Liebe, Sex und Freundschaft – Fragen und Antworten der Philosophie
Sind Liebe und Freundschaft eigentlich identische Phänomene? Warum sind Religionen oftmals so lust-, leib- und frauenfeindlich? Sollte zwischen antiker Päderastie und aktueller Pädophilie unterschieden werden? Was unterscheidet wahre Liebe von Begehren? Ist Monogamie eine Illusion?
Fragen wie diesen und vielen weiteren geht Markus Tiedemann, Professor für die Didaktik der Philosophie und Ethik an der TU Dresden, gemeinsam mit der freien Redakteurin und MDR-Wissenschaftsjournalistin Katrin Tominski im Podcast "Liebe, Sex und Freundschaft. Fragen und Antworten der Philosophie" nach.
Inhaltsverzeichnis
- Folge 4: Wahre Freundschaft nach Aristoteles. Oder: warum Räuber keine echten Freunde sein können
- Folge 3: Von Platonischer Liebe und dem Aufstieg des Logos
- Folge 2: Der lange Arm des Mythos – zur Bewertung von Lust, Leib und Weiblichkeit
- Folge 1: Die Philosophie und Liebe, Sex und Freundschaft
- Weitere Informationen
Folge 4: Wahre Freundschaft nach Aristoteles. Oder: warum Räuber keine echten Freunde sein können
Nach Aristoteles wollen alle Menschen glücklich sein und Freundschaft ist für ein gelungenes Leben unverzichtbar. Aber welche Arten von Freundschaft gibt es und welche sollten wir anstreben? Können schlechte Menschen wahre Freunde sein? Was können wir tun um uns eines wahren Freundes würdig zu erweisen?
Katrin Tominski
Liebe. Sex und Freundschaft. Fragen und Antworten der Philosophie. Ein Podcast der TU Dresden mit dem Philosophieprofessor Markus Tiedemann und der Wissenschaftsjournalistin Katrin Tominski. Nur wenig auf dieser Welt interessiert die Menschen mehr als Liebe, Sex und auch Freundschaft. Selbst Geld, Status, Reichtum und auch Schönheit sind oft nur Mittel zum Zweck für den Erfolg bei der Partnerwahl oder für die Befriedigung sexueller Bedürfnisse. Für das Gewinnen von Freunden oder auch, um eine Familie zu gründen. Doch gibt es wahre Liebe und wahre Freundschaft überhaupt? Wie wird Sex bewertet und praktiziert? Welche Denkmodelle prägen unsere Vorstellungen von Lust? Seit Jahrtausenden beschäftigen sich auch Philosophen mit diesen Fragen von der Antike bis zur Gegenwart, von Aristoteles und Platon bis Simone de Beauvoir und auch Erich Fromm. Sie alle haben nach Antworten gesucht und auch welche gefunden.
Katrin Tominski
Herzlich willkommen bei der vierten Folge unseres Podcasts Liebe, Sex und Freundschaft, Fragen und Antworten der Philosophie im Studio. Hier ist wieder Markus Tiedemann. Er ist Professor für Philosophie und Didaktik an der TU Dresden und er wird uns weiter die Zeitleiste der Philosophie entlang führen. Hallo Markus.
Markus Tiedemann
Hallo Katrin.
Katrin Tominski
Schön, dass du wieder da bist. Ich bin schon ganz neugierig, was du uns heute erzählen wirst. In der vergangenen Folge haben wir ziemlich ausführlich über Plato und das Ideal der wahren Liebe gesprochen. Heute wollen wir uns der Freundschaft zuwenden. Damit hat sich Aristoteles, der begabte Schüler Platons, nämlich, eingehend beschäftigt. Kleiner Fun Fact am Rande Platon war nicht verheiratet und hat sich intensiv mit Liebe beschäftigt.
Katrin Tominski
Aristoteles hatte eine Frau und kümmerte sich in seinen Überlegungen maßgeblich um Freundschaft. Warum, werden wir gleich erfahren. Herzlich willkommen also zu unserer vierten Folge von wahrer Freundschaft oder warum Räuber niemals echte Freunde sein können. Markus, erklär mir doch einmal warum war Aristoteles Freundschaft so wichtig?
Markus Tiedemann
Oh, ich bin auch immer gespannt auf deine Fragen und das ist eine sehr große Frage. Und die Antwort könnte in der Kurzzusammenfassung so lauten, dass bei Aristoteles die gesamte Lehre sehr verzahnt, systematisch ineinander aufgreift. Aristoteles war an wahnsinnig vielen Dingen interessiert, hat sie erforscht, hat sie systematisiert. Da gehört erst mal der Mensch in Gänze zu mit all seinen Erscheinungsformen, all seinen Bedürfnissen. Und in seiner Ethik nimmt nun die Freundschaft einen ganz besonderen Stellenwert ein. Also zunächst einmal Wie kommt es zu der Ethik der Take off? Die Prämisse der Ethik, die man schlucken muss, ist, dass der Mensch nach Glück strebt.
Katrin Tominski
Also das ist ja nachvollziehbar.
Markus Tiedemann
Ist es nachvollziehbar. Das passt in seine Metaphysik, also in allen Dasein gibt es ein Streben nach dem Idealzustand. Telos das Ziel. Also eine Blume strebt danach zu blühen, sonst wäre sie keine Blume. Da fließt alle in ihre Energie rein. Und auch wir machen ja ganz selten Dinge, nur um der Tätigkeit willen, die wir gerade vollziehen. Also wir putzen uns die Zähne ja nicht um des Zähneputzen willen, sondern weil wir uns davon gesundheitlichen und sozialen Effekt. Und so weiter und so weiter.
Katrin Tominski
Weil uns das immer schön brav erzählt wurde.
Markus Tiedemann
Das auch und viele Dinge. Aber in letzter Instanz muss dieser endlose Regress ich mach das, damit ich das bekomme, Das möchte ich haben, damit ich das Erreichen oder irgendwann zu einem Ende kommen. Und das ist die Idee eines höchsten Gutes. Dieses höchste Gut muss abschließen und muss vollkommen sein. Es dafür keinen Mangel geben. Das von mir weiter streben. Und dann fragt sich Aristoteles Was könnte das sein? Und er kommt zu der Antwort, dass das Glück, die EUdaimonia, das vollkommene Glück, verstanden als die Befriedigung unserer elementaren zentralen Bedürfnisse und ganz wichtig als Verwirklichung der wesenhaften Anlage des Menschen.
Katrin Tominski
Um noch mal ganz kurz dazwischen zu wirken. Das wäre sozusagen der Moment, wenn man dasitzt und sagt Oh, ich bin ich, Ich. Wer fehlt jetzt nicht mehr? Ich bin so glücklich.
Markus Tiedemann
Ja. Ich gebe zu, dass das nicht leicht zu denken möglich ist. Deswegen kennen wir nur Hilfskonstruktion. Und man kann Aristoteles auch verteidigen, nur weil er sagt, das wäre das höchste Gut. Das vollkommene Glück. Hat er noch nicht gesagt, dass wir es erreichen und dass jemand das hier erlebt hat. Gleichwohl gibt es ja doch zumindest Funken, in denen wir das erleben. Also ein Beispiel Wenn wir einen positiven Orgasmus erleben.
Katrin Tominski
Dann wollen wir eben auch negative Orgasmen.
Markus Tiedemann
Also ich hoffe nicht, aber in der Sexualforschung ja doch, ist es. Da gibt es leider furchtbare Experimente, auf die ich jetzt nicht zu sprechen. Okay. Aber wenn wir jetzt einen Wünschens Orgasmus erleben, dann erleben wir in dem Moment genau das, was wir erleben wollen. Und wir wollen nichts anderes, als was wir gerade erleben. Leider ist das natürlich unheimlich vergänglich und Aristoteles geht es ums dauerhafte Glück. Und für das dauerhafte Glück, für das gelungene menschliche Leben brauche ich Freunde. Warum brauche ich Freunde? Erstens, weil dieses Glück darf ja keinen Mangel haben, dieses Sonst wäre es ja nicht vollkommen. Und alle Menschen sagen, dass sie Freunde haben wollen, selbst dann, wenn sie alle anderen Güter besitzen, wenn sie zum Beispiel steinreich sind. Zweite Sache Wir sind fein.
Katrin Tominski
Haken Also Aristoteles sagt praktisch Wir werden nur glücklich, wenn wir Freunde haben. Ja, was ist der Unterschied? Manche andere würden vielleicht sagen Wir werden auch glücklich, wenn wir eine Liebe haben. Warum sind wir in die. Ich muss noch mal auf dieses, dann.
Markus Tiedemann
Müssen wir später noch mal eingehen und gucken, wie wir Freundschaft und Liebe auseinander klabustern. Zunächst einmal ist Freundschaft nicht hinreichend. Also wenn ich einen guten Freund habe, bin ich automatisch und verlässlich immer glücklich. Das nicht, Aber es ist notwendig, ohne Freunde werde ich es nicht schaffen. Warum? Weil alle Menschen sich Freunde wünschen, selbst dann, wenn sie alles andere haben. Zweites Argument Wir sind zoon politikon. Wir sind politisches Wesen. Außerhalb der Gemeinschaft, sagt Aristoteles, sind wir entweder Gott oder wildes Tier. So. Wenn ich also mein Bedürfnis befriedigen will, wenn ich eine gewisse intellektuelle Schulung durchlaufen will, brauche ich die Gemeinschaft. Ich brauche eine freundliche soziale Umgebung. Auch Staatsbürger sollten Freunde sein. Die dritte Ebene ist dann Ich will intellektuelles Wesen sein. Ich will tugendhaftes Wesen sein und niemand und nichts schult mich hier intensiver als der wahre Freund. Und deswegen brauche ich in.
Katrin Tominski
Das stimmt wahrscheinlich. Wer ist denn sonst zu ehrlich als die wahren Freunde? Wird ja immer gesagt das Ja ist ein interessanter Aspekt. Niemand ist so gnadenlos wie die eigenen Freunde, auch die Eltern nicht. Bestimmt vielleicht. Es ist spannend zu mal okay, hier ist das Glück bei Aristoteles. Dann die Freunde. Welche Arten von Freundschaft unterscheidet denn Aristoteles?
Markus Tiedemann
Also sein Freund? Das ist erstmal sehr, sehr weit. Überall dort, wo Menschen im wechselseitigen Wohlwollen zusammenkommen, ist für Aristoteles Freundschaft im Spiel. Wenn wir aber holzschnittartig vorgehen wollen, dann dann sind es drei. Es gibt die Lust, die Nutz und die wahre Freundschaft.
Katrin Tominski
Lust, Freundschaft klingt schon mal gut.
Markus Tiedemann
Klingt gut. Und Aristoteles sagt das so ein bisschen mit dem Augenzwinkern. Es hebt sich bei den jungen Menschen vertreten zentral. Einer Lustfreundschaft ist der wechselseitige Lustgewinn. Also der Wann Night Stands zum Beispiel. Zentrales Moment der Nutzfreundschaft ist der wechselseitige Nutzen. Dinge Geschäftsfreunde beispielsweise. Und spannend ist dann die wahre Freundschaft. Hier geht es um die wechselseitige Tugendhaftigkeit, weswegen die wahre Freundschaft selten ist und den moralisch Edlen vorbehalten.
Katrin Tominski
Wirklich mehr die moralisch Edlen? Was sind die moralisch edlen Menschen?
Markus Tiedemann
Das sind diejenigen, die die Tugenden erkannt und kultiviert haben, das heißt also, die einen Begriff, ein Verständnis vom moralisch Richtigen haben und es nicht bei dem Verständnis allein belassen, sondern sich auch strebend darum bemühen, sich selbst trainieren, sich selbst erziehen. Was man im Akt der wahren Freundschaft am besten kann, weil der Freund eben auch der schärfste Kritiker sein kann.
Katrin Tominski
Das heißt aber umgekehrt, dass unmoralische Menschen, also vielleicht auch die Räuber, wie du im Podcast genannt hast, ja eigentlich keine Freunde sein können.
Markus Tiedemann
Sie können Lust und Nutzfreunde sein. Also wir können uns sehr schnell Räuberkumpel denken, die gemeinsam ihre Missetaten begehen, die vielleicht auch ihre Beute fair untereinander teilen, weil sie davon einen Nutzen haben, weil so sozusagen ihr Pakt funktioniert. Aber jetzt denken wir das mal zu Ende. Wir sind diese Räuber. Würden wir unseren Kumpanen zum Beispiel unsere schutzlosen Kinder überlassen?
Katrin Tominski
Nein, natürlich.
Markus Tiedemann
Nein, natürlich nicht. Wir wissen ja, dass er gemein und grausam ist. Genauso wie wir gemein und grausam sind. Und deswegen können wir ein letztes Vertrauen, eine letzte Wertschätzung für ihn gar nicht empfinden. Und deswegen können Räuber niemals wahre Freunde sein, weil sie moralisch nicht edel sind.
Katrin Tominski
Das klingt ja nicht sehr attraktiv. Also unmoralisch zu sein hat ja dann einige Schwierigkeiten oder bringt einige Schwierigkeiten mit sich, wenn ich dann auf wahre Freunde verzichten muss, ist es doch besser, ich bin gleich moralisch.
Markus Tiedemann
Ein starkes Argument. Das würde aber so vielleicht die platonische Schulungschule noch deutlich machen, die Aristoteles teilweise auch fortführt. Also Platon hat ein berühmter Stelle gesagt Es ist besser Unrecht zu erleiden, als Unrecht zu tun. Denn wenn ich Unrecht erleide, dann widerfährt mir Unrecht. Aber ich werde nicht moralisch hässlich und ungerecht. Und das bei Aristoteles ein bisschen auch so Aristoteles würde aber sagen Na ja, gut, es ist schon leicht, ein lustvolles Scheusal zu sein, also Lustfreundschaften, Lustgewinne zu zu akkumulieren.
Markus Tiedemann
Es ist unheimlich schwer, ein tugendhafter Mensch zu sein. Um aber langfristig ein gelungenes menschliches Leben zu führen, muss ich Letzteres für interessant.
Katrin Tominski
Aber sind denn die Lust und die Nutzfreundschaft? Du hattest eben als Beispiel genannt für die Lust Freundschaft ein wo nicht sind? Gibt es vielleicht noch andere Formen? Und sind diese beiden Formen die Lust und Nutzfreundschaft denn per se schlechtere Freundschaftsform?
Markus Tiedemann
Nein, das. Sie sind keine schlechten. Sie sind weniger gut. Also vielleicht kann man das an Beispiel deutlich machen. Erstes Beispiel eine Nutzfreundschaft als Reise Bekanntschaft. Wir müssen beide durch dieses finstere Tal durch und es findet sich kein. Es fühlt sich eindeutig besser an, dies gemeinsam zu machen und wir supporten einander während dieser gemeinsamen Wanderung. Wir sind also Freunde. Es besteht ein wechselseitiger Gewinn und nachher trennen wir uns. Es gibt einen Scheich, Hans, und wir sehen uns nie wieder. Dann sagt Aristoteles Das ist doch wertvoll, Das ist doch gut so! Gehen doch Menschen miteinander um. Und das ist Ist es nicht Schlechtes?
Katrin Tominski
Stimmt.
Markus Tiedemann
Es ist noch keine wahre Freundschaft. Zweites Beispiel. Du und ich, wir sind Tennisfreunde. Angenommen, es wäre so.
Katrin Tominski
Ich kann kein Tennis.
Markus Tiedemann
Ich auch. Ich auch sehr schlecht. Aber wir nehmen es mal so und wir spielen seit zehn Jahren zusammen, machen aber sozial nichts miteinander. Wir mögen einfach wirklich nur gerne miteinander Tennis spielen, will also besagen: Wir haben eine Lust-Freundschaft. So, jetzt kriege ich einen Tennisarm und der ist hartnäckig und lässt sich nicht auskurieren. Dann wissen wir beide, was passiert. Du ruft genau einmal an und fragst. “Mensch, das tut mir so leid. Können wir uns nicht wieder treffen?”
Katrin Tominski
Ich würde zwei Mal anrufen.
Markus Tiedemann
Ja, genau. Aber beim dritten Mal wissen wir alle, diese Freundschaft ist beendet. Ist das schlimm?, sagt Aristoteles. Nein. Sofern wir uns nichts anderes versprochen haben. Sie war sogar wertvoll. Wir hatten beide einen wechselseitigen Lustgewinn.
Katrin Tominski
Das heißt aber die Lust und die Freundschaft sind auf alle Fälle zeitlich begrenzt oder auf die auf die Lust, den Nutzen oder die Lust begrenzt.
Markus Tiedemann
Ja, genau. Wenn diese lange andauert, vielleicht spielen wir 30 Jahre zusammen Tennis? Kann sein, dann kann es weitergehen.
Katrin Tominski
Du hattest über die wahre Freundschaft gesprochen. Ich will noch mal darauf zurück. Die interessiert mich doch ein bisschen mehr. Die wahre Freundschaft bei Aristoteles. Was ist denn? Oder gibt es denn bei Aristoteles überhaupt eine Voraussetzung für die Freundschaft?
Markus Tiedemann
Also die Voraussetzung für die Freundschaft ist eben Wechselseitigkeit und Wohlwollen. Das sind die beiden Kriterien für alle Arten der Freundschaft. Sonst reden wir nicht über Freundschaft, Wohlwollen und Wechselseitigkeit. Damit es jetzt eine wahre Freundschaft wird, muss dieses diese Wechselseitigkeit primär in der gemeinsamen Tugendhaftigkeit liegen, und das heißt eben im Verstehen und im Kultivieren des tugendhaft seins. Und nur wenn ich ein gewisses Niveau habe, kann ich auch einen Freund auf diesem Niveau haben. Vielleicht kann ich ein Beispiel geben.
Katrin Tominski
Ja, genau, will ich gerade sagen. Unter Tugenden kann man ja sehr viel.
Markus Tiedemann
Genau. Also ich halte Nelson Mandela wirklich für eine beeindrucken, eine Persönlichkeit. Da ist jemand, der jahrzehntelang Unrecht und Grausamkeiten erleiden musste, an die Macht kommt und der Versuchung widersteht, Rache zu üben und sich stattdessen um Aussöhnung bemüht. Das ist also für mich eine beeindruckende Persönlichkeit. Ich würde es...
Katrin Tominski
...Größe...
Markus Tiedemann
...tugendhaft auch nennen, im aristotelischen Sinne. So, wenn jetzt jetzt einen wahren Freund von Nelson Mandela gibt oder gar gab, dann muss dieser auch tugendhaft gewesen sein. Der muss nämlich ein gleiches Verständnis von Gerechtigkeit und dem Guten gehabt haben. Ein anderer würde vielleicht sagen Das ist aber Schwäche, das ist Dummheit. Warum nutzt du die Macht nicht, um endlich Rache zu üben oder ähnliches? Der Räuber würde wahrscheinlich genau das zu Mandela sagen.
Katrin Tominski
Jetzt kannst du es denen endlich zeigen?
Markus Tiedemann
Genau so und er würde wahrscheinlich gar nicht die Tugendhaftigkeit in dem Verhalten von Mandela erkennen.
Katrin Tominski
Er würde die Größe nicht erkennen. Das wäre.
