#GENDERTROUBLED
Antifeminismus und Mobilisierungen gegen 'Gender'
Vortrags- und Diskussionsabend mit Franziska Schutzbach und Juliane Lang
Seitdem sich Frauen für ihre Rechte, für Entscheidungsmacht über ihr eigenes Leben und Chancengleichheit einsetzen, müssen sie mit harschem Gegenwind rechnen. Dabei variiert der Antifeminismus über die Jahrzehnte in Formen, Schwerpunkten und Strategien. In der jüngsten Zeit ist insbesondere der Begriff gender von Seiten neuer rechter und anderer antifeministischer Akteur*innen in einen Kampfbegriff verwandelt worden. Unter dem Vorwurf des „Genderismus“ werden Personen, die sich politisch oder wissenschaftlich zu Geschlechterverhältnissen äußern, öffentlich beleidigt und bedroht. Erkenntnisse sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschungen zu Geschlecht werden pauschal abgewertet, Gleichstellungsmaßnahmen lächerlich gemacht und für überflüssig erklärt. Solche Akte der Schmähung und Herabsetzung sind ein zentraler Bestandteil der Mobilisierung im Konflikt um den Erhalt und die Veränderung von Geschlechterverhältnissen. Der Diskurs um Gender ermöglicht einen Brückenschlag zwischen rechten Weltanschauungen und jenen, die als der bürgerlichen Mitte zugehörig gelten.
Im Rahmen des Vortrags- und Diskussionsabend referiert Franziska Schutzbach über rechte Diskursstrategien und -verschiebungen. Juliane Lang beleuchtet in ihrem Beitrag die dahinterliegende Akteurslandschaft. In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum soll die Frage nach Gegenstrategien im Mittelpunkt stehen.
Termin:
Dienstag, 04. Juni 2019; 19:00 Uhr
Klemperer-Saal (SLUB, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek), Dresden
Eine Kooperationsveranstaltung des SFB 1285 – Invektivität. Konstellationen und Dynamiken der Herabsetzung und des Instituts für Soziologie der TU Dresden.
Referentinnen:
Franziska Schutzbach (Basel), Geschlechterforscherin und Soziologin, Autorin von „Die Rhetorik der Rechten. Rechtspopulistische Diskursstrategien im Überblick“ (Zürich/München 2019)
Juliane Lang (Berlin/Marburg), Erziehungs- und Geschlechterwissenschaftlerin, Mitherausgeberin von „Antifeminismus in Bewegung. Aktuelle Debatten um Geschlecht und sexuelle Vielfalt“ (Hamburg 2018)
Moderation:
Felix Schilk (Institut für Soziologie, TU Dresden)
Organisatorinnen: Sonja Engel (SFB 1285 Invektivität, TU Dresden), Jana Günther (Institut für Soziologie, TU Dresden)
Nach der Veranstaltung: Zwei Fragen an die Referentinnen
Geschlechterordnungen sind umkämpft und Polemiken gegen feministische Positionen und Personen, die sich gegen geschlechterbezogene Diskriminierungen wehren, sind historisch kein neues Phänomen. Warum ist die Auseinandersetzung mit Antifeminismus gerade heute besonders wichtig?
Franziska Schutzbach: Antifeminismus und Anti-Gender-Rhetorik spielen bei der „Einmittung“ rechter Weltanschauungen eine zentrale Rolle. Sie machen rechte Denkweisen in der gesellschaftlichen Mitte salonfähig und ermöglichen es Teilen der Gesellschaft, nach rechts zu rücken, ohne dass es rechts aussieht. Antifeminismus hat also eine zentrale Funktion rechter Politik. Es ist wichtig, sich damit zu beschäftigen und die Mechanismen zu durchschauen.
