Optimierung in der Energietechnik
Inhaltsverzeichnis
Neue Software: Optimierungsframework flixOpt
Einführung
Eine Vielzahl an betrachteten Fragestellungen im Bereich der mathematischen Optimierung in der Energietechnik lassen sich den beiden Themenbereichen
- Einsatzoptimierung komplexer Energieerzeugungssysteme
sowie
- Optimierung von Rohrnetzen zum Wärmetransport
zuordnen.
Zur Darstellung und Lösung der Fragestellungen in der Einsatzoptimierung kommen hierbei hauptsächlich lineare gemischt ganzzahlige Modelle (MIP) zum Einsatz. Diese ermöglichen zum einen eine für die meisten Anwendungen ausreichend genaue Abbildungsgüte, zum anderen gewährleisten sie die gesicherte Globalität der Lösung bzw. eine quantifizierbare Annäherung an diese.
Abbildung 1: Beispielhaftes Optimierungsergebnis des betriebskostenminimalen Einsatzes von KWK, Kessel und Speicher zur Deckung des gegebenen Wärmebedarfs
Im Gegensatz hierzu, erfordert die Optimierung von Rohrnetzen in der Regel eine nichtlineare Problemdarstellung. Diese ist gegebenenfalls mit weiteren grafentheoretischen Fragestellungen wie einer „kürzesten-Wege-Suche“ oder der Suche nach einem „optimalen Spannbaum“ verknüpft. Zur Lösung kommen in diesem Fall verschiedene Arten sowohl klassischer als auch evolutionärer Optimierungsalgorithmen zum Einsatz.
Einsatzoptimierung
Bereits bei kleineren Erzeugerparks ist die Zahl der möglichen Betriebsweisen sehr groß, so dass es ohne Computerunterstützung nahezu unmöglich ist, zum Beispiel mit der Forderung nach minimalen Betriebskosten, folgende Fragestellungen zu beantworten, vgl. Abbildung 1:
- Wann wird welcher Erzeuger in welcher Form eingesetzt?
- Wann und wie werden die Speicher genutzt?
- Welches Volumen von Liefer- und Bezugsverträge wird genutzt?
Die Beantwortung dieser Fragestellungen wird dadurch signifikant erschwert, dass der Betrieb komplexer Energieerzeugungssysteme einer Vielzahl von Anfangs- und Randbedingungen unterliegt, vgl. Abbildung 2:
- Bedarfsdeckung von Wärme, Strom, Dampf, …
- Liefer- und Bezugsverträge mit zeitvariablen Tarifen
- Regenerative Erzeugung in Abhängigkeit relevanter Wetterprognosen
- Restriktionen durch Energieerzeuger (z.B. KWK, Kessel, Solarthermie, Wärmepumpe, …)
- Restriktionen durch Energiespeicher (Wärme und Strom)
- Verfügbarkeiten, Schaltzustände, An- und Abfahrvorgänge
- u.v.m.
Abbildung 2: Schematischer Ablauf der Optimierungsrechnung zur Berechnung des bestmöglichen Einsatzes von Wärmeerzeugern, dargestellt ist die Nutzerschnittstelle des Programms „FreeOpt“
Durch die mathematische Modellierung als gemischt ganzzahliges Optimierungsproblem (MIP) sowie dessen Lösung mit geeigneten Algorithmen lässt sich die obige Fragestellung inklusive der Beachtung sämtlicher Nebenbedingungen beantworten. Es werden hierzu die Einsatzzeiten und Leistungswerte der simulierten Anlagen, Lade- und Entladeströme sowie Zustand des Speichers als auch der benötigte Primärenergieeinsatz sowie auftretende Kosten und Erträge ermittelt. Diese Berechnung erfolgt für eine vorgegebene Erzeugerparametrisierung und einen definierten Optimierungszeitraum in Abhängigkeit relevanter gemessener bzw. prognostizierter oder simulierter Randbedingungen, wie zum Beispiel Bedarfswerten für Strom, Wärme für Raumheizung und Trinkwarmwasser, Klimadaten und Energiepreise im Ein- und Verkauf.
Des Weiteren ermöglicht die Formulierung als MIP die Lösung einer Vielzahl von der Einsatzoptimierung abgeleiteter Probleme, vgl. Abbildung 3.
Abbildung 3: Auswahl verschiedener Optimierungsziele als auch Anwendungsgebiete der Einsatzoptimierung.
