mikroorganismen sowie die entsprechenden Wachstums- und Absterberaten besteht, so dass die Bemessung auf Grundlage eines Mindestschlammalters hinreichend genau ist, wobei Hemmungen und Betriebsprobleme generell trotzdem auftreten können.
Beim Abbau organischer Kohlenstoffverbindungen sind diese Aussagen wesentlich komplizierter. Die BSB5- und CSB-Überwachungswerte spielen bei Einhaltung der Stickstoffüberwachungswerte infolge des notwendigen hohen Schlammalters kaum eine Rolle. Wird jedoch die Leistungsgrenze des organischen Kohlenstoffabbaus angestrebt, sind infolge der sehr unterschiedlichen organischen Verbindungen und der unterschiedlichsten Hydrolysegeschwindigkeiten der partikularen Inhaltsstoffe große Schwankungsbreiten in Abhängigkeit von der jeweiligen Abwasserbeschaffenheit zu erwarten. Dabei spielen insbesondere nicht näher spezifizierbare Zwischenprodukte sowie Kohlenstoffverbindungen, die infolge der geringen Adaptionszeit bei sinkendem Schlammalter nicht metabolisierbar sind, eine Rolle.
Das Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft der Technischen Universität Dresden wurde deshalb vom Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung beauftragt, mit Hilfe der dynamischen Simulation die Anwendbarkeit des ATV-Arbeitsblattes A 131 zur Bemessung von Abwasserbehandlungsanlagen zur Kohlenstoffelimination zu untersuchen. Dazu sollten auf dem Gelände der Kläranlage Dresden-Kaditz halbtechnische Versuche nach dem Belebungsverfahren zur Kohlenstoffelimination bei Schlammaltern < 6 d durchgeführt werden.
Die halbtechnischen Versuche an der Kläranlage Dresden-Kaditz dienten dazu, das maßgebende Schlammalter für die Auslegung einstufiger Belebungsanlagen zur Kohlenstoffelimination nach ATV-Arbeitsblatt A 131 zu überprüfen, welches den Anforderungen der derzeitig gültigen RahmenAbwasserVwV, 1991, hinsichtlich der geforderten CSB- und BSB5-Ablaufparameter genügt. Außerdem dienten die Versuche zur Ermittlung der Parameter für die Kalibrierung eines Modells zur dynamischen Simulation. Zusammenfassend lässt sich folgende Zielstellung formulieren:
- Bestimmung des erforderlichen Schlammalters
- Ermittlung des spezifischen Überschussschlammanfalles
- Abschätzung der bei dem ermittelten Schlammalter zu erwartenden Schlammeigenschaften
- Modellkalibrierung
- Dynamische Simulation zur Ermittlung der einhaltbaren CSB- und BSB5-Ablaufparameter
Mit Hilfe der Versuche wurden Informationen für die dynamische Simulation auf Basis des "Activated Sludge Models No.1" (Henze, 1986) gesammelt. Die dafür erforderlichen kinetischen und stöchiometrischen Parameter wurden im Laufe der Untersuchungen ermittelt.
Vor Beginn der Versuche wurde eine Literaturrecherche zu den Themen "Modellierung von Kläranlagen ohne Nitrifikation/Denitrifikation" und "Einhaltbare CSB- und BSB5-Überwachungswerte in Kläranlagen mit niedrigem Schlammalter" durchgeführt. Für die halbtechnischen Versuche war der Zeitraum von Juli bis September 1996 vorgesehen. Auf Grund von Verzögerungen bei der Inbetriebnahme sowie der Erreichung stabiler Betriebsverhältnisse für jeden Schlammalterbereich wurden die Versuche bis Mitte Dezember fortgeführt. Der Versuchsbetrieb wurde in mehrere verfahrenstechnisch unterschiedliche Versuchsetappen gegliedert, so dass die jeweiligen Zeitabschnitte gesondert betrachtet und untereinander verglichen werden können.
Zusammenfassung
Die Auslegung von Anlagen zur alleinigen Kohlenstoffelimination ohne Notwendigkeit der Stickstoffoxidation kann nach den Grundsätzen des ATV-Arbeitsblattes A 131 erfolgen. Gemäß dem Geltungsbereich für die Abwasserreinigung ohne Nitrifikation sind die Auslegungskriterien nach Tabelle 7.1 einzuhalten.
