Aug 03, 2016
Bundesforschungsministerin Johanna Wanka informierte sich in Dresden zu OncoRay und Telemedizin-Projekt ATMoSPHÄRE
Forschung heute für ein gutes Leben morgen – wie moderne Technologien Leben, Wohnen, Pflegen und ärztliche Behandlung verändern, erfährt Bundesforschungsministerin Johanna Wanka während ihrer derzeitigen Sommerreise durch Deutschland. Dazu besuchte sie am 2. August 2016 das „OncoRay – Nationales Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie“ sowie das telemedizinische Verbund-Projekt ATMoSPHÄRE am Standort der Hochschulmedizin Dresden. OncoRay wurde im Jahr 2004 als ein „Zentrum für Innovationskompetenz“ gegründet. Die Wissenschaftler am OncoRay verfolgen die Vision, die Behandlung von Krebserkrankungen durch eine biologisch individualisierte, technologisch optimale Strahlentherapie entscheidend zu verbessern.
Im Verbund-Projekt ATMoSPHÄRE erfolgt im Bereich für Allgemeinmedizin der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus gemeinsam mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie die Erprobung einer telemedizinischen Plattform. Diese wird gemeinsam mit Wirtschaftsunternehmen und weiteren Partnern speziell für ältere Menschen mit Mehrfacherkrankungen entwickelt. Dabei wird untersucht, wie telemedizinische hausärztliche Versorgung und die Vermittlung medizinischer Hilfsleistungen ausgestaltet sein müssen, damit sie den Bedarf der Patientinnen und Patienten erfüllen.
OncoRay – eine Erfolgsgeschichte
Das Dresdner OncoRay-Zentrum ist eine institutionenübergreifende patientenorientierte Translationsforschungsplattform. Der besondere Fokus auf Translationsforschung meint, dass Ergebnisse aus der Grundlagenforschung gezielt zum Wohle von Patienten weiterentwickelt und in klinischen Studien getestet werden sollen. Hierfür bündelt OncoRay die Stärken der drei Trägerinstitutionen – Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden und Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf.
Das OncoRay-Zentrum verfügt über eine auch im internationalen Vergleich herausragende Infrastruktur und Kompetenz in der Strahlenforschung. Rund 80 Wissenschaftler aus aller Welt finden hier optimale Arbeitsbedingungen. Sie arbeiten in fachübergreifenden Programmen mit Forschungsschwerpunkten in den Bereichen Medizin, Physik, Biologie und Informationswissenschaften.
Herzstück des OncoRay-Forschungsgebäudes ist die Protonenanlage. Seit Ende 2014 werden an der Universitäts Protonen Therapie Dresden (UPTD) Patienten behandelt, derzeit täglich etwa 20 Patienten. Den Wissenschaftlern bietet die Anlage zudem die Möglichkeit, den Einsatz von Protonen in der Krebstherapie patientennah und jenseits kommerzieller Zwänge zu evaluieren und weiterzuentwickeln.
Neben Arbeiten zur technischen Optimierung und biologischen Individualisierung der Protonentherapie verfolgen die OncoRay-Partner das Ziel, eine Protonentherapie auf Laserbasis zu entwickeln. Ihre Vision ist es, zukünftig die großen, sehr teuren Beschleuniger durch kompaktere und günstigere Anlagen zu ersetzen.
Das OncoRay-Zentrum wird seit 2004 durchgehend als eines von 14 „Zentren für Innovationskompetenz: Exzellenz schaffen – Talente sichern“ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit bisher 37 Millionen Euro gefördert.
Einen bedeutenden Beitrag zu Personal-, Ausstattungs- und Infrastrukturkosten leisten die drei Trägerinstitutionen: das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, die TU Dresden und das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Zudem wurde das OncoRay maßgeblich im Rahmen der Sächsischen Exzellenzinitiative gefördert.
