Semestertreffen
Freunde, gestattet mir, quasi als Mitverantwortlicher der Dresdner Landsmannschaft, zu euch einige Worte zu sprechen. Gudrun, unsere liebe Gudrun, sprach sachlich, nüchtern knapp, ich will nicht sagen, so wie immer, ohne Konzept oder Blatt vor dem Mund. Aber was soll man schon für eine Rede halten in einem Hochzeitszimmer?
Auf eine Hochzeit, ein junges Paar, fielen einem vielleicht ein paar Worte ein. Man könnte von Hochzeiten, von Hochzahlen oder Potenzen sprechen, von Vogelhochzeiten, von Vögeln allgemein, von lustigen Dingen also, die sich aber in einer so erlaucht-erlesenen Gesellschaft verbieten. Gleichzeitig befindet sich das Hochzeitszimmer in einem ehemaligen Stall, dem Reitstall August des Starken, wo sich einst Knechte und Mägde tummelten – sicher ging es da auch oft lustig zu. Wenn man aber nach Dürern (Dürerausstellung im Dresdner Zwinger) davon spricht, sagt ihr „kulturloser Banause“, oder „pfui, das Ferkel oder gar Watz“.
Von den Stallknechten gehen Gedankenassoziationen zu den Messknechten. Dieses Stadium haben wir aber mehr oder weniger gut überwunden und jeder hat sich über die Stufe des Steigbügelhalters hinweg auf ein Pferd geschwungen, das er heute reitet. Die Stufe des Steigbügelhalters zu überspringen war aus ästhetischen Gründen dringlich, denn keiner von uns hat sich jemals gern die Finger schmutzig gemacht. So reitet denn nun jeder seinen Gaul, des einen lahmt vorn links, des anderen rechts hinten, der dritte reitet eine magere alte Schindmähre, aber alle in weißer Weste und keiner sitzt steif oben mit Zylinder auf feurig-schneeweißem Rosse. Und noch keiner hat mit Aufsehen erregenden Ritten von sich Reden gemacht, alle holpern, stolpern langsamen Trabes über das steinig-rauhe Gestrüpp der Wissenschaft. Das mag wohl an den Westen liegen, denn die führenden Jockeys tragen rot, die zukünftigen vielleicht gelb. Oder es liegt daran, dass alle ehemaligen Knechte zu gern und zu lange bei Mägden liegen und sich mit steifen Fingern an den prallen Naturschönheiten, statt an der zähen Naturwissenschaft zu schaffen machen.
Es ändern sich die Zeiten, wir bleiben die gleichen! Es verändern sich die und der Westen – aber ich will euch keine Brandrede (Anspielung auf den damaligen Bundeskanzler) halten, das Honorar ist mir zu hoch. Ich will euch nur anfeuern, reitet los, legt euch neue Kleider und Klapper zu, erringt internationale Erfolge und noble Preise!
Aber denkt bei euren Turnierplänen und Kalenderaufzeichnungen zwischen Spree und Elbe daran, dass aller zwei Jahre das Dresdner Derby stattfindet, haltet eure Spalten für den großen Einlauf frei. Hier wollen wir die errungenen Siege feiern. Und es wäre gelacht, wenn nicht auch der große Preis des Nordens nach Deutschland entführt würde. Sei es für die neue Zahncreme „Rosa-Gelb“ von Elbflorenz oder die wunderbare Magnesiumschlacke von Pieschen oder die Uranhalde von Gittersee im Süden der Stadt. Vielleicht fällt er nach Freiberg in die Mulde, nach Berlin in die Spree oder Leipzig in die Pleiße, nach Wladimir in die Wolga oder Rossendorf, Orte unseres Wirkens also, egal, wir werden ihn hier zerreißen und ertränken. Womöglich wird es ein Gemeinschaftspreis zwischen Armin, dem Cherusker, in Rossendorf, dem Ex-Ungarn Frei in Leipzig und dem galanten Spreewaldgurkenverführer Belo in Berlin, für ein neues großes Energiewerk, in Form eines Akkus, in der Größe eines Hosenknopfes. Hosenknopfakkus sind in Zukunft gefragt und der Preis der Weltfrauenförderation dafür ist sicher, denn die Energiereserven auch in dieser Region werden mit der Zeit ab und zu ab- und nicht zunehmen.
Kurzum, ich feure euch an, schwingt euch auf eure Rosse, die Welt der Wissenschaft war nicht nur für Liebig beliebig ergiebig! Doch reitet aufrecht, mit klarem Kopf und reiner Weste und vergesst mir dabei eure Traudels nicht.