30 Jahre IHI Zittau: 1. Episode
Aufbau eines trinationalen Universitätsexperiments
Nur Liberec hatte es geschafft: Auf der tschechischen Seite der Euroregion Neisse war aus den die Region prägenden, aus der Textilindustrie erwachsenen Gewerbeschulen eine mittelgroße Technische Universität entstanden, die schließlich auch Wirtschafts- und Naturwissenschaften aufgebaut hatte. Die Hochschule Zittau/Görlitz büsste hingegen ihr partielles Promotionsrecht aus DDR-Zeiten ein und musste sich auf eine Existenz als Fachhochschule einrichten. Und im polnischen Jelenia Góra wurden universitäre Ableger der Wroclawer Hochschulen sozusagen "ferngesteuert".
Das war der entscheidende Antrieb der im ACC organisierten Hochschulen, eine gemeinsame Neugründung anzugehen: Die Euroregion sollte einen universitären Ort mit allen akademischen Rechten erhalten, an denen sich die Nachbarn neu entdecken und gemeinsam als Mitteleuropäer begreifen lernen konnten. Nach Vorbild und Beratung durch die Deutsch-Französische Hochschule verabschiedete der Freistaat Sachsen am 10. April 1992 ein Gesetz, welches die Gründung einer universitären "deutsch-polnisch-tschechoslowakischen" Einrichtung vorsah.
Dieses völlig neuartige Hochschulexperiment wurde von Vertretern der fünf Gründungshochschulen (Zittau/Görlitz, TU Freiberg, TU Liberec, Wirtschaftsakademie O. Lange Wroclaw und Schlesische TU Gliwice) gemeinsam regiert: Eine Art Mini-EU zu einer Zeit, in der Polen und Tschechien noch jahrzehnteweit vom Beitritt entfernt waren!
Und zugleich eine Art "Prä-Bologna-Raum": Die Studierenden der Partnerhochschulen sollten zunächst zweijährige Grundstudiengänge an ihren Heimathochschulen absolvieren, um dann als Beste ihrer Jahrgänge für ein dreijähriges paneuropäisches Aufbau-Diplom an die gemeinsame Einrichtung deligiert zu werden. Ein damals revolutionärer Gedanke, der das System Bachelor/Master mit seiner Mobilität durch ECTS und ERASMUS quasi vorweggenommen hat!
Nacheinander wurden am IHI Zittau die Studiengänge Umweltverfahrenstechnik, Wirtschaftsingenieurwesen, Wirtschaftswissenschaften und Sozialwissenschaften aufgebaut. Prägend in dieser Phase waren die Direktoren Markert und Löhr.