Markus Tiedemann
Exakt. Und deswegen kann wahre Freundschaft eben nur zwischen zwei oder mehreren Tugend haften Menschen existieren.
Katrin Tominski
Das heißt, wahre Freunde erkennen wir auch immer daran, dass wir uns in dem jeweils anderen erkennen.
Markus Tiedemann
Zumindest, dass wir uns gemeinsam um Tugend bemühen.
Katrin Tominski
Ja hm, klingt schön.
Markus Tiedemann
Also es darf natürlich Unterschiede in anderen Neigungen geben. Der eine darf Tennisspielen, der nächste tauchen gehen. Das ist nicht entscheidend.
Katrin Tominski
Ja, ja, ja, ja, das ist klar. Ähm, vielleicht die nächste Frage. Müssen denn. Oder daran anknüpfend, Sie dürfen natürlich unterschiedliche Neigungen haben. Aber wie gleich oder wie ungleich können denn wahre Freunde sein? Ein Beispiel, was ja immer wieder ein großes Thema ist Freundschaft zwischen Arm und Reich, Freundschaft zwischen einen sehr klugen und einen sehr einfachen Menschen. Ist das möglich.
Markus Tiedemann
Dass es möglich, sofern Aristoteles sagen würde sagen, sofern eine Art Ausgleich gefunden wird? Das gilt aber vor allen Dingen auf den Stufen der Lust und der Freundschaft, dann muss es immer irgendwie einen Ausgleich geben. Also wenn der eine von dem anderen einen großen Lustgewinn hat, der andere dies aber nicht erwidern kann, dann muss dann vielleicht ein Nutzgewinn zurückgeben. So, da wäre Ausgleich möglich. In einer Situation, wo der eine geistig sehr schlicht ist und der andere sehr klug, wird es unheimlich schwierig, denn dann wäre es der eine bringt sozusagen geistige Förderung ein und damit etwas in Aristoteles, das in sehr sehr wertvoll ist und der andere kann eher so etwas wie Fürsorge, emotionale Nähe und so etwas bringen. Das kann dann Freundschaft sein, aber hier wird sozusagen Tugendhaftigkeit gegen Lustgewinn getauscht. Da wird es schwierig. Aber es.
Katrin Tominski
Gibt. Aber er kann ja anderes wissen als intellektuelles okay, jetzt.
Markus Tiedemann
Jetzt wird es zum Beispiel Also jetzt nehmen wir mal ein anderes Beispiel. Der eine ist so ein absoluter Universitätsnerd und der also.
Katrin Tominski
Ein verkopfter Theoretiker.
Markus Tiedemann
Genauso so dumm, so ein Philosoph wie ich, der sich vielleicht auch wirklich hin und wieder in Irrelevanz verliert. Der andere ist nicht ignorant. Wäre er ignorant, würden sie keine gemeinsame Basis finden. Das ist schon interessiert, aber er hat auch ein gesundes Gefühl Von Gott reicht es mir. So, und jetzt könnten sich beide annähern. Der eine verlässt die den Bereich, wo es vielleicht gar nicht mehr relevant ist, wo er sich verloren hat in seinen Nerdforschung. Und der andere wird ein bisschen angepuscht, um sich mehr zu interessieren. Komplexer zu denken. Dann könnten sie beide Tugend kultivieren, weil sie nämlich gerade eine Mitte gemeinsam finden.
Katrin Tominski
Ja, das klingt super. Das klingt.
Markus Tiedemann
Schön. Darf ich noch was zu arm und reich sagen?
Katrin Tominski
Weil das ja unbedingt. Und ich sage nachher noch was zu Mitte, Aber wir gehen jetzt.
Markus Tiedemann
Zu arm und reich, würde ich gerne noch mal sagen. Das macht noch mal deutlich, was wahre Freundschaft bei Aristoteles ist. Zwischen wirklich tugendhaften, also zwischen wahren Freunden ist der Unterschied zwischen Arm und Reich gar kein Problem, denn was sie einander geben, wo die wechselseitig bestehen, im Bereich der Tugendhaftigkeit, das ist kein ökonomischer Tausch. Zwar, sagt Aristoteles, geben ist moralisch edler als Nehmen, weswegen natürlich ein Ungleichgewicht entsteht, aber der wahre Freund würde ja geben, wenn er könnte. Und weil ich das weiß, ist dieses Ungleichgewicht irrelevant. Unwichtig zwischen wahren Freunden.
Katrin Tominski
Das klingt ganz schön und ich denke, das funktioniert auch. Aber in der Praxis kommt das ja trotzdem manchmal an seine Grenzen, oder weil die Lebenswirklichkeiten ja teilweise sehr verschieden sind. Oder Lebensstile. Wenn die beide nicht diese Tugenden so im Blick haben.
Markus Tiedemann
Ja, wenn sie beide nicht.
Katrin Tominski
Und sie müssen sich erst mal treffen.
Markus Tiedemann
Gut, aber nun wissen wir doch, dass wirklich gute Freunde durch äußere Umstände in andere soziale Lebensumstände geführt werden können, geraten können und und und. Und dann wäre es keine wahre Freundschaft, wenn der einen nicht einfach öfter die Rechnung bezahlt als der andere.
Katrin Tominski
Das stimmt, das stimmt. Äh, also ich weiß noch mal zusammen Wahre Freundschaft existiert unabhängig von der Ökonomie und von dem, von dem Geld, was beide haben oder eben nicht haben. Ich möchte aber noch mal auf einen Punkt zurückkommen. Du hattest am Anfang gesagt, Aristoteles fasst sein Freundschaftsbegriff sehr weit und dieser Freundschaftssbegriff betrifft nicht nur die Privatsphäre. Kannst du vielleicht noch mal darauf eingehen?
Markus Tiedemann
Ja, Aristoteles würde sagen, auch Staatsbürger sollen Freunde sein. Also soll wechselseitiges Wohlwollen auch zwischen Bürgern existieren.
Katrin Tominski
Ich glaube, wir brauchen alle ein bisschen mehr. Aristoteles in der heutigen Zeit ganz dringend.
Markus Tiedemann
Wir haben natürlich den Begriff der Solidarität zum Beispiel, den Aristoteles nicht kannte und der, denke ich, hier diese Lücke füllen könnte, die er versucht, mit der Freundschaft zu bezeichnen. Aber natürlich wünschen wir uns eine Gemeinschaft, in der gewisse Prinzipien der Solidarität verlässlich existieren. Und das tut jede Gemeinschaft gut.
Katrin Tominski
Solidarität in unserer Gesellschaft wäre also so was wie die bürgerliche Freundschaft von Aristoteles?
Markus Tiedemann
Ja.
Katrin Tominski
Oh, klingt toll, aber ich möchte noch mal dahin kommen. Wie kommen wir dahin? Wie werden wir denn Freunde im gesellschaftlichen Raum? Reicht es, wenn jeder für sich sagt Ich verhalte mich tugendhaft? Beispiel Ich lasse alle alten Leute hinsetzen in der Bahn, was ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Oder ich gebe Gefundenes ab Im Fundbüro würde das schon reichen, wenn jeder selbst an sich arbeitet. Oder wie kommt man zu dieser Freundschaft im bürgerlichen Raum?
Markus Tiedemann
Das ist natürlich eine Frage, von der ich nicht sicher bin, ob ich sie wirklich gut beantworten kann. Aber ich denke, aus der aristotelischen Perspektive kann man zumindest sagen, dass das ein wichtiger Beitrag wäre, wenn jeder sich an gewisse Prinzipien der Solidarität hält oder sich ihnen verpflichtet fühlen würde, dann hätte das auch einen immensen Impact auf die Gesellschaft. Also schönes Beispiel dazu gebracht hast. Wenn wir uns gar keine Sorgen mehr machen würden, wenn wir unser Handy liegen lassen, weil wir genau wissen, dass es seinen Weg zu uns zurückfindet. Aber das wäre so toll. Wäre das nicht wunderbar in dieser Gesellschaft?
Katrin Tominski
Wäre wunderbar.
Markus Tiedemann
Wenn eine Frau nachts einfach überhaupt nicht drüber nachdenken müsste, welchen Weg sie durch die Dunkelheit geht. Weil es gibt das überhaupt nicht. Sie kann sich auf die Solidarität ihrer Mitbürger verlassen. Das ist schon eine traumhaft schöne Vorstellung.
Katrin Tominski
Das ist eine traumhaft schöne Vorstellung und auch die Vorstellung einer ganz gesunden Gesellschaft ist in dem Misstrauen eigentlich nicht so eine große Rolle. Spielt.
Markus Tiedemann
Ja, es wäre die Gemeinschaft der moralisch Edlen. Allerdings, sagt Aristoteles, da ist er ja Realist, das ist den wenigen vorbehalten.
Katrin Tominski
Aber wir können alle was beitragen, wenn wir möchten mit unserem eigenen Verhalten.
Markus Tiedemann
Definitiv.
Katrin Tominski
Das klingt doch schon mal gut. Wir sind also Selbstwirksamkeit. Wir sind nicht nur auf die Gesellschaft angewiesen, sondern wir sind ja die Gesellschaft und können uns daran beteiligen.
Markus Tiedemann
Das ist ja der entscheidende Punkt der aristotelischen Ethik. Wir haben selbst uns um das Gute zu bemühen. Und da gibt er im Endeffekt zwei Tipps. Ich weiß nicht, ob ich die noch ausführen.
Katrin Tominski
Ja.
Markus Tiedemann
Okay. Also wir hatten ja gesagt, das höchste Gut ist das Glück. Die EUdaimonia. Das ist sehr überzeugend abgeleitet. Aber dann steht man ja auch so ein bisschen im Regen und sagt Ja, Aristoteles, das weiß ich. Das. Aber wie komme ich denn dahin? Und da gibt es zwei, zwei Aussagen. Das erste ist die Verwirklichung der wesenhaften Anlage, und zwar sowohl als Individuum, als als Gattungswesen. Also du hast die individuelle Veranlagung zu tanzen, du hast eine wirkliche Begabung zu tanzen. Dann würde Aristoteles sagen, es wäre ein Ja, na, wenn du es denn dein Leben nicht tust, verwirkliche deine Anlagen in bestmöglicher Form. Es geht um Höchstleistung.
Katrin Tominski
Wir sollten also unseren Talenten nachgehen?
Markus Tiedemann
Ja, natürlich. Und wir sollten fragen Was ist denn die Essenz unseres Gattungsdasein? Was unterscheidet denn ein gutes menschliches Leben von anderen Lebewesen? Und da würde Aristoteles sagen Gut, wir sind animal rationale, wir sind rationales Wesen, Verding geistigen Teil seiner Veranlagung. Als Mensch nicht kultiviert, führt kein gelungenes menschliches Leben. Ergo das glücklichste aller Leben, das natürlich Fun fact führt. Die Philosophin, der Philosoph. Zweiter Tipp ist die Mesoteslehre. Das ist die Lehre von der Mitte.
Katrin Tominski
Strebe die Mitte. Gleich darauf kommt man doch mal gut vorwärts mit der goldenen Mitte. Anfangen möchte ich noch mal jetzt. Das heißt also im Wenn wir. Unser ganzes Leben nach Erkenntnis suchen, dann können wir glücklich werden. Also nicht unbedingt nur allein. Aber das könnte zu unserem Glück beitragen.
Markus Tiedemann
Ganz, ganz entscheidend kann es dazu beitragen. Also bei Aristoteles gibt es nicht so, dass eine hinreichende Werte Theoretikerin und du bist glücklich. Er war erwartbar. Das nicht, aber es gibt notwendige Bedingung. Und ein Mensch, der zumindest in gar keinem Umfang seine rationale Plan veranlagung kultiviert, führt kein gelungenes menschliches Leben.
Katrin Tominski
Klingt sehr plausibel und aber auch sehr schön, weil wir das alle sehr beeinflussen können.
Markus Tiedemann
Es liegt in unserer Macht.
Katrin Tominski
Ja, gibt es. Wir alle kennen es. Wir alle haben es schon mal gehört. Die goldene Mitte. Was meint Aristoteles mit der goldenen Mitte?
Markus Tiedemann
Ich sage mal als erstes, was er damit nicht meint. Nämlich eine arithmetische Mitte. Ein Mittelmaß. Ein Ding genauen geometrischen Mittelpunkt zwischen zwei Extremen. Dann wäre es ja, man stelle sich mal vor, man wäre Bürgerinnen während der NS Zeit. Dann wäre so etwas wie ein gemäßigter Nationalsozialismus die goldene Mitte. Das wäre furchtbar.
Katrin Tominski
Das wäre furchtbar.
Markus Tiedemann
Genau das meint aber auch gerade nichts, sondern Aristoteles versteht unter der goldenen Mitte das rechte Maß zwischen den Extremen, das rechte Maß, das rechte moralische Maß, also das rechte Maß zwischen Feigheit und Tollkühnheit, ist die Tapferkeit, das rechte Maß zwischen Geiz und Verschwendungssucht ist die Großzügigkeit. Alles wird schlecht durch eins zu viel oder zu wenig. Und deswegen der zweite Tipp des Aristoteles Wenn du glücklich werden willst, versuche tugendhaft zu werden. Und tugendhaft heißt, das rechte Maß am rechten Ort zur rechten Zeit zu finden. So nämlich schwer.
Katrin Tominski
Ich wollte sagen, das klingt alles ganz toll, aber stell ich mir sehr, sehr schwer vor.
Markus Tiedemann
Ja, aber deswegen ist es eben auch so dynamisch. Also zum Beispiel Wut ist nicht immer falsch. Es kann die Situationen geben, wo Wut auch im Sinne des Aristoteles das rechte Maß in dieser Situation ist. Weil moralische Empörung zum Beispiel höchst angebracht ist.
Katrin Tominski
Habe ich auch selbst schon erlebt. War sehr heilsam.
Markus Tiedemann
Genau. Wenn man dann aber sagen möchte Ich kann mir sofort aber auch ein Zuviel vorstellen, wenn zum Beispiel aus Mut Wut, Rachsucht entsteht, dann würde das sei ja genau das ist das zu viel, von dem ich spreche?
Katrin Tominski
Ja, ja, schön, das hört sich sehr gut für mich. So ein kleiner Baustein, der mir eigentlich immer auch gefehlt hat, weil natürlich die goldene Mitte, die wird immer wieder verwendet und das war jetzt auch für mich sehr interessant. Wir hatten am Anfang das schon mal anklingen lassen der Unterschied zwischen Liebe und Freundschaft bei Aristoteles. Du hattest es schon mal angedeutet, vielleicht können wir es noch mal ganz kurz ausführen.
Katrin Tominski
Also Freundschaft brauchen wir im Leben glücklich zu werden. Wie sieht es mit der Liebe aus? Nach Aristoteles?
Markus Tiedemann
Da sagt er so wenig drüber. Also tatsächlich wird die Freundschaft in den Mittelpunkt gestellt und Liebe wird mal subsum miert, mal taucht sie einzeln auf. Und dann wird eigentlich nur darauf hingewiesen, dass Liebe eben einseitig empfunden werden kann. Dann wird in der Regel auch der Begriff Eros verwendet, während viele ja der Begriff für die Freundschaft ist. Und die muss immer wechselseitig sein. Mehr sagt er eigentlich nicht über die Liebe.
Katrin Tominski
Also er schweigt sich so ein bisschen aus.
Markus Tiedemann
Ja mal wird es ihm subsumiert und mal wird es nach diesen Kriterien getrennt.
Katrin Tominski
Trotzdem hatte ich in deinem Buch gelesen, dass er von Mutterliebe spricht, aber, äh, im Verhältnis zwischen Vater und Sohn, sozusagen von Freundschaft. Wie ist das zu verstehen?
Markus Tiedemann
Ja, das ist ein ganz, ganz spannender Punkt. Zumal dieses Phänomen der Mutterliebe uns noch öfter beschäftigen wird, wenn wir zum Beispiel zu Erich Fromm kommen oder ähnlichen. Dann die Mutterliebe von so ein Archetyp. Also wenn Aristoteles von Mutterliebe spricht, dann hat er die aufopferungsvolle Fürsorge der Frau für den Säugling oder das Kleinkind vor Augen. Dort ist es mit der Wechselseitigkeit schwierig. Die Mutter gibt unheimlich viel und der Säugling kann schon aufgrund seines Entwicklungsstandes wenig zurückgeben. Weswegen das für Aristoteles ein faszinierendes Phänomen ist, wenn er von Vaterliebe spricht, dann hat er die Vorstellung des reifen Vaters, der mit dem heranwachsenden Jüngling einhergeht. Da gibt es auch ein Ungleichgewicht. Für Aristoteles ist natürlich der Vater, was Tugendhaftigkeit und Weisheit betrifft, dem Knaben um vieles voraus. Aber es kann zumindest ein Hin und Her geben, ein Ausgleich. Der Ausgleich wird unter anderem dadurch geschaffen, dass der Knabe folgsam ist. Bewunderung zeigt und lehrsam ist.
Katrin Tominski
Das spricht aber auch für eine Wahrnehmung von starken Unterschieden zwischen Mann und Frau. Das kann er dir auch in einem heutigen Verständnis können ja auch Väter selbstlos lieben bzw auch Mütter sozusagen Tugenden vermitteln.
Markus Tiedemann
Also definitiv. Vielleicht kommen bei Fromm noch mal drauf zurück. Da gibt es auch noch mal Vater und Mutterliebe als ein Das sehen wir uns überhaupt? Um das noch mal deutlich zu machen Aber ja, diese diese Archetypen ziehen sich durch die ganze Geistesgeschichte.
Katrin Tominski
Wir hatten es ja auch schon erwähnt bzw ich hatte es am Anfang anklingen lassen. Du sagst es ja jetzt auch Aristoteles sagt nicht viel über Liebe, aber im Gegensatz zu Platon war er verheiratet. Kannst du dazu was sagen?
Markus Tiedemann
Ja, jetzt muss ich zwei Mal schlucken und dann muss ich eingestehen, dass. Ich mir wünschen würde, Aristoteles hätte ein positiveres Frauenbild gehabt. Also man muss einfach eingestehen, dass dieser Geist des Titan, dieser Titan des Geistes, dieser Urvater unseres wissenschaftlichen Denkens, ein wirklich schlichtes, vielleicht von seiner Zeit geprägtes Frauenbild gehabt hat, sie für intellektuell nicht gleichberechtigt hielt, sie nicht für fähig der wahren Freundschaft hielt. Anders als sein Lehrer Platon, der.
Katrin Tominski
Das.
Markus Tiedemann
Ja. Leider sind kluge Menschen nicht auf allen Gebieten klug, und er hätte vielleicht auf seinen Lehrer mehr hören sollen, der das eben sehr genau und deutlich gemacht hat. Der war der Universal ist eindeutig, was man zu seiner ja, es kann Ehrenrettung aber zur Relativierung dieses traurigen Side Effects sagen kann, ist, dass Aristoteles für seine zweite Frau sehr fürsor glich in seinem Testament Vorsorge getroffen hat, dass es ihr gut gehen möge und dass er seine erste Frau Pythia so sehr geliebt hat, dass er nach vielen, vielen Jahren nach ihrem Tod nämlich in seinem Testament verfügt hat, dass er neben ihr begraben werden wollte.
