11.08.2025
Ein Silberstreif am Horizont
Dagmar Möbius
Dort, wo sich der Hauptstadtort des künftigen Deutschen Zentrums für Astrophysik befinden wird, wurden im 19. Jahrhundert psychisch Erkrankte therapiert. Was auf dem Kahlbaum-Areal in Görlitz, benannt nach dem Pionier der klinischen Psychiatrie und Rehabilitation Karl Ludwig Kahlbaum entstehen wird, kommt Laien tatsächlich etwas verrückt vor. Aber das Vorhaben symbolisiert wie kein zweites die Chancen der Transformation einer benachteiligten Region.

DZA-Gründungsdirektor Prof. Günter Hasinger
Auf dem Kahlbaum-Areal werden schon lange keine Kranken mehr geheilt. Viele Gebäude sind ruinös. Es gehört Phantasie dazu, sich hier einen perspektivischen Leuchtturm der Forschung vorzustellen. „Wir sind in der ersten Projektphase“, sagt der designierte Gründungsdirektor Prof. Günter Hasinger. „Das Deutsche Zentrum für Astrophysik wird im Spätsommer 2025 offiziell als eigene Rechtsform gegründet.“ Seit 2023 ist es an der Technischen Universität Dresden und am Deutschen Elektronen Synchrotron (DESY) angesiedelt. Ab 2026 soll das DZA auf eigenen Füßen stehen. Rund 100 Menschen arbeiten bereits für das Zentrum – in zwei Interimsstandorten. Mehr als 1.000 sollen es werden. „Die Neubauten dauern noch fünf Jahre“, sagt Hasinger. Doch geforscht wird von Anfang an. Der Aufbau muss parallel laufen.
Astrophysik von Weltrang in der Mitte Europas
Ein nationales Großforschungszentrum für Astrophysik gibt es bis jetzt noch nicht in Deutschland. Das künftige Zentrum für Astrophysik, Digitalisierung und Technologieentwicklung mit Spitzenforschung will als Innovationsmotor in der Lausitz fungieren und so der Region im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien bei ihrem Wandel nach dem Braunkohleausstieg helfen. Hasinger nennt das Vorhaben einen „Silberstreif am Horizont“. Bis zum Jahr 2038 stehen Gelder zur Verfügung. Das wissenschaftliche Konzept beinhaltet zum einen Astrophysik – die Wissenschaft, die das Universum verstehen will – und neue Technologien sowie Verfahren der Datenwissenschaften.
Vielfraße des Weltalls, Sternenfriedhöfe und mehr
„Forschung an der Grenze des Machbaren“ nennt Professor Günter Hasinger das, was Astrophysik kann und will. Die Erforschung physikalischer Phänomene. Sogenannte kompakte Objekte wie „schwarze Löcher“ oder andere Objekte der Sternenfriedhöfe. „Man kann sehr viel damit machen.“ So ist eine Forschungsgruppe damit beschäftigt, Algorithmen für Daten aus den größten Radioteleskopen der Welt zu entwickeln. „Das ist wichtig für die Gesellschaft, da sie später in Daten ersticken wird“, erklärt der Astrophysiker aus Leidenschaft. Schon jetzt sind Datenmengen aus Teleskopen riesig. Lieferten diese früher nur optische Informationen, können jetzt Gravitationswellen, kosmische Strahlung und andere Information gemessen werden. Und es gibt noch unendlich viele weitere wissenschaftliche Herausforderungen.

DZA Workshop Innolabs
Die seismische Null
„Früher war die Welt ein Stummfilm, jetzt kommt der Ton dazu“, veranschaulicht Professor Hasinger. Würden wir uns das Weltall wie einen Wackelpudding vorstellen, wären diese Schwingungen winzig klein. Alle anderen Wackelquellen müssen möglichst ausgeschlossen, vor allem das seismische Rauschen der Erde. Für störungsfreie Messungen müssen Forschende absolute Ruhe haben. Dazu gehen sie tief unter die Erdoberfläche. Das lauteste Signal dort unten ist übrigens das Meeresrauschen, aber auch das muss durch spezielle Kontrollvorrichtungen unterdrückt werden. Diesen Ort nennen sie „die seismische Null“. In einem Lausitzer Granitblock glauben sie ihn zu finden. Erste Tiefenbohrungen lassen darauf hoffen, dass im geplanten Low Seismic Lab, irgendwo zwischen Hoyerswerda, Kamenz und Bautzen, 250 Meter unter der Erde das Einstein-Teleskop aufgestellt werden kann.
Begeisterung weitertragen
Neben den wissenschaftlichen Aktivitäten möchte das Deutsche Zentrum für Astrophysik seine Vision in die Gesellschaft tragen und auch bei Kindern und Jugendlichen Interesse für Astrophysik wecken. Das Großforschungsinstitut in Görlitz braucht die besten Köpfe. Alumni finden hier offene Stellen.
Die Idee des Deutschen Zentrums für Astrophysik in der Lausitz in Filmclip.
Kontakt:
Prof. Günter Hasinger
ESA Director of Science, Head of ESAC
Designierter Gründungsdirektor des DZA