Das Lab
Vom Kreißsaal bis zum Hospiz, vom Sportverein bis zur NGO, vom Versicherungsschein bis zum Parteibuch – Organisationen sind in unserer Gesellschaft so allgegenwärtig, dass ihre Besonderheiten kaum mehr bemerkt werden. Das Lab widmet sich Forschungsprojekten, die die im Alltag meist abgeschattete Vielschichtigkeit, ja Gegenläufigkeit organisationaler Prozesse aufschlüsseln. Dabei gehen wir davon aus, dass besonders ein Rückgriff auf die soziologische Differenzierungstheorie dazu dienen kann, konkrete Problemlagen und Entscheidungsfragen innerhalb von Organisationen genauer zu analysieren.
Organisation und Differenzierung
Viele aktuelle gesellschaftliche Problemlagen und Entwicklungen können soziologisch nur adäquat erfasst werden, wenn man berücksichtigt, dass wir in einer Gesellschaft leben, die vielfältig differenziert und zugleich in fast allen ihren Teilbereichen von Organisationen durchwirkt ist. Wir gehen daher davon aus, dass Organisation und Differenzierung die prägenden Strukturprinzipien der modernen Gesellschaft sind.
Wenn in den Sozialwissenschaften von Differenzierung die Rede ist, dann geht es sehr häufig um funktionale Differenzierung. Dieser Differenzierungstyp wird vielfach als bestimmend für die moderne Gesellschaft erachtet. Er zeichnet sich durch die Herausbildung von spezialisierten Kommunikations- und Handlungsbereichen (wie etwa Politik, Wissenschaft oder Recht) aus, die je unterschiedliche Operationsmodi aufweisen und je unterschiedliche gesellschaftliche Probleme lösen. Die moderne Gesellschaft ist aber auch dadurch gekennzeichnet, dass in ihr – aufs Ganze gesehen – der Entscheidungsbedarf drastisch anwächst. Organisationen reagieren als formalisierte soziale Gebilde auf dieses Problem, indem sie diesen Entscheidungsdruck kanalisieren und dadurch gesellschaftliche Ansprechbarkeit und Handlungsmöglichkeiten in zuvor ungekanntem Maße vergrößern.
Das Lab sieht seine Arbeitschwerpunkte vor allem dort, wo organisationsförmiges Entscheiden und gesellschaftliche Differenzierungsstrukturen „aufeinanderprallen“ und wo sich entweder Formen des Organisierens als problematisch für das Differenzierungsniveau der Gesellschaft erweisen könnten oder gesellschaftliche Anforderungen die Autonomie organisationalen Entscheidens fraglich werden lassen.