28.02.2022
Offener Brief von Wissenschaftlern und Wissenschaftsjournalisten aus Russland gegen den Angriff auf die Ukraine
Wir, russische Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten, protestieren entschlossen gegen die von den Streitkräften unseres Landes auf dem Territorium der Ukraine begonnene Militäroperation. Dieser fatale Schritt wird unendlich viele Menschen das Leben kosten und er untergräbt die Grundlagen der internationalen Sicherheitsordnung. Die Verantwortung für die Entfesselung dieses Krieges in Europa liegt allein bei Russland.
Es gibt keinerlei rationale Rechtfertigung für diesen Krieg. Der Versuch, die Situation im Donbass als Vorwand für eine Militäroperation zu nutzen, ist vollkommen unglaubwürdig. Es ist absolut offensichtlich, dass die Ukraine keine Bedrohung für die Sicherheit unseres Landes darstellt. Dies ist kein gerechter Krieg, er ist eindeutig ungerechtfertigt.
Die Ukraine war und ist ein Land, das uns nahesteht. Viele von uns haben Verwandte, Freunde und wissenschaftliche Kollegen, die in der Ukraine leben. Unsere Väter, Großväter und Urgroßväter haben gemeinsam gegen den Nationalsozialismus gekämpft. Die von geopolitischen Ambitionen und zusammenphantasierten historischen Weltbildern angetriebene Führung der Russländischen Föderation verrät mit diesem Krieg in zynischer Weise deren Andenken.
Wir respektieren die ukrainische Staatlichkeit, die auf demokratischen Institutionen beruht. Wir haben Verständnis für die Entscheidung unserer Nachbarn, sich nach Europa zu orientieren. Wir sind überzeugt, dass alle Probleme in den Beziehungen zwischen unseren Ländern friedlich gelöst werden können.
Indem Russland diesen Krieg begonnen hat, hat es sich international isoliert, Russland ist seit heute ein Paria-Staat. Das bedeutet, dass wir Wissenschaftler unsere Arbeit nicht mehr wie gewohnt fortführen können, denn wissenschaftliche Forschung ist ohne die umfassende Zusammenarbeit mit Kollegen aus anderen Ländern undenkbar. Die Abschottung Russlands von der Welt führt dazu, dass unser Land einen weiteren kulturellen und technologischen Niedergang erleben wird, ohne Aussicht auf einen Ausweg. Der Krieg gegen die Ukraine ist ein Schritt in den Abgrund.
Es ist sehr bitter, dass wir erkennen müssen, dass unser Land, das entscheidend zum Sieg über den Nationalsozialismus beigetragen hat, heute einen neuen Krieg auf dem europäischen Kontinent provoziert. Wir fordern ein sofortiges Ende aller gegen die Ukraine gerichteten Militäroperationen. Wir fordern die Achtung der Souveränität und territorialen Integrität des ukrainischen Staates. Wir fordern Frieden für unsere Länder. Lasst uns Wissenschaft betreiben, nicht Krieg.
642 Unterschriften, Stand: 25.02.2022, 16:05 (MEZ)