01.08.2022
Forschungsprojekt zum Antoniterorden am 01. August 2022 gestartet
Die Antoniter gehören trotz ehemals weiter Verbreitung und außergewöhnlich hoher kultureller Präsenz zu den heute wenig bekannten geistlichen Gemeinschaften. Während ihres Wirkens zwischen dem 11. und dem 18. Jh. verfügten sie über mehr als 350 Niederlassungen in ganz Europa wie auch im Hl. Land und zählten mit ihren Hospitälern zu den bedeutendsten Trägern karitativer Fürsorge. Sie formierten sich an einer südfranzösischen Pilgerstätte mit Reliquien des Mönchsvaters Antonius als Bruderschaft, zu der anfänglich Männer ebenso wie Frauen gehörten. Unter dem Patronat dieses Heiligen widmeten sie sich vor allem der Pflege der am sogenannten Heiligen Feuer (ignis sacer) Erkrankten. Hierbei handelte es sich in vielen Fällen um ein Krankheitsphänomen, das durch den Verzehr von mit Mutterkornpilzen kontaminiertem Getreide (Ergotismus) verursacht wurde, aber auch um andere, symptomatisch vergleichbare Leiden. Das erste durch die Antoniter betreute Hospital erwies sich als so erfolgreich, dass ihnen zeitnah weitere übertragen wurden. Ausschlaggebend hierfür war nicht zuletzt der Umstand, dass die Antoniter nie nur pflegerisch, sondern immer auch kurativ-therapeutisch tätig waren. Mit diesem Alleinstellungsmerkmal unterschieden sie sich von allen anderen Hospitalorden. Trotz dieser herausragenden Bedeutung nicht nur für die Geschichte religiöser Gemeinschaften, sondern auch für die der institutionalisierten Fürsorge wurden zentrale Grundtexte des Ordens noch nie ediert.
Das Projekt möchte dieses gravierende Desiderat in zwei komplementären Arbeitsbereichen aufgreifen. Bei diesen handelt es sich zudem um die einzigen beiden, die den Orden als Ganzes und in seinem Wesen betreffen: Sein vorrangiges Ziel ist die erstmalige und dann Open Access zugängliche Edition des gesamten Überlieferungsbefundes der mittelalterlichen Statuten des Ordens, nämlich jene aus den Jahren 1367, 1420 und 1478. Als selbst gesetztes Eigenrecht können diese Texte in besonderer Weise über die bisher nahezu unbekannte Verfassungsstruktur der Antoniter Aufschluss geben und damit die normativen Grundlagen einer europaweit vernetzten und trotz lokaler Verortung immer überregional agierenden Gemeinschaft erhellen.
Dieses Vorhaben soll durch eine systematische Erfassung und Analyse der medialen Ausdrucksformen des Ordens begleitet werden. Im Fokus stehen hier Bildmedien (Einblattdrucke, Tafelbilder, Wand- und Buchmalerei) und Skulpturen, aber auch Predigten und liturgische Texte. Sie werden als Symbolisierungsleistungen zu untersuchen sein, mit denen die Antoniter ihre Leitideen auszudrücken, zu vermitteln und auch zu legitimieren suchten. Die komplementäre Bearbeitung beider Projektteile wird es erlauben, jene Faktoren zu erfassen, die den außerordentlichen Erfolg des Ordens ermöglichten und über lange Zeit hinweg garantierten.