Seit 2010 bildet OncoRay im Verbund mit dem Heidelberger Institut für Radioonkologie das „Nationale Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie Dresden/Heidelberg“. Es ist zudem ein wesentlicher Partner des Standorts Dresden im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) – eines der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung – und im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT). Der Aufbau des NCT-Partnerstandorts Dresden erfolgt seit 2015 mit Unterstützung des BMBF. Gemeinsames Ziel beider NCT-Standorte – Heidelberg und Dresden – ist es, das NCT zu einem internationalen Spitzenzentrum der patientennahen Krebsforschung zu entwickeln. Der Dresdner NCT-Standort wird gemeinsam getragen vom Deutschen Krebsforschungszentrum, dem Dresdner Universitätsklinikum, der TU Dresden und vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf.
Der Forschungsstandort Dresden verfügt damit über eine auch im internationalen Vergleich herausragende Infrastruktur und Kompetenz in der Krebsforschung.
Herzstück des OncoRay-Forschungsgebäudes ist die seit Ende 2014 in der Therapie eingesetzte Protonenanlage, die eine besonders präzise und schonende Bestrahlung von Tumoren ermöglicht. Mit dem Verfahren lassen sich auch Tumoren in sehr sensiblen Regionen bestrahlen. Hierzu zählen etwa Tumoren im Gehirn oder in der Nähe des Rückenmarks. Zentraler Bestandteil der Universitäts Protonen Therapie Dresden (UPTD) ist ein Protonenbeschleuniger (Zyklotron). Dieser beschleunigt die Protonen auf ungefähr 180.000 Kilometer pro Sekunde – das sind 60 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Mit diesem Tempo könnten die Protonen mehr als 30 Zentimeter tief in den Körper eindringen. Oft liegt der Tumor als Ziel der Behandlung allerdings nicht so tief. Deshalb bremsen die Medizinphysiker den Teilchenstrahl für jeden Patienten individuell ganz präzise ab.
Einem Forscherteam des Dresdner OncoRay-Zentrums, der Firma Ion Beam Applications (IBA) und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf ist es Anfang des Jahres erstmals gelungen, den Strahlverlauf im Patienten während der Behandlung präzise nachzuverfolgen. Dazu nutzten sie eine so genannte Prompt-Gamma-Schlitzkamera. Diese wurde von der Firma IBA entwickelt und mit dem Dresdner Team gemeinsam erprobt und weiter verbessert. Vom Einsatz der Schlitzkamera könnten zukünftig beispielsweise Patienten mit Hirntumoren profitieren. Die Schlitzkamera wurde während des Besuches der Experimentierhalle an einem Kopfmodell vorgestellt.
Mit dem Alter steigt auch die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken
Allein in Deutschland erkranken rund eine halbe Million Menschen jedes Jahr neu an Krebs. Man geht heute davon aus, dass ca. zehn Prozent der Krebspatienten, bei denen das Tumorwachstum mit der konventionellen Strahlentherapie nicht gestoppt werden kann, von einer Protonenbestrahlung profitieren. Diese Patienten leiden an Tumoren, die tief im Körper liegen, extrem widerstandsfähig sind oder von hoch strahlenempfindlichem, gesundem Gewebe umschlossen werden – beispielsweise Tumoren des Gehirns und der Schädelbasis oder Tumoren in der Nähe des Rückenmarks. Durch die Weiterentwicklung der Protonentherapie leistet die Wissenschaft somit einen wichtigen Beitrag dazu, die Volkskrankheit Krebs zukünftig besser therapieren zu können.
Da die Protonentherapie eine besonders exakte und schonende Form der Strahlentherapie ist, eignet sie sich auch hervorragend dafür, Tumoren in der Nähe vorerkrankter Organe zu behandeln. Das betrifft gerade auch ältere Patienten, die neben der Krebserkrankung oft auch an zusätzlichen Erkrankungen leiden. Durch die hochpräzise und biologisch optimierte Protonentherapie kann die Funktion des erkrankten Organs, etwa des Herzens oder der Lunge, bestmöglich geschont werden.
