15.02.2023
Mit allen Sinnen lernen: Multimodales Enrichment als optimale Lernstrategie der Zukunft
Neurowissenschaftlerin Katharina von Kriegstein von der TU Dresden und Brian Mathias von der University of Aberdeen haben in einem aktuellen Review Artikel umfangreiche interdisziplinäre Erkenntnisse aus Neurowissenschaften, Psychologie, Computermodellierung und Pädagogik zum Thema „Lernen“ zusammengetragen. Das Ergebnis der interdisziplinären Übersichtsarbeit zeigt, welche Mechanismen das Gehirn nutzt, um durch die Verbindung mehrerer Sinne oder Bewegungen beim Lernen einen verbesserten Lernerfolg in den verschiedensten Bereichen, z. B. beim Buchstaben- und Wortschatzerwerb, beim Lesen, in der Mathematik, in der Musik oder bei der räumlichen Orientierung zu erzielen.
Viele Bildungsansätze gehen davon aus, dass die Integration von ergänzenden sensorischen und motorischen Informationen in die Lernerfahrung, das Lernen verbessern kann. So helfen Gesten beispielsweise beim Erlernen neuer Vokabeln im Fremdsprachenunterricht. Die Neurowissenschaftler Katharina von Kriegstein von der TU Dresden und Brian Mathias von der Universität Aberdeen fassen in ihrer aktuellen Publikation diese Methoden unter dem Begriff „multimodales Enrichment“ zusammen, was so viel bedeutet wie: Anreicherung mit mehreren Sinnen und Bewegung.
Zahlreiche aktuelle wissenschaftliche Studien belegen, dass multimodales Enrichment den Lernerfolg steigern kann. Experimente in Klassenzimmern weisen ähnliche Ergebnisse auf. In dem Review Artikel vergleichen die Autor:innen kognitive, neurowissenschaftliche und computergestützte Theorien über multimodales Enrichment. Jüngste neurowissenschaftliche Forschungen haben ergeben, dass die positiven Auswirkungen des multimodalen Enrichments auf das Lernen mit einer Reaktion des Gehirns in Gehirnregionen verbunden sind, die der Wahrnehmung und Motorik dienen. So kann beispielsweise das Hören eines kürzlich gelernten Fremdsprachenworts, eine Aktivität in motorischen Hirnregionen hervorrufen, wenn das Wort mit der Ausführung einer Geste während des Lernens verbunden war, die zum Inhalt des Wortes passt. Diese Reaktionen des Gehirns sind ursächlich für den Nutzen des multimodalen Enrichments für den Lernerfolg. Auch Computer-Algorithmen zeigen, dass solche Mechanismen den Lernerfolg begünstigen.
„Das Gehirn ist für das Lernen mit allen Sinnen und mit Bewegung optimiert. Gehirnstrukturen für die Wahrnehmung und Motorik arbeiten zusammen, um diese Art des Lernens zu fördern. Wir hoffen, dass unser vertieftes Verständnis der Lernmechanismen des Gehirns, die Entwicklung optimaler Lernstrategien in Zukunft erleichtern wird“, erläutert Brian Mathias.
Katharina von Kriegstein ergänzt: „Die Ergebnisse der von uns durchgesehenen Literatur tragen zu unserem Verständnis dafür bei, warum mehrere seit langem angewandte Lernstrategien, wie Teile der Montessori-Methode, wirksam sind. Sie geben auch klare Hinweise darauf, warum einige Ansätze nicht so wirksam sind. Kürzlich aufgedeckte neurowissenschaftliche Mechanismen können die Aktualisierung kognitiver und computergestützter Theorien zum Lernen inspirieren und damit neue Hypothesen über das Lernen liefern. Wir gehen davon aus, dass ein solch interdisziplinärer und evidenz-basierter Ansatz in Zukunft zur Optimierung von Lehr- und Lernstrategien führen wird, sowohl für Menschen als auch künstliche Systeme.“
Originalpublikation:
Brian Mathias, Katharina von Kriegstein. Enriched learning: behavior, brain, and computation. Trends in Cognitive Sciences, Volume 27, Issue 1, 2023, Pages 81-97, ISSN 1364-6613. https://doi.org/10.1016/j.tics.2022.10.007
Kontakt:
Katharina von Kriegstein
TU Dresden
Professorin für Kognitive und Klinische Neurowissenschaft
Tel.: +49 351 463-43901
Dr. Brian Mathias
University of Aberdeen
Redaktion und Autorin: Nicole Gierig