Katrin Tominski
Okay, es war schon Liebe im Spiel, aber anscheinend keine Liebe auf Augenhöhe. Oder vielleicht lieber auf Augenhöhe, aber keine intellektuelle Betrachtung auf Augenhöhe. Das wird dann nochmal spannend, wenn wir über das Konzept der Reife und Reife und Liebe sprechen. Ich möchte jetzt erst mal hier das Kapitel Freundschaft bei Aristoteles schließen. Also wenn wir etwas über echte und wahre Freundschaft wissen wollen und auch über Freundschaft, über ehrliche Freundschaft, über Freundschaft, mit der wir aneinander wachsen können, dann können wir uns abends in bei Regen, bei Sommerregen schön in unser, in unsere Wohnung einschließen und Aristoteles lesen und dabei ganz glücklich werden.
Katrin Tominski
Es klänge so.
Markus Tiedemann
Schön gesagt.
Katrin Tominski
Markus, ich danke dir. Ich muss sage, ich bin wirklich beeindruckt, dass sich Aristoteles vor so langer Zeit solche Gedanken gemacht hat über Freundschaft, der heute auch noch brandaktuell sind. Also die Definition und die Fragen zu Freundschaft bewegen ja ganz viele Menschen, von jung bis alt und von arm bis reich. Ja, die Welt verändert sich schnell, aber manche Dinge scheinen für die Ewigkeit. Also in der nächsten Folge möchten wir uns wichtigen Anmerkungen widmen. Wer sich mit der Antike beschäftigt hat, läuft unweigerlich der Knabenliebe über den Weg. Also ich, dieser jetzt in die nächste Folge ein. Da geht nämlich ganz spannend weiter. Doch was bedeutet eigentlich Knaben liebe? Wie unterscheidet man denn Pädophilie und Päderastie? Und warum ist es ein moralischer Fehlschluss zu denken, Knabenliebe sei heute zu rechtfertigen? Nur weil sie damals en vogue war? Doch für heute sagen wir erst mal Tschüss. Vielen Dank, Markus, für die sehr, sehr interessanten Ausführungen zum Thema Freundschaft bei Aristoteles. Ja, vielen Dank! Und danke Dir.
Katrin Tominski
Auch an alle Hörer da draußen. Ich bin Katrin Tominski. Bis bald. Wir freuen uns auf euch in der nächsten Folge.
Markus Tiedemann
Tschüss. Tschüss.
Katrin Tominski
Das war unser Podcast Liebe, Sex und Freundschaft. Fragen und Antworten der Philosophie mit Markus Tiedemann und Katrin Tominski. Musik: Sven Germeroth. Technik. Birgit Nockenberg. Und schaltet auch das nächste Mal gern wieder ein.
Folge 3: Von Platonischer Liebe und dem Aufstieg des Logos
Mit Platon erreicht die die Emanzipation gegenüber dem Mythos und die Orientierung an Vernunft und Wissenschaft einen ersten Höhepunkt. Dies gilt auch für die Vorstellungen über Liebe. Leibliches Begehren und sexuelle Lust werden nicht negiert, aber zu einem „nice to have“. Erkenntnis und die Liebe zur Idee rücken dafür ins Zentrum eines gelungenen Lebens. Ist platonische Liebe also erstrebenswert?
Dieses Transkript wurde maschinell erstellt und nur teilweise nachbearbeitet.
Katrin Tominski:
(Intro)
Liebe, Sex und Freundschaft. Fragen und Antworten der Philosophie. Ein Podcast der TU Dresden mit dem Philosophieprofessor Markus Tiedemann und der Wissenschaftsjournalistin Katrin Tominski.
Nur wenig auf dieser Welt interessiert die Menschen mehr als Liebe, Sex und auch Freundschaft, selbst. Geld, Status, Reichtum und auch Schönheit sind oft nur Mittel zum Zweck für den Erfolg bei der Partnerwahl oder für die Befriedigung sexueller Bedürfnisse, für das Gewinnen von Freunden oder auch, um eine Familie zu gründen. Doch gibt es wahre Liebe und wahre Freundschaft überhaupt? Wie wird Sex bewertet und praktiziert? Welche Denkmodelle prägen unsere Vorstellungen von Lust? Seit Jahrtausenden beschäftigen sich auch Philosophen mit diesen Fragen. Von der Antike bis zur Gegenwart, von Aristoteles und Platon bis Simone de Beauvoir und auch Erich Fromm. Sie alle haben nach Antworten gesucht und auch welche gefunden.
(Intro Ende)
Herzlich willkommen zur dritten Folge unseres Podcasts Liebe, Sex und Freundschaft, Fragen und Antworten der Philosophie. Ich begrüße wieder hier im Studio Markus Tiedemann. Er ist Professor für Philosophie und Didaktik an der TU Dresden. Hallo Markus.
Markus Tiedemann:
Hallo Katrin.
K. T.:
Hier sind wir wieder. Das letzte Mal haben wir ziemlich ausführlich über die Mythen in der Antike und unsere Religionen gesprochen. Heute wollen wir einen Schritt weiter gehen und fragen, was Platon zu Liebe sagt und welche Rolle der Aufstieg des Logos der Vernunft spielt. Also herzlich willkommen zur dritten Folge. Ich fasse jetzt noch einmal zusammen mit den griechischen Philosophen hat also die Beschäftigung mit Liebe, Freundschaft und Sexualität begonnen?
Habe ich mich da jetzt richtig erinnert?
M. T.:
Jein. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Phänomen, die Beschäftigung selbst ist so alt wie die Menschheit.
K. T.:
Okay, die wissenschaftliche Beschäftigung kannst du noch mal ganz kurz sagen. Wo liegt jetzt der Unterschied der wissenschaftlichen Beschäftigung mit diesen Fragen zu den der ganz normalen Beschäftigung damit.
M. T.:
Im Rechtfertigung Kontext? Also jemand der Wissenschaft betreibt, versucht seine Erkenntnisse und die Rechtfertigung dieser Erkenntnisse so zu formulieren, dass eine andere Person, die nicht den kulturellen Hintergrund hat, nicht den gleichen sozialen Status oder andere Unterschiede mit sich bringt, gleichwohl die Argumente verstehen kann und im Idealfall sogar logisch zustimmen muss. Das wäre ein wissenschaftlicher Anspruch. Und mit dieser Art und Weise beginnen erstmals die Philosophen, sich mit der Welt zu beschäftigen.
Vorher ist die Welt ja auch erklärt worden. Wir hatten letztes Mal die Mythen. Man denkt sich einfach eine schöne Geschichte aus. Es donnert, es blitzt. Ich kann es mir nicht erklären. Und dann denke ich mir Zeus oder Thor oder so etwas aus. Und für mich ist das eine überzeugende Erklärung. Aber eben nur für mich. Und jemand, der meiner Kultur nicht anhängt, würde sagen Was für ein Blödsinn.
K. T.:
Hm, okay, heute geht es denn um Platon. Wir wollen ein bisschen tiefer hineinkriechen in die Definition oder auch die Definition Versuch von Liebe und Platons Ideal der wahren Liebe gilt ja als Schlüssel Text der Philosophiegeschichte. Warum?
M. T.:
Ich denke, das liegt daran, dass es ein Schlüsselthema der sogenannten Ideenlehre ist. Also die Ideenlehre ist vielleicht das, was man am meisten mit Platon verbindet. Klammer auf Es gibt eine Diskussion darüber, ob Platon überhaupt als Person selbst eine Ideenlehre vertreten hat. Es gibt sehr renommierte Platon Kennerin Dorothea Frede, Eckhard Martens. Die würden sagen, das hat er nie. Das ist später daraus gemacht worden.
Aber unstrittig ist, dass die Ideenlehre sehr wirkungsmächtig war und die Geschichte oder die Erzählung oder die ersten Dialoge, die sich um Liebe drehen, beschreiben den Aufstieg zur wahren Liebe als einem Ideal, einer Idee. Und deswegen sind sie dafür sehr geeignet, die Ideenlehre zu erklären.
K. T.:
Okay, das verstehe ich jetzt aber noch nicht so richtig. Also ich verstehe natürlich, dass die Voraussetzung von wahrer Liebe die Idee davon sein soll. Aber es trifft das dann auf alle Ideen zu, die wir im Leben haben.
M. T.:
Nein, auf gar keinen Fall. Wir haben viele verrückte Ideen. Das sind aber unsere persönlichen Vorstellungen. Wenn Platon die Idee Idee meint, dann meint er etwas, was außerhalb von uns aus sich selbst heraus ewig und dauerhaft existiert. Das klingt jetzt ganz verrückt, ist aber eigentlich berauschend klug, weil wir es auch übersetzen können mit dem Versuch, so etwas wie Objektivität zu fassen.
Also vor Platon gab es die unterschiedlichen Narrative, die unterschiedlichen Erklärungsansätze, die waren subjektiv, kulturell geprägt. Und Platon sagt Na ja, aber es gibt auch Dinge, die unabhängig von unserer Neigung, unserer Erziehung, unseren Vorlieben existieren. Leicht zugänglich ist das bei mathematischen Gesetzen. Also die Definition des Kreises. Alle Punkte sind vom Mittelpunkt gleich weit entfernt. Ist völlig darüber erhaben, ob ich das gut finde oder ob mich das überzeugt.
Es ist einfach so und wenn ich ein Objekt Kreis ähnlich gestalten möchte, kann ich diese Definition nicht umgehen. Ich kann nicht ein Objekt schaffen, das einerseits Kreis ist und andererseits dieser Definition nicht gehorcht. Und dann würde Platon sagen Na ja, aber dann ist eben diese Idee, die Definition des Kreises, etwas, was über dich hinausweist, was wir gerne als ewig Platon würde vielleicht auch sagen als göttlich, damit man das gleiche ewig und perfekt festhalten können.
Und jetzt kommt der Idealismus noch mal rein, um das ganz stark zu machen, der jetzt kommt. Der Idealismus ist die Hoffnung, dass wir mit gleicher Präzision wie wir mathematische Erkenntnisse festhalten, vielleicht auch Gesetze von Gerechtigkeit, von Liebe, von Freundschaft oder anderen Dingen erfassen können.
K. T.:
Könntest du denn ein Beispiel nennen für dieses Ideal, die der wahren Liebe vorausgeht, wie es Platon meint?
M. T.:
Vorausgeht? Ich könnte vielleicht mal versuchen, eine nette, ein Beispiel zu konstruieren, wie man zur wahren Liebe aufsteigt. Ja, vielleicht ein bisschen macht. Okay, wir stellen uns Peter und Petra vor und Petra liebt Peter. So, Warum liebt sie ihn? Weil Peter einen schönen Körper hat. Und den findet sie anziehend, weil sie Anteil am Schönen haben möchte und in dem sie Zugang zu diesem schönen Körper hat, hat sie Anteil.
Schön. So, nun nimmt Peter Petra mit ins Freibad und Petra sagt Hoppla, da gibt es aber eine Menge schöner Körper. Und Petra wird darauf Liebhaberin der schönen Körper an sich. Und das macht sie auch sehr intensiv. Vergisst Peter eine Weile. Aber bei diesem ganzen Hin und Her, was nach Plato und vor allen Dingen in der Jugend stattfindet, trifft sie Peter dann wieder und es kommt der nächste Schritt.
Sie liegen zusammen im Bett und Petra stellt fest Hoppla! Peter spricht, und zwar ganze Sätze. Und die sind sogar klug.
K. T.:
Also er hat nicht nur einen schönen Körper, sondern kann auch reden.
M. T.:
Er kann auch reden. Oder mit anderen Worten, er hat eine schöne Seele. So heißt es dann in der Erzählung bei Platon. Und Petra wird Liebhaberin der einen schönen Seele. Peter macht aber seinen nächsten Fehler. Sie spricht ihn darauf an Mensch, warum redest du denn so klug? Und er sagt Komm doch mal mit zu diesen Diskussionsveranstaltung, da gehe ich gerne hin oder in dieses Bildungszentrum.
Petra kommt mit und sagt Hui, es gibt ganz viele schöne Seelen und wird Liebhaberin der vielen schönen Seelen. Während sie sich weiter beschäftigt, stellt aber Petra sich irgendwann die Frage Was macht eine Seele eigentlich schön? Also was ist das Gemeinsame dieser vielen schönen Seelen? Und sie kommt zu der Idee, dass sie sagt Eine schöne Seele ist entweder klug oder gerecht, oder sie ist beides klug und gerecht.
Und sie wird Liebhaberin der Weisheit, also der Klugheit, in diesem Fall der Wissenschaft oder der Gerechtigkeit. Platon nennt das der Gesetze, also den Versuch, Gerechtigkeit herzustellen, und sie liebt plötzlich die wissenschaftliche Wahrheit, und sie liebt die Gerechtigkeit. Und sollte es ihr gelingen, noch eine Stufe, den Weg hochzuklettern, dann würde sie die Ursache, die Essenz, das Wesen, die Idee der Gerechtigkeit und der Wahrheit selbst verstehen.
Platon hat keine genauen Begriffe dafür, weil er es nicht beschreiben kann. Deswegen nennt er das dann die Idee. Und das wäre ein absolutes Glücks Erlebnis und das wäre der Aufstieg zur wahren platonischen Liebe.
K. T.:
Spannend, spannend, der platonischen Liebe. Möchte ich nachher noch einmal kommen. Kann ich in dem Zusammenhang auch diese sogenannten Zwei Welten Theorie verwenden, in dem Platon ja sagt okay, hier ist es ideal, da ist die Realität. Und je näher ich in der Realität an das Ideal herankomme, desto rauschhaft wird es. Hast du zumindest so geschrieben?
M. T.:
Ich würde sagen, es wird umso glücklicher. Rauschhaft ist es, der Moment der Erkenntnis. Man könnte es auch so sagen Die alten Griechen haben zu Recht die Entdeckung mathematischer Gesetze in rauschenden Partys gefeiert. In wilden, orgiastischen Festen, weil sie sich dem Göttlichen und dem Wahren nahe fühlten oder meinten. Und das ist ja auch gar nicht so ganz falsch. Also diese Definition des Kreises, die wir Hirten hatten, die ist wahr.
Und sie war, war, bevor wir da waren. Und sie wird noch wahr sein, wenn wir schon wieder weg sind. Also das könnte man durchaus göttlich nennen. Tipp an alle Mathematiklehrerin da draußen Also wenn man solche Gesetze verinnerlicht mit den Schülern würde ich meine Party feiern, weil das eben so toll ist. So, wie ist das super. Wie gehört das zur Ideenlehre?
Na ja, wir hatten ja schon gesagt, mathematische Gesetze sind gute Beispiele für Ideen. Und diese Vorstellung von Petra Ich habe das Prinzip Ich habe den Schlüssel, die Definition, ja, die Idee verstanden, was eine Seele schön macht. Was Gerechtigkeit ausmacht. Das muss dann auch etwas sein, was vor mir schon existiert hat, während mir existiert. Und wenn ich weg bin, auch schon noch immer weiter existieren wird.
Und das ist sind diese zwei Welten. Die Ideen sind ewig und unveränderlich. Sie sind immer da, sind auch perfekt. Man kann eine Idee nicht wegnehmen oder hinzufügen ist einfach da. Bei den mathematischen Definitionen am leichtesten zu denken, auch wenn es nur kleine Haken gibt und alles andere wie zum Beispiel wir sind ja unperfekt und vergänglich, leiblich, physisch. Und so weiter.
Wir können also immer nur in einer Annäherung zu den Ideen leben, haben aber einen Zugang, und das ist unsere Vernunft. Die Vernunft ist in der Lage, Ideen zu erkennen. Nicht alle, aber hin und wieder gelingt es Umkehr.
K. T.:
Die Vernunft ist in der Lage, die Ideen zu erkennen. Aber das würde ja heißen nach Platon, dass wir nicht nur Menschen lieben können.
M. T.:
Das stimmt. Die der höchste Schritt, den wir auch gerade bei Petra hatten. Petra liebt nachher das Prinzip der Gerechtigkeit. Sie liebt das Prinzip der Wahrheit und der Wissenschaften. Also sie ist immer weiter hinauf geklettert und hat sich immer mehr von dem konkreten Physischen entfernt. Sie hat angefangen mit Peters Körper und ist später beim Prinzip der des Gerechten, der Wahrheit, ja, bei der Idee des Richtigen.
K. T.:
Platons Ideal der wahren Liebe. Ich muss jetzt noch mal kurz nachdenken. Kann es vielleicht jetzt noch mal Wir sind jetzt ein bisschen weit gegriffen. Ist es vielleicht in wenigen Sätzen noch mal zusammenfassen Was ist Platons Ideal der wahren Liebe?
M. T.:
Es ist die, die oder ist es die Liebe zur Idee des Gerechten, des Schönen und des Wahren?
K. T.:
Das klingt toll.
M. T.:
Ja, das ist auch der Idealismus bei Platon. Also ein Idealist im platonischen Duktus ist jemand, der an die Einheit des Guten, Schönen und Gerechten glaubt. Also das Gute ist immer auch gerecht und schön. Das Schöne ist immer gerecht und wahr, und das Wahre ist gut und schön. Also das fällt in sich zusammen. Das kann man natürlich instruieren. Aber dieser platonische Idealismus würde sagen, da fällt es in sich zusammen.
Und der zweite Teil des Idealismus ist Wir sind, wenn nicht in Gänze, doch zumindest in Teilen dazu in Lage, einige Bausteine dieses Ewigen zu erkennen, festzuhalten. Und das weist ja dann auch über unsere eigene Vergänglichkeit hinaus.
K. T.:
Ich müsste es aber noch mal in die Gegenwart kommen. Wir hatten ja am Anfang darüber geredet, dass Liebe auch einseitig sein kann und Liebe ist ja dann oft einseitig, wenn der andere die Liebe nicht erwidert. Und oft ist es dann so, so vermeinen wir zu denken. Der andere ist böse und deswegen erwidert er unsere Liebe nicht. Bzw ist es ja oft so, dass Enttäuschung in der Liebe mit ja vielleicht nicht dem Guten, Edlen und Tugendhaften zusammenpassen.
M. T.:
Ja, ich versuche mal eine Bindung, eine Brücke zu Platon zu schlagen. Also Platon würde natürlich sagen ich Platon habe nicht behauptet, dass sämtliche Phänomene, die ihr so als Liebe empfindet, liebe Menschen, meinem Ideal gerecht werden. Wahrscheinlich werden aber alle zumindest Anteile daran haben. Also auf der untersten Stufe. Jeder Körper ist einfach schön, deswegen will man daran partizipieren.
K. T.:
Und ganz.
M. T.:
Gut andere Brücke. Vielleicht kann ich das mit der Diotima kurz erklären, die sowieso eine spannende Figur in diesem berühmten Symposion bei Platon taucht. Diotima auf und die sind doppelt spannend. Also die meisten Dialogpartner von Sokrates in den platonischen Dialogen sind unheimlich langweilig, weil sie eigentlich nur sagen Ja, Sokrates, beim Zeus, so, Sokrates, natürlich hast du recht, Sokrates Und so weiter.