Dabei ist anzumerken, dass die Festlegung auf das Mindestschlammalter über die Beziehung zum Parameter Schlammbelastung erfolgte, wofür umfangreiche empirische Erfahrungen existieren. Dabei wird die höhere Schwankungsbreite der CSB-Fracht an kleineren Anlagen mit einem erforderlichen höheren Schlammalter ausgeglichen. Für die Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte sind folgende Lastfälle von maßgebender Bedeutung:
- Tagesschwankung der CSB-Fracht
- Frachtstöße aus der Vorklärung bei Regenwetterbeginn
- Abschwemmung von remobilisierten inerten CSB-Anteilen im Regenwetterfall
- Auftreten von Spülstößen bei Einsetzen von Regenwetter
- betriebstechnischer Zwang zur Schlammalterverringerung infolge Schwebstoffeintrag bei Mischwasser
Dabei tritt grundsätzlich bei jeder hydraulischen Höherbelastung eine Schlammverlagerung in das Nachklärbecken ein, welche nur zeitverzögert durch die Rücklaufschlammführung ausgeglichen werden kann, so dass es zeitweise zu geringeren TS-Konzentrationen im Belebungsbecken und damit höheren Belastungen der Biomasse kommt.
Als Ausgleichsmechanismen wirken:
- die Kinetik der Mikroorganismen, wonach eine höhere Aktivität bei steigender Substratkonzentration pro Biomasseeinheit erreicht wird
- die Adsorptionskapazität des vorhandenen Schlammes für partikuläre Stoffe und
- das hydraulische Puffervolumen des Belebtschlammreaktors.
Besonders problematisch ist die Festlegung der maßgebenden CSB/(BSB5-)-Belastung für die Auslegung der Anlage. Hierbei existieren prinzipiell zwei Möglichkeiten:
- Ansatz der Schmutzstofffracht, die an 85 % der Arbeitstage (Montag bis Freitag) unterschritten wird
- Ermittlung der Belastung über einwohnerspezifische Frachten gemäß Tabelle 1 der Bemessungsvorschrift A 131.
Für die durchgeführten Versuche wurde deshalb mit Hilfe des kalibrierten und an verschiedenen Tagen verifizierten Simulationsmodells die Nachrechnung einer nicht nitrifizierenden Beckenkonfiguration für Abwasser der Kläranlage Dresden-Kaditz vorgenommen. Dabei ist der Lastfall mit einem Stoßfaktor fc = 1,3 als Standardlastfall des A 131 anzusehen. Für fc = 1,85 wurde die Verifizierung des Modells durchgeführt.
Der Mischwasserlastfall wurde entsprechend den Aufzeichnungen zur Kläranlage Dresden-Kaditz für einen besonders kritischen Zeitraum ausgewählt. Die Ermittlung der Beckengröße wurde für den 50 %-til und den 85 %-Fall mit dem entsprechenden Schlammalter durchgeführt.
Ausgangspunkt für die in Tabelle 7.2 ermittelten maximalen CSB-Ablaufwerte war ein Betriebsschlammalter, welches sich aus der mittleren Belastung (50 %-til Fall) des ermittelten Volumens ergab. Der simulierte Belastungsstoß entsprach dem Bemessungsfall nach A 131 (85 %-til Fall). Dabei wurde eine Reserve von 20 mg/l als TS-Abtrieb aus dem Nachklärbecken zugeordnet.
Bei Vorhandensein einer ausreichend großen Datenbasis wird durch Festlegung der Bemessungsfracht auf den 85 %-til Fall eine relativ hohe Sicherheit dahingehend eingebracht, dass das Bemessungsschlammalter von 4 bzw. 5 d für einen relativ seltenen Belastungsfall angesetzt wird, so dass sich im Mittel in der resultierenden Belebtschlammanlage ein Betriebsschlammalter von 5,1 bis 6,5 Tagen ergibt (Lastfall-Nr. 1 und 2). Bei dieser Auslegung sind kaum Probleme hinsichtlich der Einhaltung der CSB/BSB5-Überwachungswerte zu erwarten.
