Seit 100 Jahren dem Wohl der Dresdner Alma Mater verpflichtet
Am 7. Dezember 1921 wurde die Gesellschaft von Freunden und Förderern der TH Dresden e. V. gegründet
Universitätsjournal 06/2021
Für den 20. Dezember 1920 hatte der amtierende Rektor und Professor für Hochbau und Entwerfen Martin Dülfer zu einer denkwürdigen Beratung eingeladen. An ihr beteiligten sich zwölf Professoren, unter ihnen sein Amtsvorgänger Richard Mollier, seines Zeichens Professor für Theoretische Maschinenlehre und Kinematik und Direktor des gleichnamigen Instituts. Ebenso hatten sich Dresdens Oberbürgermeister Bernhard Blüher und Regierungsdirektor Böhme vom Sächsischen Volksbildungsministerium eingefunden, der bereits während des Ersten Weltkrieges die Gründung einer Förderergesellschaft an der TH Dresden angeregt hatte. Gleichfalls verwies er auf die bereits vollzogene Etablierung einer solchen Organisation an der Universität Leipzig. Es galt einen Weg zu finden, die TH Dresden aus der zunehmend existenzbedrohenden wirtschaftlichen Situation zu führen.
Als sich die Herren wenige Tage vor Weihnachten 1920 zur Beratung im Rektorat eingefunden hatten, waren sie mit einer schier nicht überblickbaren politischen Situation und mit konkreten Sorgen um die sich verschärfende Inflation konfrontiert. Nicht zuletzt schmerzte sie selbst der herbe Verlust der eigenen Ersparnisse und Vermögen. Die Folgen der »Stahlgewitter« waren noch allgegenwärtig. Das tradierte europäische Staatensystem mit seiner Kultur war mit dem Ende der Hohenzollernmonarchie und des Habsburgerreichs sowie dem Aufstieg Sowjetrusslands endgültig erledigt. Deutschland und das alte Österreich hatten viele Millionen Menschen, große Territorien mit entwickelter Industrie, Landwirtschaft und einer vielfältigen Kultur an andere und neue Staaten verloren. Dazu kamen harte Reparationsforderungen der Siegermächte.
Hunderte Studenten waren aus dem Krieg nicht mehr heimgekehrt, viele fanden sich als körperlich und seelisch Lädierte in den ungeheizten Hörsälen und Seminaren ein. Die meisten Familien der Studierenden hatten ihre Vermögen verloren, viele hungerten. Gleichzeitig stiegen während der 1920er-Jahre die Studierendenzahlen auf mehrere Tausend vor allem infolge der Demokratisierung der Gesellschaft und ob eines hohen Anteils von Ausländern unter den Studierenden, die hier aufgrund der sich verschärfenden Inflation der Mark oft zu günstigen finanziellen Bedingungen studieren konnten. Gleichfalls ließen sich nun vermehrt weibliche Studierende einschreiben. Das ehemals reiche Sachsen ächzte unter den rapide steigenden Ausgaben für seine traditionsreiche Landesuniversität Leipzig und für seine konzeptionell modernere und innovative Technische Hochschule, deren Aufstieg zur Universität bereits Anfang des 20. Jahrhunderts geplant war.
Ein Bündel großer Probleme galt es zu bewältigen, deren der Staat nicht mehr Herr wurde. Gesellschaftliche Solidarität war dringendst vonnöten. Sicher war es ein Glücksumstand, dass der Dresdner Oberbürgermeister Blüher den Hohen Schulen eng verbunden war. So hatte er sich als Kanzler der Fürstenschule in Meißen sowie der Landesuniversität Leipzig und der hauptstädtischen Berliner Universität seine Meriten im komplizierten und nicht selten intriganten Hochschulgeschäft verdient, bevor er zum Dresdner Oberbürgermeister berufen worden war. Er wirkte als geschickter Strippenzieher und Multiplikator.
Der Staat war mit den Kriegsfolgen überfordert
Schließlich einigten sich die Initiatoren zur Gründung der Förderergesellschaft auf die Einberufung einer Versammlung potenzieller Geldgeber unter Einbeziehung des Vorsitzenden des Verbandes Sächsischer Industrieller, den der inzwischen bekannte Politiker Gustav Stresemann ins Leben gerufen hatte. Bereits am 10. Januar 1921 fand nun eine zweite Vorbesprechung zur Gründung der Förderergesellschaft statt, an der neben einigen besonders renommierten Professoren der Hochschule, wie der bereits erwähnte Mollier und der auch hochschulpolitisch ausgewiesene Maschinenbauer Adolph Nägel, bedeutende sächsische Unternehmer, Bankiers, Ministerialbeamte und Politiker teilnahmen. Dazu gehörten so bedeutende Unternehmer wie Dr. Alexander Ernemann, Robert Vorländer, Generaldirektor der bedeutenden auf die Herstellung von Arzneimitteln spezialisierten Chemischen Fabrik von Heyden sowie der Vorstandsvorsitzende und Generaldirektor der Windschild & Langelott Betonbau, Berlin. Während der Beratungen wurde übereinstimmend die Etablierung eines Arbeitsausschusses angeregt. Ebenso fand der eingebrachte Vorschlag Zustimmung, dass der ehemalige sächsische Kultusminister Dr. Dr. E. h. Heinrich v. Beck die Leitung der geplanten Förderergesellschaft übernehmen solle.
