OFP-Podcast - Hör rein in die Praxis!
Willkommen zum OFP-Podcast für Studierende des Bereichs Mathematik und Naturwissenschaften!
Die OFP-Koordinatorin Christina Schulz interviewt für euch Gesprächspartner:innen aus verschiedenen Berufsfeldern sowie Mitarbeiter:innen des Career Service und anderer Beratungs- und Verwaltungseinrichtungen.
Die Folgen sind hier auf der Website sowie auf Spotify und Apple Podcasts zu hören.
Inhaltsverzeichnis
- Folge 1: Die OFP - ein Studienerfolgsprojekt
- Folge 2: Als Führungskraft in einem internationalen Chemieunternehmen
- Folge 3: Als Mathematiker bei der Europäischen Kommission
- Folge 4: Als Psychologin in der Personal- und Unternehmensentwicklung
- Folge 5: Interdisziplinäres Arbeiten im Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen IIS/Institutsteil EAS
- Folge 6: Wie werden an der TU Dresden Studiengänge entwickelt?
- Folge 7: Als Biologe im Hochsicherheitslabor des Robert-Koch Instituts
- Folge 8: IN A NUTSHELL with chemist Dr. Imge Namal
- Folge 9: IN A NUTSHELL mit Lebensmittelchemikerin Dr. Gesche Schött
- Folge 10: Als Physiker in der Patentanwaltskanzlei
- Folge 11: IN A NUTSHELL mit Chemikerin Dr. Juliane Garz - Vakuumtechnologie
- Folge 12: Als Mathematiker bei einem mittelständischen Softwareunternehmen
- Folge 13: Im Gespräch mit dem Career Service: Bewerbungen und Schlüsselkompetenzen
- Folge 14: Im Gespräch mit dem Career Service: Der Arbeitsmarkt in Sachsen
- Folge 15: Als promovierte Lebensmittelchemikerin Geschäftsführung der ersten Universitätsbrauerei Deutschlands
Folge 1: Die OFP - ein Studienerfolgsprojekt
Willkommen beim OFP Podcast! In der ersten Folge stellen wir dir das Projekt „OFP“ vor: Dr. Christiane Einmahl ist Koordinatorin der Studienerfolgsprojekte und erklärt, wie dir die „OFP“ zu mehr Praxis im Studium und dem berühmten „Blick über den Tellerrand“ verhelfen möchte.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: Hör rein, in die Praxis!
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften.
Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Herzlich willkommen zur ersten Folge unseres OFP-Podcasts. Bei mir ist heute Christiane Einmahl, die Koordinatorin der sogenannten Studienerfolgsprojekte an der TU Dresden. Ich spreche mit ihr über Studienerfolg, Praxiserfahrungen und Angebote an der TU Dresden.
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Hallo, Christiane!
Christiane Einmahl: Hallo, Christina!
Christina Schulz: Die OFP ist ja ein Studienerfolgsprojekt. Was ist denn das genau?
Christiane Einmahl: Also, da muss ich ein bisschen ausholen. Zuerst gab es nämlich eine sächsische Studienerfolgsstrategie. Und auf Grundlage dieser sächsischen Strategie ist dann 2015 das Studienerfolgskonzept der TU Dresden entstanden. Im Studienerfolgskonzept der TU Dresden gab es 14 Projekte, und das Ziel hinter diesen 14 Projekten war, die Studienabbrecherzahlen zu verringern und die Absolventenquote zu verbessern. Also kurz gesagt es sollten mehr Studierende ihr Studium erfolgreich abschließen. Und eines dieser 14 sogenannten Studienerfolgsprojekte, weil sie eben im Studienerfolgskonzept enthalten waren, ist die Orientierungsplattform Forschung & Praxis, kurz OFP genannt.
Christina Schulz: Kannst du uns kurz erklären, worum es speziell in der OFP geht?
Christiane Einmahl: Ja, gern. Also das Ziel der OFP ist es, mehr Praxis ins Studium zu bringen. Mit anderen Worten: wir wollen zeigen, wie und wo man das theoretische Wissen, was man sich im Laufe des Studiums aneignet, später auch mal anwenden kann. Und gleichzeitig wollen wir zeigen, wo es beruflich später mal hingehen kann.Also das heißt wir wollen Studierenden vermitteln, welche Berufswege ihn nach dem Studium offenstehen, weil viele das eben nicht wissen. Kurz gesagt: wir bieten Einblicke in die Praxis und diese Einblicke sollen die Studierenden motivieren und dadurch dann auch ihren Studienerfolg erhöhen.
Christina Schulz: Und seit wann gibt es das Projekt an der TUD?
Christiane Einmahl: Also das Projekt gibt es seit 2016. Als wir angefangen haben, waren wir in fünf MINT-Fakultäten vertreten,also in fünf Fakultäten aus den Bereichen Ingenieurwissenschaften und Mathematik und Naturwissenschaften.
Christina Schulz: Und wieso gerade diese Fakultäten?
Christiane Einmahl: Das waren diese Fakultäten, weil genau an diesem Fakultäten die Studienabbruchquoten oftüberdurchschnittlich hoch sind. Und das ist besonders schade, da ja gerade im MINT-Bereich ein wachsender Fachkräftemangel zu erwarten ist.
Christina Schulz: Kannst du erklären, woran das liegt?
Christiane Einmahl: Tja…tatsächlich wissen viele Studierende nicht, wofür sie das, was sie im Studium lernen, später mal brauchen können. Das ist ein großes Problem. Wir haben zu Beginn des Projekts über 1.100 Studierende zu ihrer Studiensituation befragt und da meinten fast die Hälfte der Befragten, dass das Studium – und gerade das Grundstudium – viel zu theoretisch sei, also viel weniger praxisbezogen als sie das erwartet hatten.
Und deshalb wünschen sich auch viele mehr Angebote zur beruflichen Orientierung. Also mehr als 80% hatten noch gar keine berufsorientierende Veranstaltung besucht. Und – was ich besonders bedenklich finde – mehr als die Hälfte der Befragten konnten noch nicht einmal ein Angebot zur Berufsorientierung an der TUD nennen. Also man muss bedenken, es ist sehr schwer, sich beispielsweise für die richtige Vertiefungsrichtung zu entscheiden, wenn man überhaupt noch nichts von der Praxis gesehen hat.
Christina Schulz: Also kann man auch konkret die Studiensituation verbessern, wenn es mehr Praxisanteile gibt?
Christiane Einmahl: Genau, davon gehen wir aus. Und wir haben auch die Studierenden genau das gefragt. Also unsere konkrete Frage war: „Was könnte zur Verbesserung Ihrer Studiensituation beitragen?“
Und die TOP3-Antworten waren:
- auf Platz 1: mehr Einblicke in die spätere Berufspraxis
- auf Platz 2: stärkerer Praxisbezug in den Lehrveranstaltungen
- und auf Platz 3: mehr Einblicke in die Forschungsprojekte.
Christina Schulz: Mhm, also ein riesen Bedarf an Praxis sozusagen. Und hast du den Eindruck, dass dieser empfundene mangelnde Praxisbezug nur ein Problem der MINT-Studiengänge ist?
Christiane Einmahl: Nein, also auf gar keinen Fall. Mehr Praxis wünschen sich nicht nur die MINT-Studierenden und genau deshalb freue ich mich so, dass es die OFP jetzt seit Dezember 2019 in jedem Bereich der TU Dresdengibt. Eine Ausnahme gibt es, die Medizin ist nicht mit dabei, dafür kommt der Lehramtsbereich noch dazu. Das heißt, in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften, Bau und Umwelt, Geistes- und Sozialwissenschaften und im Lehramt gibt’s jetzt eine OFP-Koordinatorin bzw. einen OFP-Koordinator.
Mich freut es besonders, dass es die OFP jetzt auch im Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften gibt. Ich hab nämlich selber Sprachwissenschaften studiert und wusste zwar damals genau, was ich werden möchte – was ich dann übrigens nicht geworden bin – aber ich weiß ganz genau, dass viele meiner Mitstudierenden damals Zukunftsängste hatten. Also jeder Geisteswissenschaftler kennt die gefürchtete Frage: Und was willst du später damit machen?
Christina Schulz: Ja, die Frage habe ich auch schonmal gehört! [beide lachen]
Nochmal zurück, du hattest gesagt, du wolltest was Bestimmtes werden und du hast diesen Weg dann aber nicht eingeschlagen.
Was wolltest du werden?
Christiane Einmahl: Ich wollte eigentlich Professorin werden. Die Lehre hat mir auch als Tutorin und auch später noch nach meinem Master-Abschluss extrem viel Spaß gemacht. Aber mir wurde im Laufe des Studiums immer mehr bewusst, welchen großen Raum die Forschung einnimmt, wenn man Professor bzw. Professorin ist. Um mal wieder den Bogen zurückzuschlagen, genau darum geht es auch bei der OFP: Wir wollen, dass die Studierenden ihre Erwartungen an bestimmte Berufsbilder mit der Praxis abgleichen können. Ich nenne mal noch ein anderes Beispiel. Man möchte vielleicht Personaler werden, weil man gern mit Menschen zu tun hat. Und dann hat man im Arbeitsalltag viel mehr administrative Aufgaben als man das erwartet hat. Es ist auch vielen nicht bewusst, dass eine Ingenieurin bzw. ein Ingenieur heutzutage unbedingt Soft Skills mitbringen muss, also Kommunikationsfähigkeit und Teamgeist beispielsweise. Und unsere Formate helfen dabei, genau solche Sachen herauszufinden.
Christina Schulz: Jetzt gibt es ja ein sehr breites Angebot an Formaten innerhalb der OFP. Kannst du uns da mal einige rauspicken und vorstellen?
Christiane Einmahl: Ja, gern! Also unsere beliebtesten Formate sind ohne Zweifel unsere Exkursionen, die Exkursionen werden bei uns Praxis-Expeditionen genannt. Und sehr beliebt sind auch unsere All you can asks (abgekürzt AYCA).
Das sind auch genau die Formate, die im letzten Semester im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften stattgefunden haben. Vielleicht können wir ja an dieser Stelle einen kleinen Exkurs machen und du erzählst uns, als Koordinatorin des Bereichs, welche Veranstaltungen du im letzten Wintersemester angeboten hast.
Christina Schulz: Ja, total gerne. Seit der neuen Projektphase der OFP gab es am Bereich Mathematik und Naturwissenschaften ein AYCA, eine Berufsorientierungreihe und auch Praxisexkursionen.
Für die Psychologie-Studierenden haben wir zum Beidspiel eine sehr umfassende Reihe zur Berufsorientierung auf die Beine gestellt. In Zusammenarbeit mit Frau Prof Kemter-Hofmann, vom Institut Für Arbeits- und Organisationspsychologie, haben wir das gesamte Semester über einmal in der Woche ein Tätigkeitsfeld der Psychologie vorstellt. Es waren also jeweils einer oder mehrere Referenten zu Gast, die aus ihrem Arbeitsalltag berichtet haben.
Gestartet sind wir erstmal mit einer Einführungsveranstaltung mit zwei Kolleginnen vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, die so einen allgemeinen Überblick zu den verschiedenen Berufsfeldern gegeben haben.
