29.11.2023
Arbeitsgruppensitzung der AG Energie und Umwelt zum Thema "Akteursverhalten in der Energie- und Umweltwirtschaft"
Die deutschen Wirtschaftssektoren befinden sich gegenwärtig in einem umfassenden Transformationsprozess hin zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft. Dieser Übergang erfordert die Einbindung vieler verschiedener Akteure welche heterogene Präferenzen haben, die politischen, ökonomischen und technologischen Einflüssen unterliegen. Operations Research ermöglicht die Wechselwirkungen zwischen Akteuren in Modellen abzubilden und Auswirkungen von Steuerungsmechanismen und regulatorischen Rahmenbedingungen methodengestützt zu analysieren.
Vor diesem Hintergrund kamen über 20 Wissenschaftler:innen aus Deutschland und der Schweiz zur Arbeitsgruppensitzung der AG Energie und Umwelt am 25. und 26. Oktober 2023 an der ETH Zürich zusammen. Gastgeber des zweitägigen Workshops war Prof. Russell McKenna, Professor für Energiesystemanalyse an der ETH und Laborleiter für Energiesystemanalyse an dem Paul Scherrer Institut, der gemeinsam mit Herrn Professor Möst und Hannes Hobbie von der TU Dresden das Programm der Veranstaltung gestaltet hat. Ziel der Arbeitsgruppensitzung war es Wissenschaftler:innen aus den verschiedensten Bereichen der Modellierung von Akteursverhalten zusammenzubringen und somit ein besseres Verständnis von Akteursverhalten in der Energie- und Umweltwirtschaft zu erlangen.
Einen spannenden Auftaktvortrag gab Dr. Bessie Noll von der Energy and Technology Policy Group der ETH Zürich. Sie präsentierte ihre Erkenntnisse zu den Herausforderungen die mit der Einführung von emissionsfreien Fahrzeugtechnologien auf den globalen Straßengüterverkehrsmärkten verbunden sind. Hierbei legte sie einen besonderen Fokus auf die Modellierung von batterie- und wasserstoffbetriebene LKWs und zeigte existierende Markthemmnisse auf. Welchen Beitrag das Chemikalienrecycling zu einer nachhaltigen Kohlenstoffkreislaufwirtschaft liefern kann, analysierte Raoul Voss von der Professur Circular Economy der Technischen Universität München - Campus Straubing. Hannes Hobbie von der Professur für Energiewirtschaft, TU Dresden zeigte mithilfe eines spieltheoretischen Ansatzes auf, unter welchen Rahmenbedingungen strategisch agierende Aggregatoren potenziell Marktmacht auf lokalen Märkten für Engpassmanagement ausüben können, um Marktgleichgewichte zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Ein besonderes Augenmerk legte Dr. Ulrich Frey vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in seinem Vortrag auf die Modellierung von Akteursverhalten mit Methoden des maschinellen Lernens. Er zeigte wie neuronale Netze genutzt werden können, um Nutzerprofile privater Haushalte effizient zu clustern, mit dem Ziel entsprechende Verhaltensmuster in Energiesystemmodellierungen zu berücksichtigen. In dem letzten Vortrag des ersten Tages zeigte Prof. Dr. Michael Bucksteeg, Juniorprofessur für BWL, insb. Energiewirtschaft der Fernuniversität Hagen den Einfluss heterogener Abzinsungspräferenzen auf langfristige Marktgleichgewichte in Energiesystemmodellen auf. Die Teilnehmer:innen des Workshops ließen am Abend gemeinsam den Tag im Restaurant zum Alten Löwen in der Züricher Innenstadt ausklingen.
Am Morgen des zweiten Tages setzte die Arbeitsgruppe ihren Workshop in der prachtvollen Villa Hatt, ein traditionsreiches am Zürichberg gelegenes Seminargebäude der ETH Zürich mit herrlichem Ausblick über den Stadtkern und die umgebende Berglandschaft, fort. Zunächst gab Febin Karchirayil von der Professur für Energiesystemanalyse der ETH Zürich einen Einblick in seine Arbeit zur ökonomischen Bewertung von Lastabschaltung in Deutschland (Value of Lost Load) und legte einen besonderen Fokus auf räumliche und zeitliche Einflussfaktoren. Dr. Christoph Schimeczek vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt stellte in seinem Vortrag einen neuen Modellierungsansatz zur Kopplung von Simulations- und Optimierungsmodellen vor. Wie die beteiligten Akteure auf entsprechende Anreizsysteme zur Lastverschiebung reagieren, diskutierte Jannis Eichenberg von der Professur für Energiewirtschaft der Technischen Universität Dresden mit Hilfe einer mehrstufigen Optimierung. Weiterhin stellte Dr. Leonard Göke von der Professur für Energie- und Prozesssystemtechnik der ETH Zürich seine modellgestützten Forschungsergebnisse zur Energiesystemplanung unter Berücksichtigung von Wetterunsicherheiten vor, die er mit Hilfe eines dekomposierten Investitionsmodell für die europäischen Strommärkte berechnete. Franziska Flachsbarth vom Öko-Institut e.V. wendete ebenso einen spieltheoretischen Modellierungsansatz auf netzplanerische Aufgaben an. Sie untersuchte, unter welchen Rahmenbedingungen Stromnetzbetreiber sich kooperativ verhalten. In dem letzten Vortrag des Workshops berichtete Cornelia Klüter vom Lehrstuhl für Energiewirtschaft Universität Duisburg-Essen über Möglichkeiten der Einsatzoptimierung eines Stahlunternehmens unter Berücksichtigung variabler Strompreisbestandteile.
Die Teilnehmer:innen der Arbeitsgruppensitzung erhielten nicht nur spannende Einsichten zur Abbildung von Akteursverhalten in verschiedenen Modellen zur Analyse von energie- und umweltwirtschaftlicher Fragestellungen. Sie konnten durch den persönlichen Austausch auch viele neue Kontakte knüpfen und dadurch insgesamt einen Beitrag zur wissenschaftlichen Weiterentwicklung und praktischen Umsetzung von OR Methoden in den Bereichen Energie und Umwelt im deutschspachigen Raum leisten.
Die Präsentationen können hier heruntergeladen werden.
Die Organisatoren der Arbeitsgruppensitzung bedanken sich herzlich bei allen Vortragenden und Teilnehmenden für die gelungene Veranstaltung und die wertvollen Diskussionen.
Hannes Hobbie, Prof. Dominik Möst & Prof. Russell McKenna