29.09.2025
Fazit zur Ausstellung „Im Gedenken der Kinder“: NS-Medizinverbrechen an Kindern im Fokus

Ausstellung "Im Gedenken der Kinder" wurde von April bis Juli in der Dresdner Dreikönigskirche gezeigt.
Die Wanderausstellung „Im Gedenken der Kinder“ thematisiert ein besonders erschütterndes Kapitel der medizinischen Verbrechen im Nationalsozialismus: die systematische Ermordung von Kindern mit geistiger und körperlicher Behinderung. Sie war zwei Monate lang in der Dreikönigskirche in Dresden zu sehen und stieß auf große Resonanz. Mehr als 8.500 Besucher:innen setzten sich mit den historischen Hintergründen auseinander. Dr. phil. Marina Lienert, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Medizin der TU Dresden, blickt in diesem Beitrag auf die Wirkung der Ausstellung zurück.
Das Institut für Geschichte der Medizin war maßgeblich an der Konzeption der Dresdner Station beteiligt. An jedem Ausstellungsort ergänzen lokale Forscher:innen die Ausstellung um regionale Bezüge. In Dresden wurden Institutionen und Personen vorgestellt, die in organisierte Kindestötungen involviert waren, sowie Kinder, die zu Mordopfern wurden. Da die Beteiligung Dresdner Akteur:innen bisher nur unzureichend untersucht wurde, war zunächst eine Sichtung und Auswertung umfangreicher Archivalien erforderlich. Dabei leistete die Stiftung Sächsische Gedenkstätten Unterstützung. Die Mitarbeitenden des Instituts erarbeiteten anschließend vier Tafeln, die ihre Forschungsergebnisse zusammenfassend darstellen.
Ein besonderes pädagogisches Begleitangebot richtete sich an Schulklassen der Jahrgangsstufen 11 und 12: Die Schüler:innen erarbeiteten Podcasts, in denen sie sich mit verschiedenen Aspekten der Kindermordaktionen auseinandersetzten. Die etwa achtminütigen Beiträge beleuchteten Täter:innen und Institutionen, bürokratische Verschleierungsmethoden sowie die Perspektiven der Opfer und ihrer Familien.
Die Ausstellung ist fest in den historischen Kontext der Stadt Dresden eingebettet. Während der NS-Zeit galt Dresden als Hochburg nationalsozialistischer Gesundheits- und Bevölkerungspolitik und strebte den Titel „Stadt der Volksgesundheit“ an. Dabei spielte das Deutsche Hygiene-Museum eine zentrale propagandistische Rolle. Die Kinderklinik des Stadtkrankenhauses Dresden-Johannstadt, die größte ihrer Art in der Region, meldete betroffene Kinder an das Stadtgesundheitsamt und leitete damit das bürokratische Verfahren zur Kindestötung ein. Darüber hinaus wurden Kinder durch Nichtbehandlung, Vernachlässigung und medikamentöse Maßnahmen gezielt getötet. Die Krankenakten dokumentieren diese Taten in erschreckend klarer Sprache. Einige Auszüge wurden in der Ausstellung gezeigt.
Auch im medizinischen Curriculum der TU Dresden wird dieses dunkle Kapitel thematisiert. Im Rahmen der Lehrveranstaltungen des Querschnittsbereichs „Geschichte, Theorie, Ethik der Medizin“ (GTE) werden die Patientenmorde ausführlich behandelt. Ein Besuch der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein gehört für alle Studierenden zum festen Bestandteil der Lehre und vertieft das vermittelte Wissen.
Die Ausstellung hat einen wichtigen Beitrag zur Dresdner Erinnerungskultur geleistet. Neben der hohen Besucherzahl trugen das Begleitprogramm, die Berichterstattung in Tageszeitungen und Fachmedien sowie der Podcast „You ask – we explain“ zur breiten öffentlichen Wahrnehmung bei. Die Einträge im Gästebuch zeugen von der Betroffenheit vieler Besucher:innen. Für einige von ihnen war es die erste Auseinandersetzung mit diesem Abschnitt der Stadtgeschichte. Zahlreiche Menschen brachten ihre Bestürzung über die Taten, ihre Trauer um die Opfer und ihren Unmut darüber zum Ausdruck, dass viele Täter:innen nach 1945 ohne Konsequenzen als Kinderärzt:innen und in der Pflege weiterarbeiten konnten. Gleichzeitig wurde betont, wie wichtig es ist, sich zu erinnern – gerade heute und hier. Es bleibt die Aufgabe, den ermordeten Kindern den ihnen zustehenden Platz im kollektiven Gedenken an die NS-Verbrechen einzuräumen.
Die Ausstellung ist auch digital zugänglich. Weitere Ausstellungsorte werden auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. bekanntgegeben.