21.03.2023
Promotionsseminar der Professur für Energiewirtschaft in Cavalese, Italien
Die Professur für Energiewirtschaft führte vom 31.01.-04.02.23 ihr jährliches Promotionsseminar in Cavalese in Italien durch. Das Seminar dient dem Voranbringen der Dissertationsthemen und soll eine offene, zielgerichtete, konstruktive und faire Diskussion zwischen allen Teilnehmenden fördern, Synergien zwischen den Arbeiten identifizieren und den Fortschritt hervorheben. Der Fokus liegt dabei immer auf den wissenschaftlichen Fragestellungen und damit verbundenen Publikationsmöglichkeiten.
Am Dienstag war der Auftakt der Veranstaltung mit generellen Anmerkungen zur strukturierten Promotion, Paperveröffentlichungen und Zusammenarbeit an der Professur durch Prof. Dr. Möst.
Lauritz Bühler hielt den ersten Vortrag mit dem Titel „Erfahrungskurven für Elektrolyseure – Review und eigene Umsetzungsideen“ und präsentierte den aktuellen Stand seiner Literaturrecherche, den Aufbau seiner Technologiedatenbank und gab einen Ausblick auf die anstehende Publikation. Es folgte eine ausführliche Diskussion zum vertiefenden Thema, seine weiteren Schritte sowie zu den erarbeiteten Darstellungen und Begründungen, warum er welche nächsten Schritte wählte.
Im zweiten Vortrag stellte Lucas De La Fuente sein Thema „Doing it right - Optimal Retrofitting of Gas Pipelines“ vor. Er präsentierte erste Ergebnisse seiner Analysen und zeigte Richtungen auf, worauf er den Fokus legen möchte, dabei stach vor allem das Thema Abschätzung der Transformation des deutschen Gasnetzes heraus. Der Vortrag wurde konstruktiv diskutiert und seine Motivation kritisch herausgefordert. Im Mittelpunkt der Präsentation stand die Zukunft des deutschen Gasnetzes. Der erste Teil konzentrierte sich auf die kurzfristigen Auswirkungen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine auf den Gastransport. Simulationen in GAMAMOD zeigten, dass es in Norddeutschland aufgrund einer Änderung des Importregimes zu erhöhten Engpässen kommt. Der zweite Teil konzentrierte sich auf die Zukunft des Gasnetzes und sein Zusammenspiel mit dem Entstehen eines parallelen Wasserstoffnetzes. Lucas De La Fuente schlug ein Modell für die Simulation der Entwicklung des deutschen Wasserstoff-Gasnetzes und der optimalen Nachrüstung von Leitungen des bestehenden Gasnetzes vor.
Andreas Bühler – zu der Zeit 2 Wochen an der Professur – berichtete in seinem Einführungsvortrag berichtete über seinen bisherigen akademischen Werdegang und die für ihn im Projekt MINFRA anstehenden Aufgaben, insbesondere Ideen zur Abbildung des Übertragungsnetzausbaus im Infrastrukturmodell ELMOD und die Planungen für ein OA-Paper über die im Projekt verwendete Modellkopplungsmethodik.
Zum gleichen Zeitpunkt wie Andreas Bühler hat auch Jannis Eichenberg begonnen. Im Rahmen seines Einführungsvortrags hat er sich als neuer Doktorand mit seinem bisherigen Werdegang vorgestellt und den Weg vom Mathematikstudium bis zur Anstellung als Wissenschaftlicher Mitarbeiter skizziert. Angestellt auf das Projekt EffiziEntEE beschäftigt er sich mit der effizienten Einbindung hoher Anteile Erneuerbarer Energien in stark sektorgekoppelte Energiesysteme. Aufgrund wetterabhängiger Produktion Erneuerbarer Energien und flexibler Nachfrage durch Sektorkopplungstechnologien, kommt es in solchen Systemen zu sehr hohen volatilen Anteilen auf der Erzeuger-, wie auch auf der Nachfrageseite. Seinen Fokus legte er im Vortrag auf das Flexibilitätspotential der Nachfrageseite und wie dieses genutzt werden kann, um Lastspitzen abzufangen und Engpässe zu reduzieren. Dazu müssen Flexibilitätsmärkte gestaltet und ihre Auswirkung auf das Engpassmanagement untersucht werden.