Zur Gründung 1921 schon 450 Mitglieder
Nach einer erneuten Zusammenkunft am 21. April 1921 kam es schließlich nach Abstimmung mit dem Verband Sächsischer Industrieller zur Verabschiedung des Aufrufs zur Gründung der Gesellschaft von Förderern und Freunden der TH Dresden e.V., der beispielsweise von der studentischen Vertretung, dem Allgemeinen Studentenausschuss sowie dem Korporationsverband der TH Dresden und den in Dresden ansässigen Großbanken unterschrieben wurde. Bis zur offiziellen Gründung waren die Initiatoren bei der Gewinnung von künftigen Mitgliedern außerordentlich rege, so dass zur feierlichen Gründung am 7. Dezember 1921 im Festsaal der Hochschule sich bereits 450 Mitglieder bei den Förderern und Freunden der Hochschule eingeschrieben hatten und ihr Portemonnaie großzügig öffneten.
Im Jahr 1928, dem 100-jährigen Jubiläum der Hochschule, standen bereits über eine Million Reichsmark im Rahmen der Jahrhundertspende zur Verfügung, die wesentlich von Mitgliedern der Förderergesellschaft gespeist wurde. Jedenfalls war die Gründungsveranstaltung ein gesellschaftlich bedeutendes Ereignis mit großer Resonanz in der Dresdner Stadtgesellschaft und weit darüber hinaus. Führende Unternehmer und Bankiers hatten sich bereitgefunden, aktiv an der Entwicklung der Gesellschaft mitzuwirken und neue Mitglieder zu gewinnen.
Auf diesem Wege konnten weitere Industrielle, Bankiers, Professoren, hohe Ministerialbeamte und Politiker für eine Mitgliedschaft gewonnen werden. Wer beispielsweise als Repräsentant einer Firma als Förderer eingestuft werden wollte, musste mindestens 10 000 Reichsmark einmalig bezahlen. In den Verzeichnissen des Verwaltungsrates waren neben der Gruppe von Professoren die Vertreter der führenden sächsischen Wirtschaftsbranchen aufgelistet. Zu dieser Gruppe gehörten beispielsweise die Chefs großer Firmen wie vom Waggonbau Bautzen. Sehr präsent waren die Großbanken Dresdner Bank mit ihren führenden Repräsentanten Gustav und Victor von Klemperer (Vater und Sohn), die Commerzbank und das Bankhaus Arnhold, vertreten durch Georg Arnhold, den Pazifisten und Finanzier vieler gemeinnütziger Einrichtungen wie des bekannten Arnholdbades.
Seit der Gründung der Förderergesellschaft waren hunderte Bürger auch aus dem Ausland sowie Firmen – unterbrochen für den Zeitabschnitt von 1945 bis 1990 – für vielfältige materielle und immaterielle Unterstützung aktiv tätig. Dabei muss gerade in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, dass Victor von Klemperer und die Söhne von Georg Arnhold, Heinrich und Adolf, nach 1933 aus der Gesellschaft ausscheiden mussten und danach in den Dokumenten dieser Organisation nicht mehr geführt wurden. Gleichzeitig verzichtete fortan die Hochschule auf die Nennung von deren Namen unter der Rubrik der Ehrensenatoren.
Obwohl gerade die Familien von Klemperer und Arnhold schweres Unrecht erleiden mussten und in die Emigration getrieben wurden, setzten die Enkel von Georg Arnhold nach 1991 ihre großzügigen Förderaktivitäten fort, indem sie im Dezember 1991 die Gesellschaft von Freunden und Förderern der TU Dresden im Festsaal des Dresdner Rathauses wieder mitbegründeten. Besonders lag Henry H. Arnhold (1921–2018) die finanzielle und ideelle Förderung von Kunst und Wissenschaft in Dresden und im Besonderen auch an der Universität und der Paluccahochschule am Herzen, sodass ihm im Mai 2011 anlässlich seines 90. Geburtstages von Rektor Hans Müller-Steinhagen im Beisein des Sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich und vieler Angehöriger der Universität die Würde eines Ehrensenators verliehen wurde, womit eine Familientradition fortgesetzt wurde.
Dr. Matthias Lienert
Direktor Universitätsarchiv