In der modernen Krebsmedizin rückt zudem die funktionserhaltende Therapie zunehmend in den Vordergrund. Gemeint ist, dass die Ärzte, wenn möglich, darauf verzichten, ein Organ zu entfernen und stattdessen darauf setzen, den Tumor durch zum Beispiel eine eingeschränkte Operation in Kombination mit einer Strahlentherapie zu vernichten. Schon heute ist es zum Beispiel bei bestimmten Tumoren des Darmausgangs möglich, eine Entfernung des Darmausgangs zu vermeiden und so die Funktion zu erhalten. Mittels hochpräziser Bestrahlung könnten solche Erfolge auch bei anderen Organen Wirklichkeit werden. Ein Umstand, der bei jungen und alten Patienten dazu führt, dass sie wesentlich besser und zufriedener leben können.
Die Protonentherapie leistet zudem einen wichtigen Beitrag für gesundes Altern in der Zukunft. So sorgt die besonders schonende Behandlung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen dafür, dass auch Jahre und Jahrzehnte später sehr viel weniger Spätfolgen als bei der derzeitigen Standardstrahlentherapie auftreten – hierzu zählt auch die neuerliche Tumorbildung im bestrahlten Gebiet.
Die Erfolgsaussichten einer Krebstherapie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert. Dies ist auch auf die Erfolge zurückzuführen, die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Deutschland und weltweit in der Krebsforschung erzielen: Neue Therapieansätze wie die Immuntherapie und bereits etablierte Behandlungen wie die Strahlentherapie können immer individueller auf die einzelne Patientin, den einzelnen Patienten zugeschnitten werden. Das OncoRay-Zentrum leistet hierzu einen wichtigen Beitrag.
ATMoSPHÄRE – Aufhebung tradierter Versorgungsmuster und Bündelung unterschiedlicher Kompetenzen zur Versorgungsoptimierung
Das telemedizinische Verbundvorhaben ATMoSPHÄRE wird hausärztlich in Dresden durch den Bereich Allgemeinmedizin der TU Dresden sowie in Leipzig durch das GeriNet verantwortet und arbeitet eng mit dem Tele Care Coordination Center des Deutschen Roten Kreuzes zusammen (eine Übersicht zu allen Verbundpartnern finden Sie hier). Das Projekt ATMoSPHÄRE wird durch die Fördermaßnahme „Medizintechnische Lösungen bei Multimorbidität“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Im Fokus steht hier die medizintechnische Forschung und Entwicklung, um die medizinische Versorgung zu verbessern. Gleichzeitig wird die Innovationskraft der medizintechnischen Forschung gestärkt und die Wettbewerbsfähigkeit der Medizintechnik am Standort Deutschland weiter ausgebaut.
ATMoSPHÄRE erhält für den Zeitraum von Oktober 2015 bis September 2018 BMBF-Fördermittel in Höhe von 3,2 Millionen Euro. Koordinator und Technologieentwickler des Verbundes ist die Philips Medizin Systeme Böblingen GmbH. Bis Ende 2018 werden 700 Patientinnen und Patienten an dem Projekt teilnehmen. Die Medizinische Fakultät übernimmt für das Vorhaben unter anderem die Patientenrekrutierung und evaluiert die zu entwickelnde IT-Plattform. Dabei sind noch weitere Partner beteiligt: der DRK Hausnotruf und Assistenzdienste in Sachsen und Sachsen-Anhalt, das GeriNet Leipzig, das Zentrum für evidenzbasierte Medizin der TU Dresden, die Firmen vital.services GmbH und das TUMAINI – Institut für Präventionsmanagement GmbH, sowie das Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie in Leipzig.
Zukunftsweisendes Verbundvorhaben
Ältere Menschen leiden häufig an mehreren chronischen Erkrankungen gleichzeitig. Für ihre Versorgung, vor allem auch im ländlichen Raum, bietet die Telemedizin eine besondere Chance: Den Hausärztinnen und Hausärzten ermöglicht die telemedizinische Versorgung, den Gesundheitszustand ihrer Patientinnen und Patienten gut zu beobachten, bei Bedarf einzuschreiten und die Therapie unkompliziert anzupassen. Die Patientinnen und Patienten profitieren davon, indem ihnen eine intensivere und kontinuierlichere Behandlung zu gute kommen kann, wenn medizinisch indiziert und vermeidbare Wege zum Arzt erspart werden können. Sie gewinnen dadurch mehr Sicherheit und Unterstützung im Alltag.