Die Simulation für Dresdner Abwasser zeigt, wie mit Lastfall 6 dargestellt, dass bei extrem hohen Frachten z. B. Spülstoß, eine Überschreitung des Grenzwertes erfolgt. Beim Ansatz einwohnerspezifischer Frachten wird jedoch im Allgemeinen die Einwohnerzahl und der Gewerbeeinfluss des Einzugsgebietes ermittelt und auf dieser Grundlage entsprechende Frachten errechnet. Hierbei kann grundsätzlich kein Lastfall einer bestimmten Unterschreitungshäufigkeit zugeordnet werden. Bei einer realen Ermittlung der vorhandenen Einwohnerwerte kann jedoch prinzipiell davon ausgegangen werden, dass in diesem Fall der 50 %-Fall ermittelt wird. Da diese Vorgehensweise z. Z. ebenfalls praktiziert wird, muss auch eine entsprechende Betrachtung durchgeführt werden (Lastfall 3 und 4).
Die Auslegung der Anlage für die mittlere Belastung zeigt, das für einen normalen Spitzenlastfall (f= 1,3 und 85 %-tile der CSB-Fracht) ein Schlammalter von 4 d nicht ausreicht, um eine ausreichende Unterschreitungssicherheit für 75 mg CSBhom/l (unter Beachtung einer Mindestreserve an abfiltrierbaren Stoffen) zu erreichen. Es ist demzufolge ein Schlammalter von 5 Tagen erforderlich. Für den Lastfall "Spülstoß" ist bereits ein Schlammalter von 5 d als völlig unzureichend einzuschätzen, insbesondere unter Beachtung der bei dem im ausgewählten realen Lastfall vorhandenen Temperatur, die durchaus auch 8°C betragen kann.
In Tabelle 7.4 sind die Bemessungsschlammalter angegeben, die bei 10 °C, der angegebenen Bemessungsart und den angesetzten Spitzenfaktoren gerade noch eine Einhaltung des Überwachungswertes ermöglichen. Der Vergleich zeigt, dass die Anwendung des ATV-Arbeitsblattes A 131 zur Bemessung von Belebungsanlagen mit biologischer Grundreinigung (nur Kohlenstoffabbau) bei mangelndem vertiefendem Fachwissen zu Fehlern führen kann.
Die durchgeführten Versuche und die dynamische Simulation am Beispiel der Kläranlage Dresden-Kaditz unterstreichen, dass
- die Unterteilung in 5 d Bemessungsschlammalter für Kläranlagen < 20.000 EW und 4 d für Kläranlagen > 100.000 EW nur durch die veränderten Überwachungswerte nach RahmenAbwasser VwV Anhang 1 (Gemeinden) vom 01.01.92 von 90 bzw. 75 mg/l CSBhom begründet sind
- bei vorhandener Datenbasis der Eingangsbemessungswerte zur Ermittlung der 85 %-tile der CSB-Frachten nur für Abwassertemperaturen >= 10 °C das angegebene Mindestschlammalter ausreichend ist; im Regelfall wird jedoch in der Praxis nach Tabelle 1, A 131, mit den dort angegebenen mittleren Frachten gerechnet, da Messwerte nicht oder nur in unzureichendem Umfang verfügbar sind. In dem Fall ergab sich ein Mindestschlammalter von 5,5 d gegenüber 5 d nach A 131. Besonders ist jedoch die Tatsache, dass die Temperaturbegrenzung für die Einhaltung der Überwachungswerte nur für Stickstoff Gültigkeit besitzt und im Besonderen bei hohem Fremdwasseranfall mit durchaus niedrigeren Temperaturen gerechnet werden muss und damit zusätzlich die Gefahr der Überschreitung der Überwachungswerte besteht.
- die Stoßfaktoren fc zur Ermittlung des spezifischen Sauerstoffverbrauches nach Tab. 10, A 131, für Schlammalter von 4 d 1,3 betragen. Dieser Stoßfaktor ist bei Verwendung der mittleren Frachten nach Tab. 1, A 131, sowohl bei zu erreichenden Überwachungswerten von 75 als auch 90 mg/l CSBhom auf 1,5 zu erhöhen.
Die Ergebnisse weisen demzufolge für den Untersuchungsfall nach, dass bei Verwendung des Arbeitsblattes A 131 für die Bemessung von Kläranlagen mit Kohlenstoffentfernung und Minimierung des Belebungsbeckenvolumens zusätzliche Überlegungen anzustellen sind, wenn die Eingangsbemessungswerte gemäß Tab. 1, A 131, verwendet werden. In der Praxis sind sicher deshalb bisher keine Mängel offensichtlich geworden, da im Regelfall Sicherheiten in Bezug auf die perspektivisch der Bemessung zugrunde gelegten EW vorhanden sind und oft eine simultane aerobe Schlammstabilisierung vorgesehen ist.