Und Diotima hat nun zweierlei Erstens ist Diotima eine Frau, was Platons Position als Universalisten noch mal verdeutlicht. Platon hat ja auch bei dem berühmten Stelle, wo er gesagt hat Alle die Könige müssen Philosophen werden, also der Philosophen König, auf die Frage geantwortet Kann das auch eine Frau sein? Hat er gesagt. Selbstverständlich kann er seine Frau sein. Super Sohn.
Also das ist noch mal der zweite Beweis. Ist Diotima, Denn jetzt kommt die zweite Eigenschaft von Diotima. Diotima gehört zu den wenigen Dialogpartner des Sokrates, wo sich der Dialog umdreht. Das ist der junge Sokrates. Also er berichtet von seiner Jugend und wie Diotima ihn belehrt hat, und die Lothar ist dann diejenige, die die Definition der Liebe bringt. Darf ich die noch?
K. T.:
Ja.
M. T.:
Also, Diotima würde sagen Ja, lieber Sokrates, überleg dir doch mal, warum Menschen lieben. Und dann geht es ein bisschen hin und her. Dann gibt es den ersten Vorschlag. Ja, das liegt daran, dass man Anteil am Schönen haben will. Man begehrt das Schöne, weil man Anteil daran haben will, wenn man daran partizipieren. Das heißt nicht so einen besitzen, verbrauchen, aber man möchte es haben.
Also so wie man eine schöne Vase gerne hat, im Besitz hat, weil man dann an dieser Schönheit partizipieren kann, die ist um ein So ist das mit Peter und Petra auch mit seinem schönen Körper. So, dann ist die Frage Wie schaffe ich es, daran zu partizipieren? Langfristig, weil ich ja Anteil am göttlichen haben will? Und die Antwort der Diotima ist Zeugen Wir haben Anteil am Schönen, in dem wir in anderer das Schöne zeugen oder in dem andere in uns das Schöne zurück.
K. T.:
Das klingt ja toll.
M. T.:
Ja, und das also das muss man sich nicht leiblich vorstellen, kann man sich leiblich vorstellen. Wir kriegen zusammen ein schönes Kind, Dann haben wir das Schöne gezeugt und merken irgendwie auch es geht ja auch ein bisschen über unsere eigene Vergänglichkeit hinaus. Da ist was uns soweit, was schön ist in der Welt. Jetzt denken wir das noch mal weiter diesem Kind.
Das hat nicht nur einen schönen Leib, sondern dem werden schöne Ideen. Und bei Platon ist schön immer auch gerecht gerechte Ideen eingepflanzt. Er oder sie wird Trägerin von Gerechtigkeit und dem Wahren. Mit anderen Worten sie wird ein guter Mensch.
K. T.:
Da muss ich gleich mal einhaken. Ich sitze gerade, überlegt, meine Gedanken nebenbei waren irgendwie okay. Deswegen ist Liebe bzw alles was wir darunter verstehen, auch mit Schönheit immer verbunden. Gleichzeitig ist mir eingefallen, es gibt ja auch zwei schöne Menschen, die vielleicht Kinder bekommen, die nicht so schön sind oder die vielleicht beeinträchtigt sind. Wird es denn bei Platon aufgehoben, weil er das Schöne immer mit dem Gerechten verbindet?
M. T.:
Ich würde zunächst einmal Platon würde antworten Das eine spielt sich auf der untersten Stufe ab, die schönen Körper, die sich da begegnen. Dann würde Platon sagen Na ja, also nehmen wir mal zwei Menschen, die visuell hässlich sind. Die könnten aber eine viel höhere Stufe des des Guten und Gerechten erreichen, indem sie gute Menschen in diese Welt bringen. Das ist auch dieses Bild, der typische Aufstieg, den wir eben bei Peter und Petra gehabt haben.
Es wird immer mehr vergeistigt, was nicht bedeutet, dass die anderen Stufen schlecht sind. Sie sind nur nicht so viel wert wie die höheren. Eine Erkenntnis, die ich habe, die gut und ewig ist, die bleibt sogar über meinen Tod. Richtig. Ich kann alt werden, ich kann hässlich werden, ich kann ganz, ganz vieles. Aber ich bin im Besitz dieser Idee.
Ich partizipiert am Unvergänglichen. Wenn ich nur einen schönen Körper habe, ja dann herzlichen Glückwunsch. Ist auch schön, Aber das ist es dann auch.
K. T.:
Aber klingt das nicht auch alles ein bisschen naiv? War Platon da vielleicht nicht auch ein bisschen ein naiver Idealist?
M. T.:
Ich würde es anders sagen Man kann den Platonismus als naiven Idealismus lesen. Wenn man aber Platon Gerechtigkeit angedeihen lässt, dann muss man auch die Dialoge lesen, wo er sich selbst über sich lustig macht. Und dann wird deutlich, dass vieles, was uns heute naiv erscheint, auch an Mangel an Begriffen liegt. Er musste von Ideen sprechen, weil er noch wenige Möglichkeiten hatte, so ewige Prinzipien zu fassen.
Wenn man sagt, es geht eigentlich um die letzten Entitäten unserer Sprache, dann ist Platon plötzlich eher bei Wittgenstein als bei so einer naiven Ideenlehre. Also das heißt, hier ist jemand, der erstmals in die Geschichte der Menschheit das Prinzip der Objektivität einflicht. Das übrigens der Grund, weswegen Whitehead gesagt hat Die gesamte Geschichte des Abendlands besteht aus Fußnoten zu Platon.
Er ist da nicht mehr. Das ist eine totale Übertreibung. Aber wenn man ihm Gerechtigkeit, dann ist hier jemand, der um das Prinzip der Objektivität weiß. Er hat es entdeckt, er hat es verstanden, dass es existiert. Aber noch nicht die Begriffe hat, es sauber zu fassen.
K. T.:
Okay, wenn ich jetzt ein ganzes. Ähm, will ich. Wie soll ich jetzt sagen, wenn ich jetzt aus unserem Verständnis zuspitzt, würde ich sagen Aber Objektivität ist doch genau das Gegenteil von subjektiver Liebe.
M. T.:
Ja, von es genau das Gegenteil von subjektiver Liebe, weswegen Platon sagt, die die höheren Stufen der platonischen Liebe sind. Ja, genau die Überwindung dieser Subjektivität. Peter liebt Peter, weil sie ihn subjektiv begehrenswert findet. Und ja, da muss so eine Rest Objektivität irgendwo muss dieser Körper an einem Schönen, am objektiv Schönen, an der Idee des Schönen irgendwie partizipieren. Auf welche Weise, aus welchem Blickwinkel, das ist Petra überlassen.
So, wenn sie später, sollte sie so weit kommen, die Prinzipien des Guten, Schönen und Gerechten definieren zu können, dann ist sie auf einer Stufe, die jeder Mensch, jedes vernunftbegabte Wesen verstehen muss.
K. T.:
Aber ich muss jetzt noch mal nachfragen Wird er liebe ich. Das ist alles verständlich, wenn ich sagen in dieser Tugendhaftigkeit immer ein Stück weiter nach oben gehe. Wird Liebe dann nicht zu verkopft? Oder wandert dann Liebe vielleicht nicht zu sehr vom Gefühl in den Verstand?
M. T.:
Ja und nein. Also zunächst einmal wandert sie in den Verstand. Ja, das ist ja das Konzept der platonischen Liebe. Die platonische Liebe bedeutet, dass zunehmend die Vernunft das geistige Zugang zum Ewigen erarbeitet. Und das, was sie dort findet, ist liebenswert. Übrigens berauschend. Auch das ist nicht nur so trockener, dröger Koran, sondern es ist wirklich berauschend, wunderbar Anamnese. Es ist wieder Erkenntnis des ewigen.
Das Zweite ist aber das ist ein Missverständnis, was vielleicht auch so ein bisschen christliche Tradition offenbart und Abwertendes. Das Leibliche, die Lust an der Sexualität hat Platon niemals verneint. Das existiert alles weiter und darf weiter existieren. Das wird nicht schlecht geredet, das ist wunderbar, das sollte man ruhig machen, aber das andere ist mehr wert. Er hat es. Deswegen hat er die ersten Stufen aber nicht negativ konnotiert.
K. T.:
Okay, das ist nachvollziehbar. Was für mich jetzt allerdings nicht nachvollziehbar ist. Wir sprechen ja immer von platonischer Liebe. Und obwohl, wenn ich es jetzt überlege, passt es ja dann wieder. Wir sprechen ja von platonischer Liebe, was ja letztlich in unserem Verständnis heute meint Es gibt kein Sex oder es ist eine Beziehung ohne Sex. Wie passt das mit der Leidenschaft zusammen?
K. T.:
Beziehungsweise ist denn damit das gemeint, dass sozusagen Sex auf einer niedrigeren Ebene steht als sozusagen die höhere Betrachtung?
M. T.:
Also wenn ich, wenn ich es richtig verstanden habe, hat es einfach einen Begriff Wandel gegeben. Und heute sagen wir platonisch, wenn wir mehr oder weniger sagen wollen, da ist nichts mehr los. Deswegen ist es dann eine platonische Liebe, oder wir wollen ja Freundschaftsbeziehungen beschreiben oder ähnliches, aber das ist nicht das, was ursprünglich Platon damit meinte. Platon.
K. T.:
Wir haben also hier ein Missverständnis.
M. T.:
Oder man hat eigentlich Raubbau, oder man hat Piraterie an einem Begriff in Gang. Die platonische Liebe ist die Liebe zu den Ideen oder ist das Ringen und das Aufsteigen zu den ewigen Ideen. Wie weit man kommt, muss man eben sehen. Was aber nicht bedeutet, dass es auf den unteren Stufen nicht Leidenschaft und Sexualität geben darf. Man eine Anekdote dazu.
K. T.:
Und.
M. T.:
Platon erzählt in einem Dialog davon, wie Alkibiades, der schöne Jüngling, versucht, Sokrates zu verführen, und dann erzählt er, dass er so und sagt Ja, denn war, ich bin erst mal mit im Ring und dann haben wir uns eingeölt, und dann haben wir miteinander gerungen, und da ist immer noch nichts passiert. Und dann haben wir nachts am Feuer am Lagerfeuer gelegen, dass auch nichts passiert und dann habe ich mich zu ihm gelegt und er mich am nächsten Morgen aufgewacht, als hätte ich neben meinem Vater oder meinem Bruder gelegen.
Und der ist dann auch ein bisschen beleidigt, weil Alkibiades der Star ist und das ist dieser hässliche Steinmetz. Und dann fragt Warum ist das so? Und Sokrates antwortet Ja, ich hatte ja auch einen schlechten Tausch gemacht. Du glaubst, dass man Schönheit des Körpers gegen Weisheit der Seele tauschen kann. Nur weil du schön bist, nimmst du dir das Recht heraus, dass ich dich dann sofort partizipieren lasse an meinen Erkenntnissen, dass ein unfairer Tausch okay ist.
K. T.:
Auch die Sichtweise.
M. T.:
Genau.
K. T.:
Okay, dann noch mal zu deiner Geschichte zu kommen. Dann hat er alles aufgeboten und ist eigentlich nicht zum Erfolg gekommen, wie er sich das gewünscht hat oder wie es erzählt wird, dass er sich das gewünscht hat. Und weil da eben dieser Geschlechtsakt nicht vollführt wurde. Sprechen wir denn heute? Oder ist vielleicht dieses Missverständnis entstanden?
M. T.:
Das wäre eine Möglichkeit. Aber es kann schlichtweg sein, dass die Macht Konstruktionen der nachfolgenden Jahrhunderte und Jahrtausende christlich geprägt waren und die hatten eh ein negatives Bild von Geschlechtlichkeit. Darüber haben wir ja schon gesprochen. Und dann war es nur passend, Platon zu benutzen und nicht ehrlich mit ihm umzugehen, sondern manipulativ.
K. T.:
Das ist ja ein bisschen gemein. Du hattest es aber vorhin schon erwähnt, dass Platon mit dem Ideal der wahren Liebe einen riesigen Einfluss hatte bzw auch noch heute hat. Kannst du vielleicht noch mal ganz kurz zusammenfassen Wie sieht die Wirkung Platons bis heute und bis in die Gegenwart aus?
M. T.:
Vielleicht kann ich es wieder an einer Geschichte, also im Symposion gibt es also erst mal muss man sich das Symposium vorstellen. Das ist nicht so eine trockene Tagung, sondern da sitzen diese Seher dem Wein zusprechen in der Gesellschaft in einem fast Dionysos ähnlichen Kult zusammen. Und wer genau liest, weiß, dass man das die schon am dritten Tag der Feier sind und es an diesem Tag etwas ruhiger angehen lassen wollen.
Wir, die anderen schon sehr.
K. T.:
Mitgenommen sind.
M. T.:
Mitgenommen worden. So, und deswegen spricht man mal eben über die Idee der Liebe. Das erste, das Spannende ist der Dreischritt Die ersten, die da erzählen, sind diejenigen, die den klassischen Mythos nur interpretieren. Die erzählen also was über Eros und über Aphrodite und wie das so ist und wie man die zu verstehen hat. Eigentlich sind die noch genau Mythos München hinterher reden.
Und dann kommt Aristophanes, der Komödien Dichter. Und der erzählt seine eigene Geschichte, der erfindet schon eine eigene Geschichte, zu der gleich kommt.
K. T.:
Was jetzt?
M. T.:
Ja, ja, genau. Aber vorher. Der dritte Schritt ist dann Sokrates, der dann von seinem seiner Diskussion, seiner wissenschaftlichen Diskussion mit Diotima berichtet. Das heißt also, wir haben Mythos selbst erfundenen Mythos, eigentlich schon Übergang zum Logos Logos selbst an einem Abend im Brennglas. So, und jetzt erzähle von Google.
K. T.:
Ja.
M. T.:
Also die ist einfach so wunderschön.
K. T.:
Also wenn man so wäre.
M. T.:
Ja, und es ist auch ein bisschen Komödien, Dichter, der das die erzählt, also immer mit einem Augenzwinkern. Man stelle sich bitte den Menschen vor, wie er ursprünglich war, so Aristophanes. Und das war ein Kugel Wesen mit vier Armen, vier Beinen. Und wenn es mal richtig schnell gehen sollte, dann haben wir uns schlagen vor, bewegen, voran bewegt und wir waren sehr mächtig.
Wir waren, weil wir eben so stark waren, weil wir so schnell waren, waren wir so mächtig, dass wir irgendwann die Hybris begangen haben, den Olymp anzugreifen, was Zeus sehr erzürnte. Und dann hat Zeus uns in der Mitte durchgeschnitten und gesagt Das habt ihr jetzt davon und dann verblutet ihr.
K. T.:
Was bisschen gemein, das ist.
M. T.:
Ein bisschen gemein. Aber zum Glück ist Apoll gekommen als erster plastischer Chirurg der Menschheitsgeschichte uns zusammen geknotet. Deswegen haben wir allen Bauchnabel. Da ist nämlich sozusagen die OP Narbe. So, und damit hat man gesagt gut, Strafe genug, wir sollen weiterleben. Was ist aber passiert? Und jetzt kommt die Romantik. Wir haben alle unsere Beine, wir haben unsere zweite Hälfte gesucht, haben, wenn wir sie gefunden haben, uns umschlungen in der Sehnsucht nach der alten Vollkommenheit und sind in dieser Umklammerung gestorben, weil wir uns nicht voneinander lösen können.
Nur mal so ein bisschen, wie wirkungsmächtig dieses Bild ist. Ein Ehepartner stellt man heute als seine bessere Hälfte vor. Der Glöckner von Notre Ban beginnt damit, dass zwei Skelette gefunden werden in den Katakomben von Paris, die ihn umschlingen, miteinander gestorben sind und, und und. Diese Romantik lebt.
K. T.:
Das ist sehr romantisch.
M. T.:
Aber die Geschichte geht trotzdem noch weiter. Die typisch griechische Götter, die ärgern sich, die sterben ja alle die Menschen und bietet uns ja keiner mehr an und wir kriegen auch keine Opfergaben mehr. Das irgendwie schlecht müssen wir uns wieder was Kluges einfallen lassen. Und Apoll ist ja sehr klug und er sagt Menschen verlegen die Geschlechtsorgane nach außen, denn vorher waren die in und je Menschen haben in sich selbst gezeugt.
So, und danach ist es möglich, dass sich die getrennten Hälften wenigstens zeitweise im Geschlechtsakt zur alten Symbiose, zur alten Vollkommenheit vereinen können. Daraus können sie so viel Kraft schöpfen, dass sie dann wieder gewachsen sind, dem Alltag zu begegnen und ihr Leben zu leben. Schöner Zusatz dazu ist Es gab drei Geschlechter im ursprünglichen Kugel Zustand. Es gab Kugeln Kugel Menschen die zwei Männer waren.
Es gab Kugeln, Menschen die zwei Frauen waren und es gab heterosexuelle. Und wenn man jetzt geteilt wird, heißt das nicht, dass man eine heterosexuelle Hälfte sucht. Man kann auch eine gleichgeschlechtliche Hälfte suchen. Und noch besser diese Vereinigung zur alten Vollkommenheit muss nicht die eine Hälfte sein. Es ist eigentlich mit fast jeder hilft möglich, sofern das im Guten und im Schönen und im Gerechten passiert.
Und dann ist es wunderbar.
K. T.:
Weil merk dir deine Begeisterung. Das ist wirklich eine sehr schöne Geschichte. Diese Kugel hatte ich schon mehrmals erwähnt in den ganzen Folgen.
M. T.:
Sie steckt ja auch voller Toleranz, das darf man ja auch nicht vergessen. Also für die Neigung, für die Vereinigung und und und. Bei Platon geht ja immer die da in diesem Schritt weiter. Dann kommt das Gespräch mit der Diotima, die eigentlich platonische Liebe ist sozusagen dann noch den Schritt weiter, die trennt sich ja von diesem Geschlechtsakt orientierten Vereinigung Prinzip, sondern sagt nachher vereinigt man sich mit etwas Abstraktem, nämlich mit der Idee des Guten, Schönen und Gerechten, zumindest in den höchsten Stufen.
Was aber so ein Prinzip bleibt, ist die Sehnsucht nach Vollkommenheit. Diesen beiden Geschichten drin. Der Kugel Mensch war vollkommen und ist jetzt konfrontiert mit seiner unüberwindbaren Individualität, die uns ja bis heute in der Psychoanalyse beschäftigt. Also wir werden geboren, wir leben und wir sterben allein und die Subjektivität lässt sich nicht überwinden. Deswegen diese Hoffnung auf Vereinigung. Und bei Platon geht es ein bisschen weiter.
Wir möchten so gerne am Ewigen partizipieren, und das können wir durch Erkenntnis.
K. T.:
Jetzt muss ich mal provokativ fragen Gibt es denn bei den Kugel wäre klar okay, die Vollkommenheit ist erreicht, wenn das Kugel Wesen wieder zusammen ist. Beide Erkenntnis. Gibt es da eine Grenzen Grenze der Vollkommenheit oder ist es beliebig nach oben zu erweitern?
M. T.:
Nein, wenn man erst mal absolute Erkenntnis gefunden hat, dann lässt sich nicht mehr toppen. Also sollte es dem Menschen gelingen und hier sind wir immer sehr Konjunktive ist es eine Idee zu erkennen, dann hat er etwas Ewiges, Vollkommenes und nicht mehr zu verbessern. Alles erkannt. Das ist ja gerade das Rauschhafte, das Faszinierende.
