Gesundes Arbeiten mit vernetzten digitalen Arbeitsmitteln (GADIAM)
Projektlaufzeit: 01.04.2017 - 31.12.2020
Förderprogramm: Zukunft der Arbeit (Dachprogramm: „Innovation für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“, BMBF)
Projektleitung: Sen.-Prof. Dr. Winfried Hacker, Prof. Dr. Thomas Günther
Verbundpartner: Arbeitsgruppe Wissen-Denken-Handeln (Verbundkoordination), Professur für BWL, insb. Betriebliches Rechnungswesen/Controlling (TU Dresden), Deutsche MTM-Gesellschaft Industrie- und Wirtschaftsberatung mbH, Deutsche Werkstätten Hellerau GmbH, Telegärtner Gerätebau GmbH
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Inhaltsverzeichnis
Projektziel
Die zunehmende Verbreitung und Nutzung vernetzter digitaler Arbeitsmittel führt zu einem Rückgang algorithmischer geistiger Arbeit und zu einer Erhöhung des Anteils komplexer Wissens- und Innovationsarbeit, welche das Aufnehmen, Weiterleiten, Verarbeiten und Erzeugen von Informationen umfasst (Hacker, 2020). Im Arbeitsalltag geht komplexe Wissens- und Innovationsarbeit oft mit zeitlicher Überforderung der Beschäftigten infolge zu geringer Zeitvorgaben („Zeitdruck“) einher, was das Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigungen erhöht (Rau & Buyken 2015). Die Arbeit mit zu großzügigen Zeitvorgaben wiederum kann die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen beeinträchtigen. Die Verwendung nachhaltiger Zeitvorgaben in Unternehmen, d. h. von Zeitvorgaben, die ökonomische und gesundheitliche Erfordernisse berücksichtigen, setzt das Wissen um nachhaltige Zeitbedarfe für zukünftige Arbeitsaufträge voraus. Anders als für algorithmische geistige Arbeit fehlen geeignete Verfahren zur Ermittlung nachhaltiger Zeitbedarfe bei komplexer Wissens- und Innovationsarbeit bisher in der Literatur.
Das Ziel des Forschungsverbundes GADIAM war es, Lösungen zur Prävention von Fremd- und Selbstüberforderung bei der Arbeit mit vernetzten digitalen Arbeitsmitteln zu erarbeiten. Es sollte ein Verfahren entwickelt werden, welches zur Bestimmung nachhaltiger Zeitbedarfe für komplexe Wissens- und Innovationsarbeit eingesetzt werden kann.
Projektergebnisse
GADIAM-Verfahren
Die Zeitbedarfsermittlung bei komplexer Wissens- und Innovationsarbeit ist mit zwei zentralen Herausforderungen verbunden: Dem Planungsfehlschluss und der individuellen Abhängigkeit der erfassten Zeitbedarfe. Dem Planungsfehlschluss wird im entwickelten GADIAM-Verfahren durch den Bezug auf vorliegende anforderungsähnliche Referenzleistungen und der Zerlegung von Arbeitsaufträgen in Prozessbausteine begegnet. Die individuelle Abhängigkeit der erfassten Zeitbedarfe wird im GADIAM-Verfahren durch den kombinierten Einsatz von Individualarbeit, Nominalgruppentechnik und Realgruppenarbeit (INR-Technik) adressiert.
Damit die ermittelten Zeitbedarfe nachhaltig sind, erfolgt die Zeitbedarfsermittlung im GADIAM- Verfahren partizipativ-konsensual, d. h. die den zu untersuchenden Arbeitsauftrag ausführenden Personen sowie die verantwortliche Führungskraft werden aktiv einbezogen und Beschlüsse der Kleingruppe werden nicht durch Abstimmungen (Mehrheitsbeschluss) oder Mittelwertbildung sondern gemeinsam getroffen.
Aufgrund von Verzögerungen (Störungen, Unterbrechungen und Zeitbedarf zur Wiedereinarbeitung) kann es jedoch auch bei der Ausführung von Arbeitsaufträgen, welche auf Grundlage bekannter nachhaltiger Zeitbedarfe geplant wurden, zu zeitlicher Überforderung der Beschäftigten („Zeitdruck“) kommen. Daran anschließend kombiniert das GADIAM-Verfahren die Vorgehensweise zur Zeitbedarfsermittlung mit einer Vorgehensweise zur Prozessoptimierung.