Potenzialabschätzung
Ein Ziel der Potenzialabschätzung kann zum Beispiel die Bestimmung der betriebskostenoptimalen Fahrweise einer vorgegebenen Erzeugerkonfiguration zu gegebene Bedarfsdaten für einen fest definierten Zeitraum mit dem Ziel der Analyse von Einsparmöglichkeiten gegenüber anderen (bestehenden) Regelstrategien sein.
Abbildung 4: Schematische Darstellung der grundlegenden Fragestellung zur Abschätzung des Einsparpotenzials bei Optimierung der Betriebsführung von Energieerzeugern
Alternative Optimierungsziele
Alternativ zur Minimierung der Betriebskosten können auch alternative Optimierungsziele betrachtet werden. Typische Beispiele hierfür sind:
- Maximierung des Autarkiegrads
- Maximierung des Eigenverbrauchs
- Begrenzung/Reduzierung von Schaltzyklen
- Maximierung der Lebensdauer von Energieerzeugern bzw. Speichern
Auch eine parallele Betrachtung mehrere Optimierungsziele, im Sinne einer multikriteriellen Optimierung, ist möglich.
Modellprädiktive Optimierung
Im Gegensatz zur Potenzialabschätzung wird im modellprädiktiven Fall die Optimierung iterativ eingesetzt. Das heißt, je Zeitschritt, zum Beispiel aller 15 Minuten, wird anhand aktueller bzw. aktualisierter Zustands- und Prognosedaten eine Optimierungsrechnung für den Prädiktionshorizont, zum Beispiel einen Tag, durchgeführt, vgl. Abbildung 5. Vom Ergebnis werden nur die Werte des ersten Zeitschritts zur weiteren Verwendung für die Regelung oder für weitere analytische Betrachtungen genutzt.
Abbildung 5: Iterativer Ablauf von modellprädiktiver Betriebsführungsoptimierung
Diese Betrachtungsweise ermöglicht es die Fahrweise der Energieerzeuger auf sich ändernde Randbedingungen wie zum Beispiel:
- Witterungsbedingungen
- Nachfragekurven
- Energiepreise
- Anlagenverhalten
anzupassen. Ein weiterer Vorteil des modellprädiktiven Ansatzes ist die deutlich kürzere Rechenzeit im Vergleich zur geschlossenen Optimierung eines langen Zeitraums.
Auslegungsoptimierung
Die auf der Einsatzoptimierung beruhende Berechnung der optimalen Auslegung von Energiesystemen wird innerhalb einer Variantenrechnung für eine Auswahl vordefinierter Erzeugersetups durchgeführt, vgl. Abbildung 6. Aus den resultierenden Ergebnissen kann schließlich die optimale Auslegung bestimmt werden. Diese Herangehensweise ist für beliebige Bereiche, wie zum Beispiel für Quartiere und Siedlungen oder auch für Ein- und Mehrfamilienhäuser, durchführbar. Als Optimierungsziel kann bei der Auslegungsberechnung zum Beispiel die Minimierung der Summe aus Investitions- und Betriebskosten über einen definierten Zeitraum genutzt werden. Aber auch die Betrachtung alternativer Optimierungsziele bzw. eine multikriterielle Betrachtung verschiedener Aspekte sind möglich.
Abbildung 6: Ablaufschema einer auf Einsatzoptimierung basierenden Auslegungsoptimierung von Energieerzeugern und Speichern
Netzoptimierung
Durch die relativ hohen Netzkosten von Fernwärmesystemen ist es (neben dem Einsatz von effektiven Verlegungsverfahren) erforderlich, die Netze hinsichtlich ihrer Auslegungsparameter, insbesondere der Rohrdurchmesser und der Trassenführung, zu optimieren. Die aus dieser Anforderung resultierenden Modelle zeichnen sich im Allgemeinen durch eine hohe Komplexität aus und vereinen typischerweise Nichtlinearität sowie Ganzzahligkeitsbedingungen.
Zur Lösung dieser Optimierungsaufgaben wurde die Software STEFaN zur Trassen- und Durchmesseroptimierung entwickelt. Dieses Programm dient als Planungsinstrument und soll eine Entscheidung zugunsten der Fernwärmeversorgung unterstützen. Darüber hinaus kann es aber auch zur Nachrechnung bestehender Systeme im operativen Betrieb eingesetzt werden. Abbildung 7 zeigt ein in einer kompatiblen GIS – Software dargestelltes Optimierungsergebnis einer beispielhaften Auslegungsoptimierung zur Verrohrung eines Quartiers.