Danach haben die Studierenden verschiedene Einblicke in Berufsfelder bekommen, zum Beispiel hatten wir einen Psychotherapeuten zu Gast, der in der eigenen Praxis arbeitet. Wir haben das Berufsfeld Psychologie bei der Polizei und Bundeswehr gehabt und vorgestellt bekommen. Auch Personalmanagement war ein Thema und vieles mehr, also bis hin zu Gebieten, in die man vielleicht jetzt nicht so leicht reinschauen kann, wie zum Beispiel die Arbeit beim psychologischen Dienst im Justizvollzug.
Christiane Einmahl: Und was war für dich das „Highlight“ des Semesters? Also woran erinnerst du dich besonders gerne?
Christina Schulz: Ein Highlight… also es war insgesamt sehr spannend diese Bandbreite zu sehen, das war auch die Rückmeldung von den Studierenden. Ja, was vielleicht noch besonders war, war dass die Studierendenden Therapiehund Mila live kennenlernen konnten, den eine Mitarbeiterin des Jugendamtes mitgebracht hatte und der, ja, sehr gut ankam bei allen.
Christiane Einmahl: Also das war auf jeden Fall ein Highlight, das war auch ein Highlight für mich. [beide lachen]
Christina Schulz: Stimmt, du hast ihn ja auch gesehen.
Christiane Einmahl: Richtig!
Christina Schulz: Dann hattest du ja schon vom „AYCA“ Format erzählt – das haben wir für Biologie- und Biotechnologie-Studierende angeboten. Da waren drei Referentinnen und ein Referent zu Gast.
Also zum Beispiel eine Biotechnologin von GlaxoSmithKline Biologicals, einem weltweit tätigen Gesundheitsunternehmen mit Sitz hier auch in Dresden. Dann eine Molekularbiologin von einem mittelständischen Unternehmen, qualitype, die dort das Produktmanagement macht.
Außerdem ein Forschungsgruppenleiter vom Max-Planck-Institut und eine Biologin von der Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen, die dort die Wasserqualität überwacht.
Und Im Anschluss, wie eben bei den AYCAs üblich, konnten auch die Studierenden Fragen stellen. Also: „Wann ist eine Promotion sinnvoll?“ Auch Fragen zu „Wie geradlinig muss mein Lebenslauf sein?“ Und: „Wie vereinbare ich vielleicht auch Beruf und Familie?“ Das waren alles so Fragen, die dann am Ende kamen.
Insgesamt war es ein toller Zuspruch, also ursprünglich hatte ich einen kleineren Seminarraum gebucht und wir „mussten“ in einen großen Hörsaal wechseln, weil es doch sehr viele Leute interessiert hat, das ist natürlich toll.
Christiane Einmahl: Und habt ihr nicht auch Praxis-Expedition durchgeführt?
Christina Schulz: Genau, es gab auch zwei Praxis-Expeditionen. Einmal haben wir kooperiert mit dem Institut für Kern- undTeilchenphysik, da kommen mehrere Förderer und Organisatoren zusammen um Studierenden eine Exkursion zum CERN in der Schweiz zu ermöglichen, was ich ziemlich toll finde. Und es gab noch ein Angebot für Mathematik- und Physik-Studierende, da gab es ne Exkursion zu Infineon in das neue Entwicklungszentrum hier in Dresden.
Christina Schulz: Und Christiane, es gibt doch noch das „Kapitel Praxis“, vielleicht kannst du dazu noch mal kurz etwas sagen?
Christiane Einmahl: Ja, mach ich gern! Also beim Kapitel Praxis führen z. B. Lehrende gemeinsam mit Unternehmensvertreterinnen oder Vertretern eine Vorlesung durch. Wir hatten beim Kapitel Praxis im Maschinenwesen beispielsweise mal einen Vertreter von Porsche Leipzig zu Gast. Und der hat damals sogar einen Porsche vors HSZ gestellt, in den man sich auch reinsetzen konnte. Also das war super, eine bessere Werbung hätten wir uns gar nicht wünschen können! In unserem AUDIMAX saßen dann letztendlich 222 Studierende und haben sich den Vortrag angehört.
Christina Schulz: Super, das ist mal eine Werbung !
Und dann gibt es ja auch noch BeING Inside.
Christiane Einmahl: Genau, das ist unsere interdisziplinäre Praxisprojektwoche. Die findet einmal im Jahr statt. Ich erkläre mal kurz, worum es geht. Bei BeING Inside arbeiten Studierende und Studieninteressierte eine Woche lang an einer Aufgabe aus der Praxis. Und das Besondere daran ist, dass diese Praxisaufgabe gemeinsam mit einem Unternehmen entwickelt wird.
Ich nenne mal ein Beispiel: In unserem allerersten BeING Inside – das war 2017 und unser Praxispartner war damals die BASF Schwarzheide GmbH – da sollte ein Reaktor elektrotechnisch so ausgestattet werden, dass er ein bestimmtes chemisches Produkt herstellen kann. Und die Teams müssen dann zu diesen Aufgabenstellungen eben Lösungskonzepte erarbeiten.
Und die Lösungskonzepte werden dann auch zum Ende der Woche in einer großen Abschlussveranstaltung präsentiert. Und das beste Schüler-Team und das beste Studierenden-Team werden dann mit einem Preis gekürter, der vom Praxispartner gesponsert wird.
Christina Schulz: Apropos Praxispartner, aus welchen Bereichen kommen denn die zahlreichen Praxispartner der OFP?
Christiane Einmahl: Also wir haben in den letzten Jahren wirklich ein sehr großes Netzwerk an Kooperationspartnernaufbauen können. Wir arbeiten mit, also du hast es gerade schon gesagt, mit vielen vielen Unternehmenzusammen - mit großen, kleinen und vor allem auch mit mittelständischen. Und genau deshalb gehört zum OFP-Team übrigens auch eine Mitarbeiterin aus dem Career Service.
Zu unseren Praxispartnern gehören aber auch verschiedene Forschungseinrichtungen. Die Studierenden können also viele viele Kontakte knüpfen, wenn sie an unseren OFP-Veranstaltungen teilnehmen. Und sowas kann dann besonders wichtig sein, wenn es mal um die Praktikumssuche geht.
Christina Schulz: Und kannst du das ein bisschen beziffern? Wie viele Veranstaltungen haben denn seit Projektbeginn stattgefunden?
Christiane Einmahl: Es gab bisher 139 Veranstaltungen. Wir bieten eine große Bandbreite, was die Teilnehmerzahlen der einzelnen Formate angeht. Am Kapitel Praxis im AUDIMAX können theoretisch fast 900 Studierende teilnehmen, weil es der AUDIMAX hergibt. Und bei Step in Science geht es dagegen vor allem um individuelle Kontakte zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der TU Dresden. Also das ist ganz unterschiedlich.
Durch die Angliederung an die Bereiche stehen die OFP-Koordinatorinnen und -Koordinatoren übrigens in engem Kontakt zu den Fakultäten und damit auch zu den jeweiligen Studierenden. Sie tauschen sich auch mit den Fachschaftsräten aus und erfragen, welche Formate und Inhalte sich die Studierenden wünschen. Wir versuchen also wirklich Angebote zu entwickeln, die auf den jeweiligen Fachbereich zugeschnitten sind. Die Studierenden können sich natürlich auch gern selbst an die Koordinatorinnen und Koordinatoren wenden, wenn sie Formatideen haben, da freuen wir uns drüber.
Christina Schulz: Und wie ist so das Feedback, also wie werden die Veranstaltungen von den Studierenden angenommen?
Christiane Einmahl: Also die Veranstaltungen werden sehr gut angenommen. Wir führen auch nach jeder Veranstaltung eine Evaluation durch, das heißt wir teilen nach jeder Veranstaltung einen Fragebogen aus und die Resonanz ist sehr sehr positiv. Also ich habe die Fragebögen ausgewertet und da kommt raus, dass fast 90% der OFP-Teilnehmerinnen und -teilnehmer mit der Veranstaltung „sehr zufrieden“ bzw. „zufrieden“ waren und das jeweilige Format auch weiterempfehlen würden. Oh mal noch eine Zahl zu nennen, 70% der Befragten konnten durch die OFP spannende Einblicke in die Berufspraxis gewinnen. Und ich habe auch mal zwei Zitate mitgebracht, also nach dem „All you can ask“ in der Chemie haben zwei Studierende auf ihren Fragebogen geschrieben: „sehr viel weiteres Berufsfeld als ich vermutet hätte“ und „mehr Berufsmöglichkeiten als gedacht“. Noch eine letzte Zahl: ebenfalls 70% konnten durch die OFP fürs Studium neu motiviert werden. Also eine Teilnehmerin hat auf ihrem Feedbackbogen notiert, dass sie nun wüsste – ich zitiere - wie ihre „zukünftige Arbeit aussehen kann“ und „wofür sie studiert“.
Und wir freuen uns natürlich sehr über solches Feedback. Ich habe es schon erwähnt, das übergeordnete Ziel der OFP ist ja, die Motivation fürs Studium zu steigern, um dadurch den Studienerfolg zu erhöhen.
Christina Schulz: Du hattest ja vorhin noch von weiteren Studienerfolgsprojekten gesprochen.
Christiane Einmahl: Ja, genau.
Christina Schulz: Welche gibt es denn noch an der TU Dresden? Also ich bin natürlich mit dem Thema vertraut, aber es wär schön, wenn du das noch mal erklären könntest.
Christiane Einmahl: Ja, ich kann gerne noch ein paar Beispiele nennen für andere Prüjekte.
Für den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften sind vor allem die Projekte PASST?!, das Schreibzentrum und das Projekt Making Teachers Confident wichtig.
Christina Schulz: PASST?!, das klingt wie eine Abkürzung. Wofür steht das?
Christiane Einmahl: PASST?! ist das Frühwarnsystem der TU Dresden. Das steht für Partnerschaft Studienerfolg TU Dresden. Und das Ziel unseres Frühwarnsystems, das Ziel von PASST?!, ist es, abbruchgefährdete Studierende zu identifizieren und sie dann zu beraten und zu unterstützen. Das funktioniert so: die Studierenden willigen ein teilzunehmen; das wird im Zuge des Immaprozesses mit abgefragt, ob man teilnehmen möchte oder nicht. Man kann seinen PASST?!-Status aber auch über SELMA jederzeit ändern. Von denen, die eingewilligt haben teilzunehmen, werden dann die Studienverlaufsdaten gescannt und zwar anhand von 5 Merkmalen. Wenn eins dieser Merkmale anschlägt (z. B. wenn jemand schon mehrmals von Prüfungen zurückgetreten ist), dann erhält der Teilnehmer eine E-Mail mit passenden Beratungs- und Unterstützungsangeboten. Die PASST?!-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen übrigens NICHT, wer an PASST?! teilnimmt. Sie sehen auch nicht, ob jemand identifiziert wurde. Datenschutz wird also vom Projekt sehr ernst genommen und eingehalten.
Christina Schulz: Jetzt hattest du ja auch vom Schreibzentrum gesprochen. Ich kann mir auch vorstellen, dass es für MatNat-Studierende relevant ist, wenn man vielleicht dann doch nicht so häufig mit Texten zu tun hat, aber dann dennoch seine Abschlussarbeit ja schreiben muss und irgendwie gut bewältigen möchte. Wie kann denn das Schreibzentrum da unterstützen?