Den Abschluss des ersten Tages machte Dimitrios Glynos, der umfangreiche Analysen der aktuellen Entwicklungen auf dem Regelenergiemarkt durchführte und eine erste Bewertung der Marktliquidität nach Einführung des Zielmarktdesigns und der Inbetriebnahme der Optimierungsplattform Picasso vorstellte. Darüber hinaus wurden die Ergebnisse der europäischen Optimierung analysiert und die ersten Erkenntnisse aus dieser Analyse zusammengefasst. Schließlich wurden mögliche Forschungsfragen aufgezeigt, die sich aus diesen Ergebnissen ableiten ließen.
Am Donnerstag Stand der Besuch des EURAC-Instituts in Bozen an, wo uns Wolfram Sparber (Head of EURAC Institute of Renewable Energy) herzlich willkommen hieß und die Forschungsaktivitäten des EURAC Institute of Renewable Energy präsentierte. Er zeigte die enorme Bandbreite an Projekten, die das EURAC Institute of Renewable Energy derzeit bearbeitet, darunter Lichtempfindlichkeit von Solarzellen, Integration von PV in Fassaden, der Einfluss von Farbe der PV-Zellen auf Effizienz sowie auf die Umgebung von Solarzellen. Nach der Präsentation stand Austausch von Forschungsarbeiten sowie potenzielle Zusammenarbeit zwischen den beiden Instituten im Mittelpunkt.
Nach dem faszinierenden Einblick in die Forschungstätigkeiten des EURAC hielt Steffi Misconel eine Präsentation. Steffi Misconel, Doktorandin und ehemalige Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Professur Energiewirtschaft der TUD, ist seit Januar 2023 bei EURAC Research am Institut für Erneuerbare Energien in Bozen tätig. Das Promotionsseminar nutzte sie, um ihren Probevortrag für die naheliegende Disputation vorzustellen. Ihre kumulative Dissertation trägt den Titel „Assessing the value of flexibility options for least-cost decarbonization pathways in sector-coupled energy systems”. Dabei stellte sie die Herausforderungen des zukünftigen Energiesystems in Bezug auf die Dekarbonisierung, Elektrifizierung nachfrageseitiger Sektoren (Sektorenkopplung), die Integration hoher Anteile an erneuerbarer Energien und den potenziellen Flexiblitätsbedarf vor.
Dr. Matteo Giacomo Prina, Senior Researcher bei EURAC Research am Institut für Erneuerbare Energien, ist Experte für Energiesystemmodellierung und Optimierungsalgorithmen. Beim Doktorandenseminar vermittelte er den Wissenschaftlern der Professur für Energiewirtschaft einen Überblick über die Tätigkeiten der EURAC Gruppe für Energiesystemmodellierung und Elektromobilität. Die Forschungsgruppe wurde erst 2021 gegründet und besteht derzeit aus sieben Mitarbeitern. Die Forscher arbeiten mit verschiedenen python-basierten Energiesystemmodellen wie EPLANopt und dem open-source framework OEMOF. Typische Forschungsschwerpunkte sind u.a. Analysen zu den Themen multi-objektive Investitionsoptimierung für Energiesystemmodelle in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung [1], Analysen zu möglichen Dekarbonisierungspfaden für die langfristige Energieplanung [2], model-basierte Ermittlung von CO2-Grenzvermeidungskostenkurven [3], etc.
[1] Prina MG, Casalicchio V, Kaldemeyer C, Manzolini G, Moser D, Wanitschke A, et al. Multi-objective investment optimization for energy system models in high temporal and spatial resolution. Appl Energy 2020;264:114728. https://doi.org/10.1016/j.apenergy.2020.114728.
[2] Prina MG, Lionetti M, Manzolini G, Sparber W, Moser D. Transition pathways optimization methodology through EnergyPLAN software for long-term energy planning. Appl Energy 2019;235. https://doi.org/10.1016/j.apenergy.2018.10.099.
[3] Prina MG, Fornaroli FC, Moser D, Manzolini G, Sparber W. Optimization method to obtain marginal abatement cost-curve through EnergyPLAN software. Smart Energy 2021:100002. https://doi.org/10.1016/j.segy.2021.100002.