Das GADIAM-Verfahren umfasst die fünf Schritte „Festlegung des zu analysierenden Arbeitsauftrags und der beteiligten Beschäftigten“, „Zerlegung des Arbeitsauftrags in Prozessbausteine und Ermittlung der Zeitbedarfe“, „Erhebung der Zeitbedarfe im Arbeitsalltag“, „Auswertung der Erhebung und Ermittlung zukünftiger Zeitbedarfe“ und „Umsetzung der partizipativ-konsensual erarbeiteten Beschlüsse“, welche nacheinander und teilweise wiederholt durchzuführen sind (Abbildung 1).
Zur ökonomischen und gesundheitsbezogenen Bewertung der Ergebnisse umfasst das GADIAM-Verfahren zudem ein Rechnungsmodell. Dieses kombiniert klassische und weiche Kennzahlen, um in einer Kosten-Nutzen Abwägung vorab das Potential des Verfahrenseinsatzes und anschließend den Erfolg einer Verfahrensanwendung zu bestimmen. Dabei werden klassische Ansätze wie die Prozesskostenrechnung ergänzt um Ansätze zur Erfassung weicher Kennzahlen, beispielsweise die Erweiterte-Kosten-Nutzen-Analyse (Abbildung 2).
Weitergehende Informationen zum GADIAM-Verfahren finden sich bei Hacker (2020), Gühne et al. (2021), Mischer, Kirsch & Günther (2021) und Pietrzyk, Gühne & Hacker (2021).
Handlungsanleitung und Schulungskonzept für das GADIAM-Verfahren
Zur Unterstützung der Umsetzung der einzelnen Schritte des GADIAM-Verfahrens in der Unternehmenspraxis wurde eine Handlungsanleitung entwickelt. Die Handlungsanleitung wird durch ein Schulungskonzept ergänzt, welches die Anwendung der Handlungsanleitung unterstützt.
Öffentlichkeitsarbeit (Auswahl)
2021
- Vortrag: „Verfahrensentwicklung zur Zeitbedarfsermittlung für komplexe geistige Tätigkeiten“. 21. Workshop Psychologie der Arbeitssicherheit und Gesundheit. Gewalt in der Arbeit verhüten und die Zukunft gesundheitsförderlich gestalten!, 31.05 - 02.06.2021, digitaler Kongress.
- Information zur Publikation "Gesundes Arbeiten mit vernetzten digitalen Arbeitsmitteln": Informationsbrief zur Produktions-, Dienstleistungs- und Arbeitsforschung, Ausgabe 4/2021.
2020
- Vortrag: „Prävention von Fremd- und Selbstüberforderung bei komplexer Wissens- und Innovationsarbeit mit digitalen Arbeitsmitteln“. Abschlussveranstaltung des Verbundprojekts GADIAM, 25.11.2020.
- Vortrag: „Die Evaluation des GADIAM-Verfahrens“. Abschlussveranstaltung des Verbundprojekts GADIAM, 25.11.2020.
- Vortrag: „Gesundes Arbeiten mit vernetzten digitalen Arbeitsmitteln“. 66. Frühjahrskongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V. (GfA). Digitaler Wandel, digitale Arbeit, digitaler Mensch?, 16.02. - 18.02.2020, digitaler Kongress.
-
Digitale Präsentation: „GADIAM - Gesundes Arbeiten mit vernetzten digitalen Arbeitsmitteln“. beyondwork2020 - european conference on labour research, 21.10. - 22.10.2020, digitaler Kongress.
-
Information zur Abschlussveranstaltung des Verbundprojekts GADIAM: Informationsbrief zur Produktions-, Dienstleistungs- und Arbeitsforschung, Ausgabe 3/2020 & 05/2020.
-
Kurzbericht zur Abschlussveranstaltung des Verbundprojekts GADIAM: Informationsbrief zur Produktions-, Dienstleistungs- und Arbeitsforschung, Ausgabe 6/2020.