Christiane Einmahl: Genau darum geht es auch beim Schreibzentrum. Das Schreibzentrum ist unsere zentrale Anlaufstelle rund ums akademische Schreiben. Das Schreibzentrum unterstützt alle Studierenden mit Angeboten zum Planen und Schreiben verschiedener Texte und auch mit Angeboten zu Schlüsselkompetenzen. Also ein Angebot des Schreibzentrums ist beispielsweise die Schreibberatung. Da kann man mit seiner Bachelorarbeit hinkommen und bekommt dann ganz individuelle Unterstützung von ausgebildeten Schreib-Tutorinnen und -Tutoren. Man kann sich natürlich auch selbst zum Schreib-Tutor bzw. zur Schreib-Tutorin ausbilden lassen. Wenn man jetzt gern grundlegende Infos zum wissenschaftlichen Schreiben oder zu Schlüsselkompetenzen hätte, kann man dann auch verschiedene Workshops besuchen. Es gibt Workshops zu Lern- und Arbeitstechniken, zum Zeitmanagement, zum wissenschaftlichen Präsentieren oder zum Projektmanagement – aus aktuellem Anlass gibt es auch einen Workshop zu Thema „Home Office“. Grundsätzlich ist das Angebot des Schreibzentrums wirklich breitgefächert. Es gibt Schreibmarathons und einmal jährlich auch die Lange Nacht des Schreibens.
2020 ist übrigens das Jahr des digitalen Schreibzentrums. Das heißt, die meisten Angebote können jetzt auch online durchgeführt werden.
Christina Schulz: Das dritte was du genannt hast war das MTC, Making Teachers Confident.
Also das ist ein Programm für Lehramtsstudierende, erzähl doch auch nochmal kurz was dazu.
Christiane Einmahl: Also das MTC kombiniert drei Elemente: Mentoring, Tutoring und Coaching. Und das Ziel ist, du hast es eigentlich gerade schon genannt, Lehramts-Studierende in ihrem Studium zu unterstützen und zu begleiten. Im Mentoring-Teil können sich Studierende ab dem 3. FS im Rahmen einer Summer School weiterbilden, z. B. zu Lern- und Arbeitstechniken. Die Tutoring-Angebote richten sich hauptsächlich an Studierende in den ersten beiden FS. In den Einführungstutorien gibt es Infos und Tipps zum Studienstart, z. B. zur Erstellung des Stundenplans. Das ist ja im Lehramt nicht so einfach. Außerdem stehen die MTC-Tutorinnen und Tutoren den Lehramts-Studierenden mit Rat und Tat zur Seite, wenn sie Fragen oder Probleme rund um Studiums haben. Und zu guter Letzt bietet das MTC noch Einzel- und Gruppencoachings an – für die ganz gezielte Unterstützung.
Christina Schulz: Super, das ist ja ein wahnsinnig breites Angebot. Liebe Christiane, hab erstmal vielen Dank für deine zahlreichen Infos und für deinen Überblick. Wenn sich jetzt jemand informieren möchte über die Studienerfolgsprojekte, wo kann das die Person tun?
Christiane Einmahl: Also wer mehr Infos möchte, kann sich gern unsere Website anschauen. Die Adresse ist ganz einfach: www.tud.de/deinstudienerfolg. Dort findet man auch den Link zum OPAL-Kurs. Der Kurs enthält eine Projektübersicht, Links zu den Einschreibeseiten und alle Ansprechpersonen. Detaillierte Infos findet man dann über die Websites der einzelnen Projekte.
Christina Schulz: Christiane, hab ganz vielen Dank für das Gespräch.
Christiane Einmahl: Gern geschehen!
~ Gesprächsende ~
[Outro-Musik spielt]
Folge 2: Als Führungskraft in einem internationalen Chemieunternehmen
In der 2. Folge des OFP Podcasts spreche ich mit Dr. Matthias Arend, der in leitender Position beim Chemieunternehmen BASF tätig ist. Wir sprechen über die Tätigkeit in einem großen Chemieunternehmen, über die Vorteile eines Trainee-Programms, über die unterschiedliche Arbeitsweise von deutschen und chinesischen Mitarbeiten-den. Außerdem gibt Herr Dr. Arend noch Tipps für Vorstellungsgespräche.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: Hör rein, in die Praxis!
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften.
Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Mein heutiger Gast ist Dr. Matthias Arend vom Chemieunternehmen BASF in Schwarzheide. Ihr hört, welche Erfahrungen er bei seiner Promotion gemacht hat, was für ein Trainee-Programm spricht, wie sich die Arbeitsweise von Deutschen und Chinesen unterscheidet und worauf Herr Dr. Arend bei Vorstellungsgesprächen achtet.
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Ja herzlich Willkommen Herr Dr. Arend!
Dr. Arend: Hallo Frau Schulz!
Christina Schulz: Ich freue mich sehr, dass Sie sich die Zeit genommen haben und uns ein paar Einblicke geben werden, in Ihren Lebenslauf aber auch in Ihre Arbeit bei der BASF.
Dr. Arend: Ja sehr gerne.
Christina Schulz: Sie haben Chemieingenieurwesen studiert. Wie haben Sie denn die Entscheidung getroffen?
Dr. Arend: Ja die Entscheidung, Richtung Chemie-Ingenieurwesen zu gehen, das war ein längerer Prozess. Ich hab im Endeffekt in der Schule das erste Interesse entwickelt an Chemie, mir hat Chemie einfach Spaß gemacht. Ich fand das eine sehr logische Wissenschaft, mir ist die leicht gefallen. Ich hab da einfach, ja, Interesse dran entwickelt, hatte aber parallel auch immer einen technischen Hintergrund. Ich hab immer gern gebastelt, hab gern geschraubt. Zuhause in der Werkstatt, in der Garage besser, dann immer Mopeds zerlegt, wieder zusammengebaut. Im Endeffekt ist das dann über die Zeit einfach gereift, ich hab mich dann so gegen Abiturzeiten mal umgehört, umgeschaut: Was gibt’s denn eigentlich, wo will ich denn mal hin, was will ich machen? Und da ist mir dann irgendwann auch der Chemie-Ingenieur über den Weg gelaufen. Tatsächlich hat es dann aber noch ein Stück gedauert, bis ich die Entscheidung genau auch so getroffen hab.
Ich war dann meinen Wehrdienst ableisten. Beim Wehrdienst hab ich mich dann eher noch für den Maschinenbau interessiert, bei der Bundeswehr selber kann man ja auch studieren. Das hab ich auch mal kurz überlegt, hab das relativ schnell dann wieder verworfen und hab mich dann nach dem oder noch während des Wehrdienstes beworben. Ich wollte damals mich in den Maschinenbau einschreiben und das hat dann einfach nicht geklappt. So dann war ich aus der Bundeswehr draußen, hab dann keinen Studienplatz gehabt. Da hab ich ein Jahr gejobbt, hab einfach die Zeit genutzt, hab mir nochmal weiter Gedanken gemacht: Wie und was möchte ich? Und hab das dann auch ein Stück weit als ein Zeichen gesehen, dass der reine Maschinenbau dann vielleicht doch nicht so das Richtige ist.
Hab dann in dem Wintersemester, obwohl ich arbeiten war, nicht eingeschrieben war, hab ich mir dann gedacht: Jetzt guck ich mir auch einfach mal verschiedene Hochschulkonzepte an und hab mich dann einfach mal in Karlsruhe am KIT in eine Mathevorlesung reingesetzt, für Erstsemester und hab dann nicht so den allerbesten Eindruck bekommen. Das war, wahrscheinlich ähnlich wie in Dresden auch, ne riesige Vorlesung. Ich glaube wir waren acht-, neunhundert Studenten, der Professor vorne mit Mikrofon, man hat wenig verstanden, man hat teilweise nicht mal mehr einen Sitzplatz bekommen. Ja, fand ich nicht ganz so prickelnd. Dann hab ich mir die – damals - die Hochschule in Mannheim angeschaut, hab mich auch da mal reingesetzt und war dann da positiv überrascht. Da war die Mathevorlesung, das waren dann nur 40-50 Studenten, sehr interaktiv auch mit dem Professor und hat sich für mich dann relativ schön angefühlt. Dann hab ich mich eben auch für die Hochschule entschieden damals. Die haben Chemieingenieurwesen angeboten und dann hab ich mich da beworben und bin auch genommen worden.
Christina Schulz: Dann ist es also eher die kleinere Hochschule geworden. Wie haben Sie Ihre Studienzeit empfunden?
Dr. Arend: Also die Studienzeit, fand ich, war für mich ganz persönlich, war es eine sehr intensive und auch nicht die allerleichteste Zeit. Ich musste in meinem Studium immer Jobben, also rein vom BAföG hab ich nicht leben können. Ich hab mich dann selber finanziert, das war so ein bisschen die private Herausforderung. Gleichzeitig hab ich natürlich gesagt okay, jetzt warst du beim Bund, du hast noch ein Jahr gejobbt…ich war dann auch nicht mehr der jüngste Student und hab für mich dann einfach auch gesagt ich möchte jetzt einfach hier so schnell wie möglich fertig werden. Das war natürlich auch ein Vorteil an der Hochschule damals, da geht das Studium acht Semester Regelstudienzeit, hab also da relativ schnell durchstudiert.
Christina Schulz: Und welche Erwartungen hatten Sie konkret dann an das Studium und wurden diese Erwartungen dann auch erfüllt?
Dr. Arend: Also die Erwartung war, ganz speziell auch von der Hochschule, eine Verbindung zu liefern zwischen Chemie und Technik. Also ich wollte weder das Eine noch das Andere alleine machen, sondern mich hat einfach die Verbindung gereizt. Ich wollte da ein tieferes Verständnis haben und trotzdem war mir wichtig, im Studium auch den Praxisbezug weiter zu haben, also nicht nur in der Theorie mich zu bewegen, sondern eben auch direkt den Praxis- den Anwendungspart mit abzudecken. Und die Vorstellungen, die haben sich durch den, ja die Praxisorientierung der Hochschule einfach auch bewahrheitet. Wir hatten relativ viele Laborpraktika, jetzt nicht nur die reinen Chemiepraktika, sondern auch z.B. Strömungslehre, Thermodynamik und natürlich auch im Studium gab es ein Semester Praktikum.
Christina Schulz: Und was haben Sie da gemacht?
Dr. Arend: Ich bin damals in dem Praktikum zu unserem Professor gegangen, der Auslandskontakte hat. Das war von der Fakultät ein bestimmter Professor und hab dem eben gesagt: „Hier, ich hätte Interesse ins Ausland zu gehen“, und hab ihm im Endeffekt mitgegeben, „Ich möchte gerne einen Standort irgendwo in die Praxis, wo ich aber auch alleine bin.“ Es gab so ein paar Standorte, da wurden jedes Semester mehrere Studenten hingeschickt und das wollte ich aber nicht. Ich hab mir speziell gesagt, ich möchte halt alleine irgendwo hin, um alleine mal ne Erfahrung zu machen, eine neue Sprache zu lernen, um mich auch auf diese Erfahrung einfach voll und ganz einlassen zu können. Das war so ein bisschen..ich wollte mir da selber eine Herausforderung stellen. Und da kam dann tatsächlich über den Professor der erste Kontakt auch zu BASF zustande. Der Professor hatte noch aus früheren Zeiten einen Kontakt in die USA zu dem Standort in Geismar in Louisiana und hat den Standortleiter einfach mal angeschrieben. Dann hab ich da ganz lang nichts von gehört, bin wirklich da im Dunklen getappt und hatte dann, das weiß ich noch relativ genau, am 23. Dezember 2006 einen unterschriebenen Praktikumsvertrag in meinem Briefkasten. Ohne, dass die mich je gesehen haben, ohne dass wir mal miteinander gesprochen haben. Ich glaube die Amerikaner haben einfach nur gedacht: „Ja komm, Praktikant, stellen wir mal ein.“
Christina Schulz: (lachend) Okay, ganz unkompliziert.
