28.02.2024
Interview mit Prof.in Roswitha Böhm: Die Nachhaltigkeitsstrategie der TU Dresden
An der TU Dresden haben sich seit den 1990er Jahren zahlreiche Initiativen und Prozesse zur Umsetzung ökologischer Nachhaltigkeitsziele etabliert. Es gibt die Umweltleitlinien, seit 2003 wird die Uni mit einem validierten Umweltmanagementsystem EMAS zertifiziert. Zuletzt wurden 2021 das Green Office und ein Team für ökologische Nachhaltigkeit gegründet.
Wozu braucht die TU Dresden noch eine Nachhaltigkeitsstrategie?
Das ist richtig, die Nachhaltigkeitsbestrebungen an der TUD leben seit Langem von dem hohen Engagement einer Vielzahl von Menschen an unserer Universität. Hier möchte ich unbedingt unsere Studierenden nennen, die bereits 1989 die TU-Umweltinitiative – kurz tuuwi – gegründet und damit die Themen des Umweltschutzes stark vorangetrieben haben. Es existieren auch zahlreiche Projekte in den Fakultäten, die zu Themen der Nachhaltigkeit lehren oder diese beforschen, sei es zur Energieversorgung oder zum nachhaltigen Bauen, sei es in den Materialwissenschaften oder der Mikroelektronik, sei es in der Disruptionsforschung oder in den Erziehungswissenschaften. Dann gibt es neuerdings Pat:innen für die 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung, die sogenannten Sustainable Development Goals (SDG), und Nachhaltigkeitsbotschafter:innen. Mit der Nachhaltigkeitsstrategie geht es uns jetzt darum, die vielen guten und sinnvollen Ideen an der TUD zu bündeln und zielgerichtet aufeinander abzustimmen.
Was genau versteht die TU Dresden unter einer Nachhaltigkeitsstrategie? Welche Ziele verfolgt sie und welchen Beitrag leistet sie selbst?
Die Nachhaltigkeitsstrategie bietet einen systematischen Handlungsrahmen und ein Steuerungsinstrument, um Transformation voranzubringen. Wir betrachten sechs Handlungsfelder, z.B. Campus und Betrieb, Lehre oder Forschung, daraufhin, wo wir als Universität einen sinnvollen Beitrag leisten können, um den aktuellen Herausforderungen, wie dem Klimawandel oder dem Verlust an Biodiversität, zu begegnen. Diese Umweltbelastungen verursachen hohe Kosten, und sie gefährden die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen. Hier sind wir einerseits als große Universitätsgemeinschaft gefragt, indem wir institutionell und individuell Verantwortung übernehmen. Andererseits sind wir gefragt als Exzellenzuniversität, weil wir sehr viel Expertise haben: Durch unsere Forschung arbeiten wir an innovativen Lösungen, durch unsere Lehre sensibilisieren wir die Fachkräfte von morgen für Fragen nachhaltiger Entwicklung.
Was kann die TUD konkret tun, um selbst nachhaltiger zu agieren?
In allen Handlungsfeldern der Strategie haben wir uns konkrete Ziele gesetzt. Aus dem Bereich Campus und Betrieb nenne ich beispielhaft diese beiden: Wir wollen unseren Ressourcenverbrauch signifikant reduzieren, und wir wollen bis 2035 treibhausgasneutral sein. Das ist als große Lehr- und Forschungsinstitution, die eine Vielzahl an Gebäuden und Flächen nutzt, eine echte Herausforderung, aber wir wollen uns dieser stellen. Wie tun wir das? Wir arbeiten mit der Stadt Dresden und mit unserer Fakultät Verkehrswissenschaften an einem Mobilitätskonzept für einen fußgänger- und fahrradfreundlichen Campus, womit dann auch ein Rückgang der Emissionen und ein Zugewinn an Aufenthaltsqualität einhergeht, weil wir mehr Grünflächen schaffen können. In unserer Treibhausgasbilanz berücksichtigen wir auch jetzt schon Scope 1 und 2 Emissionen laut Green-House-Gas Protocol. Diese Bilanzierung wollen wir um indirekte THG-Emissionen nach Scope 3 erweitern und dann mögliche Reduktionspfade für die TUD ermitteln. Wir stellen im Innen- und Außenbereich auf LED-Beleuchtung um, wir prüfen die Installation weiterer Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern unserer Gebäude. Insgesamt haben wir 13 Ziele entwickelt, die wir mit einem Arbeitsplan mit 80 Maßnahmen unterlegt haben.