Eine Stickstoffelimination erfolgt normalerweise nur im Rahmen der Assimilationsvorgänge der Biomasse. Der erzielbare Wirkungsgrad wird maßgebend von der vorliegenden Schlammbehandlungsstrategie bestimmt und kann bei weitgehender aerober Schlammstabilisierung mit ca. 2 % der zulaufenden CSB-Fracht geschätzt werden. Kommt es bei höheren Temperaturen zur Teiloxidation von Ammonium, ist bei entsprechender Betriebsweise auch eine Teildenitrifikation möglich. Dabei ist jedoch auch mit den entsprechenden Betriebsproblemen durch "wilde Denitrifikation" zu rechnen.
Anhand der dargestellten Ergebnisse ist sichtbar, dass die Gegebenheiten des zufließenden Abwassers, wie zu erwarten, eine ausschlaggebende Bedeutung auf das zu wählende Schlammalter besitzen. Als maßgeblicher Fall für eine Anlage zur Kohlenstoffelimination ist neben den Tagesspitzen bezüglich abbaubarer CSB-Fracht der Mischwasserfall bei Auftreten eines Spülstoßes zu betrachten. Aus den Simulationsrechnungen zum Dresdner Abwasser wird deutlich, dass bei Anfall einer Mischwasserbelastung von 2 Qs + Qf nach längerer Trockenzeit, infolge des auftretenden Spülstoßes eine erhebliche Belastungsspitze zu erwarten ist. Ähnliche Fälle sind prinzipiell für die meisten Kanalnetze typisch.
Infolge der Besonderheiten des Dresdner Abwassers wird vorgeschlagen, die ermittelten Parameter bzw. die Aufteilung der CSB-Fraktionen des Zu- und Ablaufes an vier bis fünf weiteren Anlagen zu verifizieren bzw. die auftretenden Streuungen zu ermitteln. Dies ist insbesondere wichtig, da die Gegebenheiten des Dresdner Kanalnetzes zu maßgeblichen Unterschieden zu anderen Rohabwässern führen. Gleichzeitig ist die Problematik zwischen Betriebsschlammalter und Schlammalter infolge besonderer Betriebszustände (z.B. Mischwasserlastfall) aufzuklären. Verdichtet werden müssen des weiteren Ergebnisse bei tiefen Abwassertemperaturen.
Folgende Vorgehensweise ist vorgesehen:
- Aufstellung einer CSB-Bilanz anhand der vorhandenen Betriebsdaten und eines einwöchigen Messprogramms
- Ermittlung des Einflusses der Nachklärung auf die Trockensubstanzkonzentration im Belebungsbecken während hydraulischer Spitzenbelastungen
- Ermittlung einer Zu- und Ablaufganglinie für ein Ereignis mit möglichst weitgehender Beeinflussung der Ablaufkonzentration
- Überprüfung der Annahmen anhand des ermittelten Parametersatzes im IAWQ-Modell
- Aufnahme einer modelltechnischen Abbildung des TS-Austrages und der zeitverzögerten Rückförderung in das Belebungsbecken
Dabei ist infolge der unterschiedlichen Abwasserzusammensetzungen von Abweichungen hinsichtlich der CSB-Anteile, die als Überschussschlammproduktion bzw. Atmung auftreten, und der hydraulischen Einflusse bezüglich Biomasseverlagerung auszugehen. Für die Ermittlung eines möglichst weitgehend und schnell verwertbaren sowie
hinreichend genauen Parametersatzes der kinetischen Größen wird folgender Lösungsansatz vorgeschlagen:
- Bestimmung der kinetischen Größen des IAWQ-Modells mit Hilfe nichtlinearer numerischer Schätzmethoden zur Erreichung eines allgemein verwendbaren Parametersatzes.
Wichtig hierfür ist vor allem die Ermittlung der Parameter, die einen maßgeblichen Einfluss auf die zu erwartende Überschussschlammproduktion, den Sauerstoffspitzenbedarf und den Gelöst-CSB-Anteil im Ablauf aufweisen. Für das
verwendeten Modell sind unter Vernachlässigung der Nitrifikation hierfür die heterotrophe Wachstumsrate, die aerobe Hydrolyserate KH und die Sauerstoffsättigungskonstante kO,H maßgebend. Aus der Beziehung
lässt sich unmittelbar der Einfluss der Wachstumsrate und der Sauerstoffsättigungskonstante. Die Prozessgeschwindigkeit Ph
der Bildung von metabolisierbarem Substrat SS ist direkt von der Hydrolyse partikulärer Stoffe über die Beziehung
bzw.
abhängig. Damit ergibt sich die Einflussnahme der aeroben Hydrolyserate bei Nutzung einer Adsorptionskinetik in Form der Reaktionsrate kh und der Halbsättigungskonzentration kX des Substrates Xs oder als Reaktionsrate kh,1 unter Verwendung einer Kinetik erster Ordnung für die Beschreibung der Hydrolyse von partikulärem Substrat.
