Forschungsstelle Franz von Baader
Fritz Thyssen Stiftung
Franz von Baader (1765–1841) ist ein herausragender Vertreter der deutschen Romantik. Seine Bedeutung unter anderem für Hegel, Schelling, Jacobi, Goethe, Kierkegaard, die katholische Tübinger Schule und schließlich Benjamin und Heidegger steht jedoch in geradezu krassem Gegensatz zur desolaten, die Baaderrezeption und Baaderforschung bis heute weithin kennzeichnenden Quellenlage. Baaders aus etwa 130 Schriften bestehendes Œuvre liegt trotz seiner geistesgeschichtlichen Bedeutung sowie des nicht unbeträchtlichen, immer wieder geäußerten Forschungsinteresses bislang in keiner kritisch zuverlässigen und kommentierten Edition vor. Die von dem Baaderverehrer Franz Hoffmann besorgte und in einem relativ kurzen Zeitraum nach dem Tod des Philosophen (1841) erschienene Gesamtausgabe (1851ff.), auf die in Forschung und Lehre in der Regel zurückgegriffen wird, transportiert ein Baader stark verzeichnendes Bild durch die Forschungsgeschichte.
Im Oktober 2011 konnte aus Mitteln der DFG eine Forschungsstelle zu Franz von Baader unter der Leitung von Herrn Dr. phil. Alberto Bonchino eingerichtet werden, die dem Institut für Katholische Theologie der TU Dresden angegliedert wurde und deren primärer Zweck es war, eine kritisch edierte und wissenschaftlich kommentierte Ausgabe der Hauptwerke Baaders zu erstellen. Die Realisierung der geplante insgesamt auf vier Bände angelegte Ausgabe wurde 2016 von der Fritz-Thyssen-Stiftung übernommen und bis 2019 großzügig finanziert.
Die vierbändige Baader-Edition umfasst insgesamt 24 Texte von 1792 bis 1838 in chronologischer Reihenfolge. Es handelt sich um Werke, die zum einen von Baader selbst bereits zu seinen Lebzeiten herausgegeben und veröffentlicht worden sind und zum anderen die wesentliche und zusammenhängende Entwicklung seines Philosophierens deutlich erkennen lassen.
Band I (»Schriften zur Naturphilosophie«) enthält insgesamt sechs Texte aus den Jahren 1792 bis 1809. Inhaltlich ist jeder dieser Texte für Baaders Gedankenwelt repräsentativ, denn seine naturphilosophischen, ethischen, religiösen sowie metaphysischen Grundeinstellungen treten hier ausgeprägt hervor. Zugleich gehören die sechs ausgesuchten Schriften zu den wirkungsgeschichtlich besonders einflussreichen Werke Baaders, die von den bedeutendsten Zeitgenossen, darunter Goethe, Novalis und Schelling, mit großer Begeisterung begrüßt und rezipiert worden sind. Diese Schriften wurden auch in die von Baader selbst herausgegebenen Teilsammlungen der Jahre 1809 sowie 1831–1832 aufgenommen. Dementsprechend wurden die Texte in der vorliegenden historisch-kritischen Baader-Edition mit diesen Ausgaben kollationiert. Alle Schriften wurden im einzelnen kritisch bearbeitet und durch erklärende Anmerkungen erschlossen. Jedem Text wurden editorische Berichte vorangestellt, die dessen jeweilige Entstehungsgeschichte, Editionslage und Wirkungsgeschichte wissenschaftlich darstellen. Die Druckbeihilfe für die Veröffentlichung dieses ersten Bandes wurde von der Fritz Thyssen Stiftung bereits bewilligt. Der Band erscheint im Jahr 2020.
Band II (»Schriften zu Mystik und Theosophie«) enthält sechs Abhandlungen aus den Jahren 1808 bis 1818. Sie sind inhaltlich für das Verständnis von Baaders Gedankenwelt insofern besonders wichtig, als seine mystischen und theosophischen Grundeinstellungen hier ausgeprägt zutage treten. Zugleich stellen sie den Übergang zur Spätphase Baaders dar, in der er sich zunehmend in eine theosophisch-spekulative Richtung entwickelt hat, in welcher die naturphilosophischen Grundlagen der Ethik durch hermeneutische Bemerkungen über die Werke von Thomas, Eckart, Tauler und Böhme ergänzt bzw. sogar neu begründet wurden. Diese Schriften wurden ebenfalls in die von Baader selbst herausgegebenen Teilsammlungen der Jahre 1809 sowie 1831–1832 aufgenommen. Dementsprechend wurden die Texte in der vorliegenden historisch-kritischen Baader-Edition mit diesen Ausgaben kollationiert. Alle Schriften wurden im einzelnen kritisch bearbeitet und durch erklärende Anmerkungen bzw. einen Sachkommentar erschlossen. Jedem Text wurden editorische Berichte vorangestellt, die dessen jeweilige Entstehungsgeschichte, Editionslage und Wirkungsgeschichte wissenschaftlich darstellen. Ein Antrag auf Druckbeihilfe für die Veröffentlichung dieses zweiten Bandes wurde bei der Fritz Thyssen Stiftung eingereicht.Band III der Baader-Edition enthält die bekannten »Fermenta Cognitionis« (1822–1825), die zumeist als Hauptwerk Baaders gelten und die u.a. Hegel 1827 beifällig erwähnt: 161 Reflexionen mit hochspekulativen Entwürfen zur Theologie, Philosophie und Mystik auf der Grundlage der Theosophie Jacob Böhmes.