Abbildung 7: Optimale Trassendimensionierung zur Wärmeversorgung eines Quartiers. Zunächst sind in diesem Beispiel sämtliche für die Trassenverlegung infrage kommenden Strecken vom Nutzer definiert wurden (grüne Punkte). Anhand dieser Vorgabe sowie zugehöriger Material- und Verlegekosten wurde mit STEFaN die optimale Verrohrung berechnet. Diese ist durch die blauen Linien dargestellt. Die unterschiedliche Linienstärke kennzeichnet den jeweiligen Rohrdurchmesser.
Abgesehen von der Planung von Nah- und Fernwärmenetzen findet die Rohrnetzoptimierung von Wärmeleitungen noch weitere Anwendungen. Als Beispiel hierfür sei die Bestimmung der optimalen Verrohrung großer Solarthermieanlagen genannt.
Arbeiten zum Thema Optimierung
Eigenentwickelte Software:
GIS-basiertes Planungstool für die kostenoptimale Auslegung von Fernwärmenetzen
Poster zum 32. Symposium Solarthermie und innovative Wärmesysteme 2022 im Kloster Banz
Entwicklung eines Softwaretools zur Auslegungsoptimierung von Systemkomponenten basierend auf Erzeugereinsatzoptimierung im Projekt SmartBioGrid
Optimierung der Einsatzplanung von Wärmeerzeugern: flixOpt
Netzoptimierung für die Ausbauplanung: STEFaN
Anwendung in Projekten:
SmartBioGrid: Optionen zum Einsatz von fester Biomasse in dekarbonisierten Wärmenetzen: Entwicklung eines Softwaretools zur Auslegungsoptimierung von Systemkomponenten basierend auf Erzeugereinsatzoptimierung
DELFIN - Prognose der Auswirkungen dezentraler Einbindung von Wärme aus erneuerbaren Energien und anderen Wärmeerzeugern in Fernwärmenetze - Decentralized Feed-In Projektinfo
Einsatzoptimierung von Energieerzeugern in Ein- und Mehrfamilienhäuser, Viessmann
Einsatzoptimierung von Wärme- und Stromerzeugern im laufenden Betrieb, Eins Energie Chemnitz
DYNOPT - Weiterentwicklung der Programme zur Tageseinsatz- und Jahresoptimierung
DYNPROG - Kurzfristoptimierung des Elektroenergiebedarfs
Vorträge:
Dr. P. Stange, Dr. C. Koch, „Innovative Systeme für die Versorgung von Quartieren und Siedlungen – Optimierungsbasierte Auslegung“, 5.VDI – Fachtagung: Energiesysteme und Energieversorgung für Gebäude, Quartiere und Industrieanlagen, Köln 2017
Dr. P. Stange, Dr. B. Hafner, Dr. C. Arnold, „Betriebskostenoptimierte Einsatzplanung von Wärmeerzeugern“, 4. VDI – Fachtagung: Dezentrale und Hybride Energiesysteme für Gebäude und Quartiere, Wiesbaden 2016
Dr. S. Gnüchtel, S. Groß, „Free optimization tools for district heating systems“, the 12th International Symposium on District Heating and Cooling, Tallinn 2010
Studentische Arbeiten:
Erzeugereinsatzoptimierung von Biomassekonversionsanlagen unter Berücksichtigung unsicherer Lastprognosen, 2021
Rechenzeitreduktion der Erzeugereinsatzoptimierung durch Zeitreihenaggregation, 2021
Automatische Mustererkennung und Modellierung von Trinkwarmwasser-Bedarfsprofilen, 2020
Vergleich verschiedener Ansätze zur Ganzjahresoptimierung des betriebskostenoptimalen Einsatzes von Energieerzeugern und Wärmespeichern, 2020
Multikriterielle lebenszyklusoptimierte Auslegung von Energieerzeugern, 2018
Entwicklung eines Optimierungstools zur Ermittlung der Rohrdurchmesser solarthermischer Kollektorfelder, 2018
Optimierung der Planung und des Betriebs von Energieanlagen am Beispiel einer solaren Trinkwassererwärmung, 2018
Performancevergleich von Lösungsstrategien zur prädiktiven Optimierung eines Energiesystems, 2017
Analyse und Weiterentwicklung linearer, gemischt ganzzahliger Optimierungsmodelle von thermischen Speichern, 2017