Kunstbesitz
Zur Kustodie der TU Dresden gehört neben den insbesondere naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Lehr- und Forschungssammlungen auch ein außergewöhnlicher Kunstbesitz, der seit 1951 zu einer Sammlung mit mehr als 5 000 Werken systematisch ausgebaut wurde. Bis 2004 war der Kunstbesitz an der Sektion, dann später an der Fakultär Architektur angesiedelt und wurde über die 1954 geschaffene Stelle eines Sekretärs im "Künstlerischen Beirat" betreut, welche von 1953 bis 1975 der Grafiker und Bildhauer Werner Scheffel, von 1975 bis 2002 Prof. Jürgen Schieferdecker, Architekt und bildender Künstler, und bis 2015 die Architektin Maria Obenaus innehatte. Seit 2004 ist die Kustodie eine zentrale Betriebseinheit der TU Dresden und damit dem Rektorat unterstellt. In diesem Zuge wurde auch der Kunstbesitz in die Kustodie integriert.

Ausstellungsansicht Sonderausstellung Ostmoderne #2. Der Kunstbesitz der 1960er-Jahre in der Galerie der Kustodie der TU Dresden, September 2020 bis Januar 2021 © Kretzschmar/TUD
Die Werke, die von der Gründung 1828 bis 1945 geschenkt bzw. angekauft wurden, werden unter dem Sammelbegriff „Altkunstbesitz“ geführt und vereinen insbesondere Grafikkonvolute und Bildnisse, die noch ohne „planmäßige bildkünstlerische Erwerbung“ – wie es der Sekretär des Künstlerischen Beirats und gleichzeitig Agitprop-Künstler in der späten DDR Prof. Jürgen Schieferdecker (1937–2018) formulierte – in den Bestand gelangten und sich lediglich durch den sich peu à peu etablierenden Sammlungsschwerpunkt der Porträts von Hochschulangehörigen auszeichnen. Dieser Schwerpunkt ist es auch, der den Altkunstbesitz mit den Erwerbungen und Auftragsarbeiten aus der DDR-Zeit bis heute verbindet

Hermann Glöckner: Spektralanalyse, 1957. Graphit, Tempera; 4 Säulen, je 220 × 183 cm; Recknagel-Bau; Haeckelstraße 3; Kunstbesitz der TU Dresden
Die 1950er-Jahre stellen schließlich eine Zäsur in der Hochschulgeschichte der TU Dresden dar: Nachdem das historische universitäre Areal in der Innenstadt Dresdens im Februar 1945 nahezu völlig zerstört wurde, setzte ein immenser Bauboom ein. In diese Zeit fällt die Begründung der heutigen universitären Kunstsammlung. Unter einem 1954 gegründeten Künstlerischen Beirat wurde erstmalig die Ausstattung der neu gebauten Institutsgebäude mit Kunstwerken fachlich begleitet und strategisch vorangetrieben. Tatsächlich machen die in den darauffolgenden Jahrzehnten erworbenen oder in Auftrag gegebenen künstlerischen Werke heute knapp zwei Drittel des Kunstbesitzes aus.
Die reiche Sammlung vereint herausragende Positionen der Dresdner Malschule und ihrer Nachfolgerinnen und Nachfolger und bildet repräsentativ das zeitgenössische Wirken vor allem Dresdner Kunstschaffenden in der Zeit der DDR und nach 1990 ab. Mit Mut und Weitsicht wurde beauftragt, gesammelt und zum Teil auch gegen die Widerstände des verordneten Sozialistischen Realismus vor allem baugebundene Kunst veranlasst oder Werke erworben. Die Kunstsammlung der Kustodie der Technischen Universität Dresden ist per se ein Bestand von Kunst in der DDR; von Anbeginn wurden Werke von sächsischen und vor allem auch Dresdner Künstlerinnen und Künstlern erworben bzw. beauftragt.