K. T.:
Aber woran erkennen wir dann, dass es diese Idee ist?
M. T.:
Dann bleiben wir mal bei mathematischen Gesetzen. Es ist ja in irgendeiner Weise vorstellbar, dass man die Definition des Kreises toppen könnte. Mehr Kreis.
K. T.:
Wie Jein. Man weiß es ja noch nicht. Also die Frage ist ja, wenn wir immer sicher sein würden, das ist jetzt das Ende der Erkenntnis ist, dann wird es ja nie weiter ein weiteres Streben nach Erkenntnis geben.
M. T.:
Ja, aber das passiert ja immer genau dann, wenn wir nur das Gefühl haben würde, So würde Platon anfangen, wenn wir nur dicht dran sind. Wir haben es immer noch nicht genau getroffen. Es gibt noch Schwierigkeiten, es hakt noch. Das ist ja das Prinzip des Forschens an sich. Es gibt objektive Erkenntnis Werden wir reichen sie nur ganz, ganz selten.
Und wir merken aber, dass wir uns dem annähern, wenn Widersprüche reduziert werden, wenn Prognosen möglich sind und so Im Endeffekt ist das schon wissenschaftliches Arbeiten in Reinkultur. Aber erst dann, wenn wir etwas gefunden haben, was über jegliche Falsifikation, also Infragestellung und Revision erhaben ist, dann würden wir sagen, jetzt ist eine Idee gefunden worden im platonischen Sinn.
K. T.:
Okay, die Idee bei Platon ich möchte jetzt mal nach eine ganz einfache Frage stellen War Platon eigentlich verheiratet?
M. T.:
Nein, war nicht.
K. T.:
Okay. Also Platon hat ganz viel über Liebe sich ausgedacht bzw eruiert und war aber eigentlich gar nicht verheiratet.
M. T.:
Ja, aber seine Erfahrungen könnten ja auch außerhalb von der Ehe stattgefunden haben. Also tatsächlich ist Platon wir wissen ziemlich wenig über so etwas wie leidenschaftliche Beziehungen und es könnte sein, dass Platon tatsächlich hauptsächlich mit seiner Philosophie glücklich war, er trotzdem ein sehr spannendes Leben geführt also von Abenteuerreisen, von Entführungen bis hin zur wissenschaftlichen Karriere, ist alles dabei. Und er ist mit 80 Jahren nach der rauschenden Hochzeitsfeier einer seiner Schüler gestorben.
K. T.:
Oh, das klingt aber eigentlich nach einem sehr, sehr schönen Abschied, möchte ich mal sagen. Ja, Marcus, vielen, vielen Dank. Das war eine spannende dritte Folge über Platons Ideal der wahren Liebe. Das nächste Mal machen wir mit Freundschaft weiter. Und zwar reden wir über Aristoteles und sein Freundschafts Begriff. Ich danke dir für die schöne Folge.
M. T.:
Ich danke dir.
K. T.:
Und wünsche dir einen schönen Tag noch und euch allen auch und hoffe, wir hören uns bald wieder. Tschüss!
(Outro)
Das war unser Podcast Liebe, Sex und Freundschaft. Fragen und Antworten der Philosophie mit Markus Tiedemann und Katrin Tominski. Musik: Sven Germeroth, Technik: Birgit Nockenberg. Und schaltet auch das nächste Mal gern wieder ein.
(Outro Ende)
Folge 2: Der lange Arm des Mythos – zur Bewertung von Lust, Leib und Weiblichkeit
Der griechisch-römische Mythos und das Christentum prägen bis heute die abendländischen Vorstellungen von Liebe, Freundschaft und Sexualität. Was sind die zentralen Motive und Wertvorstellungen dieser Traditionen? Wieso ist die eine lust- und leibfreundlich, während die andere Leib, Lust und Weiblichkeit tendenziell als sündhaft diskreditiert? Welche wunderbaren und welche problematischen Konsequenzen erwachsen bis heute aus diesen Traditionen?
00:00:09:07 - 00:01:51:18
Katrin Tominski:
Liebe, Sex und Freundschaft. Fragen und Antworten der Philosophie. Ein Podcast der TU Dresden mit dem Philosophieprofessor Markus Tiedemann und der Wissenschaftsjournalistin Katrin Tominski.
Nur wenig auf dieser Welt interessiert die Menschen mehr als Liebe, Sex und auch Freundschaft, selbst. Geld, Status, Reichtum und auch Schönheit sind oft nur Mittel zum Zweck für den Erfolg bei der Partnerwahl oder für die Befriedigung sexueller Bedürfnisse, für das Gewinnen von Freunden oder auch, um eine Familie zu gründen. Doch gibt es wahre Liebe und wahre Freundschaft überhaupt? Wie wird Sex bewertet und praktiziert? Welche Denkmodelle prägen unsere Vorstellungen von Lust?
Seit Jahrtausenden beschäftigen sich auch Philosophen mit diesen Fragen. Von der Antike bis zur Gegenwart, von Aristoteles und Platon bis Simone de Beauvoir und auch Erich Fromm. Sie alle haben nach Antworten gesucht und auch welche gefunden. Herzlich willkommen bei der zweiten Folge unseres Podcasts Liebe, Sex und Freundschaft. Fragen und Antworten der Philosophie.
Ich begrüße Markus Tiedemann. Er ist Professor für Philosophie und Didaktik an der TU Dresden. Hallo Markus, Schön, dass du wieder da bist.
00:01:51:21 - 00:01:52:20
Markus Tiedemann:
Hallo! Ich grüße dich.
00:01:53:07 - 00:02:15:18
Katrin Tominski:
Ja, Markus. Wir haben uns jetzt hier wieder zusammen gefunden. Heute geht es um die zweite Folge unseres Podcasts. Unser Thema heute ist der lange Arm des Mythos zur Bewertung von Lust, Leib und Weiblichkeit. Markus Hier wirft sich mir gleich die erste Frage auf Was haben Mythen denn mit Liebe, Sex und Freundschaft zu tun?
00:02:16:05 - 00:02:39:15
Markus Tiedemann::
Na ja, Mythen stehen für die großen Narrative der Kulturen, also für Religion, für Sagen, für Helden, Erzählungen, für Märchen und und und. Und durch diese Überlieferung und durch die explizite Erziehung wird natürlich unser Bild vom Menschen und seinen wesentlichen Eigenschaften geprägt. Und dazu gehören Liebe, Freundschaft und Sexualität.
00:02:39:21 - 00:02:45:09
Katrin Tominski:
Du sprichst von Mythen, aber auch von Logos, also von Mythos und Logos. Warum? Warum diese beiden?
00:02:46:07 - 00:04:01:15
Markus Tiedemann::
Also Mythos und Logos. Das ist eine große Unterscheidung in der Philosophie. Zu viel der Ehre, die geht nicht auf mich zurück, sondern da müssten dann eher so Karl Jaspers oder Arno Schmidt genannt werden. Die große Unterscheidung kann man vielleicht auf drei Ebenen machen Kneife mich, wenn ich es mache. Die erste Unterscheidung ist eine philologische. Also Mythos kommt von Mühlen und heißt so viel wie ein geweiht werden oder wiederholen. Man könnte das auch so ein bisschen provokativ mit Nachreden nacherzählen übersetzen. Und Logos kommt von lege ein und das ist selbst reden oder Selbstdenken. Und da ist schon der entscheidende Unterschied. Das eine ist also Reproduktion dessen, was mir vorgegeben ist und das andere ist selbst drüber nachdenken, eigene Erklärung finden. Die zweite Unterscheidung zwischen Mythos und Logos sind ihre Ausdrucksweisen. Also Ernst Cassirer würde sagen Der Mensch ist das Symbol des Wesen, das symbolisieren Wesen. Wir scheinen das einzige Wesen zu sein, das wir kennen, das sich nicht nur in der Welt verhält, sondern auch zur Welt. Also wir gehen nicht nur jagen, sondern wir malen die Jagd auf Höhlen, Wände. Das heißt also, wir symbolisieren. Und es gibt eigentlich zwei Arten von Symbolisierung.
00:04:01:23 - 00:04:49:00
Markus Tiedemann::
Das eine ist diskursiv und das anderes präsenter. Tief diskursiv ist alles, was so in Richtung Ikonische geht, also Bilder, aber auch Sprachbilder. Und das Diskursive findet seine strengste Ausprägung in der Logik, in der formalen Wissenschaft. Und das bringt zwei Ausdrucksweisen hervor das eine ist etwas, was zwar erklärend wirkt, formal logisch, aber nicht erklärend ist. Also wenn ich jetzt behaupte, durch unser Gespräch weht der Geist der Freundschaft, dann fühlst du dich hoffentlich geschmeichelt. Ich mich in jedem Fall auch. Aber wir können das nicht als richtig oder falsch überprüfen, in keinster Weise. Wenn ich aber sage Aristoteles hat die Idee des Kugel Menschen, auf den wir hoffentlich noch zu sprechen kommen.
00:04:49:08 - 00:04:50:02
Katrin Tominski:
Auf alle Fälle.
00:04:50:08 - 00:05:13:23
Markus Tiedemann::
Die hat er erfunden. Dann kannst du das nachschlagen und sagen Markus, das ist falsch. Das heißt, das eine hat also ein Wahrheitsanspruch, der auch überprüfbar ist, und der andere hat eigentlich einen Anspruch. Dem muss man Glauben schenken und das eines Mythos, das anders logos. So kommen wir auch gleich zur dritten Unterscheidung. Und die dritte Unterscheidung ist kulturhistorisch. Karl Jaspers hat von der Achsenzeit gesprochen.
00:05:13:23 - 00:05:43:14
Markus Tiedemann::
Tatsächlich ist es erstaunlich spannend, irgendwo zwischen 800 und, naja, ich sage jetzt mal 300 vor Christus findet fast überall auf der Welt so ein Verdichtung prozess von Erklärung statt und die Religionen verdichten sich zu System. Also der Buddhismus entsteht, Konfuzius und Laotse sind unterwegs, im Judentum sind die Propheten unterwegs und und und. In Griechenland ist Homer hat den griechischen Pantheon zu einer geschlossenen Geschichte gemacht und weil.
00:05:43:14 - 00:05:45:02
Katrin Tominski:
So richtig was los 300 v.Chr.
00:05:45:06 - 00:06:07:20
Markus Tiedemann::
Ja, richtig spannend in dieser Zeit. Und das Erstaunliche ist, ohne dass diese Kulturen großen Kontakt zueinander gehabt haben auf jeden Fall wissen wir so gut wie nichts darüber, dass schon erstaunlich. Aber in Griechenland und jetzt kommt's geht die Menschheit einen Schritt weiter und dieser Schritt ist die Erfindung des Logos, und zwar die Unterscheidung zwischen bloßem Mein und Wissen.
00:06:08:17 - 00:06:33:15
Markus Tiedemann::
Wir haben sogar die Geburtsurkunde, das ist Platons tz. Da steht drin, es gibt Doxa, das ist das bloße Meinen, und es gibt Episteme, das ist wahre, begründete Überzeugung. Und wahre begründete Überzeugung muss beweisbar sein. Das ist die Erfindung der Objektivität. Und plötzlich geht es nicht mehr nur darum, Recht zu bekommen, dass eine Machtfrage, sondern im Recht zu sein, die Wahrheit richtig beschrieben zu haben.
00:06:33:16 - 00:06:37:15
Markus Tiedemann::
Und das ist der entscheidende Schritt. Und das ist der Weg vom Mythos zum Logos.
00:06:38:16 - 00:06:51:18
Katrin Tominski:
Das klingt alles ganz schön. Ich muss nur noch mal zurückfragen Warum ist das jetzt wichtig für die Liebe und die Freundschaft und die Sexualität? Geht es darum, Liebe nachzuweisen? Das geht ja nun gerade nicht, oder?
00:06:52:05 - 00:07:14:11
Markus Tiedemann::
Es geht um Mündigkeit, um Freiheit. Wenn ich um Logos und Episteme ringe, bin ich dir Rechenschaft schuldig. Du würdest sagen Markus Nee, für die Aussage möchte ich eine Begründung haben. Und wenn du die nicht leisten kannst, dann glaube ich dir nicht. Wenn ich zum Beispiel sage naja, Frauen haben folgende soziale Rolle und da gehören sie hin und das soll auch so sein.
00:07:14:11 - 00:07:31:12
Markus Tiedemann::
Dann würdest du sagen Moment, wie begründest du denn das? Und wenn du das nicht begründen kannst und folglich deine Argumentation nicht und ich kann mich nicht einfach auf den Mythos berufen sagen naja, das machen wir schon seit 2000 Jahren, so dass es naturalistischer Fehlschluss nur weil etwas schon immer so war, heißt es nicht, dass es so bleiben sollte.
00:07:31:21 - 00:07:41:20
Markus Tiedemann::
Will also sagen in allen Bereichen und dazu gehört auch Liebe, Freundschaft und Sexualität, hat die Orientierung am Logos etwas mit Mündigkeit und in letzter Instanz mit Freiheit zu tun?
00:07:42:15 - 00:08:03:00
Katrin Tominski:
Das klingt ganz toll. Trotzdem sagst du, dass die Mythen sehr wichtig sind, auch für die Herausbildung unseres Verständnisses von Liebe, Freundschaft und Sexualität. Du hast gerade mit Griechenland angefangen, ich will da noch mal hingehen. Was sind denn die großen Mythen, die in dieser Zeit präsent waren?
00:08:03:05 - 00:08:09:07
Markus Tiedemann::
Also ich würde vielleicht das so wenden Was sind die großen Mythen, die bis heute unsere Vorstellung prägen?
00:08:09:09 - 00:08:10:17
Katrin Tominski:
Ja, das ist natürlich noch spannender.
00:08:10:17 - 00:08:30:11
Markus Tiedemann::
Ja, denn das ist der Kern der Sache. Und da fängt das dann wieder auch von Mythen um, die man wissen muss, um sie vielleicht mal charmant lustig zu finden, um sie dort zu kultivieren, wo sie auch ihre Berechtigung haben, nämlich im Bereich der Fantasie, aber auch, um sich eventuell von ihm befreien zu können, um sich zu ihnen verhalten zu können.
00:08:30:11 - 00:08:48:01
Markus Tiedemann::
Und das sind diese beiden großen Mythen, die unseren Kultur Corridor geprägt haben. Das ist einerseits sind es die abrahamitische, der abrahamitische Mythos, also Judentum, Christentum und Islam. Und das andere ist der hellenische Pantheon, also das ist das Griechentum und das Römer tum mit all ihren Sagen und Vorstellungen.
00:08:49:03 - 00:08:53:04
Katrin Tominski:
Was bedeutet das konkret, also was ist der abrahamitische Mythos?
00:08:53:13 - 00:09:29:06
Markus Tiedemann::
Oder er ist natürlich sehr groß und beginnt mit der Vorstellung des Sündenfalls des Alten Testaments, der Torah und weiten Teilen des Islam. Und der andere Mythos gehört der gehört ist die griechische Pantheon, der Götterhimmel bis hin zum Sagen um Troja. Und so weiter dazu. Der entscheidende Unterschied ist, dass die eine Tradition relativ lieb lust freundlich ist, während die andere Tradition ein starkes Dreaming hin zur Liebe, lust und frauenfeindlich keit etabliert hat.
00:09:29:07 - 00:09:34:08
Katrin Tominski:
Bleiben wir mal beim griechischen Mythos. Warum ist er denn so Lust und Leid freudig?
00:09:34:10 - 00:10:03:24
Markus Tiedemann::
Na ja, gut, holzschnittartig könnte man sagen, dass ein Mensch des alten Lehnen tun gar nicht verstanden hätte, warum Liebe und Lust überhaupt etwas Schlechtes sein kann. Das hat mit mehreren Dingen zu tun. Das hat erst mal damit zu tun, dass der Mensch der Antike einen Götterhimmel als Erklärungs ansatz für vieles herangezogen hat, von dem er a wusste, dass er den nicht so ernst nehmen sollte.
00:10:03:24 - 00:10:44:13
Markus Tiedemann::
Die meisten Griechen wussten sehr wohl, dass das Anthropomorphismus men, also Vermenschlichung sind, denn die verhielten sich ja so wie wir auch. Und zum anderen einen Götterhimmel hatten, der ständig in lustvolle Affären verstrickt war, in Ehebruch, in Affäre 123. Das heißt, die Vorbilder, die man hatten, liebten das ja. Und das nächste, was dann kam, was es auch viel einfacher machte Körperlichkeit, Sexualität, positiv, normativ, nicht unter irgendwelchen Verdächtigungen, Kontexten zu sehen war, dass es so ein Bewusstsein für das, was Judith Butler Heteronormativität gibt, gar nicht gab.
00:10:45:01 - 00:11:09:22
Markus Tiedemann::
Der Grieche der damaligen Zeit hat sich als sexuelles Wesen verstanden und an welchen Objekten seine sexuelle Begierde sich festmacht, ob Männlein oder Weiblein, das war sekundär. Und nach seinem Verständnis übrigens auch gar nicht in seiner Macht. Denn wenn wir mal beim Mythos bleiben wir kennen alle die Story von Eros und seinen Pfeilen. Wenn ich mich in A verliebe, dann trifft mich doch keine Schuld, sondern mich traf ein Pfeil.
00:11:09:22 - 00:11:17:16
Markus Tiedemann::
Ich bin Opfer des Ränken Spiels, des Eros. Das heißt also, es lebe die Lust, es lebe der Körper und es lebe die Sexualität.
00:11:19:05 - 00:11:25:07
Katrin Tominski:
Wir kennen alle die Geschichte von Eros und seinem Pfeil. Vielleicht kennen Sie doch nicht alle. Willst du vielleicht noch mal kurz drauf eingehen?
00:11:25:08 - 00:11:53:00
Markus Tiedemann::
Ja. Also auf Eros. Geh ich immer gern ein. Iris ist also wirklich ein ganz. Darf ich ein bisschen größer ausholen? Also als erstes, sagen wir mal, was Eros nicht ist. Eros ist kein fetter, androgyne Engel, der irgendwo an der Decke klebt und harmlos ist. Das haben nachfolgende Jahrhunderte des Christentums aus ihm gemacht, weil die hellenische Vorstellung von Eros so wirkungsmächtig im kollektiven Bewusstsein war, dass man ihn nicht ganz abschaffen konnte.
00:11:53:01 - 00:11:59:10
Katrin Tominski:
Da muss ich jetzt noch mal kurz reingehen. Also Eros kommt eigentlich aus Griechenland, aber dann hat das Christentum Eros weiter.
00:11:59:10 - 00:12:22:01
Markus Tiedemann::
Benutzt, ja gekapert. Also das ist es gibt ja viele Traditionen, den Tannenbaum oder ähnliches, die eigentlich aus heidnischen, in Anführungsstrichen Kontexten kommen, aber so fest verankert waren, dass man sie nicht ganz abschaffen konnte. Also hat man sie umfunktioniert. Und Eros hat man eben kastriert und übergewichtig gemacht und irgendwo hin geklebt. Wenn man jetzt genau schaut, hat man ihn aber nicht entwaffnet.