Die TU Dresden steht für die Exzellenz ihrer Forschung. Kann hier Nachhaltigkeit gelingen – ohne Einbußen an der Qualität?
Davon bin ich überzeugt. Mit der Nachhaltigkeitsstrategie geht es uns nicht darum, unsere Mitglieder in ihrem Tun einzuschränken, denn die Freiheit von Forschung und Lehre bleibt auf jeden Fall gewahrt. Vielmehr möchten wir sie begeistern und sensibilisieren. Wir haben uns in den vergangenen Jahren einer Vielzahl an Herausforderungen gestellt – Pandemie, Energiekrise, globale Konflikte. Sie alle haben die Qualität unserer Forschungen nicht in einem Umfang beeinträchtigt, dass ich jetzt Sorge haben müsste, dass nachhaltige Forschung unseren exzellenten Standard an der TUD auf den Prüfstand stellt.
Einige Forschungsbereiche wie das Hochleistungsrechnen, KI oder Robotik sind sehr energieintensiv. Was kann die TUD hier tun?
Auch hier tun wir konkret etwas für mehr Ressourceneffizienz: Künftig wollen wir die Abwärme des Rechenzentrums nutzen und ins Fernwärmenetz einspeisen. Dafür haben wir im letzten Jahr die Verträge mit dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) und SachsenEnergie geschlossen. Gerade was das Hochleistungsrechnen betrifft, möchte ich auf einen Aspekt hinweisen, den ich in den Nachhaltigkeitsbemühungen für unumgänglich halte: Unser Rechenzentrum betreibt Services auch für andere Hochschulen in Sachsen und darüber hinaus, die wiederum an ihren Standorten diese energieintensiven Leistungen nicht erbringen müssen. Diese Vernetzung, die Kooperationen und die daraus resultierenden ressourcensparenden Synergien sind für mich wichtige Stellschrauben, gemeinsam die Themen der nachhaltigen Entwicklung anzugehen. Und ein weiterer Aspekt ist mir hier wichtig: Nachhaltig zu wirtschaften heißt, nicht das billigste Angebot anzunehmen, sondern jenes, das sich über einen längeren Zeitraum rechnet. Wenn wir heute, in einem angemessenen Rahmen auch mithilfe natürlicher Ressourcen, in technologische Innnovationen investieren, dann hilft uns dies morgen, nachhaltig zu leben und zu forschen, auch in derzeit energieintensiven Feldern.
Forschung ist international und lebt vom Austausch. Der funktioniert aber nicht nur digital. Wie steht es um Dienstreisen oder das Ausrichten von bspw. Kongressen vor Ort?
Das ist ein wichtiger Punkt, der uns bei der Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie beschäftigt hat. Auch wenn die Reisetätigkeit unserer Forschenden durch die Möglichkeiten der Digitalisierung zeitweise abgenommen hat, ersetzt der digitale Raum nicht vollständig den direkten Austausch auf Tagungen, wozu ja auch immer das gemeinsame Gespräch beim Kaffee zum Entwickeln neuer Projekte gehört. Wir unterstützen bereits jetzt bei der nachhaltigen Konzeption und Durchführung von Veranstaltungen und Kongressen durch einen Leitfaden bzw. eine Checkliste, die Hinweise gibt zu An- und Abreise, zur Beschaffung von Materialien, zu Energie, Licht und Medientechnik, zur Abfallvermeidung oder zum Catering. Beratungs- und Unterstützungsangebote wird es zukünftig auch für die nachhaltige und ressourceneffiziente Gestaltung von Forschungsaktivitäten geben. Weiterhin prüfen wir momentan die Einrichtung eines Nachhaltigkeitsfonds, in den Kompensationen für unumgängliche Flüge bei Dienstreisen entrichtet und aus dem heraus dann wiederum weitere Nachhaltigkeitsprojekte an unserer Universität gefördert werden können.
Zur Umsetzung der Ziele nachhaltiger Entwicklung unserer Strategie sind also immer auch kreative Ideen und Eigeninitiative gefragt – und diese wollen wir durch unsere Strategie befördern.