05.08.2021
Studieren bei Potthoff
Günter Wolf
Es waren damals sehr unruhige Zeiten, nicht nur in der DDR, auch in Dresden. Ich wusste wirklich nicht, was ich studieren sollte. Ich hatte zwar die Hochfrequenztechnik angepeilt, aber wirklich gut war ich auf diesem Gebiet nicht.
Durch einen Zufall erfuhr ich, dass eine Hochschule für Transportmaschinenbau geplant war, in Wirklichkeit sollte es aber eine Hochschule für Flugzeugbau werden. Denn es kamen die deutschen Flugzeug-Experten aus der UdSSR zurück. Diesen wollte man eine sichere Position in der DDR bieten. Ich hatte schon alle Immatrikulationsunterlagen und war recht glücklich. Da kam aber der 17. Juni 1953 dazwischen, und diese Hochschule wurde wieder geschlossen und verschwand von der Bildfläche.
Ich erfuhr aber von einigen Mitbewerbern, dass seit einem Jahr eine Hochschule für Verkehrswesen (HfV) bestand. Also bin ich dorthin und habe mich mit einigen Mitarbeitern der HfV unterhalten. Ich wurde sogar vom damaligen Prorektor für Studentenangelegenheiten, Prof. Hermann Wagener, empfangen. Der versuchte mich vor allem für den Verkehrsbau zu werben. Aber da ich in meinen Oberschul-Ferien fast immer auf dem Bau gearbeitet hatte, wollte ich diese Fakultät nicht. Es gab damals in meiner Oberschulklasse einige Mitschüler, die genau wussten, was sie studieren wollten, z.B. Mathematik (was sie aber später bitter bereuten) oder Chemie usw.
Es gab aber auch einen anderen Orientierungspunkt: Berühmte Professoren. So hörte ich den Namen „Potthoff“ zum ersten Mal und wusste, dass dieser Professor sehr bekannt und berühmt war.
Daher habe ich mich für das Studium der Verkehrstechnik bei Prof. Potthoff entschieden, obwohl dieses Gebiet für mich vollkommen unbekannt war. Und im Inneren dachte ich mir, wenn ich damit nicht klarkomme, kann ich noch immer wechseln. Aber das einjährige Vorpraktikum auf dem Dresdner Hauptbahnhof, wo ich zunächst rangieren musste, auf Stellwerken per Morseapparat Zugmeldungen abgab, die Stellwerkstechnik kennen lernte u. war mir wichtig. Die Kollegen am Hauptbahnhof waren nett zu mir. Ich habe diese spontane Entscheidung für Professor Potthoff nie bereut. Zu meiner großen Verwunderung wurde ich im Vordiplom Bester im Semester und erhielt das Wilhelm-Pieck-Stipendium. 1958 erhielt ich das Diplom.
Ich habe mich vor allem während des Studiums in der FDJ sehr engagiert, nicht zuletzt wegen des Schicksals meines Vaters, der noch im Frühjahr 1945 im KZ Sachsenhausen von der SS ermordet wurde. Aber das ist eine ganz andere Geschichte. Aber auch als FDJ-Funktionär habe ich vier große Jazz-Vorträge an der HfV organisiert. Das Auditorium maximum war brechend voll. Die Studenten saßen auf den Treppen und den Fensterbänken.
Nach einem Jahr Praxis in der Reichsbahndirektion Cottbus konnte ich als Assistent zurück zum Lehrstuhl Potthoff und meine Dissertation vorbereiten.
P.S.: Ich würde den neuen Studenten raten, eine handfeste Fachrichtung, wie Maschinenbau, Verkehrstechnik, Bauwesen o.ä. zu wählen, in allen wird jetzt Informatik gebraucht, nur Mathe-Genies könnte ich ein reines Informatik-Studium empfehlen.
Man sollte sich nach den Worten des Herrn Geheimrates aus Weimar richten:
Tu nur das Rechte in deinen Sachen,
Das andre wird sich von selber machen
(Was er auch sinngemäß in seinen „Maximen und Reflexionen“ schrieb.)
Zusatz der Redaktion:
Herr Dr. Günter Wolf hat im Jahr 2012 einen ausführlichen Erinnerungsbericht zu seiner Studienzeit geschrieben.