00:12:22:08 - 00:12:37:06
Markus Tiedemann::
Und jetzt wird es spannend, denn man hätte mal wissen sollen, wie gefährlich seine Waffen sind. Also Eros hat zwei Arten von Pfeilen. Er hat einmal den Liebes Pfeil, wenn der mich trifft, ihn flamme ich wehrlos und leidenschaftlich zu. Ex.
00:12:37:12 - 00:12:38:07
Katrin Tominski:
Ja, es klingt toll.
00:12:39:13 - 00:13:01:24
Markus Tiedemann::
Eros bestimmt, wer oder was X ist. X muss noch nicht mal belebt sein, um das mal auch zu sagen. Also Eros kann jede Grausamkeit mit mir spielen. Wenn X belebt ist, kann Eros aber auch seinen zweiten Fall ins Spiel bringen. Und das wäre ein Hass, Weil was, wenn mein begehrtes Objekt in Hass zu mir entflammt?
00:13:02:05 - 00:13:02:16
Katrin Tominski:
Nein.
00:13:02:22 - 00:13:27:15
Markus Tiedemann::
Ja, es gibt sogar eine ganz tolle Erzählung, wenn die erzähle Also Apoll ist auch ein Gott, der hin und wieder mit Pfeil und Bogen dargestellt wird. Und Apoll ist ein Gott, der ersten Reihe, während Eros ist der Sohn, der dritte, also der Sohn der Liebesgöttin, und gehört eigentlich zu zum Club der zweiten Reihe. Also er gehört nicht an die Tafel von Runde, wenn man so sagen will.
00:13:28:09 - 00:13:50:16
Markus Tiedemann::
So, Und Apoll nahm sich raus, Späße über Eros und seinen Bogen zu machen. Okay, das ist ihm nicht gut bekommen, denn darauf hat dann Eros seinen liebes Pfeil genommen und auch den Gott Apoll in Liebe entbrennen lassen. Und zwar zur schönen Daphne eines Sterblichen, worauf Apoll zunächst einmal gesagt hat Na ja, wunderbar, ich bin göttlich, ich bin unwiderstehlich, dann mal los.
00:13:51:08 - 00:13:58:17
Markus Tiedemann::
Aber Eros hat seinen Hass voll auch ins Spiel gebracht, und Daphne konnte Apoll nicht ertragen und ist ihm geflohen.
00:13:59:07 - 00:13:59:07
Katrin Tominski:
Ja.
00:13:59:19 - 00:14:25:18
Markus Tiedemann::
Ja, Liebe kann man auch nicht erzwingen, dass natürlich auch die Lehre der Geschichte und es ist so weit gegangen, dass Daphne, um diesem Stalker zu entkommen, sich in einen Lorbeer Baum hat verwandeln lassen, damit sie endlich ihre Ruhe vor ihm hat. Und Apoll läuft bis heute mit einem Lorbeerkranz in den Haaren herum, weil er darin die einzige Möglichkeit sieht, seiner Angebeteten noch ein wenig nahe zu sein.
00:14:26:01 - 00:14:38:01
Markus Tiedemann::
Und wenn man es noch weiter treiben will Der Lorbeerkranz ist das Vorbild aller europäischen Kronen, das heißt die gekrönten Häupter Europas laufen eigentlich mit einer Liebes Narren Krone durch die Gegend.
00:14:38:03 - 00:14:41:19
Katrin Tominski:
Das kann ich mir jetzt gar nicht richtig vorstellen. Wirklich, Das ist ja Wahnsinn!
00:14:42:04 - 00:15:10:02
Markus Tiedemann::
Ja, also wenn man das Eros in Vielleicht kann man noch eine Sache drauflegen, weil Eros ist. Der Eros wird in zwei Gestalten dargestellt im klassischen griechischen Mythos. Also entweder ist er tatsächlich so an der Grenze zum Erwachsensein eher noch Kind, so Lausbub ist er dann. Ist aber eher ein liebes Prinzip, dass seine Mutter Aphrodite losschickt. Oder aber er ist grandios, wunderschön, ein Jüngling und grandioser Liebhaber und Verführer.
00:15:10:08 - 00:15:16:23
Markus Tiedemann::
Und das ist die Art und Weise, wie das Lust und Liebe freundliche Griechenland sich seine Götter vorgestellt hat.
00:15:17:04 - 00:15:25:22
Katrin Tominski:
Ich wusste gar nicht, dass Eros auch Hass aussendet. Das finde ich ja sehr, sehr spannend. Für mich war Eros immer nur die Liebe in Person.
00:15:26:13 - 00:15:53:16
Markus Tiedemann::
Und nein, er ist typisch für den griechischen Mythos. Der griechische Mythos hat den Vorteil, dass er uns moralisch entlastet. Also ganz vieles, was uns passiert, dass das nicht unsere Schuld. So, aber er kann höchst grausam sein. Also das nächste Mal, wenn du bei an Piccadilly Circus sitzt, das steht da direkt über dir. Übrigens als grandioser Jüngling dargestellt. Wunderschön.
00:15:53:22 - 00:15:58:23
Markus Tiedemann::
Aber du weißt nicht, welchen Pfeil er gerade von der Sehne geschossen hat. Also vorsichtig angefangen.
00:15:59:06 - 00:16:02:24
Katrin Tominski:
Also, er ist eigentlich überall zu finden, auch jetzt in unserer Gegenwart noch.
00:16:03:14 - 00:16:27:15
Markus Tiedemann::
Ja, wir würden uns ja mit dem griechischen Mythos sowieso nicht beschäftigen, wenn er nicht bis heute wirken würde. Wir werden immer wieder, auch wenn wir jetzt die explizite Beschäftigung mit dem Mythos verlassen haben, immer noch wieder auf Restbestände stoßen. In einem späteren Podcast Hoffentlich sprechen wir mal darüber, warum wir bis heute unseren Ehepartner als unsere bessere Hälfte vorstellen.
00:16:27:16 - 00:16:29:07
Markus Tiedemann::
Das hat auch mit dem griechischen Mythos zu tun.
00:16:29:15 - 00:16:40:23
Katrin Tominski:
Ja, wir sind die Kugel Wesen. Da komme ich auf alle Fälle zu sprechen. Ich will aber noch mal ganz kurz Es gibt ja auch eine schöne Geschichte, wenn ich mich richtig erinnere, wie Eros selbst geliebt hat.
00:16:41:16 - 00:17:05:11
Markus Tiedemann::
Oh ja, ja, ja. Also er hat viel und oft geliebt, wie alle Himmlischen immer. Aber er hat auch mal tragisch geliebt. Und das Interessante ist, dass seine geliebte Psyche ist und das also Psyche ist ja nun auch noch die Namensgeberin unseres bewussten und unbewussten Seelenlebens. Und das macht diese Nähe zur Psychoanalyse so, so spannend, eigentlich so was passiert.
00:17:05:15 - 00:17:20:03
Markus Tiedemann::
Eros verliebt sich in Psyche für einen himmlischen. Eigentlich gar kein Problem, denn Himmlische sind in dem Sinne unwiderstehlich. Er hat aber die Auflage von den anderen Göttlichen, dass seine Geliebte ihn nicht als Gott identifizieren darf.
00:17:20:03 - 00:17:21:07
Katrin Tominski:
Er muss also geheim bleiben.
00:17:21:07 - 00:17:40:10
Markus Tiedemann::
Ja, ja, das muss alles so ein bisschen geheim bleiben. Also die Spannung des Neuen steckt da auch drin. Lange Rede, kurzer Sinn Was macht so ein Gott dann da lässt man die Geliebte eben entführen durch Winde und man lässt sie in einen himmlischen Palast entführen. Und es geht ihr so richtig gut. Sie wird verwöhnt und sie lässt sich auch darauf ein.
00:17:40:14 - 00:18:02:15
Markus Tiedemann::
Sie genießt die den komfortablen Palast am Tag und die Wonnen der Liebe. In der Nacht sieht man sie. Sie liebt, wird von einem Gott geliebt. So eigentlich ist das alles wunderbar, bis Freud Janisch ausgedrückt, die über Ich Schwestern vorbeikommen, schlechtes Gewissen machen. Was ist denn das für ein Liebhaber, der sich gar nicht zeigt? Was ist denn das für eine Liebe, die sich dir nicht offenbart?
00:18:02:23 - 00:18:03:01
Katrin Tominski:
Eine?
00:18:04:01 - 00:18:33:20
Markus Tiedemann:
Ja, nee, das bestimmt nicht das Richtige. Und was du hast? Wir vermuten. Wir vermuten, das ist ein Ungeheuer, das sich nachts um dich schlingt, um dich zu schwängern und dann anschließend die gemeinsamen Kinder zu fressen. Ja, vor allen Dingen, wer kann dann die Wonnen der Liebe noch genießen, wenn das erst mal ins Ohr gepflanzt worden ist, worauf jetzt Psyche den Kardinalfehler typisch Mensch begeht und sagt Also, so schön das auch ist, ich muss da jetzt mal mit Neugier ran.
00:18:34:02 - 00:18:57:16
Markus Tiedemann:
Und sie entzündet eine Öllampe und sieht diesen herrlichen Gott neben sich liegen und könnte eigentlich denken Mensch, wunderbar, ist ja besser, hätte gar nicht laufen können. Aber natürlich, wir sind im tragischen Verhältnissen des griechischen Mythos. Es tropft Öl auf den Gott, er sieht sie, er weiß, sie hat ihn gesehen und er muss entfliehen. Und jetzt gibt es den zweiten Teil der Story, und das ist eine Helden Wanderung.
00:18:57:24 - 00:19:23:09
Markus Tiedemann:
Psyche besteht ganz, ganz viele Abenteuer. Eros kann ja immer nur so ein bisschen durch die Hintertür helfen. Er darf ja nicht wirklich und sie schafft das Unmögliche, denn sie gewinnt das Herz einer Schwiegermutter. Und das ist eine ganz große Aufgabe. Zumal diese Schwiegermutter auch aus Neid bezüglich ihrer Schönheit zwischendurch mal versucht, sie zu vergiften und sie in einen Todes ähnlichen Schlaf zu bringen, was übrigens durch die Liebe von Eros geheilt wird.
00:19:23:09 - 00:19:31:06
Markus Tiedemann:
Also Liebe überwindet auch hier mal wieder den Tod. Und es gibt tatsächlich ein Happy End mit Hochzeit und Unsterblichkeit auf dem Olymp.
00:19:31:11 - 00:19:43:23
Katrin Tominski:
Das hört sich alles prima an, ja, ja, aber was vielleicht noch als dieser Geschichte? Was ist die Quintessenz? Warum gibt es diese Geschichte? Warum wird sie erzählt? Was hat das mit dem Unterbewussten zu tun?
00:19:44:01 - 00:20:01:14
Markus Tiedemann:
Na ja, also, man hat viele Anknüpfungspunkte. Was die Griechen und Römer damit explizit machen wollen, können wir ja nur mutmaßen. Schriftlich taucht die Erzählung von Amor und Psyche übrigens erst im in Rom auf. Wir dürfen aber annehmen, dass sie älter ist.
00:20:01:20 - 00:20:04:03
Katrin Tominski:
Und noch mal eine kleine Zwischenfrage Amors gleich.
00:20:04:04 - 00:20:30:19
Markus Tiedemann:
Ihres Amos, nur lateinisch für Eros. So, da ist sie überliefert. Wir können aber natürlich Deutungsmuster Ha machen, und da greifen in der Regel ja dann auf dieses tyrannische Deutungsmuster, das heißt Liebe im Sinne von leidenschaftlicher Erotik braucht nicht unbedingt Wahrheit, braucht auch nicht unbedingt die Konfrontation mit dem Gegenüber in seiner ganzen Offenbarung. Es reicht doch, sich den Wonnen hinzugeben.
00:20:30:20 - 00:20:39:18
Markus Tiedemann:
Also sehr, sehr griechisch gedacht und zu viel Wahrheit, zu viel Licht, zu viel Ehrlichkeit könnte selbige sogar eher zerstören.
00:20:40:00 - 00:20:48:03
Katrin Tominski:
Okay, das heißt, man kann schon genau hingucken, muss aber nicht immer so genau hingucken, sondern man kann auch einfach genießen.
00:20:48:03 - 00:20:50:11
Markus Tiedemann:
Vielleicht klassisch griechische Einstellung.
00:20:51:00 - 00:21:14:19
Katrin Tominski:
Also die Griechen, die scheinen ja sich der Lust und Liebe förmlich hingegeben zu haben. Das scheint im Christentum bzw in den abrahamitischen Religionen ja nicht ganz so zu sein. Wie kam es, dass das dann auf einmal so anders wurde? Alle waren Lust und Leid freudig, alle haben sozusagen das Leben genossen und auf einmal gab's diese ganz große Änderung in der Welt.
00:21:14:19 - 00:21:15:21
Katrin Tominski:
Womit hatte das zu tun?
00:21:15:24 - 00:21:35:18
Markus Tiedemann:
Also vielleicht eine Einschränkung vorweg die Lust, Leib und ja, auch Frauen. Freundlichkeit des griechischen Mythos stößt natürlich auch an Grenzen. Das, was im Mythos erlaubt war, war noch nicht, längst nicht in der sozialen Realität in Griechenland schon gar nicht für Frauen und erst recht nicht für Sklaven.
00:21:36:03 - 00:21:37:12
Katrin Tominski:
Also so rosig war es dann doch.
00:21:37:13 - 00:21:53:20
Markus Tiedemann:
Nein, nein, das ist das sozusagen. Das Ideal, an dem man sich orientiert hat, konnte ja nicht von allen gelebt werden. Also hier stößt sozusagen die Die Meter Erzählung stößt auf die Realität einer männlich dominierten Sklavenhaltergesellschaft. Das sollte man einschränken.
00:21:53:20 - 00:22:07:16
Katrin Tominski:
Also die Männer haben es auch bei Liebe, Freundschaft und Sexualität geschafft, ein schönes positives Bild von der griechischen Mythologie zu vermitteln, wie es auch in der Politik ja ist. Aber eigentlich gab es Frauen und Sklaven in der Realität, die dann gar nicht so viel zu sagen hatten.
00:22:07:17 - 00:22:37:15
Markus Tiedemann:
Ja und nein. Wir sind immer noch in der Antike und wir sind nicht in emanzipierten Gesellschaften. Aber es gibt zumindest ein Mehr und ein Weniger. Eine Frau musste sich in der Antike, das heißt jetzt im hellenischen Griechenland, ihrer Sexualität nicht schämen, und sie konnte sie auch in nicht heteronormativen Kontexten frei leben. Sie durfte sie auch genießen. Das Konzept der Sünde kannte man an sich sexuell nicht, und schon gar nicht war dieses Konzept weiblich.
00:22:38:04 - 00:22:41:03
Katrin Tominski:
Das heißt, es gab nicht nur Männer und Männer, sondern auch Frauen und Frauen.
00:22:41:08 - 00:23:14:04
Markus Tiedemann:
Ja, natürlich. Wir verdanken ja den Begriff lesbisch dem griechischen Mythos. Lesbos ist bis heute eine Insel, wo die gehaust haben sollen über weibliche Homosexuelle kann man eigentlich folgen. Eigentlich. Drei Dinge kann man über sie sagen. Das erste ist, die war schon immer da. Das zweite ist sie wurde im hellenischen Kontext weitgehend akzeptiert und für richtig empfunden. Und in späteren Jahrhunderten wurde sie aus reiner Ignoranz weniger diskriminiert als männliche Homosexualität.
00:23:14:13 - 00:23:32:01
Markus Tiedemann:
Ah okay, ja, da gibt es eine Erklärung für das ist das leicht dämliche Verständnis von Männern von Sexualität, dass alles, was ohne Penetration passiert, keine Sexualität ist. Da waren die Griechen deutlich weiter, die wussten, dass das sehr wohl geht und dass das sehr lustvoll sein kann.
00:23:32:16 - 00:23:39:09
Katrin Tominski:
Aber das ist ja jetzt auch wieder so ein Erlebnis. Also die Insel Lesbos hat wirklich was mit der weiblichen Sexualität zu tun.
00:23:39:15 - 00:23:42:07
Markus Tiedemann:
Von vom Mythos der Lesben.
00:23:42:08 - 00:23:58:00
Katrin Tominski:
Ja, interessant. Sehr schön. Okay, aber du sagtest, die Realität abseits des Mythos sah das, hatte dann schon ihre Grenzen. Es gab Sklaven. Die Frauen waren auch nicht so gleichberechtigt, wie wir das heute verstehen. Gab es denn sexuelle Ausbeutung?
00:23:58:02 - 00:24:17:07
Markus Tiedemann:
Ja, selbstverständlich gab es sexuelle Ausbeutung. Wir haben sogar eine klare Dokumente darüber. Also Frauen konnten im alten Rom verschenkt werden, auch Ehefrauen. Sie konnten getauscht werden. Sklaven waren gänzlich schutzlos, gerade gegenüber sexueller Ausbeutung. Ovid hat da durchaus Quellen hinterlassen.
00:24:17:15 - 00:24:21:04
Katrin Tominski:
Jetzt habe ich mich gerade so an die Griechen gewöhnt und jetzt ist alles doch nicht mehr so schön.
00:24:21:16 - 00:24:26:07
Markus Tiedemann:
Es ist trotzdem deutlich besser als der abrahamitische Mythos, zu dem wir vielleicht noch kommen.
00:24:26:09 - 00:24:45:05
Katrin Tominski:
Ja, da können wir rübergehen. Was ist denn der Hauptunterschied? Du hattest es ja schon angedeutet Der abrahamitische Mythos ist auch lustfeindlich. Also ein ganz großer Unterschied sozusagen zur griechischen Mythologie, die lustfeindlich. Warum? Wie kam es dazu? Wieso ist alles da so anders gewesen?
00:24:45:08 - 00:25:14:23
Markus Tiedemann:
Also wahrscheinlich kann man das am besten mit mit der Erzählung, also mit dem Sündenfall erzählen oder erklären. Ich fange mal mit einer positiven Lesart an, wie wir. Es hätte vielleicht auch besser gewertet werden können. Also man könnte ja die Erzählung des Sündenfalls, also Kurzzusammenfassung für alle, die es nicht kennen, mal wieder Es kann Obst gefährlich Gott hat gesagt Bitte keinen nicht von diesem Baum essen, weil wenn ihr das tut, dann habt ihr gegen dieses Gebot verstoßen und müsst ihr aus dem Paradies.
00:25:15:17 - 00:25:23:11
Markus Tiedemann:
So, jetzt fange ich mal an, das Ganze liebevoll zu erzählen und sage wir achten als erstes mal darauf, was das für ein Baum ist. Das ist der Baum der Erkenntnis.
00:25:23:13 - 00:25:25:03
Katrin Tominski:
Wieso ist das der Baum der Erkenntnis?
00:25:25:03 - 00:25:48:01
Markus Tiedemann:
Das der Baum der Erkenntnis? Weil in dem Moment wenn ich davon esse beginnt mein rationales Denken an zu arbeiten. Vorher bin ich im Paradies der Kindheit, im Hier und Jetzt. Ich denke wenig über die Vergangenheit nach und schon gar nicht über die Zukunft. Wenn ich aber davon esse, dann ist es nicht nur so, dass ich plötzlich merke Oh, ich bin ja nackt, das wäre eigentlich kein Problem, so schön warm.
