15.12.2021
Die endlose Weite bis zum Horizont
Mathias Bäumel erzählt in „Pannonien“ von seiner zweiten Heimat
Beate Diederichs / Susann Mayer
Das ungarische Tiefland samt seiner angrenzenden Landstriche sind dem früheren Universitätsjournals-Chefredakteur Mathias Bäumel seit der frühesten Jugend vertraut. Angeregt durch die Lektüre von Texten Danilo Kiš´ versteht der Autor diesen geografischen und kulturellen Raum als „Pannonien“. In seinem kürzlich erschienenen Buch beschreibt er die Großregion vom südungarischen Tiefland bis zur serbischen Vojvodina und dem rumänischen Banat.
Alles begann in Kiskunhalas, einem Ort in der südungarischen Tiefebene. Es ist das Jahr 1966, als Bäumel ein Jugendlicher war. Einen Teil seiner Ferien verbrachte er in einem Haus, und wohnte im „großen, eleganten Zimmer gleich neben dem Haupteingang, das angefüllt war mit wertvollen Porzellanvitrinen, Ölgemälden, teuren Spitzendecken auf Tischen und Tischchen und einer Standuhr, deren Pendel angehalten wurde, damit wir gut schlafen konnten. Unsere Betten standen diagonal gegenüber in den Zimmerecken, so dass wir quer durch den Raum einander zuflüstern konnten.“ Der, mit dem sich der junge Mathias Bäumel vor dem Schlafengehen unterhält, ist Laci, der Sohn seiner Wirtsleute, die für ihn über die Jahre zu einer zweiten Familie werden.
Mathias Bäumel geht es um einen geistig-kulturellen Streifzug. Oft wechselt er die Zeitebene und besucht manche Orte mehrmals oder verweist erneut auf sie. Den Rahmen für die Geschehnisse bildet das Schicksal des genialen, aber drogenabhängigen und psychisch labilen Schriftstellers Géza Csáth, der kurz vor Ende seines Lebens aus der Psychiatrie flüchtete. Bäumel erwähnt ihn am Anfang und kurz vor dem Ende des Buches, wo er auch Csáths Ende beschreibt. Dazwischen nimmt der Autor die Leserschaft mit auf eine Reise durch Pannonien, startend in einer Csarda, einer Schänke im ungarischen Jakabszallás und endend ganz in der Nähe, in Kecskemét, mit einer Erzählung über den Komponisten Zoltán Kodály, der von dort stammte, ebenso wie der 91-jährige Onkel Laszló, sein ehemaliger Gastvater, der das Autofahren erst aufgibt, als er mit dem Wagen in einem Dorfteich landet. Bei jeder Station breitet Mathias Bäumel sein umfangreiches Wissen zur Region aus, berichtet über prominente Menschen, die aus der jeweiligen Gegend stammen, über geschichtliche Ereignisse, Sehenswürdigkeiten oder einfach die lokale Küche. Am Ende des Buches fährt der Autor wie in seiner Jugend mit dem Zug nach Kiskunhalas und verliert sich in der nächtlichen Stadt.
Der sorgfältig erstellte Band (Titel im Buchdruck, Layout, Papierauswahl) ist mit drei extra dafür geschaffenen Druckgrafiken von Kerstin Franke-Gneuß bebildert.
Mathias Bäumel: »Grenzen erfahren. Erkundungen in Pannonien«, Verlag SchumacherGebler, Dresden 2021, ISBN: 978-3-941209-65-7.
Diesem Artikel liegt der aus dem Dresdner Universitätsjournal 18/2021 vom 16. November 2021 zugrunde. Die komplette Ausgabe unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung bei bestellt werden.