Dr. Arend: Völlig unkompliziert, ja, da sind die Amerikaner uns oftmals einen Schritt voraus.
Christina Schulz: Und wie war denn die Zeit in den USA?
Dr. Arend: Also die Zeit in den USA, das war als Student… ich hatte es ja vorhin schon gesagt, ich hab wenig BAföG bekommen, musste mich immer mit Jobs, mit teilweise auch mehreren Jobs über Wasser halten, das hat gut funktioniert. Und dann kommt man in die USA, Turbokapitalismus, da hat man als Student 2000$ Brutto verdient. Das war für mich eine völlig neue Lebenserfahrung. Ich hab dort ein ganz tolles Team gehabt an Kollegen, die mich von Anfang an mit offenen Armen empfangen haben. Es war auf der Arbeitsseite, war es eine ganz ganz tolle Erfahrung. Wir hatten auch amerikanische Praktikanten, ich hatte Kollegen, die gerade frisch in den Beruf eingestiegen sind, hatte ein relativ spannendes Aufgabenfeld im Engineering. Auf der anderen Seite hatte ich ein Privatleben, wo man einfach auch sagen muss, wenn man als Student mal so viel Geld verdient und das jeden Monat, dann zahlen die Amerikaner auch noch alle zwei Wochen Gehalt aus, also man kriegt dann alle zwei Wochen 1000$ überwiesen, das macht dann schon Spaß, das hat man dann schon genutzt. Also von diesen sechs Monaten, die ich eigentlich geplant hatte dort zu sein, die haben sich dann auch nochmal um einen Monat verlängert. Ich war, wenn ich es richtig im Kopf habe, glaube ich drei Wochenenden nicht unterwegs und das waren drei Wochenenden, wo das Auto kaputt war und wir im Ort selber so einen Karneval hatten, ein Dorffest oder ein Ortsfest.
Christina Schulz: Also es war eine tolle Zeit und Sie haben die auch intensiv genutzt.
Dr. Arend: Genau, es war eine ganz tolle Zeit. Also mich verbindet auch immer noch eine intensive Freundschaft zu mehreren Kollegen von damals, die ich auf der Arbeit kennengelernt habe, mit denen wir dann auch privat, ja, sehr viel unternommen haben. War eine wirklich…eine ganz tolle Zeit für mich. Ich erinnere mich da sehr gerne zurück und hat mich auch, glaube ich, beruflich ein Stück geprägt, weil ich auch damals schon die BASF das erste Mal als ein Unternehmen wahrgenommen hab, das eine sehr schöne Unternehmenskultur und Unternehmensphilosophie hat.
Christina Schulz: Sie sind dann also wieder zurückgekommen, wie ging es denn danach für Sie weiter?
Dr. Arend: So ist es. Ich bin dann zurückgekommen aus dem Praktikum, dann hatte ich noch ein theoretisches Semester und die Abschlussarbeit. Und in der Zeit habe ich dann, während des letzten Semesters, immer wieder mal drüber nachgedacht, wie mache ich weiter. Höre ich nach dem Diplom dann auf, das war ja damals noch ein Diplomstudiengang, höre ich danach auf, oder gehe ich eben nochmal einen Schritt weiter? Hatte in dem letzten Semester mir dann intensiv da die Gedanken drüber gemacht und hab mich dann letztendlich auch dazu entschieden, dass ich nochmal ein Stück akademischer werden möchte. Mich hat dann einfach auch gereizt, diese Verbindung aus Theorie und Praxis einfach nochmal ein Stück weiter in die Theorie zu verlagern. Das war vielleicht so im Nachhinein betrachtet dann doch einer der kleineren Nachteile an einer Hochschule, hat für mich aber keinerlei Nachteile dann im Ende gehabt. Ich hab mich einfach beworben und hab dann eine Promotionsstelle in Aachen bekommen, die auch nochmal eine sehr interessante Stelle beinhaltet hat, oder es war eine sehr interessante Stelle. Eine schöne Kombination aus Theorie und Praxis, die ich dort hatte.
Christina Schulz: Was war Ihr Thema? Können Sie das mal kurz umreißen?
Dr. Arend: Also ganz kurz und grob: Ich hab ein Verfahren entwickelt, um zweite Generation Biodiesel herzustellen. Ganz grob.
Christina Schulz: Und wie war diese Promotionszeit für Sie? Also es gibt ja Berichte von Promovierenden, die diese große Freiheit schätzen, aber eben auch, man muss sich ja selbst strukturieren, da sind ja auch gewisse Herausforderungen damit verbunden. Wie haben Sie das erlebt?
Dr. Arend: Ja, das habe ich auch als einen der großen großen Vorteile erlebt. Wie haben sehr große wissenschaftliche Freiheit bekommen von unserem Professor, auch von meinem Doktorvater, der uns im Endeffekt, mir auch, das Thema gegeben hat, in der ersten Zeit ein Stück enger begleitet hat und dann geguckt hat: Wie findet sich da jeder Doktorand auch in sein Thema ein? Und hat uns dann aber auch (und auch mir) relativ schnell die Freiheit gelassen, hat sich natürlich regelmäßig Projektupdates geholt. Die waren am Anfang dann auch enger getaktet und gegen Ende hab ich ihm dann, glaube ich, einmal im Quartal habe ich ihm dann Projektbericht geschickt. Ich hatte auch einen Industriepartner bei dieser Entwicklung und hab dem Industriepartner auch regelmäßig dann, gemeinsam mit meinem Doktorvater, auch Bericht erstattet. Wir haben dann uns auch immer wechselseitig besucht. Da gab es dann auch ne Versuchsanlage bei dem Industriepartner. Ja und das war für mich insgesamt, wissenschaftlich gesehen, war es dann doch nochmal eine Herausforderung. Das hat sehr viel Spaß gemacht, war eine sehr intensive Zeit. Man muss sich dort wirklich durchbeißen. Ein Kollege hat das immer so schön gesagt: „Eine Promotion verschiebt die persönliche Toleranzschwelle doch recht weit.“ [Beide lachen]
Und das empfinde ich auch so, das war auch so. Man hat da sehr viel investiert, aber auch sehr viel zurückbekommen.
Christina Schulz: [lächelnd] Ja. Wie haben Sie danach Ihren Berufseinstieg gestaltet? Wie sind Sie da vorgegangen?
Dr. Arend: Mein Berufseinstieg…ich wusste ja relativ genau, wann ich an der Universität fertig sein werde. Ich hatte einen Vertrag als wissenschaftliche Hilfskraft und wusste also relativ genau, bis wann ich mit allem fertig sein muss. Das hab ich auch relativ gut eingetaktet und hab dann etwa ein gutes halbes Jahr vorher mit angefangen Gedanken zu machen: Wo möchte ich denn eigentlich hin? Ja, war vielleicht schon ein bisschen früher. Für mich war zum einen relativ schnell klar, das die wissenschaftliche Arbeit, wie ich sie in der Promotion gemacht habe, nichts ist, was ich den Rest meines Lebens machen möchte. Also Labor war eine schöne Zeit, aber war jetzt nicht die Erfüllung, die ich mir für mein Berufsleben vorstelle. Ich wollte also mehr so „back to the roots“ in Richtung Sucherin Stück weit Maschinenbau, oder mehr in Richtung Anlagenbau. Ich bin dann in Aachen, im Januar 2011, gab es dort eine Bonding-Messe. Ich weiß nicht, ob die hier auch bekannt ist in Dresden, das ist im Endeffekt eine Firmenkontaktmesse, wo sich verschiedene Firmen einfach vorstellen.
Christina Schulz: Ja, Bonding gibt es auch in Dresden!
Dr. Arend: Super, hervorragend! Da bin ich hingegangen, hab das Angebot genutzt. Ich fand das eine ganz tolle Geschichte, ich bin da völlig ohne Vorbereitung hingegangen, hab mich mit verschiedenen Firmen unterhalten und hab dort quasi aus dem Stand heraus zwei Einladungen bekommen, zu zwei verschiedenen Firmen. Hab das erstmal als eine wahnsinnige Chance gesehen, auch ne tolle Bestätigung. Das war im Jahr 2011, das war also nach der Krise, nach der Wirtschaftskrise. Da ging es gerade wieder so richtig los, da konnten die Firmen aus den Vollen schöpfen und gut einstellen. Und da habe ich dann die zwei Einladungen wahrgenommen, hab so ein bisschen für mich einfach mal getestet: Wie funktioniert es, wie funktioniert so ein Einstellungsprozess, was für Fragen stellen denn da die Leute… Habe natürlich auch ganz ehrlich meinen Marktwert getestet, hab auch geguckt: Was bezahlt mir denn so eine Firma heutzutage? Und hab dann aber ganz gezielt auch nach diesen ersten zwei Gesprächen im Internet mal geschaut und mich unter anderem auch bei der BASF schlau gemacht. Und hab dort eben eine Ausschreibung gefunden, die mich sehr fasziniert hat. Das war eine Ausschreibung für ein internationales Traineeprogramm, in dem auch drinstand, das ist ein relativ langes Programm, sollte fünf Jahre gehen und davon zwei Jahre im Ausland. Und ich hatte nach dieser Erfahrung in den USA einfach großes Interesse, nochmal auch relativ zügig ins Ausland zu gehen, um da auch einfach meinen persönlichen Horizont zu erweitern. Und ja, so habe ich mich dann bei der BASF beworben. Ich kannte ja im Ungefähren wie so eine Einstellung von statten geht oder so ein Bewerbungsprozess, hab mich beworben und ja, hat funktioniert, hat geklappt.
Christina Schulz: Super! Dann haben Sie also als Trainee angefangen bei der BASF. Wo würden Sie sagen sind die Vorteile von so einem Trainee-Programm?
Dr. Arend: Ja die Vorteile sind ganz klar, dass man in relativ kurzer Zeit einen guten Überblick bekommt. Die Heutigen oder gerade so ein Großkonzern, wie es ja auch die BASF ist, die ist ja eine unglaublich große Firma mit ganz ganz vielen verschiedenen Facetten, ganz viele Fachrichtungen. Der Stammsitz in Ludwigshafen der hat über 30000 Mitarbeiter, also eine wahnsinnige Menge an Manpower, auch an Wissen, die sort gebündelt ist und das kennenzulernen ist gar nicht mal so einfach. Und deswegen hab ich da einfach auch einen Riesen Vorteil gesehen und das ist jetzt auch so im Nachhinein betrachtet der ganz große Vorteil von so einem Trainee-Programm gewesen. Da auch bewusst zu sagen, auch wenn ich promoviert habe, ich gehe auf eine Trainee-Stelle, weil ich dort Vorteile sehe, wie ich schnell einen Überblick über auch so eine Firma bekommen kann.
