16.06.2025
Körperrepräsentationen und Berührung
Was berühren Sie im Alltag? Stellen Sie sich all die weichen und harten Texturen vor, manche einprägsam, manche vergessenswert: Ihre Hände, die zwischen den Gegenständen am Boden einer Tasche nach etwas suchen, das weiche Fell und die Pfoten einer Katze und die Kälte der Metallstange in der U-Bahn. Diese Erfahrungen erinnern Sie daran, wo Ihr Körper ist, wie er sich anfühlt und was es bedeutet, Sie selbst zu sein. Berührung bedeutet nicht nur, Ihre Umgebung wahrzunehmen, sondern auch sich selbst.
In diesem Beitrag untersuchen wir, wie Berührung uns nicht nur über die Welt informiert, sondern auch eine zentrale Rolle dabei spielt, wie wir unseren Körper verstehen und repräsentieren. Wir betrachten sowohl die wissenschaftlichen Grundlagen dieser Erfahrungen als auch die tieferen philosophischen Fragen, die sie aufwerfen.
Körperschema vs. Körperbild
Ratcliffe (2008) legt nahe, dass bei taktilen Erfahrungen die Grenzen zwischen Selbst und Welt nicht scharf definiert sind. Anders als das Sehen, das ein Gefühl der Außenwelt vermitteln kann, ohne ein Selbstgefühl zu beinhalten, umfasst Berührung von Natur aus sowohl den Berührenden als auch den Berührten. Das macht Berührung einzigartig immersiv: Sie versetzt uns durch die relationale Realität, die sie konstruiert, in die Welt. Zudem ist Propriozeption – das Gefühl für Körperposition und -bewegung – stets mit Berührung verbunden und trägt zu einer einheitlichen Erfahrung der Selbstinteraktion mit der Welt bei.
Das Körperschema ist eine momentane mentale Repräsentation des Körpers, die das unbewusste Bewusstsein seiner Position und Bewegung beinhaltet. Es leitet unser Handeln im Alltag: Ohne ein Körperschema hätten wir kein Gefühl für unsere physische Präsenz und dafür, was unser Körper in einem bestimmten Moment tun oder nicht tun könnte. Diese innere Karte wird ständig durch sensorische und motorische Eingaben – durch unsere Empfindungen und Bewegungen – aktualisiert (De Vignemont, 2010; Gallagher, 2006).
Das Körperbild hingegen bezeichnet eine eher reflektierte und visuelle Darstellung unseres Körpers. Es umfasst, wie wir unseren Körper sehen, fühlen und über ihn denken und wie wir ihn aus der Perspektive einer dritten Person in unserem Geist betrachten. Es wird von Emotionen, Überzeugungen und sozialen Faktoren beeinflusst. Berührung beeinflusst das Körperbild. Beispielsweise berichten Menschen mit Problemen mit ihrem Körperbild oft von Unbehagen bei Berührungen an bestimmten Körperstellen (Cazzato et al., 2021). Darüber hinaus berichten Menschen, die sich in der Kindheit durch körperliche Berührungen umsorgt fühlten, tendenziell von einer größeren Zufriedenheit mit ihrem Körper als Erwachsene (Gupta & Schork, 1995).
Mentale Körperrepräsentation ist ein umfassenderes Konzept, das sowohl Körperschema als auch Körperbild sowie deren dynamische Interaktion umfasst (Serino & Haggard, 2010). Ein eindrucksvolles Beispiel für die Beziehung zwischen mentaler Körperrepräsentation und Berührung ist die Gummihand-Illusion (Botvinick & Cohen, 1998). Bei dieser Illusion entsteht bei vielen Menschen das Gefühl, die Gummihand sei Teil ihres eigenen Körpers, wenn sie gleichzeitig mit der verborgenen echten Hand einer Person gestreichelt wird. Dieses Phänomen verdeutlicht einen grundlegenden Aspekt der körperlichen Selbstwahrnehmung: Unsere Körperrepräsentation kann sich dynamisch verändern, und Berührungserfahrungen spielen dabei eine Schlüsselrolle. Berührungen liefern nicht nur Informationen über Objekte oder Oberflächen – sie tragen aktiv zur Konstruktion unseres körperlichen Selbst bei.
Mit der fortschreitenden Forschung zum Thema Berührung stoßen wir auf eine wichtige Frage: Wie prägen die verschiedenen Berührungserfahrungen die Art und Weise, wie wir unseren Körper wahrnehmen, erleben und darstellen?
Um mehr über die Berührungsforschung des ConTakt Labs zu erfahren, besuchen Sie: https://tu-dresden.de/ing/elektrotechnik/ias/socialtouch
Referenzen
Botvinick, M., & Cohen, J. (1998). Rubber hands ‘feel’touch that eyes see. Nature, 391(6669), 756–756.
Cazzato, V., Sacchetti, S., Shin, S., Makdani, A., Trotter, P. D., & McGlone, F. (2021). Affective touch topography and body image. Plos One, 16(11), e0243680.
De Vignemont, F. (2010). Body schema and body image—Pros and cons. Neuropsychologia, 48(3), 669–680.
Gallagher, S. (2006). How the body shapes the mind. Clarendon press.
Gupta, M. A., & Schork, N. J. (1995). Touch deprivation has an adverse effect on body image: Some preliminary observations. International Journal of Eating Disorders, 17(2), 185–189.
Ratcliffe, M. (2008). Touch and situatedness. International Journal of Philosophical Studies, 16(3), 299–322.
Serino, A., & Haggard, P. (2010). Touch and the body. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 34(2), 224–236.