Ausstellungsansicht "System und Revision. Der Kunstbesitz der TU Dresden in den 1960er-Jahren"
Die Sammlung ist insofern öffentlich, als alle baubezogenen Werke in und an den Gebäuden sowie die Skulpturen und Plastiken auf dem Hochschulcampus frei zugänglich sind. Der „mobile“ Bestand, also Gemälde und Arbeiten auf Papier, nur wenig Kleinplastik, steht seit den frühen 1950er-Jahren dem gesamten Hochschulkollegium für Ausleihen zur Verfügung. Diese universitäre „Artothek“ war zentraler Bestandteil des Sammlungsaufbaus und sollte in den DDR-Jahren zwischen Kunst, Wissenschaft und Forschung als Bildungsinstrument an der Arbeitsstätte vermittelnd eingesetzt werden. Diese Praxis wird bis heute unter Beachtung von konservatorischen Gesichtspunkten fortgeführt – immer in dem Wissen um die historisch gewachsene Aufgabenstellung der Sammlung, die nie einer ausschließlich musealen Nutzung zugeführt werden sollte.
Das bedeutete, dass sich nach der Wende keine Veränderung der Nutzungspraxis abzeichnete und ein kollektiver Vorwurf, wie ihn viele Museen in Ostdeutschland traf, die ihre Werke in Depots verbrachten, erübrigte sich.
Nichtsdestotrotz war und ist die Frage nach einer expliziteren Öffentlichkeit und Sichtbarkeit, vor allem auch einer kunstwissenschaftlichen Einordnung im Netzwerk anderer ähnlich gelagerter Sammlungen, ein absolutes Desiderat.

Blick in die Ausstellung „System und Revision“ mit Werken von Dieter Bock und Hubertus Giebe. Foto: Michael Kretzschmar, TUD
Durch die intensive Aufarbeitung der Genese des universitären Kunstbesitzes seit 2016 unter Auswertung sämtlicher Unterlagen und Quellen im Universitätsarchiv der TU Dresden, im Archiv der Dresdner Hochschule für Bildende Künste sowie im Staatsarchiv Sachsen, wissenschaftlichen Publikationen und regelmäßigen Präsentationen des universitären Kunstbesitzes in Sonderausstellungsprojekten in der Galerie der Kustodie im Görges-Bau wurde ersichtlich, dass sich in der baugebundenen Kunst wie auch bei den Erwerbungen der Gemälde und Grafiken systemkonforme bzw. systemnahe künstlerische Formulierungen befinden; das Gros der angekauften und beauftragten Werke dieser Zeit steht allerdings in der Tradition der Dresdner Malschule, die sich in ihrer malerischen Auffassung der Zwischenkriegszeit verpflichtet fühlt, bzw. gehört in den Kontext des „Neuen Bauens“, die sich beide nicht der verordneten Kunstpolitik des Regimes unterordnen.

Klaus Dennhardt, Aufbau „Mast mit zwei Faltungszonen“ von Hermann Glöckner (1982); Kunstbesitz der Kustodie der TU Dresden
Gerade in den 1970er- und 80er-Jahren konnte Jürgen Schieferdecker nochmals entscheidende Werke von Künstlerinnen und Künstlern an die Universität holen, die im Stadtraum aufgrund nicht konformer künstlerischer Praxen keinen Aufstellungsort fanden, bzw. Werke von der jüngeren Künstlergeneration erwerben, bevor sie in der Ausbürgerungswelle ab 1978 des Landes verwiesen wurden oder selbst einen Ausreiseantrag stellten. Dazu gehören unter anderem der Maler und Grafiker Klaus Dennhardt (*1941) oder der Bildhauer, Maler und Performancekünstler Helge Leiberg (*1954) sowie die Maler Ralf Kerbach (*1956) und Christine Schlegel (*1950).
Der Kunstbesitz umfasst unter anderem Arbeiten von Theodor Rosenhauer, Hermann Glöckner, Karl-Heinz Adler, Curt Querner, Willy Wolff, Alfred Hesse, Eberhard Göschel, Max Uhlig, Hubertus Giebe, Petra Kasten, Elke Hopfe, Kerstin Franke-Gneuß, Christine Schlegel, Paul Elsner, Patricia Westerholz, Andreas Kempe, Stephanie Lüning, André Tempel, Maja Drachsel u. a.