Christina Schulz: Also sind Sie dann dort auch verschiedene Abteilungen durchlaufen?
Dr. Arend: Genau, das Grundprogramm ist so gestrickt: Fünf Jahre und man soll in diesen fünf Jahren fünf Stationen durchlaufen und pro Station in etwa ein Jahr verbringen. Bei mir hat es angefangen, ich war im Anlagenbau, also wirklich in der Montage, die Kollegen, die auf der Baustelle die Rohrleitungen zusammenschweißen, Behälter für die Reaktoren hinstellen. Das war etwas völlig anderes, als das was ich in der Promotion gemacht habe, hatte aber immer noch sehr starken Bezug zu meinem Chemieingenieurstudium. Und das war für mich genau einer der Gründe, ich wollte ja aus diesem Laborfeld, aus diesem wissenschaftlichen Umfeld weg und wollte wieder ein Stück in diese, ja ich will es mal „Bastelmentalität“ nennen. Und die Montage, das sind jetzt keine Bastler in diesem Sinne, sondern das ist wirklich auch ne Wissenschaft für sich, wie sowas funktioniert. Ich hatte da aber aus dem Studium wenig Erfahrung. Man lernt, wie man einen Reaktor auslegt, man lernt, wie man eine Rohrleitung auslegt, man lernt, was dort für fluiddynamische Prozesse von statten gehen. Aber wie es dann im Anlagenbau wirklich ist… Wie kriegt man eine Rohrleitung, die einen halben Meter dick ist, wie kriegt man die denn um die Ecke? Oder wie schweißt man eigentlich richtig Rohrleitungen zusammen? Das sind vordergründig einfache Fragen, die aber wenn man ins Detail reinschaut unglaublich komplex werden. Dieses Bild kann man immer größer ziehen. Also das war dann quasi mein erstes Jahr.
Ich bin dann dort, also nach einem knappen Jahr, bin ich dann gewechselt. Da gab es dann ein Großprojekt in Ludwigshafen, ich war da am Stammsitz und für dieses Großprojekt habe ich dann, ja, eine Chance gesehen, da ein Stück weit mit reinzukommen und bin dann in die Fachabteilung der Rohrbrücken gewechselt. Ich weiß nicht, ob das jedem ein Begriff ist? In so einem Chemiewerk liegen ja ganz viele Produktrohrleitungen auf Rohrbrücken zwischen den Betrieben und Ludwigshafen hat es natürlich mit über 200 Produktionsbetrieben schon auf einem Qualitätsniveau, das seinesgleichen sucht. Also da liegen, glaube ich, über 2000km Rohrleitungen auf den Rohrbrücken und da was neues dann reinzuplanen und reinzubauen, ist gar nicht so einfach. Und da habe ich dann ein Teil von diesem Projekt bearbeitet und hab mich dann um die ganzen Energierohrleitungen, also um Dampf, um Druckluft, um Stickstoff gekümmert und hab da eben die Rohrleitungen für dieses Großprojekt gebaut. Das war dann mein zweites Jahr und in diesem zweiten Jahr habe ich natürlich dann schon angefangen zu überlegen, wo könnte ich denn meinen nächsten Schritt hinmachen. Und das ist einer der großen Vorteile an so einem Unternehmen, ich hab dann zu dem Zeitpunkt schon relativ viele Kollegen gekannt und hab dann für mich beschlossen okay, als nächstes würde ich dann gerne den Schritt ins Ausland machen. Und hab für mich überlegt: Wo will ich denn hin?
Das war 2013, da war unter anderem ja China in aller Munde, jeder hat über China gesprochen und ich kannte China nicht. Ich war noch nie in China, ich war zu dem Zeitpunkt auch noch nie in Asien und dann hab ich einfach gesagt: „Ja, BASF ist sehr stark investiert in China, wir haben einen großen Verbundstandort in China, also warum nicht. Dann würde ich doch gerne an diesen großen Verbundstandort gehen.“
Und tatsächlich habe ich dann einen Vor-Vorgesetzten gehabt, der kam gerade aus China, gerade von diesem Verbundstandort. Und als der das gehört hat, dass ich da Interesse dran habe, hat der das sofort aufgegriffen und hat mir das dann ermöglicht, dass ich für tatsächlich auch zwei Jahre nach China durfte. Ich habe dann in China zwei verschiedene Positionen, einmal in der Planung und einmal in der Produktion gehabt.
Christina Schulz: Man hört ja manchmal vom Kulturschock. War das für Sie einer oder wie haben Sie die Zeit in China empfunden?
Dr. Arend: Also ein Kulturschock war es tatsächlich nicht, weg zu gehen. Da ist man vorbereitet, man bereitet sich geistig ja darauf vor: Jetzt komme ich in ein Land, das ich nicht kenne, ich kann die Sprache nicht, ich weiß nicht, was da so wirklich passiert… Das fühlt sich mehr an wie so ein Abenteuer. Der tatsächliche Kulturschock, und das war das Interessante, der war mehr, wenn man zurückkommt. Also nach zwei Jahren in China, ich war in diesen zwei Jahren zwar ein paar Mal in Deutschland, aber man ist nicht so wirklich darauf vorbereitet, wie viel sich auch in der Heimat weiter-entwickelt.
Da sind Freunde umgezogen, das fängt mit ganz banalen Dingen an. Jemand ist weggezogen, der Freundeskreis hat sich geändert, der Freundeskreis dünnt sich auch ein Stück weit aus über eine so lange Zeit. Das ist auch völlig normal, aber es gab auch so Kleinigkeiten. In China gab es im Supermarkt beispielsweise fast kein Müsli, ist für Chinesen uninteressant. Es gab dann so ganz ausgesuchte Läden, ich glaub zwei oder drei, die haben Müsli geführt. Und jedes Mal, wenn die Müsli bekommen haben, dann ging das unter den Delegierten, unter den Expats, ging das dann ganz schnell hin und her. Dann hat einer dem anderen eine Nachricht geschrieben, hat gesagt: „Du, im Supermarkt gibt’s wieder Müsli!“ Und dann ist man da schnell hin und hat sich eben so zwei, drei Kilo Müsli eingekauft und war einfach nur glücklich, dass man sowas hatte.
Christina Schulz: (lacht)
Dr. Arend: Und dann kommt man zurück nach Deutschland und steht vor so einer ganzen Regalreihe mit Müsli und denkt sich: „Um Gottes Willen, welches Müsli möchte ich denn jetzt?“ Also so als kleine Anekdote, das ist jetzt nicht wirklich ein Kulturschock, aber das ist so, das ist einem doch schon im Gedächtnis geblieben.
Gut und China an sich, das ist ein hochspannendes Land, das ist ein extrem schnelles Land, wandlungsfähig, anpassungsfähig, die sich in einer Geschwindigkeit entwickeln, die wir glaube ich in Deutschland gar nicht kennen. Also ich kannte sie zumindest nicht. Abgesehen von dieser Schnelligkeit hab ich auch wahrgenommen, China ist ein ganz starkes Land der Kontraste. Da gibt es so den Kontrast arm und reich, laut und leise, Gesundheitsbewusstsein gegen Umweltverschmutzung, also ganz viele Kontraste. Die dort für die Menschen glaube ich völlig normal sind, die aber einem Außenstehenden wie mir einfach erstmal auffallen. Ich will die nicht bewerten, die sind weder gut noch schlecht, sondern sie sind einfach nur auffällig.
Ansonsten, ja, Chinesen arbeiten ganz anders als wir Deutschen. Die Chinesen sind auch in ihrer Arbeit sehr viel flexibler, schneller. Wo wir Deutschen immer den Drang haben: „Wir planen jetzt erstmal alles durch und überlegen erstmal, legen uns erstmal unseren Schlachtplan zurecht, mit am besten noch allen Eventualitäten, das wir für alles gewappnet sind.“ Da sind die Chinesen anders, die Chinesen machen erstmal los und gucken dann, wo stoßen sie auf ein Problem. Und wenn sie dann auf ein Problem stoßen, dann sind sie ganz fix und laufen dann um dieses Problem herum und das muss man erstmal verstehen, verarbeiten. War aber eine ganz spannende Lernerfahrung, auch für mich, dass man, wo ich auch den persönlichen Drang hätte erstmal zu sagen: „Jetzt nehmen wir uns erstmal die Zeit und überlegen uns mal, was könnte denn wie noch passieren?“ Da fangen die Chinesen einfach mal an. Und beides funktioniert. Wenn man das schafft, das in eine Kombination zu bringen, da kann man ganz ganz viel lernen. Auch rausholen, kann vieles schneller, einfacher machen, manchmal aber auch vielleicht den bewussten Schritt gehen, anzuhalten und erst nochmal drüber nachzudenken.
Christina Schulz: Sie sind dann aus China wieder zurückgekommen. Wie ging es denn für Sie in Deutschland weiter?
Dr. Arend: Nach meiner Rückkehr hätte ich ja eigentlich theoretisch noch ein Jahr in diesem Trainee-Programm gehabt. Das Jahr haben wir dann quasi nicht gemacht, sondern ich bin aus China zurückgekommen und wurde dann von meinem Chef in eine normale, feste Stelle, auch in eine Linienhierarchie gebracht. Ich hab dann damals eine Teamleitung übernommen, für wieder Montagemitarbeiter. Das waren dann insgesamt ein bisschen über 30 Leute, für die ich verantwortlich war. Etwa 20 Mitarbeiter waren ausgebildete Meister, also Handwerker, die noch einen Meisterbrief draufgesetzt haben, und eben so 10-15 Handwerker waren es in Summe. Mit denen habe ich verschiedene Anlagen in Ludwigshafen betreut, war also verantwortlich dann, dass dort arbeiten umgesetzt werden. Also im Endeffekt haben wir dieses Trainee-Programm um ein Jahr eingekürzt und dann bin ich eben schneller in diese Funktion gekommen.
Christina Schulz: Jetzt hatten Sie ja Personalverantwortung. Wie haben Sie die empfunden? Was waren dort die Herausforderungen?
Dr. Arend: Ja Personalverantwortung ist noch einmal eine ganz neue Art der Verantwortung, die man, oder die ich, im Studium nicht beigebracht bekommen habe, die ich nicht kannte. Wo man aber mit ein bisschen Grundgefühl relativ schnell, finde ich, auch reinkommt und zurechtkommt. Man muss das wollen, es ist nicht immer einfach. Personalführung ist nicht immer nur Befehl und Gehorsam, sondern man muss zusammenarbeiten, man muss miteinander arbeiten, man muss auch mal unangenehme Dinge machen. Man muss auch unangenehme Entscheidungen treffen, man muss oft Fragen auch beantworten und man muss als Vorgesetzter von Mitarbeitern…man muss einfach auch ein Stück Empathie entwickeln. Man möchte ja auch keinen Vorgesetzten haben, der so robotermäßig mit einem umgeht, sondern man will ja schon, dass einer einen versteht, dass er sich reinversetzen kann in jemanden. Das sind so dann die berühmten Softskills, die dann da gebraucht werden.
Christina Schulz: Und wie ging es dann danach für Sie weiter?
