Entschleunigung von Wirtschaftsprozessen
Inhaltsverzeichnis
Nachdem „Entschleunigung“ als Begriff und Idee lange Zeit ein Mauerblümchendasein gefristet hat, scheint sich das Blatt in der letzten Zeit gewendet zu haben. So widmete beispielsweise der STERN dem Thema Entschleunigung eine Titelgeschichte, im englischsprachigen Raum erfreut sich die „Quiet Life Hypothesis“ immer größerer Anhängerschaft, und nachdem schon 1998 der „Heidelberger Club für Wirtschaft und Kultur“ seine vielbeachtete Jahrestagung der Entschleunigungsthematik gewidmet hatte, stand der Wettbewerb um den Deutschen Studienpreis der Körber Stiftung 2002 unter dem Thema „Tempo! – die beschleunigte Welt“. In Italien kann man neuerdings sogar „Slow Food“ als Studiengang wählen, und auf den bundesdeutschen Autobahnen findet man seit einiger Zeit Hinweistafeln mit dem Slogan „Die Entdeckung der Gelassenheit“.
Der Faktor Zeit ist für Unternehmen zweifellos von entscheidender Bedeutung für die Produktivität und die daraus resultierenden Wettbewerbsvorteile. Aber noch mehr Tempo durch fortgesetzte, oder sogar noch beschleunigte, Beschleunigung kann sich kontraproduktiv auswirken und damit zum „Beschleunigungsparadox“ führen – z. B. durch zu kurze Produktlebenszyklen, die die F&E-Kostenkomponente zu stark erhöhen, oder durch „Pyrrhus“-Wettbewerbssiege, die dem Sieger „the winner’s curse“ bescheren anstatt eine stabile Marktposition. Dieses Beschleunigungsparadox kann sich aber auch im Konsumbereich zeigen. Konsumaktivitäten benötigen Zeit, und dies hat zur Folge, daß sich die Anbieter nicht nur wie bisher in Konkurrenz miteinander und im Konflikt mit den Budgetbeschränkungen der Verbraucher wiederfinden, sondern auch im Konflikt mit deren Zeitkonten. Denn in die müssen sich produktive, konsumtive und alle sonstigen Freizeitaktivitäten teilen, die wie spazieren gehen oder Schach spielen weder produktiv noch konsumtiv im wirtschaftlichen Sinne sind. Das Wachstum der Breite des Konsumgüterspektrums auf zunehmend umkämpften Märkten und die Zunahme der insgesamt konsumierten Güter und Leistungen werden zusammen mit den bereits erwähnten kurzen Lebenszyklen z. B. bei Computern, Handys oder Unterhaltungselektronik von den Konsumenten zunehmend als Beschleunigung und persönliche Belastung empfunden. Die Geschwindigkeits-Komponente als elementare Lebensglückkomponente kann schließlich das Wohlbefinden, die „happiness“, der Verbraucher in eine allgemeine Schieflage bringen, Beschleunigung wird für Wirtschaft und Gesellschaft zur Beschleunigungsfalle.
Begrifflich erscheint „Entschleunigung“ als probate Lösung. Aber kann sich Entschleunigung zu einem Paradigma für die Wirtschaftwissenschaften entwickeln? Dieser Frage will dieses Forschungprojekt nachgehen, indem es vier Fragen stellt und erste Antworten darauf gibt:
1. Wo liegen die Ursachen der Beschleunigung in Wirtschaft und Gesellschaft?
2. Welche Folgen hat die Beschleunigung bisher gezeitigt?
3. Kann Entschleunigung zum Nachhaltigen Wirtschaften beitragen?
4. Wie kann Entschleunigung umgesetzt werden?
Leitung
Bearbeitung
Prof. Dr. Marco Lehmann-Waffenschmidt (TU Dresden)
Laufzeit
06/1998 - 12/2013
Veröffentlichungen
- Günther, E.; Lehmann-Waffenschmidt, M.: Entschleunigung - eine Gegenbewegung. In: CCaSS News (2010), Heft 13, S. 27.
- Günther, E.; Lehmann-Waffenschmidt, M.: Deceleration - Revealed Preference in Society and Win-Win-Strategy for Sustainable Management. Concepts and Experimental Evidence. In: Lehmann-Waffenschmidt, M. (ed.): Innovations Towards Sustainability. Heidelberg 2007. pp. 157-181.
- Günther, E.; Lehmann-Waffenschmidt, M.: Deceleration - Revealed Preference in Society and Win-Win-Strategy for Sustainable Management. Dresden 2007. (= Dresden Discussion Paper in Economics No. 05/07)
- Günther, E.; Günther, T.: Entschleunigung als Beitrag zur Generationengerechtigkeit - eine Analyse der ökonomischen, ökologischen und sozialen Konsequenzen. In: Tremmel, J.; Ulshöfer, G. (Hrsg.): Unternehmensleitbild Generationengerechtigkeit. Frankfurt am Main 2005. S. 157-187.
- Günther, E.; Lehmann-Waffenschmidt, M.: Deceleration - Revealed Preference in Society and Win-Win-Strategy for Sustainable Management. Concept and Experimental Evidence. Dresden 2005. (= Dresden Discussion Paper in Economics. 02/05)
- Günther, E; Lehmann-Waffenschmidt, M.: Entschleunigung als Win-win-Strategie für Nachhaltiges Wirtschaften. In: Umweltwirtschaftsforum, 11. Jg. (2003), H. 4, S. 26-31.
- Günther, E.: Die Entdeckung der Langsamkeit. Entschleunigung von Unternehmen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. Aus: Blum, U.; Esswein, W.; Greipl, E.; Hereth, H.; Müller, S. (Hrsg.): Soziale Marktwirtschaft im nächsten Jahrtausend. 3. Dresdner Kolloquium an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Dresden. Stuttgart 1999. (= Dresdner Wirtschaftswissenschaftliche Beiträge: Reihe Wettbewerb und Unternehmensführung) S. 73-85.
Vorträge
- Die Entdeckung der Langsamkeit. Entschleunigung von Unternehmen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. Vortrag im Rahmen einer Erlebnisausstellung zum Phänomen Zeit im Sächsischen Industriemuseum Chemnitz am 23.06.2004.
(Prof. Dr. Edeltraud Günther) - Die Entdeckung der Langsamkeit. Entschleunigung von Unternehmen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung im Studium Generale an der TU Dresden am 15.04.2003.
(Prof. Dr. Edeltraud Günther). - Die Entdeckung der Langsamkeit. Entschleunigung von Unternehmen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. Vortrag im Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim am 12.03.2003.
(Prof. Dr. Edeltraud Günther) - Moderation im Rahmen eines Workshops zum Thema "Entschleunigung. Chancen für Wirtschaft und Gesellschaft" der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung und der Umweltakademie e.V. in Dresden am 05.07.2001.
(Prof. Dr. Edeltraud Günther) - Die Entdeckung der Langsamkeit. Entschleunigung von Unternehmen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. Antrittsvorlesung an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dresden am 24. Juni 1998.
(Prof. Dr. Edeltraud Günther)
Forschungsschwerpunkte
Dieses Projekt ordnet sich in die folgenden Forschungsschwerpunkte ein:
- Entschleunigung