Nach den Präsentationen von Seite EURAC hielten Felix Fliegner und Hannes Hobbie jeweils einen Vortrag. Felix Fliegner sprach zu Offshore grid development in GIS. Der Vortrag behandelte den Netzausbau, da Europa sich das Ziel gesetzt hat, bis 2050 300 GW offshore Windkraft auszubauen und damit ein Drittel des zukünftigen Strombedarfs zu decken. Aus der räumlichen Verteilung der Windparks in der See ergibt sich ein komplexes Optimierungsproblem, wie die zukünftigen Anlagen effizient an das Stromnetz angeschlossen werden könnten. Der Vortrag hat den Stand der Arbeit vorgestellt, wie man ein geographisches Informationssystem zu Rate ziehen kann, um Kandidaten für Netztopologien automatisiert zu identifizieren. Dabei werden Windparks geclustert und zu Hubs zusammengefasst. Außerdem werden im Rahmen einer multikriteriellen Analyse Wahrscheinlichkeitsräume identifiziert in denen zukünftige Stromleitungen zu erwarten sind. Das Ergebnis ist ein vor-optimiertes Set an Szenarien und Varianten, welches einer klassischen Investitionsoptimierung übergeben werden kann.
Hannes Hobbie präsentierte seine neuesten Forschungsergebnisse zur Ökonomie von Flexibilität in zukünftigen Elektrizitätssystemen. Dabei gab er spannende Einblicke in seine Arbeiten zu möglichen Preisbildungsmechanismen für Flexibilität in markbasierten Formen der dezentralen Flexibilitätsbereitstellung für ein Management von Engpässen in Übertragungsnetzen. Insbesondere zeigte er durch Anwendung einer Multi-Level-Programmierung auf, unter welchen Marktbedingungen einzelne Akteure durch strategisches Verhalten Marktgleichgewichte in regionalen Flexibilitätsmärkten zu ihrem Vorteil beeinflussen können und wie durch ein entsprechendes Marktdesign dem vorgebeugt werden kann. Seine Forschung und auch Ideen für weitere Arbeiten in diesem Forschungsgebiet wurden rege mit den Kollegen vom EURAC Research Center diskutiert.
Am letzten Tag wurden vier weitere Vorträge gehalten. Den Beginn machte Lisa Lorenz mit ihrem Einführungsvortrag „Erste Ideen für die Dissertation und etwaige Veröffentlichungen“. Nach einer kurzen Erläuterung ihres Hintergrundes, zielte der Vortrag darauf ab, eine Fokussierung auf das Thema Versorgungssicherheit im Rahmen ihrer Dissertation zu begründen und aktuelle Forschungslücken aufzuzeigen. Im Anschluss an den Vortrag folgte eine angeregte Diskussion mit wertvollem Input bereits weiter fortgeschrittener Doktoranden und Prof. Möst zum Prozess der Themenfindung und des ersten Papers.
Constantin Dierstein zeigte in seinem didaktisch exzellenten Vortrag mit dem Titel „From Data over Aaaah to Tadaaa?“ welche aktuellen Probleme er derzeit mit der Modellierung eines Flow-based Market Coupling-Models hat und welche Lösungsansätze er bereits ausgetestet hat. Im Fokus dabei stand die notwendige Datengrundlage und die identifizierte Inkonsistenz der von Seiten der TSOs veröffentlichten Realdaten und die damit verbundene fehlende Transparenz.
Im Anschluss präsentierte Hendrik Scharf den aktuellen Stand seines Promotionsvorhabens. In dem Vortrag ging es um die Bestimmung künftiger Wasserstoffbedarfe energieintensiver Industrien unter Erreichung des Zieles der Klimaneutralität. Konkret wurden für verschiedene Szenarien auf Basis eines prozessspezifischen Ansatzes die jeweils kosteneffiziente CO2-Vermeidungsoption bestehender Produktionssysteme identifiziert und die resultierenden Wasserstoffbedarfe bestimmt.
Den Abschluss machte Maximilian Happach, der sich mit der Definition von H2-Readiness befasste. Er zeigte auf, dass der Begriff verwendet wird, jedoch unterschiedliche Aspekte damit gemeint sind. So wird einerseits die Verwendbarkeit von Technologien und Material in Verbindung mit Wasserstoff verwendet, andererseits sei aber auch die Rede von Energiesystemen, die H2-Ready seien. Es gibt daher ein unterschiedliches Verständnis von diesem Begriff und daran anknüpfend auch unterschiedliche Herangehensweisen, wie eine solche Bereitschaft gemessen werden kann.
Das Promotionsseminar war eine hervorragende Möglichkeit, eigene Arbeiten umfangreich zu diskutieren und die Arbeiten voranzubringen. Dieses Semester hatten wir darüber hinaus die Möglichkeit eine Zusammenarbeit mit einem faszinierenden und forschungsstarken Partnerinstitut zu stärken und mögliche zukünftige Forschungsanträge zu diskutieren.