00:25:48:12 - 00:26:15:23
Markus Tiedemann:
Aber mir kommt die Idee, dass ich morgen schlechtes Wetter haben könnte und morgen frieren könnte. Ich esse nicht nur die wunderschönen Früchte, die mich umgeben, sondern ich überlege Naja, die könnten ja irgendwann weg sein. Und morgen habe ich wieder Hunger. Da muss ich Vorsorge betreiben. Ich muss Kleidung und ich muss Vorräte anlegen. Mit anderen Worten Ich erfinde die Arbeit und damit ist das Paradies des Hier und Jetzt der Kindheit, des Gefühls der Unsterblichkeit.
00:26:15:23 - 00:26:34:15
Markus Tiedemann:
Vielleicht war das ja auch mit Unsterblichkeit gemeint, das Gefühl der Unsterblichkeit, was Kinder ja teilweise haben und uns auch noch schenken können im Spiel, sich im Hier und Jetzt verlieren unwiderruflich genommen. Und vielleicht wäre das ein liebender Gott, der gesagt hat Liebe Leute, wenn ihr da bleiben wollt, dann lasst das mit dem Denken. Diese liebevolle Erzählung hat sich aber leider nicht durchgesetzt.
00:26:34:17 - 00:26:36:00
Markus Tiedemann:
Warum? Warum?
00:26:37:20 - 00:26:38:06
Katrin Tominski:
Ja.
00:26:38:13 - 00:26:48:21
Markus Tiedemann:
Das haben die auch. Zumal die ja nebenbei auch sehr frauenfreundlich erzählt werden können. Man könnte nämlich sagen na ja, Eva hat als erstes vom Baum der Erkenntnis genannt Frauen sind von Natur aus klüger als Männer.
00:26:48:23 - 00:26:50:11
Katrin Tominski:
Ja, finde ich auch gut.
00:26:50:11 - 00:27:10:14
Markus Tiedemann:
Hätte ich nichts dagegen. Aber leider hat sich eine Interpretation durchgesetzt, die man natürlich ganz stark schon bei Paulus findet und die dann das Christentum geradezu flutet mit Augustinus. Und dann gibt es kein Zurück mehr. Auch bei Augustinus wird übrigens aus der Ursünde, die es noch bei Paulus gibt, eine Ursünde.
00:27:10:14 - 00:27:12:11
Katrin Tominski:
Also noch einmal Paulus für alle, die.
00:27:12:22 - 00:27:40:23
Markus Tiedemann:
Paulus ist eben einer der der Bibel Väter, der dort in den Texten zu lesen ist, während Augustinus einer, der mit Thomas von Aquin, Augustinus, Thomas sind die beiden großen Kirchenväter, die sozusagen die Tradition insbesondere der katholischen Kirche geprägt haben. Und Augustinus hat aus der Ursünde, also der Fehler, den Adam und Eva begangen haben, hat er die Erbsünde gemacht, die im Akt der Sexualität auf jede nächste Generation weitergegeben wird.
00:27:40:23 - 00:27:43:09
Markus Tiedemann:
Also die Ursünde steckt im Sperma in letzter Instanz.
00:27:43:18 - 00:27:46:13
Katrin Tominski:
Sondern erbt. Es klingt alles schlimm, ja.
00:27:46:21 - 00:27:48:05
Markus Tiedemann:
Wie könnte man vielleicht wissen.
00:27:48:07 - 00:27:48:24
Katrin Tominski:
Ja, wir.
00:27:48:24 - 00:27:49:08
Markus Tiedemann:
Können es ja mal.
00:27:49:08 - 00:27:50:16
Katrin Tominski:
Aufdröseln. Ja, genau.
00:27:50:21 - 00:28:15:05
Markus Tiedemann:
Also hier geht es in erster Linie darum, dass man sagt, Adam und Eva sind im Paradies. Sie sind anders als im griechischen Mythos, Herrn ihrer Entscheidung damit voll verantwortlich. Sie kennen das Gebot und sie übertreten es. Sie haben die Autorität verletzt und werden deswegen in voller Härte gestraft. Die eine soll fortan in Schmerzen gebären, der andere im Schweiße seines Angesichts um das Überleben kämpfen müssen.
00:28:15:22 - 00:28:43:00
Markus Tiedemann:
Warum ist das so? Weil sie dort verführt werden. Und jetzt kriegt das Ganze so eine merkwürdige leib lust und frauenfeindliche Interpretation. Die erste, die verführt wird, ist Eva. Eva ging nackt zu der Schlange, diesem fast bis zur Langweiligkeit bemühten Phallussymbol. Die Schlange. Danach ist sie Mittäterin, denn sie verführt ja Adam.
00:28:43:03 - 00:28:44:16
Katrin Tominski:
Die böse Frau, verführt den Mann.
00:28:44:16 - 00:29:18:11
Markus Tiedemann:
Ja, natürlich, selbstverständlich. Weswegen sie zunehmend zum Prinzip des leicht verfügbaren, aber auch zum Prinzip des durch Leiblichkeit agierenden, ja nahezu teuflischen, verführerischen Weib wird. Diesen Dualismus gibt es ja bis heute in vielen Traditionen. Also das hebräische Wort für Mann kann auch so mit Erinnern, also mit rationaler Tätigkeit übersetzt werden, während die Frau eben als Symbol des männlich das vom Mann zu dominierenden, damit nichts Schlimmes passiert, verstanden werden muss.
00:29:18:18 - 00:29:43:11
Markus Tiedemann:
Man kann sie aber noch schlimmer sagen Sie ist potenziell teuflisch, denn sie hat ihn ja mit verführt. Und jetzt, wenn ich nur einem draufsetzen kann? Ich würde allen, die zuhören, mal empfehlen, in den im Vatikan in der Sixtinischen Kapelle Michelangelos Deckengemälde genau anzuschauen und die Vertreibung der beiden aus dem Paradies. Da taucht Eva in einem Bild dreimal auf.
00:29:43:23 - 00:30:07:16
Markus Tiedemann:
Einmal ist sie die nackte Frau, die mit der Hand übrigens ziemlich dicht an Adams Genital ist. Zum anderen ist ihr Oberkörper Teil der Schlange, die sich um den Baum windet, also die Einheit von Frau und teuflisch. Und dann ist sie, als das Paar das Paradies verlässt. Schauen Sie sich das mal bitte alle acht. Ist sie der Prototyp der Hexe?
00:30:08:08 - 00:30:08:22
Katrin Tominski:
Oh Gott.
00:30:09:19 - 00:30:15:05
Markus Tiedemann:
Und das ist alles die gleiche Frau. Und wenn das nicht frauenfeindlich ist, dann weiß ich nicht, was frauenfeindlich ist.
00:30:15:15 - 00:30:24:18
Katrin Tominski:
Man könnte also sagen, unsere und Gleichberechtigung oder respektive Frauenfeindlichkeit kann. Können wir auf das Alte Testament zurückschrauben?
00:30:25:04 - 00:30:50:20
Markus Tiedemann:
Ja, und sie hat dort eine ihrer stärksten Quellen. Also bis hin man kann noch einen Bruchteil hinzufügen, nämlich dass Adam ja zuerst da war und dann Eva aus seiner Rippe getätigt wird. Die Erlaubnis des Mannes für den Mann, die Frau zu schlagen, ist im Mittelalter unter anderem damit begründet worden. Man kann ja mit seinem Körper machen, was man will.
00:30:51:18 - 00:31:24:13
Markus Tiedemann:
Und das ist natürlich überhaupt gar kein Argument. Man könnte sagen, es ist ein Akt des Modernen oder des. Das war der erste Akt des Klonens. Und ein Klon ist genauso selbstständig wie ein anderer, dem die Menschenrechte zuvor egal. Aber diese Lesart hat sich durchgesetzt. So, und jetzt kommt noch das lustfeindlich obendrauf, dass man einfach mitdenken muss. Und was bei Augustinus dann immer, immer 3 $ wird das also die anders gesagt das Schöne an richtig erfüllter Sexualität Wenn wir alle tollen Sex haben, dann ist er das Größte.
00:31:24:13 - 00:31:44:16
Markus Tiedemann:
Dann aber ist der Kontrollverlust, das ist ja, das ist ja, das ist ja gerade das Tolle an der Sache. Ja, aber Kontrollverlust heißt ja Unvernunft. Und damit ist das Prinzip der Kontrolle der Beherrschbarkeit gebrochen. Und damit ist sozusagen Tür und Tor für das Teuflische geöffnet. Ich habe jetzt die Interpretation gewechselt. Ich halte das alles für Unsinn, aber so wird es nun mal interpretiert.
00:31:45:07 - 00:31:52:09
Markus Tiedemann:
Und deswegen wird sozusagen Sexualität an das Weibliche, an das Leibliche und an das Teuflische gebunden.
00:31:52:18 - 00:32:16:17
Katrin Tominski:
Aber das muss ich jetzt erst mal verkraften. Ähm, ich müsste mal nachdenken. Vielleicht. Aber noch mal zurück. Weiß ich jetzt nicht. Vielleicht kannst du dann noch mal, mir fehlt so ein bisschen der Link. In Griechenland war alles so okay. Die Frauen waren auch nicht komplett gleichberechtigt. Die Realität sah auch anders aus. Aber wie kommt es dann trotzdem zu so einer?
00:32:17:17 - 00:32:40:04
Katrin Tominski:
Ja, ich will vielleicht jetzt mal patriarchale Erzählungen nennen, die so eine ungleichen Erzählung, die ja wirklich immense Folgen hatte. Ich, sagen wir mal das Stichwort Hexenverbrennung. Und so weiter und so fort. Und diese Verbindung zwischen der Sünde der Frau, die den Mann verführt, die ist ja heute bis heute noch hochaktuell. Wie kam es dazu? Warum waren die Griechen so, so wie sie waren?
00:32:40:04 - 00:32:51:11
Katrin Tominski:
Und auf einmal kommt Paulus und dann wird die Geschichte erzählt. Warum ist es denn so, so gepresst? Woher kommt dieses Negative? Oder vielleicht, wenn man es als negativ Also ich als Frau sage ich mal.
00:32:52:00 - 00:33:14:19
Markus Tiedemann:
Ich glaube auch als als Ethiker kann ich sagen wenn. Jetzt sind wir wieder bei der Unterscheidung zwischen Mythos und Logos. Wenn auf der Logos Ebene kein rationales Argument besteht, das eine solche Diskriminierung rechtfertigt, dann muss man sie falsch nennen. Und darauf hinzuweisen, dass sie aus einer gewissen Tradition stammt, legitimiert sie ja nicht. Sie bleibt falsch, auch wenn sie legitimiert ist.
00:33:15:03 - 00:33:47:18
Markus Tiedemann:
Man kann vielleicht folgendes sagen Sie ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern diese abrahamitische Tradition, diese Erzählung fällt genau in diese Achsenzeit, über die wir vorhin gesprochen haben. Das ist eine Verdichtung der unterschiedlichen, primär dem Judentum zuzuordnenden Erzählungen, die dann zu einem Gesamtkonzept verdichtet worden sind, wahrscheinlich primär während der babylonischen Gefangenschaft, und die sich dann fortgepflanzt hat und ihre Tradition ins Christentum weitergetragen hat und auch in den Islam weitergetragen hat.
00:33:48:15 - 00:34:12:21
Markus Tiedemann:
Das Christentum hat dann sich quasi in seinem in seiner Radikalität noch weiter in die Höhe geschraubt. Also Augustinus, der Erfinder der Erbsünde, die ja ins Absurde führt. Denn deswegen musste übrigens dann Maria Jungfrau sein, damit sie nicht Trägerin der Erbsünde ist, was nun logisch unsinnig ist, denn sie ist ja irgendwann auch mal geboren worden. Und so weiter. Ich springe jetzt gerade.
00:34:12:24 - 00:34:15:12
Katrin Tominski:
Kannst du noch kurz erklären Erbsünde? Was bedeutet das?
00:34:15:19 - 00:34:48:23
Markus Tiedemann:
Erbsünde bedeutet die Schuld, die Adam und Eva auf sich geladen haben, dadurch, dass sie das Gebot Gottes missachtet haben. Klammer auf! Aufgrund so mancher sexuell konnotierten Verführung dazu wird an jede weitere Generation weitergegeben. Und wie wird sie weitergegeben? Durch den Geschlechtsakt? Durch das Sperma? Um es mal ganz genau zu sagen. Und deswegen ist jedes Kind in dieser Tradition in Augustinus Tradition in Sünde geboren und der Hölle anheimgefallen und kann nur durch die Taufe und die Gnade gerettet werden.
00:34:48:23 - 00:35:09:18
Markus Tiedemann:
Also Taufe reicht nicht. Taufe ist eine notwendige, keine hinreichende Bedingung. Dadurch gerettet werden und damit dann die neue Erzählung überhaupt funktionieren konnte, die des Neuen Testamentes, musste die Sache ja durchbrochen werden, weswegen dann sage Ja gut, da muss muss Maria eben Jungfrau gewesen sein, dann hat sie es ja nicht. Kriege, Trägern der Erbsünde, dass zumindest Jesus nicht so geboren.
00:35:10:04 - 00:35:29:03
Markus Tiedemann:
Aber es macht natürlich nur bedingt Sinn, denn schließlich war sie ja selbst geboren worden. Wäre ihre Mutter Trägerin der Erde und ihr Vater Träger der Erbsünde, Deswegen hat man dann nachher so ein Dogma und endlosen Regress. Dann war nämlich ihre Mutter wurde auch zur Jungfrau erklärt und immer so weiter und so fort. Man führt das Absurde.
00:35:29:22 - 00:35:32:13
Katrin Tominski:
Das klingt alles total komplex.
00:35:32:13 - 00:35:33:03
Markus Tiedemann:
Absurd.
00:35:33:03 - 00:35:36:24
Katrin Tominski:
Klingt es je komplex? Ja, genau, irgendwie konstruiert.
00:35:37:08 - 00:35:49:15
Markus Tiedemann:
Ja, das ist es eben auch. Aber jetzt vielleicht zurück zu deinem ersten Impuls. Das hängt auch damit zusammen, dass hier eine Erzählung vorangetrieben wird, von der Männer durchaus auch Vorteile gehabt haben.
00:35:50:09 - 00:35:58:16
Katrin Tominski:
Also kann man eigentlich davon ausgehen, um das jetzt mal ein bisschen feministisch zu formulieren, dass wahrscheinlich vor allen Dingen Männer diesen ganzen Sündenfall interpretiert haben?
00:35:59:01 - 00:36:28:22
Markus Tiedemann:
Das Mag sein, das Mag sein. Da fehlt mir die historisch Expertise, um das zu beweisen. Die entscheidenden Quellen stammen alle von Männern und die Herrschaftsstruktur der Gesellschaft war männlich dominiert, weswegen der Schluss ja naheliegt, das so kolportiert worden ist. Man muss aber fairerweise auch dazu sagen, dass es in all diesen Jahrhunderten auch immer Frauen gegeben haben, die sich an der Unterdrückung der Frau aktiv beteiligt haben, indem sie zum Beispiel solche Narrative immer weitergetragen haben.
00:36:29:02 - 00:36:30:02
Katrin Tominski:
Welche zum Beispiel?
00:36:30:15 - 00:36:56:11
Markus Tiedemann:
Ja, jetzt fällt mir kein gutes Beispiel ein. Aber wenn Frauen zum Beispiel christliche Lehre betrieben haben, wenn Frauen an zum Beispiel Als ob. Thissen keinerlei sexuelle Toleranz kannten, dann sind sie selbst Trägerin des Narrativs gewesen und haben selbst dazu beigetragen. Das macht die Männer nicht besser, aber es gehört zur Komplexität des Geschehens.
00:36:56:22 - 00:37:12:24
Katrin Tominski:
Ich möchte noch mal kurz auf den Sündenfall eingehen. Ich habe auch schon mal gehört, dass Adam für das Geistige steht und Eva für das leibliche Prinzip. Und daraus wurde dann unter anderem auch die Herrschaft des Geistes über das Fleisch, also die Herrschaft des Mannes über die Frau.
00:37:13:13 - 00:37:40:16
Markus Tiedemann:
Ja, das ist ja genau das quasi, was aus dieser Geschichte hervorgeht. Das leibliche Prinzip ist schwach und verführbar und deswegen sozusagen nicht wehrhaft gegen das Teuflische. Und genau deswegen muss es einen Vormund haben, der auf es aufpasst, der es notfalls auch züchtigt. Also auch Grausamkeiten stecken da mit drin. Nicht nur Fürsorge, sondern auch Grausamkeit. Das gilt für das eigene Fleisch, was Adam hat, also Selbstgeißelung.
00:37:41:00 - 00:37:47:20
Markus Tiedemann:
Das gilt aber auch für das Weib, das ihm anvertraut ist. Also eine klassische patriarchale Figur.
00:37:49:14 - 00:38:21:18
Katrin Tominski:
Spannend. Ich muss sagen, mir gefällt die Lust der Griechen besser als die Scham und die Schuld im Alten Testament. Wir kommen aber noch zu vielen weiteren Geschichten. Vielleicht zum Abschluss noch zwei Fragen. Erstens In manchen islamischen Gesellschaften ist ja auch die Vielehe erlaubt. Kann man dann sozusagen diese Vielehe als Kombination der verschiedenartigen Lebensformen aus der Kirche interpretieren plus den Extrakt aus den abrahamitischen Religionen?
00:38:21:19 - 00:38:26:05
Katrin Tominski:
Kann man das so sagen? Nur dass es dummerweise nur für Männer gilt? Oder ist es ein bisschen weit hergeholt?
00:38:26:14 - 00:38:39:23
Markus Tiedemann:
Also ich täte mich schwer damit, muss ich ehrlich sagen, denn ich sehe eigentlich nicht, wie die klassisch patriarchale Struktur dort durchbrochen wird, dass selbst gesagt, es gibt keine Reziprozität, es gibt keine Wechselseitigkeit.
00:38:40:07 - 00:38:41:10
Katrin Tominski:
Ja, und ich weiß ja.
00:38:41:10 - 00:39:06:10
Markus Tiedemann:
Gut, das gilt ja immer, dass kreative Menschen zu allen Zeiten Formen des Zusammenlebens gefunden haben, die vielleicht nicht der Obrigkeit oder dem gerade herrschenden Narrativ genehm sind. Das hoffe ich, dass es immer so gewesen ist. Aber Fakt ist dieses Narrativ, in diesem Fall der Islam sieht zwar Vielweiberei aus männlicher Perspektive vor, aber nicht Wir haben auch nicht mal ein Wort dafür.
00:39:06:12 - 00:39:25:17
Markus Tiedemann:
Für Männer viel Männer. Rein aus weiblicher Perspektive wäre nicht erlaubt. Insofern täte ich mich schwer, um etwas Positives zu sagen, was ihn vom Christentum abgrenzt. Und das gilt für den Islam. Das gilt aber auch fürs Judentum. Ist das zumindest innerhalb der Ehe sexuelle Lust für beide Geschlechter erlaubt ist?