Die Überprüfung bzw. Verifizierung der vorhandenen Parameter wird nun anhand eines Schätzverfahrens über die dem IAWQ-Modell zugrunde liegenden Beziehungen vorgenommen. Als numerischer Algorithmus kommt ein "Erweiterter Kalmann Filter" (EKF) (Beck, 1976) zum Einsatz. Die Anregung des Modells erfolgt mittels der bestimmten Zulauf- und Ablaufsignale und lässt die Ermittlung eines Parametersatzes für den aktuellen Belastungsfall zu. Grundsätzlich ist nun zu prüfen, inwieweit eine Einbeziehung dieser kinetischen Parameter in ein Gesamtmodellkonzept erfolgen kann.
Lässt sich unter Beachtung sinnfälliger Beziehungen der ermittelten Parameter untereinander in Ankopplung an das verwendete Schlammalter ein logischer Zusammenhang bestimmen, kann letztlich durch eine Minimierung der jeweils auftretenden Abweichungen vom Ist-Zustand der jeweiligen Prozessrate bzw. Ablaufkonzentration ein optimaler Parametersatz ermittelt werden. Als weitaus einflussreicher auf die erreichbare Widerspiegelung mittels der dynamischen Simulation ist jedoch die Zusammensetzung des der Kläranlage zufließenden Substrates zu bewerten.
Um eine möglichst weitgehende Verwertbarkeit der ermittelten Modellkalibrierung zu gewährleisten, erfolgt eine Vereinfachung der Zulauffraktionierung sowie die Einengung des Zielschlammalterbereiches. Für eine genaue Fraktionierung der CSB-Frachten des Zulaufes sind normalerweise außerordentlich weit reichende Untersuchungen über die Quantität und Qualität des ggf. stattfindenden Vorabbaues notwendig, die grundsätzlich nicht für eine allgemeine Anwendbarkeit [geeignet] erscheinen. Deshalb wird angestrebt, die Ermittlung auf folgende Mindestdaten, neben den Fracht- und Hydraulikwerten, zu beschränken:
- Verhältnis gelöster zu partikulärer CSB mittels Membranfiltration und
- inerter Gelöstanteil einer 24 h-Mischprobe des Zulaufes mittels Atmungstest.
Die Nutzung des entstehenden kalibrierten Modells kann im Rahmen von Ertüchtigungs- und Neubaumaßnahmen erfolgen, so dass eine quantitative Bewertung von Stoßbelastungen infolge
- Industrieeinleitung
- Spülstößen aus der Kanalisation
- Annahme von Fäkalien und anderen konzentrierten Abwässern sowie
- Bewirtschaftung von vorgesehenen Prozessspeicherbecken
hinsichtlich
- der Ablaufkonzentration
- des auftretenden Mehrschlammanfalles und
- des Verhältnisses des Sauerstoffspitzenbedarfs zum mittleren Bedarf
erfolgen kann.
Die Überprüfung der Ergebnisse sollte an mehreren Kläranlagen in der näheren Umgebung von Dresden erfolgen, die in Abstimmung mit den Auftraggebern festzulegen sind.
Literatur
- ATV (1991). ATV-Arbeitsblatt A 131 - Bemessung von einstufigen Belebungsanlagen ab 5000 Einwohnerwerten, St. Augustin.
- Beck M. B. (1976). Identification and parameter estimation of biological process models. In G. C. Vansteenkiste, editor, System Simulation in Water Resources. North-Holland Publishing Co., Amsterdam.
- Henze M., Grady C.P.L.jr., Gujer W., Marais G.v.R., Matsuo T. (1986). Activated sludge model No. 1, Scientific and Technical Report No. 1, IAWPRC, London.
Schlagwörter
Schlagwörter: Belebtschlammverfahren, Stickstoffelimination, Nitrifikation, Denitrifikation, Kohlenstoffelimination, Bemessung, dynamische Simulation