2019
- Moderation des Themas „Digitalisierung der Arbeitswelt“. Workshop der UNU-FLORES “Nachhaltig Wirtschaften – Zukunft der Arbeit“, 28.10.2019 in Dresden.
- Vortrag: „Gesundes Arbeiten mit vernetzten digitalen Arbeitsmitteln“. 11. AOW Fachtagung, Fachgruppe Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie der DGPs. Neue Formen der Arbeit in der digitalisierten Welt – Veränderungskompetenz stärken, 25.09. - 27.09.2019 in Braunschweig.
- Workshop „Gesundes Arbeiten mit digitalen Arbeitsmitteln“. 65. Frühjahrskongress 2019 der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V. (GfA). Arbeit interdisziplinär – analysieren - bewerten - gestalten, 27.02. - 01.03.2019 in Dresden.
2018
- Vortrag: „Arbeitsgestaltung für Industrie 4.0 – neue Herausforderungen für die Arbeitswissenschaft“. 64. Frühjahrskongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V. (GfA). Arbeit(s).Wissen.Schaf(f)t – Grundlage für Management & Kompetenzentwicklung, 21.02. - 23.02.2018 in Frankfurt am Main.
- Vortrag: „Die negativen Folgen der Digitalisierung für die Gesundheit aus Unternehmersicht“. Intensivseminar der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Thema „Der digitalisierte Mensch in der Zukunft“, 21.04.2018 in Dresden.
- Interview mit Herrn Prof. Dr. Dr. Winfried Hacker. Podcast im Rahmen des Podcast-Projekts „Wissen macht Arbeit“ durch den Deutschen Gewerkschaftsbund.
2017
- Symposium „Arbeiten 4.0- Arbeitsgestaltung in digitalen Arbeitswelten als interdisziplinäre Gestaltungsaufgabe“. 10. AOW Fachtagung, Fachgruppe Arbeits-, Organisatins- und Wirtschaftspsychologie der DGPs. Human Performance in Socio-Technical Systems, 13.09. - 15.09.2017 in Dresden.
- Vortrag: „Zur Analyse, Bewertung und Gestaltung geistiger Arbeit“. 10. AOW Fachtagung, Fachgruppe Arbeits-, Organisatins- und Wirtschaftspsychologie der DGPs. Human Performance in Socio-Technical Systems, 13.09. - 15.09.2017 in Dresden.
Publikationen
2021
- Gühne, M., Hacker, W., Pietrzyk, U., Günther, T., Kirsch, T. L. & Mischer, M. (2021). Handbuch für das GADIAM-Verfahren zur Ermittlung nachhaltiger Zeitbedarfe für komplexe Wissens- und Innovationsarbeit – Handlungsanleitung und Schulungskonzept. (im Erscheinen)
- Gühne, M., Mischer, M., Kirsch, T. L., Pietrzyk, U., Günther, T., Hacker, W. (2021). GADIAM - Gesundes Arbeiten mit vernetzten digitalen Arbeitsmitteln: Lösungen zur Prävention von Fremd- und Selbstüberforderung bei entgrenzter Wissens- und Innovationsarbeit. In: W. Bauer, S. Mütze-Niewöhner, S. Stowasser, C. Zanker & N. Müller (Hrsg.). Arbeit in der digitalisierten Welt - Praxisbeispiele und Gestaltungslösungen aus dem BMBF-Förderschwerpunkt (S. 145-158). Berlin, Heidelberg: Springer Vieweg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-62215-5
- Mischer, M., Kirsch, T. L. & Günther, T. (2021). Die ganzheitliche Bewertung von Zeitmanagementmaßnahmen durch Verknüpfung „weicher“ und „harter“ Kennzahlen. Zeitschrift für Controlling. (im Erscheinen)
- Mütze-Niewöhner, S., Hacker, W., Hardwig, T., Kauffeld, S., Latniak, E., Nicklich, M. & Pietrzyk, U. (Hrsg.). (2021). Projekt- und Teamarbeit in der digitalisierten Arbeitswelt. Herausforderungen, Strategien und Empfehlungen. Berlin, Heidelberg: Springer Vieweg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-62231-5
