08.06.2020
Darm-Gesundheit: Dresdner Forscherteam identifiziert lebenserhaltendes Enzym in Stammzellen
Studienergebnisse tragen zum Verständnis der Regeneration des Darms und des Schutzes vor Darmentzündung bei
Das Darmepithel ist ein Teil der Darmwand und kleidet die Innenseite des Darms aus. Diese Zellschicht spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufnahme von Wasser, Elektrolyten und Nährstoffen. Gleichzeitig kontrolliert das Darmepithel das Eintreten von Bakterien, Viren, Pilzen, Giften und Antigenen, steuert die Immunabwehr und hat damit entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit. Diese Aufgaben übernehmen spezialisierte Darmepithelzellen, die alle drei bis fünf Tage aus einem Pool von Darm-Stammzellen neu gebildet werden und alte Zellen ersetzen. Damit ist das Darmepithel das sich am schnellsten erneuernde Gewebe bei erwachsenen Säugetieren.
Wie gelingt die kontinuierliche Regeneration des Darmepithels, die so wesentlich für die Gesundheit ist? Die Neubildung der spezialisierten Zellen des Darmepithels wird überwiegend durch gewebespezifische Transkriptionsfaktoren gesteuert, deren Zugang zur DNA wiederum davon abhängt, ob DNA relativ frei zugängig ist (Euchromatin) oder eng verpackt vorliegt (Heterochromatin). Forscher*innen am Zentrum für Regenerative Therapien (CRTD) der TU Dresden gingen nun der Frage nach, welche Bedeutung die Regulation der Heterochromatin-Bildung im Darmepithel hat und veröffentlichten ihre Erkenntnisse im renommierten internationalen Wissenschaftsjournal Gut.
In ihrer Studie zeigte das Team um Prof. Sebastian Zeißig die Bedeutung des in der Heterochromatin-Bildung involvierten Eiweißes SETDB1 für die Neubildung der Darmepithel-Zellen, die Verhinderung von Entzündung und die allgemeine Darmgesundheit auf. Die Wissenschaftler*innen beobachteten im Tiermodell, welche Folgen der Verlust dieses Enzyms in den Darm-Stammzellen hat: So vermehren sich endogene Retroviren, die einen relevanten Anteil des menschlichen Genoms darstellen, innerhalb weniger Tage massiv. Sie verursachen DNA-Schäden und Entzündung und lassen die Zellen letztendlich absterben. Ist das Enzym SETDB1 nicht vorhanden, verliert der Darm seine Stammzell-Population, die seine Funktionalität aufrechterhält. Dies verhindert die Aufnahme von Flüssigkeit und Nährstoffen, ruft Darmentzündung hervor und führt innerhalb weniger Tage unweigerlich zum Tod.
„Unsere Studie belegt die fundamentale Bedeutung von SETDB1 und der Heterochromatin-Bildung für die Aufrechterhaltung der Genomstabilität im Darmepithel und den kontrollierten Verlauf der Prozesse im Darm“, erklärt Prof. Sebastian Zeißig, Forschungsgruppenleiter am CRTD und Arzt an der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden. „Abzuwarten bleibt, ob Mutationen in diesem Gen auch im Menschen beispielsweise zu Darmentzündung wie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen beitragen können.“
Die Studie wurde durch die TU Dresden / CRTD im Rahmen der deutschen Exzellenzinitiative finanziert und durch das DRESDEN-concept Genom Center und die Elektronen- und Lichtmikroskopie-Facilities der TU Dresden CMCB-Technologieplattform unterstützt.
Veröffentlichung:
GUT: “SETDB1 is required for intestinal epithelial differentiation and the prevention of intestinal inflammation”, Autoren: Lea Južnić, Kenneth Peuker, Anne Strigli, Mario Brosch, Alexander Herrmann, Robert Häsler, Michael Koch, Liz Matthiesen, Yvonne Zeißig, Britt-Sabina Löscher, Alexander Nuber, Gunnar Schotta, Volker Neumeister, Triantafyllos Chavakis, Thomas Kurth, Mathias Lesche, Andreas Dahl, Anne von Mässenhausen, Andreas Linkermann, Stefan Schreiber, Konrad Aden, Philip Rosenstiel, Andre Franke, Jochen Hampe, Sebastian Zeißig