25.04.2023
Kräftemessen der Zellen: Neue Heisenberg-Professur für Mechanik von aktiven Biomaterialien an der TU Dresden
Am Exzellenzcluster Physik des Lebens (PoL) der TU Dresden hat Prof.in Elisabeth Fischer-Friedrich die DFG-geförderte Heisenberg-Professur für Mechanik von aktiven Biomaterialien angetreten. Mit ihrem Team erforscht die Physikerin in einem interdisziplinären Ansatz die physikalischen Eigenschaften von sich selbst verformenden lebenden Materialien: den Zellen und Geweben von Lebewesen.
Zellen sind die kleinsten lebenden Einheiten in unserem Körper. In jeder Minute verformen sich Körperzellen, um ihre natürliche Funktion erfüllen zu können. So dehnen und strecken sich beispielsweise die weißen Blutkörperchen des Immunsystems, um durch unseren Körper zu wandern. Um sich in zwei Tochterzellen zu teilen, nimmt jede Zelle im Körper eine runde Form an, die sich dann in der Mitte abschnürt. Diese zellulären Verformungen sind ein natürlicher Prozess in unserem Körper, der jedoch, wenn er nicht richtig ausgeführt wird, zu Fehlfunktionen oder Krankheiten führen kann. Ein Anwendungsbereich dieser Forschung ist zum Beispiel die Diagnose einiger Krebsarten.
„Im Gegensatz zu unbelebten Materialien, die durch äußere Kräfte geformt werden, werden zelluläre Verformungen durch interne molekulare Kraftgeneratoren angetrieben.“, erklärt Prof.in Elisabeth Fischer-Friedrich. „Als solche sind Zellen ein aktives Material mit ungewöhnlichen mechanischen Eigenschaften. Die physikalischen Kräfte, die notwendig sind, um ein festes Material zu verformen, werden in einem Bereich der Physik beschrieben, der Kontinuumsmechanik genannt wird. Um zu verstehen, wie Zellen ihre Form regulieren, müssen die Beschreibungen der klassischen Kontinuumsmechanik erweitert werden, um die besonderen Eigenschaften des lebenden Materials einer Zelle oder eines Gewebes, zu berücksichtigen.“ Mit dem Ziel, die Mechanik lebender Materie zu ergründen, entwickelt die Physikern mit ihrem internationalen Team neue quantitative Messmethoden für lebende Zellen und Gewebe sowie mathematische Modellierungen.
Prof.in Fischer-Friedrich will diese lebenden Materialien auf molekularer, zellulärer und Gewebeebene charakterisieren. Auf molekularer Ebene ist für ihr Team besonders interessant, wie die schwachen molekularen Bindungen des Zellskeletts auf mechanische Belastungen reagieren und wie dies die molekulare Architektur des Materials beeinflusst. Darüber hinaus wollen sie erforschen, wie sich die Mechanik und die Krafterzeugung des Aktin-Zellskeletts bei krankheitsbedingten Veränderungen von Zellen abwandelt. In einem weiteren Teilprojekt widmet sich Prof.in Fischer-Friedrich in Zusammenarbeit mit Kolleg:innen der Fakultät für Biologie den mechanischen Eigenschaften der Basalmembran von Deckgeweben und untersucht, wie diese die Formentwicklung von Organen beeinflusst.
Diesen Forschungsfragen geht Prof.in Fischer-Friedrich bereits seit 2019 als Nachwuchsgruppenleiterin am PoL nach. Die Heisenbergprofessur gibt ihr nun die Möglichkeit, ihre Forschungsgruppe langfristig in Dresden zu etablieren und sich in die Lehre an der TU Dresden einzubringen, vor allem durch den neuen Masterstudiengang Physics of Life. Auf diese Weise profitieren junge Wissenschaftler:innen auch in der Lehre von der Spitzenforschung. „Wir freuen uns am PoL sehr, dass das Heisenberg-Programm die Leistungen unserer Kollegin anerkennt. Das ist eine tolle Nachricht für Professorin Fischer-Friedrich, aber auch für das PoL und die TU Dresden", betont Prof. Otger Campàs, Sprecher und Managing Director des Exzellenzclusters PoL.
Über Prof.in Elisabeth Fischer-Friedrich
Prof.in Fischer-Friedrich studierte Physik in Leipzig und Edinburgh. Für ihre Doktorarbeit am MPI PKS (Dresden) und der Universität des Saarlandes (Saarbrücken) auf dem Gebiet der biologischen Physik wurde sie mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnet. Nach einem Postdoc am Weizmann Institut in Israel und in Dresden arbeitet sie seit 2019 als Forschungsgruppenleiterin am Exzellenzcluster Physics of Life an der TU Dresden. Ihre Forschung wurde 2022 mit dem Hertha-Sponer-Preis der Deutschen Physikalischen Gesellschaft ausgezeichnet. Prof.in Fischer-Friedrich wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft in das Heisenberg-Programm aufgenommen und ist seit Februar 2023 Heisenberg-Professorin am Excellenzcluster PoL und dem Center for Molecular and Cellular Bioengineering (CMCB) der Technischen Universität Dresden.
Über das Exzellenzcluster Physik des Lebens
Physics of Life (PoL) ist eines von drei Exzellenzclustern an der TU Dresden. Es konzentriert sich auf die Identifizierung der physikalischen Gesetze, die der Organisation des Lebens in Molekülen, Zellen und Geweben zugrunde liegen. Im Cluster erforschen Wissenschaftler:innen aus Physik, Biologie und Informatik gemeinsam, wie sich aktive Materie in vorgegebene Strukturen in Zellen und Geweben organisiert und damit Leben entsteht. Physik, Biologie und Informatik gemeinsam, wie sich aktive Materie in vorgegebene Strukturen in Zellen und Geweben organisiert und damit Leben entsteht. PoL wird im Rahmen der Exzellenzstrategie durch die DFG gefördert und ist eine Kooperation zwischen Forschungsgruppen der TU Dresden und Forschungseinrichtungen des DRESDEN-concept-Verbundes, wie dem Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG), dem Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme (MPI-PKS), dem Leibniz-Institut für Polymerforschung (IPF) und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR).
Weitere Infos: https://www.physics-of-life.tu-dresden.de
Über das DFG Heisenberg-Programm
Das Heisenberg Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft dient der Förderung von herausragenden Nachwuchswissenschaftler:innen um sich auf eine wissenschaftliche Leitungsposition vorzubereiten, mit dem Ziel eine Lebenszeit-Professur zu erlangen. Mit der Heisenberg-Professur werden Mittel für eine zeitlich befristete Professur (W2 oder W3) an einer deutschen Hochschule und flexible Forschungsmittel zur Verfügung gestellt. Die Heisenberg-Professur ermöglicht es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sich als Professorin bzw. Professor an einer deutschen Hochschule zu etablieren.
Kontakt:
Kaori Nakashima
PR Physics of Life
Tel.: +49 178 3990252