Dr. Arend: Ja nach der Station in Ludwigshafen, diese Position dort als Teamleiter habe ich knappe zweieinhalb Jahre gemacht, das war auch nicht die längste Zeit. Und dann hat mich mein ehemaliger Chef, der schonmal in China mein Vorgesetzter war, der hat mich angerufen. Der war mittlerweile aus China zurück und wurde direkt weiterdelegiert, an den Standort nach Schwarzheide. Der hat mich angerufen und hat mir gesagt: „Du Matthias, hier ist ne Position frei, hast du nicht Interesse, nach Schwarzheide zu kommen?“ Er hat mir dann erklärt, um welche Stelle es geht. Das war für mich nochmal eine Beförderung, in eine „Director“-Position für das Site-Engineering, also für die Planung des Standorts, Anlagenplanung. Und dann habe ich mir das durch den Kopf gehen lassen, hab Zuhause einfach mit meiner Dame drüber gesprochen und dann haben wir uns entschieden, dass wir oder dass ich das mache und dass ich den Job in Schwarzheide annehme.
Christina Schulz: Die Position heißt „Director Site Engineering and Construction Services” – Was macht man denn in dieser Position?
Dr. Arend: Ja, die Stelle hat sich seit Antritt und bis heute ein Stück gewandelt, wir hatten eine Umstrukturierung am Standort, da hat sich bei mir der Verantwortungsbereich nochmal erweitert. Am Anfang war das ganze nur die Planung und jetzt gehört auch wieder die Montage mit dazu. Das heißt, ich bin im Endeffekt verantwortlich für eine Einheit, die sich um die Umsetzung von Anlagenbauprojekten kümmert.
Das beginnt ganz vorne, bei uns kommt quasi eine unserer Business-Units mit einer Idee an, sie möchte irgendeine neue Chemikalie herstellen. Dann haben die in der Regel eine Forschung schon gemacht, die wissen schon ungefähr, wie das ganze funktioniert und suchen dann einen Platz, wo sie so eine Produktionsanlage hinstellen können. Das ist der Punkt, wo wir dann mit einbezogen werden. Ich setze dann meine Teamleiter mit drauf an, dann werden dort Kollegen identifiziert, die entsprechend Zeit haben, sich auch um so eine Anfrage noch zu kümmern und dann fangen wir an, so eine Anlage zu planen. Das geht los mit: Auf welches Blockfeld könnte die? Haben wir genug Platz? Muss da vielleicht eine neue Straße hingebaut werden? Welche Versorgungsleitungen brauchen sie? Dampf, Strom, Wasser usw. und das geht dann bis hin zu der eigentlichen Produktionsanlage selber. Auch das machen wir, bis zu einem gewissen Investitionsvolumen, machen wir das hier am Standort selber. Wenn es zu groß wird, dann gibt es immer noch in der großen BASF-Welt Kollegen, die uns dann für diese ganz großen Projekte unter die Arme greifen und uns dann mit ihren Ingenieuren da noch unterstützen. Und wenn wir geplant haben, dann geht es auch in meiner Einheit in die Umsetzung. Das fängt an mit dem Hoch-, Tief- und Stahlbau, also wirklich das Loch buddeln, Fundamente reinsetzen, den Stahlbau aufbauen… Dann den eigentlichen Anlagenbau, die Rohrleitungen, die Reaktoren reinsetzen, zuschweißen, zumachen. Wir machen auch einen Drucktest und einen Dichtigkeitstest zum Schluss und dann übergeben wir zum Schluss eine fertige Anlage an den eigentlichen Betreiber.
Christina Schulz: Das ist ja beeindruckend. Gibt es einen typischen Tagesablauf bei Ihnen?
Dr. Arend: Eigentlich nicht. Ein typischer Tagesablauf ist bei mir so, ich versuche, oder vor Corona, machen wir es mal so, vor Corona hab ich immer so…gegen 7:30 Uhr war ich im Büro und hab mir einen Kaffee geholt und dann war mein regulärer Tag eigentlich schon beendet, weil es dann mit allen möglichen Meetings losgeht, die auch oftmals nicht planbar sind. Also ganz viele Meetings sind geplant, aber oft kommen dann einfach auch Tagesanbrüche Themen mit rein, wenn irgendwo was passiert, wenn sich, was wir alle nicht hoffen, irgendwo auf der Baustelle jemand verletzt. Das ist immer so ein Thema, wo man dann den ganzen Tag in der Regel umbauen muss, oder sich dann auch freischaufeln muss. Ansonsten ist es sehr von Besprechungen geprägt, ganz viele Besprechungen gehen in der Regel den ganzen Tag über, man läuft von einem Meeting ins nächste. Das geht dann so bis 16/17 Uhr und dann im Anschluss fängt man dann an, sich mit seiner Arbeit zu beschäftigen. Fängt dann an also, seine Emails abzuarbeiten, Themen voranzutreiben oder Themen auch selbst zu bearbeiten, die man eben noch selber bearbeiten möchte. Aber ganz viel meiner Arbeitszeit ist eben in Besprechungen, in Meetings, wo wir dann zum Beispiel die Projekte, die ich vorhin beschrieben habe, in einem Lenkungskreis überschauen und notwendige Entscheidungen zum Beispiel treffen.
Christina Schulz: Welche Kompetenzen brauchen Sie hauptsächlich in Ihrem Berufsleben und sind das welche, die Sie schon während ihrer Studien- oder Promotionsphase, oder während Ihrer Auslandsaufenthalte mitgenommen haben? Oder welche mussten Sie sich noch neu aneignen?
Dr. Arend: Ich glaub die wichtigste Eigenschaft, die man aus dem Studium, oder die ich aus dem Studium mitgenommen habe ist, die richtigen Fragen zu stellen. Wie gehe ich an ein Thema ran, wie versuche ich, ein Thema zu begreifen und welche Fragen muss ich stellen, um das Thema auch mit seinen eventuellen Schwachstellen richtig zu hinterfragen. Das ist so ein bisschen, ja, das kann man natürlich auch erlernen. Man braucht aber glaube ich, oder das ist zumindest bei mir so - ich hab da einfach viele dieser Fragen, die ich für mich gestellt habe, wie gehe ich an sowas ran, im Studium erlernt. Ansonsten ist es natürlich, in der Position, in der ich jetzt auch bin, ich hab ein sehr sehr breites Themenspektrum, ich kann in den Themen fachlich nicht mehr überall mit im Detail drin sein. Dafür ist es viel zu viel, dafür habe ich auch viel zu viele Mitarbeiter. Das heißt, für mich ist eine der wichtigsten Aufgaben, den Überblick zu behalten, den Gesamtüberblick zu behalten und zu merken, zu spüren, herauszufinden, auch in vielen Gesprächen, wo klemmt es denn. Wo sind irgendwelche Hürden, die Steine, die im Weg liegen, die die Mitarbeiter auch daran hindern, ihre Arbeit möglichst effizient und effektiv zu machen. Und das ist dann natürlich was, da muss man dann ran, da sucht man dann nach dem eigentlichen Problem und versucht dann in der Regel, das über ein kleines Team auch bearbeiten zu lassen.
Ansonsten braucht man glaube ich eine gute Portion Menschenkenntnis und Empathie. Das sind so diese Softskills, wie ich sie vorhin schon auch mal erwähnt hab, die wichtig sind als Führungskraft, gerade wenn man sich ins Management entwickeln möchte und Personalverantwortung übernimmt, braucht man da ein gewisses Fingerspitzengefühl.
Christina Schulz: Inwiefern würden Sie sagen, war Ihre Promotion wichtig für die aktuelle Tätigkeit?
Dr. Arend: Also für die aktuelle Tätigkeit… ja ich sag mal so, der Titel an sich, würde ich sagen, ist heute nicht mehr wichtig. Der war auch nicht wichtig, um in diese Funktion zu kommen oder in diese Position zu kommen, in der ich bin.
Inhaltlich, was meine Fähigkeiten, meinen technischen, naturwissenschaftlichen Hintergrund angeht, glaube ich war es trotzdem wichtig. Man baut ja im Studium und vor allem auch in der Promotion verschiedene Kompetenzen auf, selbstständiges Arbeiten, Thema Fragenstellung, was ich vorhin erwähnt habe. Also wie stelle ich eigentlich die richtigen Fragen, wie finde ich heraus, was ist das eigentliche Problem, eine Aufgabenstellung auch umzusetzen in einen Lösungsfindungsprozess.
Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen war für mich auch in der Promotion ein ganz ganz wichtiges Thema. Ich bin selber Ingenieur, hab aber in einem Institut gearbeitet, wo wir ein bisschen mehr als die Hälfte Chemiker hatten und da lernt man dann auch das erste Mal, dass sich Ingenieure und Chemiker nicht unbedingt auf anhieb verstehen. Das hängt mit Vokabular zusammen oder auch mit den Gedanken, die ein Chemiker hat und die ein Ingenieur hat. Und dort einfach zu lernen, wie kann man mit naturwissenschaftlichen oder ingenieurwissenschaftlichen Kollegen…wie findet man eine gemeinsame Sprache. Das hört sich banal an, ist aber ganz häufig ein Problem, das zum Schluss zu Missverständnissen und dann auch falschen Ergebnissen führen kann. Und das herauszufinden, wie man da zusammenarbeitet, ist sehr interessant gewesen. Und das natürlich nicht nur mit den Akademikern, sondern wir hatten auch Nicht-Akademiker, hatten Laboranten, Kollegen, die uns da einfach unterstützt haben mit verschiedenen Themen, mit Analytik etc., und auch mit denen zusammenzuarbeiten, muss man auch erst einmal lernen.
Christina Schulz: Sie führen ja auch Bewerbungsgespräche durch. Haben Sie vielleicht den ein oder anderen Tipp für die Studierenden?
Dr. Arend: Ja Bewerbungsgespräche sind sehr interessant, die bilden ungemein. Also man lernt ganz viele Menschen kennen, man lernt ganz viele Facetten kennen und sieht natürlich häufig Menschen, die sich natürlich von ihrer besten Seite zeigen wollen. Und da ist es dann wichtig, herauszufinden, wie kann man Menschen in einer kurzen Zeit einschätzen, wie schätzt man Menschen auch richtig ein. Man kann da ja auch leider brachial falsch liegen mit seiner Einschätzung, das ist für jeden auch ein Lernprozess. Man achtet auf Zwischentöne, also das ist schon eine Herausforderung, das muss man auch erstmal lernen, wie man sowas richtig macht. Ist aber dann eine ganz ganz spannende Geschichte, weil man eben in kurzer Zeit sehr viele Menschen auch kennenlernt.
Ja, welche Tipps habe ich auch für Studierende? Ich glaube, jeder der Bewerbungsgespräche führt, also der jetzt auf der Seite der Arbeitgeber sitzt ist natürlich anders, deshalb kann ich jetzt nur für mich sprechen. Ich mag es, wenn Studierende, oder auch generell Bewerber, einfach ehrlich und authentisch sind. Es passiert häufiger, dass sich Leute versuchen in so einem Bewerbergespräch irgendwie anders darzustellen oder in ein noch besseres Licht zu rücken und das vielleicht auch ein bisschen sehr stark ausschmücken. Da kann ich direkt sagen: „Vergessen Sie es, das findet man sofort heraus.“ Das spürt man sofort, das bringt nix.