Juliane Lang: Weil antifeministische Ressentiments anschlussfähig sind für unterschiedliche politische Lager und Milieus. Und weil sie in Teilen von einer Unsicherheit darüber zeugen, wodurch sich Geschlechterordnungen und Geschlechterrollen heute auszeichnet. Aus der Geschlechterforschung wissen wir, dass die landläufige Annahme von Geschlecht als etwas „Natürlichem“, Naturgegebenem so nie gestimmt hat. Und doch geben Geschlechterrollen Orientierung in einer als zunehmend unübersichtlich wahrgenommenen Welt. Rechte und andere antifeministische Gruppen greifen diese Unsicherheit auf und setzen der Vieldeutigkeit von Geschlecht und Geschlechterrollen traditionelle Bilder fürsorgender Frauen und kämpfender Männer entgegen. Die gezeichnete Geschlechteridylle bleibt dennoch aggressiv: weil sie die Lebensrealitäten von Frauen*, von homo-, trans- und intergeschlechtlichen Menschen ebenso ausblendet wie die Ablehnung die Männer* erfahren, die nicht dem klassischen Bild des soldatischen Mannes entsprechen (wollen).
Was zeichnet aktuelle antifeministische Positionen - auch in Abgrenzung zu älteren Formen aus - und wie schätzen Sie Tendenzen weiterer Entwicklungen ein?
Juliane Lang: Frühere Bewegungen lehnten noch ganz klassisch die Emanzipation und Selbstbestimmung von Frauen* ab, sie versagten Frauen* das Wahlrecht oder den konsequenten Schutz vor männlicher Gewalt. Heutige Antifeminist*innen dagegen beziehen sich positiv auf all jene Errungenschaften von Frauen*bewegungen – und nehmen durchaus Bezug auf die Kämpfe unserer Mütter und Großmütter, behaupten sich gar in einer Kontinuität mit ihnen. Sie wählen sich gleichzeitig heutige (queer-)feministische Bewegungen als Feindbild aus. Im Mittelpunkt ihrer Mobilisierungen steht die Vielfalt sexueller, geschlechtlicher und familialer Lebensweisen – und sie lehnen die Sichtbarkeit und eine damit einhergehende Anerkennung derselben ab. In starken Bildern und Emotionen wird behauptet, man müsse Kinder schützen, man müsse die (heterosexuelle) Familie verteidigen gegen eine Auspluralisierung von Lebensweisen. Gezeichnet wird ein Bild einer machtvollen „Gender-Lobby“, die Familien zerstöre und Kinder sexualisiere. Nichts davon ist der Fall, geht es Feminist*innen doch nicht darum, Menschen in ein neues Zwangskorsett zu stecken – sondern um ein gleichberechtigtes Leben für alle, unabhängig von geschlechtlichen Normen.
Franziska Schutzbach: Zentral sind in neo-reaktionären Politiken auch die Verbindungen von Antifeminismus und Wissenschaftsfeindlichkeit. Die Gender Studies werden massiv angegriffen, darin zeigt sich eine Abwehr kritischer Forschung insgesamt. Auch stehen die Gender Studies für die verhassten staatlichen Insitutionen und nicht zuletzt sind dort viele Frauen tätig. Hier verbinden sich Anti-Etatismus, Misogynie und Wissenschaftsfeindlichkeit/Antiintellektualismus. Ich denke, dass diese Anfeindungen aber auch auf einen Wandel reagieren. Gerade weil Frauen, queere Menschen und viele andere minorisierte Menschen heute so laut für ihre Belange einstehen, verlieren andere an Definitionshoheit. Ehemalige Selbstverständlichkeiten und Privilegien, männliche Suprematie usw. stehen ganz massiv unter Druck. Das Patriarchat ist, mal salopp gesagt, am Ende. Die Entwicklungen lassen sich nicht mehr zurückdrehen, die Pluralisierung von Lebensformen, die Präsenz von Frauen in Machtpositionen und öffentlichen Debatten geht nicht mehr zurück. Genau das spürt man, und genau deshalb sind die Reaktionen so aggressiv. Es ist wie bei einem angeschossenen Tier, das in diesem Zustand am gefährlichsten ist.