17.05.2019
TU Gründungsprojekt bietet Softwarelösung für Tinnituslinderung
Die interdisziplinäre Forschergruppe „IN HARMONY“ hat an der TU Dresden am Lehrstuhl für Mensch-Computer-Interaktion einen Prototyp entwickelt, um Patienten mit tonalem Tinnitus schnell und unkompliziert helfen zu können.
Die drei Gründer Martin Spindler, Matthias Lippmann und Steven Mack beschäftigten sich während eines Forschungsprojekts von 2013, dessen Ideengeber der HNO-Arzt Gerd Tymnik aus Großenhain war, mit der Tinnituserkrankung sowie Lösungsansätzen für eine Linderung der Symptome. Tinnitus beruht auf einer Störung der Hörfunktion, bei der die Betroffenen ein dauerhaftes Ohrgeräusch in Form von Summen, Pfeifen oder Rauschen wahrnehmen. Rund 3,9 Prozent der Bevölkerung haben einen chronisch subjektiven Tinnitus; jährlich treten in Deutschland etwa 270.000 neue Fälle auf. Die gesundheitlichen Auswirkungen der Betroffenen können, je nach Schweregrad, sehr unterschiedlich ausfallen. Schlafstörungen, Angstzustände, Depressionen und Arbeitsunfähigkeit sind mögliche Folgeschäden der Erkrankung. Es gibt eine Vielzahl von Therapien, von medikamentösen Ansätzen bis hin zur Psychotherapie, die eine Linderung der Symptome erreichen sollen; eine Heilung bei chronischem Tinnitus ist, im Vergleich zu akutem Tinnitus, allerdings nur bedingt möglich. Dennoch ist eine Kompensation möglich, bei der die Patienten die Geräusche nicht mehr als seelisch belastend empfinden - auch wenn die Ohrgeräusche nicht vollständig verschwinden.
Die Ausgründung der interdisziplinären Forschergruppe soll bis Mitte 2019 erfolgen. Die Grundidee des Teams ist eine Tinnituskompensation mit Hilfe einer Musikanwendung im Alltag. Hierfür wird zunächst die individuelle Tinnitusfrequenz des Patienten mittels einer Software eingegrenzt. Anschließend erfolgt eine automatische Anpassung des ausgewählten Musikstückes: „Wir laden dafür ein vom Patienten ausgewähltes Musikstück in unsere Software. Unser Algorithmus analysiert technisch die musikalische Beschaffenheit des Stücks und bringt es mit dem Tinnitutston in Einklang“, erklärt Martin Spindler. Der Tinnituston wird so in die Harmonie eingebettet, dass er nicht mehr als störend wahrgenommen wird. Dabei bleiben der harmonische Charakter und die natürliche Qualität des Musikstückes erhalten. Erste Durchläufe mit Probanden zeigen, dass während der Anwendung die Tinnitusbelastung kaum noch wahrgenommen wird und auch nach einer 15-minütigen Pause die Belastung deutlich geringer ausfällt als vorher. Die positiven Rückmeldungen ermutigten Martin Spindler, das Forschungsprojekt in eine Ausgründung zu überführen.
Die Musiksoftware kann so oft und so lange angewendet werden, wie der Nutzer es wünscht. „Eine Pille gegen Tinnitus gibt es leider noch nicht. In Abstimmung mit dem behandelnden HNO-Arzt kann die Musiksoftware jedoch unterstützend eingesetzt werden, um beispielsweise Schlaf- oder Konzentrationsstörungen zu mindern. Mit unserer Lösung können wir die Tinnitusbelastung mindestens zeitweise lindern“, erklärt Martin Spindler.
Ziel des Gründerteams ist es, ein Software-Medizinprodukt an den Markt zu bringen, dessen Kosten in Zukunft von Krankenkassen übernommen werden. Hierzu muss das Produkt jedoch medizinisch zugelassen sein. Der nächste Schritt ist deshalb eine klinische Studie, die aktuell in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Dresden anläuft. Das Projekt „IN HARMONY“ wird unterstützt vom Gründungsnetzwerk dresden|exists und der Professur Mensch-Computer-Interaktion unter Prof. Gerhard Weber. Es wurde 2017/18 mit einem EXIST-Gründerstipendium des BMWi gefördert. Das Sachgebiet 5.3 Transfer Office berät zudem Ausgründer rund um das Thema Schutzrechte und geistiges Eigentum .„In Harmony“ ist für den Sächsischen Gründerpreis beim futureSAX 2019 nominiert.
Informationen für Journalisten:
Gründungsprojekt „IN HARMONY“
Martin Spindler
Tel.: +49 351-4633846
https://www.in-harmony.land