Das Zweite, was ich persönlich mag, sind tatsächlich Lebensläufe, die nicht so ganz gerade sind. Also ein Stück ungerader Lebenslauf ist für mich oftmals interessanter, wenn er denn richtig erklärt werden kann. Also ich mache mal ein Beispiel. Es gibt immer wieder Bewerbungen von Studierenden, die kommen nach dem Abitur direkt an die Uni, studieren und haben einen tollen Lebenslauf. Waren vielleicht sogar ein, zwei Mal im Ausland und stellen sich dann bei uns vor, sind Anfang 20 und sagen dann, sie möchten jetzt Personalverantwortung. Das funktioniert nicht. Da fehlt mir persönlich ein Stück Lebenserfahrung, wo ich einfach auch mal sag: „Hast du eigentlich mal was anderes gesehen, als einen Ausbildungsbetrieb, Schule, Universität? Hast du mal ein Praktikum gemacht, hast du mal irgendwo, im Ausland vielleicht, gearbeitet?“ Nicht jeder, der im Ausland war, macht ja dort eine Arbeitserfahrung. Manche sind ja dann über ein Semester oder auch nur weniger im Ausland und da mag ich einfach, wenn Leute zum Beispiel auch mal ganz bewusst sagen, so, ich hab im Studium mal ein Semester Pause gemacht und bin mit dem Rucksack durch wohin auch immer gelaufen und hab mir das Land und die Leute angeschaut. Und dann kann man da richtig schön hinterfragen und herausfinden, was nimmt man denn auf so einer Reise auch mit. Also das ist so zum Beispiel ein Thema, was ich immer sehr schön finde. Das merkt man auch bei den Menschen, die so Erfahrungen gemacht haben, sich auch mal auf was Unbekanntes einzulassen, was Neues. Loslassen zu können, aus ihrer Komfortzone rauszugehen, das bildet und das spürt man auch in so einem Gespräch.
Vielleicht noch ein anderer Tipp, den ich auch extrem wichtig finde und den ich sehr gerne mitgebe ist, dass sich Bewerber in dem Gespräch ja nicht nur präsentieren, sondern dass auch die Studierenden für sich entscheiden müssen und ein Gefühl entwickeln sollten: Passen sie eigentlich auch zu den Leuten, die da vor einem sitzen. Wir machen das Gleiche, auch wir gucken in unseren Gesprächen, passt denn dieser Mensch, der da vor einem sitzt, passt der aus meiner Einschätzung ins Team. Passt der in meine Einheit, in mein Team, kann das Probleme geben? Glaube ich, dass der vielleicht mit anderen Kollegen nicht kann oder zu introvertiert oder zu extrovertiert ist. Das sind alles Fragen, die man sich auf der Arbeitgeberseite stellt, aber ich glaube andersherum muss dieser Prozess auch durchdacht werden. Also auch der Studierende oder der Bewerber sollte sich die Gedanken machen, sind denn diese drei, vier, fünf Leute, mit denen er oder sie an dem Tag gesprochen hat, sind denn das Menschen, mit denen man wirklich jeden Tag zusammenarbeiten möchte. Geben die mir ein gutes Gefühl, habe ich Wertschätzung erfahren, glaube ich, dass die in der Firma, auch wenn es nur ein kleiner Einblick ist, glaube ich, dass die mit mir als potenziellem Mitarbeiter auch richtig umgehen? Das sind in meinen Augen völlig legitime Fragen, die man sich stellen muss und die man sich auch dann im Nachgang beantworten soll.
Christina Schulz: Es ist sozusagen ein beidseitiges Bewerbungsgespräch.
Dr. Arend: Genau so ist es. Vielleicht sollte man auch immer daran denken, man wird sehr sehr viel Zeit auf der Arbeit verbringen. Die meisten Menschen verbringen irgendwie acht, neun Stunden auf der Arbeit am Tag plus Pausen, dann ist man irgendwo bei zehn Stunden. Das kann mal mehr mal weniger sein, also das ist schon ein signifikanter Anteil des Tages und da muss man sich dann auch wirklich so sicher wie nur möglich sein, dass man das in einem Umfeld verbringt, das einem auch zusagt.
Christina Schulz: Ja, auf jeden Fall. Welche Möglichkeiten sehen Sie bei BASF für Chemiker? Wir haben ja jetzt viel über Chemieingenieurwesen auch gesprochen, aber uns hören bestimmt auch Studierende der Chemie zu.
Dr. Arend: Ja da würde ich die Antwort gerne ein bisschen zweiteilen und einmal auf hier Schwarzheide beziehen. In Schwarzheide haben wir für Chemiker so den klassischen Einstieg in eine Einheit, die nennt sich bei uns „Prozess- und Verfahrensoptimierung“. Das sind Kollegen, die Prozesse, die in einer Chemieanlage laufen, also wirklich die chemischen Prozesse oder auch das chemische Verfahren, sich anschauen. Die machen nicht nur das, die machen aber auch diesen chemischen Prozess, schauen sich den an und gucken dann, wo ist denn mein berühmtes „Bottleneck“ in der Herstellung. Also wo ist in dem Gesamtprozess der Schritt, der meinen Gesamt-Output limitiert, dass ich zum Beispiel einfach mehr Produkt herstellen kann. Oder der Schritt, der am energieintensivsten ist. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich sowas anzuschauen und da nimmt man in der Regel auch gerne Chemiker, die dann eben von der Chemieseite auf so einen Prozess drauf schauen können und dann gemeinsam mit dem Betriebspersonal, also mit dem Betreiber einer solchen Anlage, dann Verbesserungen entwickeln, vorantreiben. Und im Idealfall kommt dann ein Projekt raus, ein Optimierungsprojekt. Dann landet es wieder bei mir in der Einheit und wir bauen so eine Anlage um.
Zum Zweiten gibt es natürlich die Einstiegsmöglichkeit auch in den Produktionsanlagen selber. Da gibt es Prozessmanager, das sind bei uns Funktionen, das sind in der Regel auch Akademiker, die den Prozess einer Anlage sehr sehr gut verstehen müssen und dann den Prozess kontinuierlich verbessern müssen. Das ist quasi das Pendant zu dem, was ich gerade erzählt habe. Das sind aber Leute, die wirklich in der Produktion sitzen und nochmal einen noch intensiveren Blick aus der Brille des Betreibers heraus haben. Und ansonsten gibt es dann auch nachfolgend eine riesige Bandbreite, wo man sich auch als Chemiker hin entwickeln kann. Klar, wir sind ein Chemieunternehmen. Wenn man mal nach Ludwigshafen schaut, dann kann ein Chemiker alles werden. Also unsere Vorstände sind, da sind ein nicht unerheblicher Teil Chemiker, auch in der Hierarchie bei und gibt es ganz viele Chemiker, also das ist ein buntes Sammelsurium. Dementsprechend ist es auch in Ludwigshafen so, da gibt es den klassischen Einstieg über die Forschung und Entwicklung. Wir haben in Schwarzheide keine Forschung mehr, die Forschung findet in Ludwigshafen statt und da ist das ein ganz klassischer Einstieg als Laborleiter. Da hat man dann, ja, eine geringe Anzahl von Mitarbeiter, zwei, drei, vier, fünf Mitarbeiter, Laboranten, die mit einem gemeinsam dann in einem Labor Forschung machen. Von denen man auch der Vorgesetzte ist, das ist so ein typischer Einstieg.
Oder man geht in die Produktentwicklung, aber ich hab auch schon von Kollegen gehört, die aus der Chemie direkt im Marketing eingestiegen sind. Es ist dann glaube ich mehr so das Thema, was passt persönlich zu einem Menschen. Und der Ausbildungshintergrund, der ist natürlich ein Türöffner, aber ich würde es nicht nur limitieren auf: „Jeder Chemiker muss jetzt im Labor, in der Forschung und Entwicklung, anfangen“. Da hat man ganz viele Möglichkeiten, im Zweifelsfall mein Rat: immer einmal bewerben und mal gucken was passiert. Unverhofft kommt oft und wir haben auch schon, hab ich auch schon ganz persönlich, häufig mal einfach Leute eingeladen, die so auf den ersten Blick überhaupt nicht auf die Stelle passen, aber dann auf den zweiten Blick doch hochinteressant sind.
Christina Schulz: Gibt es etwas, was Sie den heutigen Studierenden gern mit auf den Weg geben möchten?
Dr. Arend: Ja, was kann ich Studierenden mit auf den Weg geben… Ich glaube ganz viel haben wir schon gesagt. Seien Sie neugierig und offen, kommen Sie mal aus ihrer Komfortzone raus, probieren Sie was Neues. Gehen Sie durch die Welt, gehen Sie mal aus ihrem gewohnten Umfeld raus, probieren Sie es mal. Ein Praktikum ist eine super Möglichkeit, weil man eine relativ begrenzte Zeit nur hat, das kann man auch mal durchhalten, wenn es nicht ganz so toll läuft. Und ansonsten meine persönliche Meinung: Machen Sie einfach Erfahrungen, trauen Sie sich auch, Erfahrungen zu machen und sprechen Sie da auch in einem Bewerbungsgespräch drüber. Für mich persönlich gibt es den perfekten Lebenslauf nicht, sondern der Mensch ist mir persönlich viel wichtiger, als der perfekte Lebenslauf.
Christina Schulz: Das ist ja ein sehr schönes Schlusswort. Herr Dr. Arend, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!
Dr. Arend: Vielen Dank auch an Sie Frau Schulz!
~ Gesprächsende ~
[Outro-Musik spielt]
Folge 3: Als Mathematiker bei der Europäischen Kommission
Wie kommt man als Mathematiker zur Europäischen Kommission in Brüssel? In der 3. Folge erzählt uns Julián Daniel Jiménez Krause von seinem Studium an der TU Dresden, die Rolle von Mentoren und den Umgang mit Umbrüchen und neuen Herausforderungen. Außerdem verrät er uns Wissenswertes zum Auswahlprozess für Stellen bei der EU und seine aktuelle Tätigkeit als Innovation Portfolio Manager.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: Hör rein, in die Praxis!
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften.
Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Mein heutiger Gast ist Julian Daniel Jimenez-Krause. Er ist Mathematiker und arbeitet nun, nach einigen interessanten beruflichen Stationen, bei der Europäischen Kommission.
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Hallo Herr Jimenez-Krause! Ich begrüße Sie ganz herzlich. Ich freue mich, dass wir heute miteinander sprechen, über ihren interessanten Lebenslauf und über ihre Tätigkeit bei der Europäischen Kommission.
Julian Jimenez-Krause: Guten Morgen Frau Schulz, vielen Dank!
Christina Schulz: Es ist zwar schon ein kleines Weilchen her, aber Sie haben an der TU Dresden Mathematik studiert. Wie haben Sie denn das Studium empfunden und war das gleich klar für Sie, dass es Mathematik sein soll?
Julian Jimenez-Krause: Ein Weilchen her, das war 84 bis 89. Ja, ein Weilchen her kann man sagen. Ich wollte immer Mathe studieren, Mathe oder Physik, also als Kind schon. Ja, ich war so, Naturwissenschaften lagen mir so ziemlich easy in der Schule und für mich war klar, es sollte Mathe, Physik oder gar nichts werden, ein bisschen radikal. Und ich bin in Kuba geboren und aufgewachsen, Abitur in Kuba gemacht und damals gab es noch den Ostblock und jedes Jahr bekam Kuba eine Menge von Studienplätzen in in den Ostblockländern zugeteilt. Und die wurden dann ausgehändigt und die Leute wurden dann quasi eingeladen, sich zu bewerben.