Band IV enthält die »Vorlesungen über spekulative Dogmatik« (1828–1838) samt den »Bemerkungen über das zweite Kapitel der Genesis« (1829) aus der Lehrtätigkeit Baaders an der Münchener Universität, die eine Fortsetzung bzw. Vertiefung der »Fermenta Cognitionis« darstellen und die exhaustive Ausarbeitung des Androgynen-Mythos mit seinen nicht nur religiösen, sondern auch gesellschaftlichen und ästhetischen Konsequenzen exemplarisch darstellen. Da es zu allen, in diesen zwei letzten Bänden herausgebrachten Schriften, keine zweite bzw. dritte Auflage gibt, aber sie dennoch in den Sämtlichen Werken von Hoffmann stark überarbeitet wurden, ist jeder einzelne Text als editioprinceps erschlossen worden, so wie er zu Lebzeiten Baaders vorlag. Als Textvorlage wurde jeweils der am besten erhaltene Erstdruck der jeweiligen Schrift verwandt. Die Kollationierung wurde innerhalb des Erstdrucks durchgeführt. Der Text wurde durch erklärende Anmerkungen bzw. einen Sachkommentar erschlossen. Jedem Band wurden editorische Berichte vorangestellt.
Die Edition wird vom Verlag Ferdinand Schöningh (Brill) in Buch- sowie elektronischer Form publiziert. Damit wird ermöglicht, von den problematischen »Sämtlichen Werken« (1851–1860), bis heute der einzigen aber sehr fragwürdigen Textgrundlage für die Baaderforschung, abrücken zu können und so die Einordnung des bedeutenden Gelehrten Franz von Baader in das intellektuelle Netzwerk seiner Zeit auf wissenschaftlich solide Grundlagen zu stellen.
Von Anfang an war und ist die Arbeit so angelegt, dass die Erschließung der geistigen, philosophischen, theologischen und wissenschaftlichen »Konstellationen«, in denen Baader selbst zu verorten ist, sowie die Erarbeitung der Rezeptions- und Wirkungsgeschichte seines Denkens bis in die Gegenwart, zwei unverzichtbare Komponenten für die Einbettung unserer Editionsarbeit in einen größeren Forschungskontext sind. Mithin haben Herr Dr. A. Bonchino und Herr Prof. A. Franz sich dazu entschlossen, neben der textkritischen Editionsarbeit eine diesem Anspruch genügende wissenschaftliche Reihe mit dem Titel »Baaderiana« ins Leben zu rufen. Mit folgenden drei wissenschaftlichen Publikationen wurde die Reihe »Baaderiana« eröffnet: 1) A. Bonchino: »Materie als geronnener Geist. Drei Studien zu Franz von Baader und zur philosophischen Konstellation seiner Zeit«. Paderborn 2014; 2) A. Bonchino/A. Franz: »Aufklärung und Romantik als Herausforderung für katholisches Denken«. Paderborn 2015 und 3) Franz von Baader: »Jugendtagebücher 1786–1793. Mit Vorwort und kritischem Kommentar«, herausgegeben von Alberto Bonchino. Paderborn 2017. Die bereits erschienen Bände wurden bis dato in folgenden wissenschaftlichen Fachzeitschriften ausführlich besprochen: »Neue Zeitschrift für Einsiedler. Mitteilungen Internationale Arnim-Gesellschaft« 2014 (Steffen Dietzsch), »Coincidentia – Zeitschrift für europäische Geistesgeschichte« 2014 (Harald Schwaetzer), »Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie« 2016 (Jean-Claude Wolf), »Theologische Revue« 2017 (Michael Seewald) und »Rivista di filosofia« 2019 (Martino Rossi-Monti).
Projektleiter:
Alberto Bonchino