Mit Hilfe einer technologischen Entwicklung der Philips Medizin Systeme Böblingen GmbH soll die telemedizinische Versorgung mehrfacherkrankter Menschen in Sachsen zur Wirklichkeit werden.
Wie die Technische Universität Dresden dieser zentralen Frage nachgeht und welche Ergebnisse bereits vorliegen, darüber informiert sich die Forschungsministerin bei ihrem Besuch. Dargelegt wird dabei die Perspektive der Forschenden, der Hausärzte, der Patienten sowie der Datenschutz beim telemedizinischen Versorgungssystem. Ein Schwerpunkt dieses Projektes ist auch die Einbeziehung von kognitiv beeinträchtigen Patientinnen und Patienten. Es soll untersucht werden, wie sie von dem neuen Versorgungssystem profitieren können und welche Anpassungen für sie erforderlich sind. Dieses Thema ist bislang noch nicht in der Forschung zur Telemedizin adressiert worden und dazu dient die gerontopsychiatrische Expertise innerhalb des Verbundes.
Die neue Plattform bringt aber nicht nur das medizinische Fachpersonal und die Patientinnen und Patienten zusammen. Auch medizinisch indizierte soziale und pflegerische Dienstleistungen sowie haushaltsnahe Angebote sollen zur Verfügung gestellt werden. So entsteht ein ganzheitlicher Versorgungsansatz, der die relevanten Akteure einer Region miteinander vernetzt und zukünftig auch deutschlandweit eingesetzt werden kann.
Thema Mehrfacherkrankungen wird immer wichtiger
Schon heute leben in Deutschland etwa 4,5 Millionen Menschen, die 80 Jahre und älter sind. Die Lebenserwartung steigt – und das ist gut so. Doch mit zunehmendem Alter nimmt auch die Wahrscheinlichkeit zu, an mehreren Erkrankungen zugleich zu leiden. Die bestmögliche Versorgung dieser wachsenden Patientengruppe ist eine große Herausforderung. Mit ATMoSPHÄRE fördert das BMBF ein Projekt, das moderne IT-Technologie einsetzt, um diese Aufgabe zu bewältigen.
Das BMBF unterstützt aber auch andere Vorhaben zum Thema Mehrfacherkrankungen. So hat es den Aufbau der sogenannten PPRISCUS Liste gefördert. Sie benennt Medikamente, die für ältere Menschen potenziell ungeeignet sind. Die Liste dient Ärztinnen und Ärzten als wichtige Entscheidungshilfe, wenn sie älteren Menschen Medikamente verschreiben. Auch die aktuelle Förderung des Forschungsministeriums widmet sich der Frage, wie die Behandlung mehrfach erkrankter Menschen weiter verbessert werden kann. Zum Beispiel ist das die kürzlich auf den Weg gebrachte Förderinitiative „Gesund – ein Leben lang“.
Über das Thema Mehrfacherkrankungen hinaus wird ATMoSPHÄRE auch wichtige wirtschaftliche Impulse geben können. Die breite Kompetenz des Verbundes wird übertragbare Konzepte erarbeiten, die Arbeitsplätze zunächst in Sachsen und Baden-Württemberg, später aber auch in anderen Regionen Deutschlands schaffen und sichern sollen. So wird der Wirtschaftsstandort Deutschland – nach den USA und Japan der weltweit bedeutendste Standort von Medizintechnik-Herstellern – weiter gestärkt.
Ansprechpartner für Journalisten:
OncoRay
Dr. Anna Kraft
Pressereferentin OncoRay und NCT Dresden
Tel: 0351-458-7440
E-Mail:
www.oncoray.de
ATMoSPHÄRE
Professor Dr. med. Vjera Holthoff-Detto
Projektleiterin ATMoSPHÄRE für die Technische Universität Dresden
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus
und Chefärztin
Alexianer Krankenhaus Hedwigshöhe
St. Hedwig Kliniken Berlin GmbH
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
Höhensteig 1
12526 Berlin
Konrad Kästner
Stabsstellenleiter Öffentlichkeitsarbeit, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus
Technische Universität Dresden
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
Tel.: 0351-458-5486
konrad.kaestner@tu-dresden.de
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