Zwischen Widerstand und Repression
Dr. Matthias Lienert
Wer wissen will, welche Ausmaße, Hintergründe und Konsequenzen politische Gerichtsverfahren in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR gegen Studenten der TH bzw. TU Dresden gehabt haben, kann sich mithilfe des Buches „Zwischen Widerstand und Repression – Studenten der TU Dresden 1946 –1989" von Dr. Matthias Lienert bestens informieren.
Die traditionsreiche Technische Hochschule Dresden hatte nach dem Zweiten Weltkrieg einen unerwarteten Aufschwung genommen – trotz der umfangreichen Zerstörungen am 13./14. Februar 1945, der hohen Zahl von Kriegsopfern unter den Hochschulangehörigen, der Demontagen nach dem Kriegsende und des radikalen Personalverlusts durch die Entnazifizierung seit Anfang der 1950er-Jahre. Zugleich fanden an der TH Dresden harte, vom Kalten Krieg gekennzeichnete Auseinandersetzungen statt, die wesentlich mit der allgemeinen politischen Entwicklung verbunden waren.
Hochschulbeziehungen nach dem Westen wurden nach der Wiedereröffnung der TH Dresden 1946 zunehmend eingeschränkt und teilweise ganz unterbunden. Die Hochschulautonomie wurde abgeschafft und die demokratische Mitbestimmung der Studentenschaft mit der Entmachtung der Studentenräte 1949 weitgehend beseitigt.
Diese Entwicklung verlief jedoch nicht ohne Gegenwind. Auch in Dresden formierte sich vor allem in der Zeit des Hochstalinismus studentischer Widerstand. Zwar war die offensive und öffentliche Einforderung bürgerlich-demokratischer Freiheitsrechte nicht möglich, dennoch leistete eine Minderheit unter den Studenten verdeckt Widerstand, der wiederum mit politisch-juristischen Maßnahmen geahndet wurde. So verhängten Gerichte martialische Strafen gegen Dresdner Studenten wegen Flugblattaktionen, Kontakten nach Westberlin oder wegen des Besitzes von „antisowjetischem Propagandamaterial" und „Spionage". Darunter war auch ein in Moskau vollstrecktes Todesurteil. Die DDR-Justiz führte mehrere politische Prozesse gegen Dresdner Studenten, die sich gegen die Durchsetzung diktatorischer Verhältnisse gewandt hatten.
Im Buch werden die Hintergründe zum Dresdner Studentenprozess von 1959 ausführlich beleuchtet. Dieser Prozess wurde gegen Studenten geführt, die mit einem eigenen 16-Punkte-Programm radikale politische Alternativen entwickelt hatten. Für die meisten Angeklagten endete der Prozess mit hohen Zuchthausstrafen.
Einschneidende politische Ereignisse, wie der Mauerbau 1961 und die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968, hatten zu vereinzelten Widerstands- und Protestaktionen unter Studenten und anderen Hochschulangehörigen geführt. Vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund werden die politischen Hoffnungen, Illusionen, Ziele und Motivationen von Hochschulangehörigen deutlich, die sich gegen die offiziell verordnete Mehrheitsmeinung wandten.
Der Autor Dr. Matthias Lienert war Direktor des Universitätsarchivs der TU Dresden.