- Mütze-Niewöhner, S., Latniak, E., Hardwig, T., Nicklich, M., Hacker, W., Harlacher, M., Pietrzyk, U. & Kauffeld, S. (2021). Projekt- und Teamarbeit in der digitalisierten Arbeitswelt. In S. Mütze-Niewöhner, W. Hacker, T. Hardwig, S. Kauffeld, E. Latniak, M. Nicklich & U. Pietrzyk (Hrsg), Projekt- und Teamarbeit in der digitalisierten Arbeitswelt. Herausforderungen, Strategien und Empfehlungen (S. 1-30). Berlin, Heidelberg: Springer Vieweg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-62231-5
- Pietrzyk, U., Gühne M. & Hacker, W. (2021). Prävention zeitlicher Überforderung bei komplexer Wissens- und Innovationsarbeit. In S. Mütze-Niewöhner, W. Hacker, T. Hardwig, S. Kauffeld, E. Latniak, M. Nicklich & U. Pietrzyk (Hrsg), Projekt- und Teamarbeit in der digitalisierten Arbeitswelt. Herausforderungen, Strategien und Empfehlungen (S. 97-114). Berlin, Heidelberg: Springer Vieweg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-62231-5
2020
- Hacker, W., Pietrzyk, U. & Gühne, M. (2020). Verfahrensentwicklung zur Zeitbedarfsermittlung für komplexe geistige Tätigkeiten. In: R. Trimpop, A. Fischbach, I. Seliger, A. Lynnyk, N. Kleineidam & A. Große-Jäger (Hrsg.). Psychologie der Arbeitssicherheit und Gesundheit – Gewalt in der Arbeit verhüten und die Zukunft gesundheitsförderlich gestalten! (S.179-182). Kröning: Asanger Verlag.
- Hacker, W. (2020). Prävention von zeitlicher Überforderung bei entgrenzter komplexer Wissens- sowie Innovationsarbeit: Möglichkeiten und Grenzen der Zeitbedarfsermittlung – eine Fallstudie. Psychologie des Alltagshandelns, 13(1), 12-27.
- Kirsch, T. L., Janka, M., Einhorn, S., Heinicke, X. & Günther, T. (2020). Verfahren zur Messung und Bewertung des Social Impacts, Controlling, 32(3), 66-75.
- Pietrzyk, U., Gühne, M. & Hacker, W. (2020). Verfahrensentwicklung zur Zeitbedarfsermittlung für komplexe geistige Tätigkeiten. In: Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e. V., Dortmund (Hrsg.). Digitaler Wandel, digitale Arbeit, digitaler Mensch? (A. 9.2). Dortmund: GfA Press.
2019
- Hacker, W. (2019). Prävention von Fremd- und Selbstüberforderung bei entgrenzter Wissens- und Innovationsarbeit - „Gesundes Arbeiten mit vernetzten Arbeitsmitteln" (GADIAM). Projektberichte (Heft 97). Dresden: TU Dresden Eigenverlag.
- Hacker, W., Pietrzyk, U., Günther, T., & Kirsch, T. L. (2019). Gesundes Arbeiten mit vernetzten digitalen Arbeitsmitteln. In: W. Bauer, S. Stowasser, S. Mütze-Niewöhner, C. Zanker & K.-H. Brandl (Ed.): Arbeit in der digitalisierten Welt. Stand der Forschung und Anwendung im BMBF-Förderschwerpunkt.
2018
- Hacker, W. (2018). Menschengerechtes Arbeiten in der digitalisierten Welt. Eine wissenschaftliche Handreichung. Schriftenreihe Mensch - Technik - Organisation, Bd 49. Zürich: vdf Hochschulverlag.
- Hacker, W. (2018). Prävention von Fremd- und Selbstüberforderung bei entgrenzter Wissens- und Innovationsarbeit – „Gesundes Arbeiten mit vernetzten Arbeitsmitteln“. Projektbericht (Heft 94). Dresden: TU Dresden Eigenverlag.
- Mühlbradt, T., Hartmann, E. A. & Hacker, W. (2018). Arbeitsgestaltung für Industrie 4.0 – neue Herausforderungen für die Arbeitswissenschaften. In: Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V., Dortmund (Hrsg.). Arbeit(S). Wissen.Schaf(f)t – Grundlage für Management & Kompetenzentwicklung. (A. 3.5). Dortmund: GfA Press.