28.11.2022
Die frisch gekürte Humboldt-Professorin Dr. Miki Ebisuya wird Mitglied des Exzellenzclusters Physik des Lebens an der TU Dresden
Was bestimmt den Takt biologischer Uhren? Warum unterscheidet sich die Länge der Schwangerschaft zwischen Mensch und Maus? Dr. Miki Ebisuya ist seit ihrer Kindheit von dieser grundlegenden Frage fasziniert und hat als Wissenschaftlerin neue Wege entwickelt, diese zu beantworten. Kürzlich mit einer Alexander von Humboldt-Professur – dem höchstdotierten internationalen Forschungspreis Deutschlands – ausgezeichnet, plant sie ab April 2023, die Leitung des Exzellenzclusters Physics of Life (PoL) auf der neu eingerichteten Professur für Mechanismen der Zell- und Gewebekontrolle am Center for Molecular and Cellular Bioengineering der TU Dresden zu verstärken.
Eine Schwangerschaft beim Menschen dauert etwa neun Monate, während sie bei der Maus nur 20 Tage und beim Elefanten sogar 22 Monate dauert. Während der Embryonalentwicklung sind der Ablauf und die grundlegenden Mechanismen der Entwicklungsprozesse bei allen Arten ähnlich, aber die Geschwindigkeit der Entwicklung unterscheidet sich erheblich. Die physikalischen Prinzipien und molekularen Ursachen für diese Unterschiede in der Entwicklungsgeschwindigkeit sind noch unklar, nicht zuletzt, weil es technisch schwierig ist, die Embryonen verschiedener Spezies zu vergleichen. Zahlreiche Umweltfaktoren, wie Nährstoffe und Körpertemperatur, müssen normiert werden, bevor ein solcher Vergleich möglich ist. Außerdem ist der Zugang zu Embryonen einiger Arten, darunter auch des Menschen, außerordentlich eingeschränkt und ethisch umstritten.
Miki Ebisuya hat einen neuen Ansatz entwickelt, um dieses Problem zu lösen. Ihre Gruppe rekonstruierte die Entwicklungsprozesse in vitro (im Reagenzglas), indem sie pluripotente Stammzellen von verschiedenen Arten verwendete. Pluripotente Stammzellen können sich zu jeder Art von Zelle in einem Organismus entwickeln und sogar 3D-Strukturen, so genannte Organoide, bilden, die bestimmte Aspekte der Entwicklung von Geweben und Organen nachbilden. Potenziell können solche in vitro Modelle von vielen Arten erstellt werden, die sich dann unter identischen Kulturbedingungen vergleichen lassen. Miki Ebisuya hat einen einzigartigen "Stammzellen-Zoo" mit Stammzellen aus vielen verschiedenen Arten angelegt, der nun erstmals eine systematische Analyse der Entwicklungszeit verschiedener Arten, einschließlich des Menschen, ermöglicht. Dieser leistungsstarke Ansatz bietet neue Möglichkeiten zur Untersuchung der biophysikalischen und molekularen Unterschiede, die die biologische Zeit in verschiedenen Arten steuern.
An der TU Dresden nehmen interdisziplinäre Ansätze für biologische Systeme eine zentrale Stellung ein. Das Exzellenzcluster Physics of Life ist Vorreiter, wenn es darum geht, die Brücke zwischen Physik und Biologie zu schlagen. "Schon als ich in Japan lebte, kannte ich die Dresdner Wissenschaftsgemeinschaft aufgrund der vielen erfolgreichen Beispiele von Kooperationen zwischen Biologie und Physik. Am neu etablierten, hochinteressanten Exzellenzcluster PoL erhoffe ich mir, diese Art der interdisziplinären Zusammenarbeit zu fördern und die biophysikalischen Grundlagen von artspezifischen Merkmalen aufzudecken. Gleichzeitig wäre es großartig, wenn meine Gruppe einen Beitrag für das Institut und die Forschergemeinschaft leisten könnte, indem sie die Stammzell-Zoo-Plattform und die optogenetischen Manipulationswerkzeuge, die wir entwickeln, zugänglich macht", sagt Dr. Ebisuya.
"Es ist ein großer Erfolg für die TU Dresden, eine weitere Humboldt-Professorin begrüßen zu dürfen", sagt Prof. Ursula Staudinger, Rektorin der TU Dresden. "Es zeigt auch die große Sichtbarkeit des Exzellenzclusters Physik des Lebens, das während der letzten drei Jahren herausragende internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewinnen konnte, darunter jetzt die weltweit führende Wissenschaftlerin in der Synthetischen Biologie."
"Miki Ebisuya ergänzt mit ihrer herausragenden Expertise auf dem Gebiet der synthetischen multizellulären Systeme sowie der Optogenetik perfekt die bestehenden Ansätze bei Physics of Life. Die vielen Synergien zwischen ihrer Gruppe und anderen PoL-Gruppen werden zu innovativen Ansätzen führen, um die physikalischen Prinzipien zu verstehen, die der biologischen Selbstorganisation zugrunde liegen. Wir freuen uns sehr, sie in Dresden begrüßen zu dürfen", betont Prof. Otger Campàs, Managing Director und Sprecher von PoL.
Über Dr. Miki Ebisuya
Miki Ebisuya promovierte 2008 in ihrem Heimatland an der Universität Kyoto in Japan und wurde dort anschließend Forschungsgruppenleiterin. Nach einer Station am japanischen Forschungsinstitut RIKEN in Kyoto wechselte sie 2018 als Gruppenleiterin zum EMBL (European Molecular Biology Laboratory) an dessen neu gegründeten Standort in Barcelona, Spanien. Sie wurde 2019 mit dem japanischen Preis für exzellente Nachwuchsforscherinnen und 2020 mit einem ERC Consolidator Grant ausgezeichnet. Für die nächsten fünf Jahre erhält Miki Ebisuya eine Humboldt-Professur, mit der sie im April 2023 die Professur für Mechanismen der Zell- und Gewebekontrolle an der TU Dresden antreten möchte.
Über die Alexander von Humboldt-Professur
Die Alexander von Humboldt-Professur ist mit einem Wert von bis zu fünf Millionen Euro der höchstdotierte Forschungspreis in Deutschland. Ziel der Humboldt-Professur ist es, Spitzenforscher:innen aus dem Ausland für den Standort Deutschland zu gewinnen. Die Humboldt-Professuren werden für jeweils fünf Jahre von der Alexander von Humboldt-Stiftung vergeben und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. www.humboldt-foundation.de/en
Über das Exzellenzcluster Physics of Life
Physics of Life (PoL) ist einer von drei Exzellenzclustern an der TU Dresden. Es konzentriert sich auf die Identifizierung der physikalischen Gesetze, die der Organisation des Lebens in Molekülen, Zellen und Geweben zugrunde liegen. In dem Cluster arbeiten Physiker, Biologen und Informatiker zusammen, um zu erforschen, wie sich aktive Materie in Zellen und Geweben in vorgegebene Strukturen einordnet und so Leben entstehen lässt. PoL wird von der DFG im Rahmen der Exzellenzstrategie gefördert. Es ist eine Kooperation zwischen Wissenschaftlern der TU Dresden und Forschungseinrichtungen des Netzwerks DRESDEN-concept, wie dem Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG), dem Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme (MPI-PKS), dem Leibniz-Institut für Polymerforschung (IPF) und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR). www.physics-of-life.tu-dresden.de
Kontakt:
Dr. Maria Begasse
Geschäftsführung Exzellenzcluster Physics of Life