00:39:26:00 - 00:39:49:16
Katrin Tominski:
Oh, das wusste ich nicht. Wir hatten ja am Anfang letzte Frage jetzt für diesen Podcast. Dann wollen wir für diese Folge werden, weil wir ein bisschen zum Ende kommen. Wir haben ja noch ganz viel vor uns. Letzte Frage Wir hatten ja am Anfang über Mythos und Logos gesprochen. Ist denn der Logos sozusagen, der sich dann entwickelt hat, auch quasi eine Befreiung von der Schuld und Haftung der abrahamitischen Religionen gewesen?
00:39:50:03 - 00:40:14:19
Markus Tiedemann:
Ja, ja, aber wir sind noch dabei. Das steckt ja noch alles in unserem kollektiven Bewusstsein drin. Wir müssen uns mühsam da herausarbeiten. Das ist übrigens die Bewegung der Aufklärung. Die hat es einmal in der Antike gegeben, und jetzt sind wir haben eine Zeit lang Glück gehabt, dass es aufklärerische Dominanz zumindest in Teilen der Erde gegeben hat. Aber das Prinzip heißt Freiheit.
00:40:14:19 - 00:40:20:07
Markus Tiedemann:
Und Freiheit braucht auch einen gebrochenen Mythos. Wir müssen uns dagegen emanzipieren.
00:40:20:13 - 00:40:44:12
Katrin Tominski:
Es ist spannend, so weit den Bogen zu ziehen und zu sehen, dass wir Teil eines riesengroßen Ganzen sind, was auch sehr, sehr weit in die Vergangenheit zurückreicht. Markus Vielen, vielen Dank. Das war sehr spannend heute. Ich wusste gar nicht, wie sehr unser Denken und auch Fühlen heute mit den Erwägungen der Menschen vor über 2000 Jahren zusammen gehangen haben.
00:40:45:00 - 00:41:03:24
Katrin Tominski:
Es hat mir viel Spaß gemacht. Wir sehen uns und hören uns der nächsten Folge. Da gehen wir noch weiter in die Tiefe. Da sehen wir uns die Liebe noch mal genauer an, oder genauer gesagt Platons Ideal der wahren Liebe. Ja, schaltet wieder ein. Wir freuen uns auf euch. Für heute sagen wir Tschüss. Tschüss. Ich danke dir. Ich danke dir.
00:41:04:14 - 00:41:07:16
Katrin Tominski:
Bis zum nächsten Mal. Tschüss.
00:41:10:03 - 00:41:33:03
Katrin Tominski:
Das war unser Podcast. Liebe, Sex und Freundschaft. Fragen und Antworten der Philosophie mit Markus Tiedemann und Katrin Tominski. Musik: Sven Germerot, Technik: Birgit Nockenberg.
Und schaltet auch das nächste Mal gern wieder ein.
Folge 1: Die Philosophie und Liebe, Sex und Freundschaft
Warum beschäftigen uns Liebe, Freundschaft und Sexualität so sehr? Welche Motive durchziehen Kunst und Literatur? Lassen sich die drei Phänomene sinnvoll unterscheiden? Bestehen notwendige oder hinreichende Beziehungen? Welche grundlegenden Fragen stellt sich die Philosophie?
Katrin Tominski:
Liebe, Sex und Freundschaft. Fragen und Antworten der Philosophie Ein Podcast der TU Dresden mit dem Philosophieprofessor Markus Tiedemann und der Wissenschaftsjournalistin Katrin Tominski.
Nur wenig auf dieser Welt interessiert die Menschen mehr als Liebe, Sex und auch Freundschaft selbst. Geld, Status, Reichtum und auch Schönheit sind oft nur Mittel zum Zweck für den Erfolg bei der Partnerwahl oder für die Befriedigung sexueller Bedürfnisse, für das Gewinnen von Freunden oder auch, um eine Familie zu gründen. Doch gibt es wahre Liebe und wahre Freundschaft überhaupt?
Wie wird Sex bewertet und praktiziert? Welche Denkmodelle prägen unsere Vorstellungen von Lust? Seit Jahrtausenden beschäftigen sich auch Philosophen mit diesen Fragen. Von der Antike bis zur Gegenwart, von Aristoteles und Platon bis Simone de Beauvoir und auch Erich Fromm. Sie alle haben nach Antworten gesucht und auch welche gefunden. Ja. Herzlich willkommen zu unserem Podcast Liebe, Sex und Freundschaft. Fragen und Antworten der Philosophie.
Ich begrüße Markus Tiedemann. Er ist Professor für Philosophie und Didaktik an der TU Dresden. Hallo Markus.
Markus Tiedemann:
Hallo Katrin.
Katrin Tominski:
Ja, wir wollen diese Reise heute zusammen unternehmen und in der ersten Folge gleich einmal nachfragen. Haben sich wirklich Menschen schon vor über 2000 Jahren mit den gleichen Fragen beschäftigt, wie wir das heute tun? Was interessiert Philosophinnen und Philosophen überhaupt ein Liebe und Freundschaft? Und was denken sie über Sex und Moral? Was hat das alles mit Denktraditionen zu tun?
Markus Da will ich gleich mit meiner ersten Frage starten. Du kennst dich gut aus. Du kennst die Philosophen von der Antike bis zur Gegenwart ganz genau. Hat das Thema denn wirklich schon vor über 2000 Jahren interessiert und warum?
Markus Tiedemann:
Also ob ich alle genau kenne, weiß ich nicht, aber ich hoffe ein Überblick zu haben und die Antwort würde so lauten Ja. Und die Begründung hierfür ist eine geteilte. Also das erste wäre relativ einfach Philosoph und Philosophen sind Menschen. Man denkt das manchmal nicht, weil wenn man an Philosophen denkt, denkt man irgendwie so an alte weise Männer. Oder man denkt an irgendwie graue Mäuse, die durch den Elfenbeinturm wuseln und sich mit Problemen beschäftigen, die es auch nur dort gibt und nicht in der normalen Welt.
Aber wenn man ein bisschen genauer hinschaut, dann entdeckt man, dass Philosophinnen und Philosophen längst nicht nur dorthin gehören. Es gibt sogar richtige Feuergeist darunter den Philosophen, also Voltaire, Rousseau, Schiller, Nietzsche. Die haben ja nicht nur leidenschaftlich geschrieben, sondern auch leidenschaftlich gelebt. So, und das führt in die eine Richtung. Sie sind damit ganz normalen Menschen, wie wir alle Menschen sind.
Und damit sind sie ein biologisches, soziales und intellektuelles Wesen. Wir haben einen starken Geschlechtstrieb, wir haben ein starkes Bedürfnis nach sozialen Beziehungen und wir haben Bedürfnis, das Ganze intellektuell zu verstehen. Und deswegen gehe ich mal davon aus, dass schon unsere frühesten Vorfahren an den Lagerfeuern darüber nachgedacht haben, wie sich das mit diesen ganzen Phänomenen verhält. Und für die philosophischen Schulen gilt das in besonderer Weise.
Und da sind wir schon auf Ebene zwei Diese Phänomene sind an sich philosophisch so interessant. Erstens, weil sie den Menschen in einer extremen Tiefe ergreifen. Und auf der anderen Seite, weil es so schwer ist, sie zu identifizieren. Also wo denken wir mal an diese Begriffe, die wir oft ja inflationär verwenden? Wo fängt Liebe an, wo fängt Freundschaft an, wo ist eine genaue Grenze?
Sprechen wir eigentlich über das Gleiche? Ja, und als letztes muss man einfach sagen, dass diese Begriffe sehr wirkungsmächtig sind, und zwar emotional bis hin zum Ökonom. Ganze Wirtschaftszweige leben von ihnen.
Katrin Tominski:
Du hast es eben schon erwähnt, dass gerade diese Trennschärfe Wo fängt Liebe an, wo hört sie auf? Was ist eigentlich Liebe? Damit haben sich die Philosophen ja nun anscheinend schon viele Jahrtausende, kann man ja schon sagen, beschäftigt. Vielleicht ganz kurz Was ist denn jetzt eigentlich liebe?
Markus Tiedemann:
Oha. Also ich. Ich hoffe, dass wir im Laufe dieser Podcastfolge des Öfteren darauf zurückkommen. Deswegen werde ich jetzt wahrscheinlich versagen, eine glorreiche Definition hinzulegen. Ich möchte aber doch folgendes an Unterscheidung bringen. Also wir können klare Definitionen bringen, zumindest in einzelnen Teilbereichen. Und die beziehen sich dann immer entweder auf das Subjekt, also verliebt auf das Objekt. Was wird geliebt oder auf die Motive.
Ich nehme mal die Motive, da würde ich sagen, haben die philosophischen Schulen drei herausgearbeitet. Also Liebe ist entweder Habsucht erobern und gebrauchen wollen. Liebe ist entweder Wertschätzung, Bewunderung und vielleicht auch den Wunsch, in gewissem Maße daran partizipieren zu dürfen. Oder Liebe ist so etwas wie Wohlwollen, das bis zur Selbstaufgabe führen kann. Und damit hätten wir so drei Möglichkeiten, sich der Liebe zu nähern. Und dahinter stehen dann auch wieder philosophische Schulen.
Katrin Tominski:
Die Variante mit der Habsucht gefällt mir persönlich jetzt nicht so gut. Welche Schule ist das?
Markus Tiedemann:
Na ja, das geht schon. Wenn ich mal einen nennen darf, wäre bei Nietzsche. Vielleicht kommen wir später noch auf ihn. Also, liebster, Nietzsches liebes Verständnis, wenn du ein Bild haben willst, sind das die Möwen. Bei Findet Nemo meinte und meint meins. Also es geht darum zu haben, ja auch zu überwältigen und zu gebrauchen. Das ist eine Art der Liebe.
Also Liebe ist Begehren ist sehr egoistisch. Das Mag einem unsympathisch vorkommen. Nietzsche würde sagen Ja, vielleicht ist es aber einfach ehrlich so? Allerdings eine Differenzierung, die wir im Bereich der Liebe noch fällen dürfen, ist die Nietzsche nicht macht, ist die der Unterschied zwischen verliebt sein und lieben. Da ist ein anderer Grad des Begehrens im Spiel. Und man kann auch sagen, das sind zwei völlig getrennte Phänomene. Also falls wir noch auf Erich Fromm zu sprechen kämen, der würde sagen Ja, Liebe ist das eine. Und Verliebtsein ist nichts anderes als Wahnsinn zu zweit.
Katrin Tominski:
Darüber wird ja ganz oft diskutiert. Aber wenn ich dich jetzt richtig verstanden habe, weiß ich, wie Nietzsche genannt, am Anfang sozusagen Liebe als Habsucht. Dann wiederum gibt es ja auch eben die Ansätze Liebe als Selbstaufgabe, was sie jetzt auch in ihrem dritten Ansatz genannt hat. Verstehe ich das richtig, dass ich ich will es jetzt mal tut, auch nach über 2000 Jahren sozusagen heute keine Status Quo Liebes Definition zusammengefasst werden kann?
Markus Tiedemann:
Also wir haben eine Anzahl von Definitionen, aber wir haben nicht die eine, die in der Lage ist, alle Fragen zu beantworten. Die haben wir nicht.
Katrin Tominski:
Das ist spannend. Vielleicht kommen wir gleich mal zum Begriff Freundschaft. Unterscheidet sich Liebe von Freundschaft? Und wenn ja, wie viel?
Markus Tiedemann:
Sehr, sehr schwierige Frage. Also, wir haben eine Möglichkeit, das relativ klar zu unterscheiden. Und dann später wird es wieder diffus. Die klare Unterscheidung wäre, dass wir sagen, Liebe ist primär ein Gefühl, also ein emotional, ein emotionaler Zustand, während Freundschaft so was wie eine soziale Disposition ist. Eine soziale Relation ist. Ich kann nicht alleine Freundschaft leben. Also Robinson kann ohne Freytag nicht Freund sein. Robinson kann aber ohne Freitag lieben. Also Liebe ist einseitig. Freundschaft muss immer wechselseitig sein, sonst macht es keinen Sinn.
Katrin Tominski:
Da muss ich jetzt mal kurz zwischen gehen. Ist es wirklich so, dass Liebe einseitig ist?
Markus Tiedemann:
Nein, nein, sie ist nicht einseitig, aber sie kann einseitig sein.
Katrin Tominski:
Kann sie überhaupt entstehen, wenn sie einseitig ist?
Markus Tiedemann:
Das weiß ja jeder von uns, der schon mal unglücklich verliebt war und von dem oder der geliebten Null wahrgenommen wurde. Wir können sogar Dinge lieben. Also strenggenommen sind wir Naturliebhaber. Wir können aber keine Naturfreunde sein, weil die Natur ist die Natur und hat keine emotionale Beziehung zu uns. Wir haben emotionale Beziehung zur Natur. Es gibt Sammler von unbelebten Gegenständen, die lieben ihre Gegenstände, werden aber nicht geliebt.
Will also besagen Liebe kann einseitig sein. Muss es natürlich nicht. Freundschaft muss wechselseitig sein, sonst lässt sich nicht sauber denken. Und dann geht es aber trotzdem. Die Nähe zwischen beiden. Und falls wir dazu kommen, würde ich gerne die These vertreten, dass wahre Freundschaft bei Aristoteles und das, was Erich Fromms Reife Liebe nennt, mehr oder weniger das gleiche Phänomen beschreiben.
Katrin Tominski:
Das klingt ganz spannend. Das lässt sehr neugierig machen auf alles, was jetzt in noch weiter kommt. Ich möchte noch mal zum Überblick. Jetzt weiter zum Sex gehen. Wir haben über Liebe und Freundschaft gesprochen. Markus Kann Sex als Grenze dazwischen formuliert werden?
Markus Tiedemann:
Ich kann die Frage sehr gut nachvollziehen. Und das Sympathische daran ist, dass sie zum Beispiel in Schulklassen andauernd gestellt wird, weil dort so ein Bedürfnis nach Romantik besteht und gleichzeitig auch nach Sicherheit, dass man diese Phänomene klar voneinander abgrenzen kann. Aber die Antwort lautet Nein. Sex kann keine verlässliche Unterscheidung zwischen Liebe und Freundschaft sein. Ich kann natürlich auch Sex mit meiner Freundin oder meinem Freund haben.
Wir kennen das Phänomen Freundschaft Plus und man muss natürlich sagen, dass Sexualität ganz ohne Liebe und ganz ohne Freundschaft besteht. Zwei Beispiele in der Prostitution. Hoffen wir, dass es wenigstens auf einen fairen Deal hinaus geht. Läuft. In der Vergewaltigung läuft das einfach nur auf Grausamkeit hinaus. Das heißt, dort manifestiert sich Sexualität ganz ohne Liebe und Freundschaft, weswegen sie weder dem einen noch dem anderen verbindlich anhaftet.
Katrin Tominski:
Sexualität ist also ein ganz besonderes Phänomen. Er macht die Liebe ganz erfüllend, er macht die Freundschaft interessant oder es macht die Liebe ganz erfüllend, die Freundschaft ganz interessant, kann aber auch für sich alleine stehen, weil sie die gute alte Formel Freundschaft ist. Alles ohne Sex und alles, was mit Sex ist, ist eine Liebe. Die stimmt also nicht.
Markus Tiedemann:
Ich glaube, man kann sie logisch nicht verteidigen, weil wir jede Menge Phänomene finden, die anders zusammen gestrickt sind.
Katrin Tominski:
Wir werden auch in den nächsten Folgen jetzt nicht viel sagen. Ich möchte noch kurz einen Schritt zurück gehen. Wir haben ja jetzt vorher gefragt Brauchen wir Liebe für guten Sex? Umgekehrt Ist Sex denn wichtig für die Liebe? Oder kann die Liebe auch ohne Sex bestehen?
Markus Tiedemann:
Also Liebe kann definitiv ohne Sex bestehen. Es gibt ja Formen. Also noch mal, wenn es ohne Genitalien gemeint ist, dann sind ja schon alle Formen der Liebe raus, die wir so mit Elternliebe, Geschwistern, Liebe, Freundschaft, Liebe und so etwas beschreiben würden. Also das wir ja schon hinreichend. Dann gibt es asexuelle Menschen, das sind Menschen, die keine Genialität lieben, aber sehr wohl zur Liebe fähig sind. Und insofern lässt sich das relativ leicht sagen, dass Liebe ohne Sexualität möglich ist.
Katrin Tominski:
Das war alles sehr aufschlussreich. Ich danke dir für diese Reise ins Reich der Philosophie. Ich bin auch schon ganz gespannt, wie es weitergeht. In der nächsten Folge dreht sich alles um Mythen und deren Auswirkungen auf unser Verständnis von Liebe und Sex. Warum waren die Griechen so tolerant und warum ist das Christentum so lustfeindlich? Das klären wir beim nächsten Mal. Für heute sagen wir Tschüss. Das war die erste Folge des Podcasts Liebe, Sex und Freundschaft. Fragen und Antworten der Philosophie. Danke dir, Markus.
Markus Tiedemann:
Ich danke dir.
Katrin Tominski:
Ich bin Katrin Tominski. Wir freuen uns auf euch in der nächsten Folge. Bis bald.
Das war unser Podcast Liebe, Sex und Freundschaft, Fragen und Antworten der Philosophie mit Markus Tiedemann und Katrin Tominski. Musik: Sven Germerot, Technik: Birgit Nockenberg.
Und schaltet auch das nächste Mal gern wieder ein.
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Sprecher:innen
Katrin Tominski
Katrin Tominski ist freie Journalistin und veröffentlicht vor allem in Online- und Hörfunkredaktionen des Mitteldeutschen Rundfunks, gelegentlich auch beim Magazin „Veto“ und „Zeit Online“. Sie betreut als Redakteurin die Radio-Live-Gesprächsrunde „Dienstags direkt“, analysiert als Wissenschaftsjournalistin bei MDR WISSEN in neue Erkenntnisse aus der Forschung und publiziert regelmäßig zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Themen bei MDR SACHSEN. Die Thüringerin ist gelernte Verlagskauffrau, hat Kulturwissenschaften, Journalistik und Politikwissenschaften in Leipzig und Lyon studiert lebt und arbeitet heute in Dresden.
Markus Tiedemann
Markus Tiedemann ist Professor für Didaktik der Philosophie und für Ethik am Philosophischen Institut der TU Dresden. In seinen überwiegend auf Studierende des Lehramts ausgerichteten Vorlesungen behandelt er Themen und Konzepte wie Streitkultur, Post-Aufklärungs-Gesellschaft, transzendentale Toleranzerziehung und normative Integration, die er nicht nur durch eine umfassende fachdidaktische Ausbildung ergänzt, sondern auch durch Exkursionen und Praxisseminare. 2023 wurde er für sein Engagement von der UNICUM-Stiftung als "Professor des Jahres" in der Kategorie Geistes-, Gesellschafts- und Kulturwissenschaften gewählt.
Produktionsteam
Professor Markus Tiedemann, Professur für Didaktik der Philosophie und für Ethik, TU Dresden
Katrin Tominski, Wissenschaftsjournalistin MDR
Sven Germeroth, Musik- und Jingleproduktion
Birgit Nockenberg, Technik und Wortproduktion
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