23.03.2021
Fahrszenarien beherrschen – mit Sicherheit!
EFRE-Projekt „SePIA“ erfolgreich in der Entwicklung einer Szenarien-basierten Plattform zur Inspektion automatisierter Fahrfunktionen
Wie kann das hochautomatisierte Fahren in Zukunft abgesichert werden? Und welche Szenarien müssen Fahrer bzw. hoch- und vollautomatisierte Fahrzeuge beherrschen, damit der Straßenverkehr von morgen weniger Gefahren birgt?
Mit diesen und weiteren Fragen hat sich ein Konsortium aus sächsischen Projektpartnern*, darunter zwei Professuren der TU Dresden, im Forschungs- und Entwicklungsverbundprojekt SePIA in den vergangenen drei Jahren** befasst. Bisher gibt es weder für die Zulassung noch für eine Felduntersuchung inklusive der regelmäßigen technischen Überprüfung von Kraftfahrzeugen mit hochautomatisierten Fahrfunktionen geeignete und allgemein anerkannte Test- und Prüfkonzepte. Dabei muss eine entsprechend hohe Leistungsfähigkeit über den Entwicklungszeitraum und insbesondere über den gesamten Lebenszyklus von automatisierten Fahrzeugen gewährleistet sein.
Szenarienbasierte Plattform bildet menschliches Fahrverhalten messbar ab
Im Rahmen von SePIA wurde eine komplexe herstellerneutrale Datenplattform mit einer Vielzahl unterschiedlicher Verkehrssituationen im Straßenverkehr und als Funktionsmuster implementiert. Die Datengrundlage bilden Realfahr- und Unfalldaten, sodass sowohl „Normalfahrszenarien“ als auch kritische Szenarien und Unfälle dargestellt werden können. Mit der szenarienbasierten Plattform wurde der Grundstein gelegt, menschliches Fahrverhalten messbar abzubilden und als Bezugspunkt für das hochautomatisierte Fahren zu nutzen. Darauf aufbauend können Anforderungen an automatisierte Fahrfunktionen abgeleitet werden, die sowohl bei der Zulassung als auch bei der Felduntersuchung inklusive der Hauptuntersuchung von Kraftfahrzeugen Anwendung finden. Mit der öffentlich verfügbaren, prototypischen Plattform hat SePIA dazu beigetragen, hochautomatisiertes Fahren in der Zukunft sicher zu gestalten.
TU Dresden: Bewertung und Repräsentativität von Testszenarien
Die Professur für Kraftfahrzeugtechnik an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der TU Dresden hat sich im Projekt mit der Bewertung und Repräsentativität von Testszenarien für die Zulassung und kontinuierliche Absicherung von automatisierten Fahrfunktionen beschäftigt. Eine entwickelte Bewertungsmetrik ermöglicht, Normalfahr- und Unfallszenarien hinsichtlich ihrer Kritikalität für ein Kollektiv an menschlichen Fahrern zu bewerten. Dadurch lassen sich automatisierte Fahrfunktionen gezielt mit für den menschlichen Fahrer herausfordernden Szenarien testen und bewerten. Ein weiterer Schwerpunkt des Lehrstuhls lag auf der Fusion unterschiedlicher Unfalldatenbanken. Das ermöglicht, die im SePIA-Projekt identifizierten Testszenarien auch hinsichtlich ihrer Repräsentativität für das makroskopische Verkehrsgeschehen zu bewerten.
Prof. Günther Prokop, Leiter der Professur für Kraftfahrzeugtechnik, verweist auf die Bedeutung des Themas Sicherheit bei automatisierten Fahrfunktionen: „Wir müssen einheitliche und zuverlässige Methoden zur Absicherung automatisierter Fahrfunktionen finden. Auch die TU Dresden forscht daran, wie sich aus Unfall-, Normalfahr- und Verkehrsbeobachtungsdaten relevante Absicherungsszenarien erzeugen lassen, an denen automatisierte Fahrzeuge, ihren Führerschein machen‘ können.“ In den nächsten Jahren sollen die in SePIA erarbeiteten Methoden weiter ausgebaut und in die Praxis überführt werden.
Die Professur für Computergrafik und Visualisierung hat im Projekt natürliche Fahrdaten (NDS) ausgewertet. Hierfür wurden Objekte, beispielsweise Pkws, aus Fahrerperspektive in Kameravideos erkannt und deren Position sowie Geschwindigkeit bestimmt. Das ermöglichte, aufgenommene Situationen zu beschreiben, die dann durch die Professur für Kraftfahrzeugtechnik hinsichtlich der Kritikalität bewertet wurden.
Kernkompetenzen sächsischer Industrie- und Forschungsunternehmen bündeln
Das Forschungsvorhaben SePIA wurde im Rahmen der sächsischen Landesinitiative „Synchrone Mobilität 2023“ von der Europäischen Union mit Mitteln aus dem Europäischen Fond für regionale Entwicklung gefördert. Zu dieser Initiative zählt, Kernkompetenzen sächsischer Industrie- und Forschungsunternehmen zu bündeln und innovative Forschungsergebnisse (z. B. zu neuen Fahrzeugkonzepten, Assistenzfunktionen oder IT-Vernetzungen) zu etablieren. Mit SePIA konnte dieses Ziel in die Praxis umgesetzt und gleichzeitig Dresden als Wissenschaftsstandort gestärkt werden. Die Ergebnisse sollen der Fachöffentlichkeit in einer Abschlussveranstaltung im Sommer 2021 präsentiert werden. Sobald ein konkreter Termin feststeht, wird dieser über die Projektpartner bekanntgegeben.
* Partner: Fahrzeugsystemdaten GmbH, TraceTronic GmbH, Verkehrsunfallforschung an der TU Dresden GmbH, Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI, TU Dresden – Lehrstuhl für Computergraphik und Visualisierung, TU Dresden – Lehrstuhl für Kraftfahrzeugtechnik an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“
** Laufzeit: Juni 2017 bis November 2020