Jun 08, 2018
Rückblick auf das Ökumenische Forum an der TU Dresden am 02. Juni 2018
Unter dem provokativen Titel „Wege der Wahrheit“ wurde am 2. Juni 2018 beim 21. Ökumenischen Forum die Frage „Was ist Wahrheit?“ bearbeitet und kritisch diskutiert, wie Christen mit der Wahrheitsfrage umgehen können in der Begegnung mit dem Populismus.
Am Vormittag waren im großen Hörsaal des Weberbaus mit Interesse und Spannung fünf eindrückliche Impulsreferate von Grazer und Dresdner TheologieprofessorInnen zu hören, die verschiedene Zugänge zum Thema eröffneten: kirchengeschichtlich, biblisch, sozialethisch sowie religionspädagogisch.
Diese bildeten die Grundlage für die Podiumsdiskussion am Nachmittag unter der Moderation von Elisabeth Naendorf, die den ökumenischen Charakter des Themas damit begründete, dass die Christen nur gemeinsam mit Worten und Taten für die Wahrheit des Evangeliums einstehen können.
Professor Gerhard Lindemann betonte in seinem Einführungsreferat zum Populismus, dass der gegenwärtige Rechtspopulismus den demokratischen Rechtsstaat in eine „illiberale Demokratie“ zu ändern versuche, und er plädierte an die Verantwortung jedes Einzelnen den demokratischen Rechtsstaat zu verteidigen.
Der lebendige Vortrag von Professorin Irmtraud Fischer stellte die alttestamentliche Prophetie als Widerstand gegen den Populismus heraus, indem sie an den Propheten des Alten Testaments zeigte, dass Propheten meist nicht das Populäre sagen, sondern gerade Gegenläufiges zur Meinung des Volkes verkünden. Gerade in der Antwort auf rechtspopulistische Botschaften brauche es starke gegenläufige und umfassend menschenfreundliche Stellungnahmen.
Die Gedanken von Professor Leopold Neuhold und seinem Mitarbeiter Thomas Gremsl fokussierten in der Frage nach der Begegnung mit dem Populismus das altgriechische Konzept der Agora (Marktplatz als Ort der Demokratie). Dabei kommt es zu Überschneidungen des politischen und des privaten Bereichs der Gesellschaft und optimalerweise zum wechselseitigen Sich-verständlich-Machen. Dieser Marktplatz des Austauschs von Ideen wird heute oft von populistischen Akteuren missbraucht und so Demokratie im Sinne des Aushandelns von Konsensen verhindert.
Aus religionspädagogischer Perspektive begründete Dr. Monika Prettenthaler auch und gerade religiöse Bildung im Sinne einer Urteils- und Differenzierungskompetenz als den „subversivsten Weg“ populistischen Tendenzen zu begegnen. Sie verwies auf die christliche Antwort zur Wahrheitsfrage in der Person Jesu Christi und damit einhergehender Wahrheitserkenntnis als Beziehungsgeschehen. Wahrheit gibt es demnachzufolge vor allem im Sinne von Treue und Zuverlässigkeit und spätestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil aus katholischer Perspektive auch als Wahrheit der Anderen.
Der Vormittag wurde in seiner facettenreichen Suche nach einer christlichen Antwort auf den Populismus von einem Zwischenruf durch Professor Christoph Heil abgerundet. Er begründete am Beispiel des Apostels Paulus, warum ein Christ kein Nationalist sein kann. Der Theologie von Paulus folgend plädierte er dafür, eigene Grenzen zu überschreiten und „ökumenisch für ein offenes, einladendes Christentum“ einzustehen.
Die anschließende Podiumsdiskussion konzentrierte sich auf die Frage nach Kriterien eines erfolgreichen Diskurses und hob die Bedeutung des aufmerksamen Zuhörens und überlegten Antwortens von Gesprächsteilnehmern aller beteiligen Seiten hervor. Eine Grenze des Diskurses ist jedoch dort gegeben, wo das Gegenüber unbestrittene Fakten nicht anerkennt und die Rechtsgrundlagen des demokratischen Verfassungsstaates negiert oder gar beseitigen will. Abgeschlossen wurde mit der spannenden Frage an die Referenten nach einem Beispiel für einen gelungenen Diskurs. Beispiele aus Literatur, der christlichen Theologie der Antike, der theologischen Friedensethik des 20. Jahrhunderts sowie aus persönlichen Erfahrungen wurden genannt.
Der Gedanke, dass ein Diskurs überall dort gelingen kann, wo sich Personen wirklich aufeinander einlassen, bildete ein gelungenes Schlusswort der Diskussion.
Franziska Böhmer / Monika Scheidler