27.04.2017
Embryoentwicklung, Gen-Schere und Schwämme, die sich selbst auspressen: ERC Advanced Grants für TUD-Spitzenforscher
Der Europäische Forschungsrat fördert drei Wissenschaftler der TU Dresden mit ERC Advanced Grants, den höchst dotierten Einzelförderungen auf europäischer Ebene. Diese werden an etablierte Spitzenforscher vergeben, die mit risikoreichen Forschungsvorhaben in ihren jeweiligen Bereichen neue Wege beschreiten. Der Biophysiker Prof. Stephan Grill, der Mediziner Prof. Frank Buchholz und der Chemiker Prof. Stefan Kaskel erhalten für ihre Forschungen insgesamt rund 7,3 Millionen Euro über fünf Jahre. In der Vergangenheit waren bereits vier ERC Advanced Grants an die TU Dresden gegangen.
Wie wachsende Organismen links und rechts unterscheiden
Stephan Grill, Professor für Biophysik am Biotechnologischen Zentrum der TU Dresden (BIOTEC), erhält einen mit 2,5 Millionen Euro dotierten ERC Advanced Grant für seine Forschung zum Thema „Chirale Morphogenese“. Die Arbeitsgruppe von Prof. Grill wird erforschen, wie in wachsenden Organismen links und rechts unterschieden wird, und wie sich dadurch verschiedene Organe links oder rechts im Körper anordnen. Hierfür studieren die Wissenschaftler die Muskelproteine Aktin und Myosin und die physikalischen Mechanismen mit denen diese Protein Kräfte und Drehmomente erzeugen, um wachsenden Organismen ihre Form zu geben. „Diese Förderung wird es uns ermöglichen zu verstehen, wie Links-Rechts-Asymmetrie auf der Ebene von Zellen und Geweben aus molekularen Interaktionen hervorgeht. Dies ist eine der großen unbeantworteten Fragen in der Embryonalentwicklung. Wir werden die Physik mit der Biologie verbinden und den Prozess der links-rechts asymmetrischen Formgebung in der Biologie als physikalischen Prozess in einem mechanisch aktiven und chiralen, also links-rechts asymmetrischen, Material beschreiben“, so Prof. Grill. Seine Arbeitsgruppe am BIOTEC erforscht die Kräfte, die einem Embryo ermöglichen, einen vollständig strukturierten Organismus zu entwickeln. Hierbei werden verschiedene Disziplinen kombiniert, darunter die Zell- und Entwicklungsbiologie, Biophysik und die theoretische Physik. Stephan Grill hatte 2011 bereits einen ERC Starting Grant erhalten.
Effiziente und sichere Gen-Chirurgie
Für seine Forschungsarbeit zur gezielten Gen-Chirurgie mittels des „Gen-Skalpells“, erhält Frank Buchholz, Professor für Medizinische Systembiologie an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden, einen ERC Advanced Grant in Höhe von 2,4 Millionen Euro. Nachdem es Prof. Buchholz mit seinem Team gelungen war, mittels gerichteter molekularer Evolution eine Designer-Rekombinase (Brec1) zu entwickeln, die das Genom des HI-Virus zielgenau aus der menschlichen Wirtszelle herausschneiden und entfernen kann, werden nun andere Krankheitsbilder ins Visier genommen. „Das Generieren von molekularen Skalpellen, wie der Brec1-Rekombinase, wird die Medizin verändern. Von dieser Entwicklung können nicht nur HIV-Patienten, sondern voraussichtlich auch viele andere Patienten profitieren. Wir stehen kurz davor, das Zeitalter der Genom-Chirurgie einzuläuten“, prognostiziert Prof. Frank Buchholz. In dem geförderten „GenSurge“ Projekt soll eine „Genom-Editing Platform“ entwickelt werden, die ein effizientes und sicheres Korrigieren von DNA im Genom erlaubt, ohne dabei die zellintrinsische DNA-Reparatur in Anspruch nehmen zu müssen.
Poröse Materialien für neue Energie- und Umwelttechnologien
Stefan Kaskel, Professor für Anorganische Chemie, erhält den ERC Advanced Grant für sein Projekt „Grundlagenuntersuchungen zum Verständnis der negativen Gasadsorption in hochporösen Netzwerken für die Entwicklung von Drucksprungmaterialien“ in Höhe von knapp 2,4 Millionen Euro. Poröse Materialien spielen eine Schlüsselrolle in Energie- und Umwelttechnologien wie z.B. Gas- und Wärmespeicher, Wasserstoffreinigung, Batterien, Luft- und Wasserreinigung, Energieumwandlung, Katalyse und Sensorik. Im Jahr 2016 entdeckte das Team um Prof. Stefan Kaskel ein neues kontraintuitives Phänomen: Ein poröses Material, genannt DUT-49 (DUT = Dresden University of Technology), reagiert auf einen extern applizierten Gasdruck mit dem Herausschleudern von Molekülen aus seinen inneren Hohlräumen, wodurch insgesamt eine Gasdruckverstärkung bewirkt wird. Man kann dieses Material als einen hochporösen Schwamm auffassen, welcher bei Erreichen eines bestimmten Füllstands autonom kontrahiert, als ob er sich selbst auspresst, um dabei die Fracht herauszuschleudern, die den Hohlraum zuvor ausfüllte. Derartige neue Materialien könnten enorme Bedeutung für das Design von reizsensitiven mikropneumatischen Bauelementen oder auf äußere Stimuli reagierende sich selbst antreibende Systeme haben. Um die wissensbasierte Nutzung derartiger druckverstärkender Materialien in der Zukunft zu ermöglichen, fokussiert sich der ERC Grant auf ein grundlegendes Verständnis der zugrunde liegenden Thermodynamik und ein rationales Einstellen der Druckverstärkung in porösen Materialien. Für Prof. Stefan Kaskel ist die Auszeichnung Ehre und Motivation zugleich: „Der ERC Advanced Grant motiviert mich und mein Team enorm, das grundlegende Verständnis neuer Phänomene als wichtige rationale Basis für eine nachhaltige technologische Nutzung zu erforschen.“
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Horizon Europe (MSCA, ERC)
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