André Tempel: Bubbles, 2006; Stahlrohr, Lack; 6,20 x 5,50 x 4,02 m; Atrium Informatiklehrgebäude, Nöthnitzer Strasse 46; Kunstbesitz der TU Dresden
Seit 2017 wird die Ankaufstätigkeit für den Kunstbesitz systematisch weitergeführt. Das Profil der Sammlung wird beibehalten und weiter ausgebaut, indem vorrangig Werke sächsischer bzw. in Sachsen lebender Künstler:innen, die einen Bezug zum Kunstbesitz, der TU Dresden, zu Dresden aufweisen, angekauft werden.
Von besonderem Interesse sind dabei künstlerische Positionen mit einem dezidierten Bezug zu wissenschaftlich-technischen sowie technikhistorischen Fragestellungen.
Die Ankäufe werden von einem Fachbeirat begleitet. Dem Beirat gehören aktuell an: Prof. Dr. Manuel Frey, Stiftungsdirektor der Kulturstiftung des Freistaats Sachsen, Dipl.-Ök. Jan Gerken, Kanzler der TUD, sowie Prof. Oliver Kossack, Rektor der Hochschule für Bildende Künste Dresden.
Literatur (Auswahl)
- Kremer, Gwendolin und Obenaus, Maria: Der Kunstbesitz, in: Sammlungen und Kunstbesitz, Technische Universität Dresden, Dresden 2022, S. 139–153.
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Kremer, Gwendolin: Zur Geschichte des Kunstbesitzes in den 1960er-Jahren, in: Realismus und Ostmoderne #2. Erwerbungen und Auftragsarbeiten aus den 1960er- Jahren. Der Kunstbesitz der TU Dresden, Dresden 2020, S. 11–29.
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Kremer, Gwendolin: Zur Geschichte des Kunstbesitzes in den 1950er-Jahren, in: Aufbruch und Neuanfang #1. Erwerbungen und Auftragsarbeiten aus den 1950er-Jahre. Der Kunstbesitz der TU Dresden, Dresden 2018, S. 7–21.
- Gibas, Monika; Pasternak, Peer (Hg.): Sozialistisch behaust & bekunstet, Hochschulen und ihre Bauten in der DDR, Leipzig 1999.
- Heger, Bettina: Zur baugebundenen Kunst an der TU Dresden seit 1950 bis heute, TU Dresden, Institut für Baugeschichte, Architekturtheorie und Denkmalpflege, Dresden 2013 (unveröffentlicht).
- Kirsch, Antje: Dresden. Kunst im Stadtraum. Architekturbezogene Kunst 1945-1989, Dresden 2015.S. 52-69.
- Obenaus, Maria: Kunst auf dem Campus, in: Sammlungen und Kunstbesitz, Technische Universität Dresden, Dresden 2015, S. 139-153.
- Schieferdecker, Jürgen: Der Kunstbesitz der Technischen Universität Dresden, in: Sammlungen und Kunstbesitz der Technischen Universität Dresden, Leipzig, Dresden 1996, S. 125-151.
- Simpson, Simone: Zwischen Kulturauftrag und künstlerischer Autonomie, Dresdner Plastik der 1950er und 1960er Jahre, in: Pommerin, Reiner (Hg.): Dresdner historische Studien, Band 7, Köln, Weimar, Wien 2008, S. 220-222.

Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin
NameGwendolin Kremer
Kunstbesitz & Galerie der Kustodie
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Ausstellungsansicht "Petra Kasten", Rektorat der TU Dresden