Und als ich dran war, als ich die zwölfte Klasse am abschließen war, da gab es Mathematik einmal in St Petersburg, Leningrad damals, und in Dresden. Und ich habe mich einfach für Mathematik Dresden beworben. Ich wollte auch nicht in die Schule in die Sowjetunion, wollte ich nicht. Mein Bruder hat da studiert, der ist vier Jahre älter als ich und das war nicht einfach, also da auch die Versorgungssituation und auch die politische Kontrolle, war schon...gut, die gab es auch in der DDR, aber die war schon eine Nummer härter und mir war auch klar, in die Sowjetunion will ich nicht. Außerdem hatte ich den Vorteil, schon Deutsch sprechen zu können, weil meine Mutter Deutsche ist und ich habe mich einfach nur Mathe Dresden beworben und ich hab das auch bekommen.
Christina Schulz: Super! Und wie haben sie das Studium an sich empfunden?
Julian Jimenez-Krause: Das Studium war hart, aber ich finde mit einer hervorragenden Qualität, also wirklich auf sehr hohem Niveau, vom Anfang an. Das fing an, schon im ersten Semester wurde richtig losgelegt, so dass die Hälfte der jungen Menschen, die angefangen haben, das erste Semester nicht abgeschlossen haben. Ich hab das später mal gefragt, ob das nicht zu hart war und ich bekam als Antwort, ich glaube, das war Professor Bachmann, der hat mir gesagt: „Das machen wir mit Absicht, damit Leute nicht die Zeit verlieren, also das ist gut gemeint.“
Auf jeden Fall, das Studium war hart, auf sehr hohem Niveau. Ich fand es extrem gut, mich haben z.b. so Sachen beeindruckt... wir hatten Professoren, die waren noch von der alten Schule. Ich nenne einen Namen: P. H. Müller, Professor P. H. Müller. Der hat Lateinisch, Altgriechisch und Hebräisch gesprochen und der kannte die Mathematik global, also wann immer er irgendwas erklärt hat, er hatte diese holistische, globale Vision. Und wenn er einen Term [erklärt hat], ich kann mich erinnern, als er bei...welche Vorlesung war das...irgendeine Vorlesung, die die Kardinalzahl „Aleph“ erklärt hat, hat er ein kleines Referat über das hebräische Alphabet gehalten und das hat mich immer fasziniert.
Christina Schulz: Okay, hatten sie damals schon, in dieser Welt, irgendeine Vorstellung von ihrer beruflichen Tätigkeit?
Julian Jimenez-Krause: Nicht wirklich. Also ich glaube mein Ziel und mein Traum war damals, Wissenschaftler zu werden oder in der Akademie zu bleiben, also quasi auch mal ein eine Karriere an der Uni zu machen. Das war mir nicht vergönnt. Ich kann das ja erzählen, jetzt...also als das Studium zu Ende ging, ich war ein ziemlich guter Student, also ich hatte durchweg immer sehr gute Noten und die Uni Dresden hat mir angeboten, ein direkt Promotionsstudium anzuschließen. Ich war aber Kubaner bei Kuba/DDR, da gab es keine doppelte Staatsbürgerschaft und ich bin dann zur Botschaft in Berlin und habe gesagt: „Hier, ich habe ein Angebot weitere zwei Jahre zu studieren und dann als Doktor fertig zu werden.“ Und dann haben die gesagt: „Nein, sie fliegen sofort nach dem Abschluss der Diplomarbeit nach Kuba zurück.“ Und somit wurde meine wissenschaftliche, akademische Karriere quasi...
Christina Schulz: Beendet, bevor sie angefangen hat.
Julian Jimenez-Krause: Bevor sie angefangen hat, genau!
Christina Schulz: Wie ging es dann weiter für Sie?
Julian Jimenez-Krause: So, dann wie gesagt, nach dem Abschluss der Diplomarbeit musste ich nach Kuba zurück. Habe ich auch gemacht und ich wollte dann an der Uni Havanna anfangen zu arbeiten. Ich hatte auch Kontakte, die wollten mich auch, die kannten mich auch. Und das war mir auch verboten, also da waren irgendwelche Mächte, unsichtbare Mächte, die die haben schon meine Zukunft entschieden und die hatten vorgesorgt, dass ich in der IT bei einer landwirtschaftlichen Einrichtung außerhalb von Havanna arbeiten sollte. Und für mich das war wie die Verbannung nach Sibirien, also ich war voll schockiert, ich war unter Schock. Die Leute, die mich kannten, an der Uni Havanna genauso und gut, dann bin ich da am 1. September hin zu diesem Institut für Grundlagenforschung der tropischen Landwirtschaft außerhalb von Havanna. Und siehe da, da hatte ich ein Chef, das war ein Doktor der Biologie, ein junger Mann und der war super, sehr sehr schlau, sehr intelligent, sehr energetisch und der hat mir ganz tolle Aufgaben gegeben und hat mir auch sehr schnell glaubhaft gemacht, dass meine Arbeit dort auch super interessant und wissenschaftlich auch relevant ist. Ich hab ein Jahr und zwei Monate da gearbeitet, bis wir dann, meine Mutter, mein Bruder und ich, endgültig Kuba verlassen haben und Richtung vereintes Deutschland ausgewandert sind. Ich habe in diesem Jahr mehrere Publikationen geschrieben, also nicht als Hauptautor, aber immerhin und in der Tat, mir hat auch die Arbeit gefallen irgendwann, also das hat sie schon. Und das war dann auch quasi dieser Schub in die IT.
Christina Schulz: War das vielleicht sowas wie ein Mentor für sie, der Vorgesetzte?
Julian Jimenez-Krause: Absolut! Ja der Dr. Esquivel, den werde ich auch nicht vergessen. Der war ein Mentor, einmal was die emotionale Seite [angeht] und zu zeigen, dass die angewandte Mathematik, angewandt in dem Bereich der Biologie, sehr interessant sein kann, aber nicht nur die pure Mathematik, wie die, die ich an der Uni hatte. Aber auch der Typ, der hat publiziert am laufenden Bande und nicht nur im Inland auch im Ausland, also der war schon ein sehr guter und sehr aktiver Wissenschaftler. Und der hat mir auch diese Denke, wie man arbeitet, so dass man daraus eine Arbeit hat, die man veröffentlichen kann [mitgegeben] und das hat mir auch in den späteren Jahren viel geholfen.
Christina Schulz: Ja. Sie sind dann also mit ihrer Familie von Kuba zurück gekommen nach Deutschland, wie ging's dann für Sie weiter?
Julian Jimenez-Krause: Ja wir sind in November 1990, meine Mutter, mein Bruder und ich, endgültig aus Kuba weg und ins vereinte Deutschland geflogen. Und ich bin sofort nach Dresden, weil ich hab die Jahre davor in Dresden gelebt und ich hatte noch meine Netzwerke, kannte viele Leute da und hab an der Algebra, der Mathematik, an der TU eine HiWi-Stelle, das war so eine halbe Stelle, angenommen. Und das war vor allem eine Zeit des Umbruchs, das war direkt nach der Wende, wenn man so so will und der Umbruch war noch sehr stark bemerkbar an der Uni. Noch viele Professorenstellen waren unbesetzt und ich habe relativ schnell, also ich hatte nicht wirklich eine große Aufgabe da zu erledigen, ich habe relativ schnell mir eine Tätigkeit als Programmierer beim Helmholtz Institut für Festkörperphysik gesucht und angenommen. Und dann habe ich eine Stelle gefunden in Gatersleben, das ist ganz weit weg von Dresden, das ist in Sachsen-Anhalt in der Nähe von Quedlinburg. Ich habe eine Stelle bekommen, die war ziemlich identisch wie meine Stelle in Kuba, also wieder Mathematik und Informatik angewendet auf Biologie und die habe ich super gerne angenommen. Das hat sich ergeben, im Grunde durch meine Publikationen in Kuba, weil die mich dadurch kannten. Und dann habe ich da zwei Jahre gearbeitet und dann bekam ich eine ähnliche Stelle, aber schon ein bisschen mehr politisch, bei dem Informationszentrum für biologische Vielfalt in Bonn und die habe ich angenommen. Das war meine allererste Stelle mit einem richtigen Gehalt, BAT 2 damals hieß das und das habe ich gemacht, 15 Jahre lang.
Christina Schulz: Okay, Wow! Und von dort zur Europäischen Kommission, wie ist es dazu gekommen?
Julian Jimenez-Krause: Wie ist das gekommen, genau. Wie gesagt, das habe ich 15 Jahre lang [gemacht], das ist eine ziemlich lange Zeit. Und ich war fest angestellt unter BAT 2, da hat sich dann später die Bezeichnung geändert, ich weiß nicht mehr, wie das später geheißen hat, aber man kam nicht voran. Also man hatte quasi diese Stelle mit dieser Besoldungsgruppe für immer und ich so Mitte/Ende 30 dachte, das kann es doch nicht gewesen sein in meinem Leben. Und ich war so ein bisschen frustriert und am gucken und habe mich umgeschaut und bin, rein zufällig, auf die Webseite der Europäischen Kommission, die heißt EPSO, quasi die Personalseite der Kommission, wo auch die Ausschreibungen und die Auswahlverfahren veröffentlichen werden [gestoßen]. Und da war ein Auswahlverfahren gerade angelaufen und das war für mich zugeschnitten, also das war wirklich mein Wissen. Ich dachte, also das ist so extrem für mich gemacht, da muss ich teilnehmen. Und dann habe ich teilgenommen, ich habe es auch ernst genommen, ich habe mich auch vorbereitet. Ich habe gepaukt wie seit der Uni nicht mehr und nach anderthalb Jahren Auswahl, das waren anderthalb Jahre Auswahlverfahren, wurde ich quasi ausgewählt, ja.
Christina Schulz: Wow, also das klingt nach einem sehr, ja, gründlichen, aufwendigen Auswahlverfahren, was ja an sich auch eine gute Sache ist. Können Sie dazu vielleicht nochmal was genauer sagen, wenn sich jemand dafür interessiert, bei der EU zu arbeiten?
Julian Jimenez-Krause: Ich kann ja das erstmal sagen, die Auswahlverfahren heute sind weniger, die dauern weniger lang. Also diese Sache mit diesen anderthalb Jahren, das war weil die Auswahlverfahren damals, die bestanden aus drei Teilen, ein Multiple Choice Test, wirklich über drei Bereiche, einmal Informatik, einmal Europa, einmal so eine Art Intelligenztest. Und der Multiple Choice Test wurde sehr schnell ausgewertet, das wurde automatisch ausgewertet. Aber dann gab's noch eine schriftliche Prüfung, wo man aus drei Themen über zwei Themen eine Ausarbeitung schreiben sollte. Und so eine Ausarbeitung von 12 Seiten, das muss irgendjemand lesen und bewerten. Und das bei zig tausenden Teilnehmern an diesem Auswahlverfahren. Das war wahrscheinlich so der Flaschenhals oder das Nadelöhr von diesem ganzen Verfahren. Und heute ist das nicht mehr so, heute nach der ersten Selektion werden Leute schon eingeladen zu was Interaktivem, wo die Entscheidung auch viel schneller stattfindet. Auf jeden Fall, es gibt nicht immer, also man geht so auf diese App, diese Webseite und es gibt nicht immer ein Auswahlverfahren welches einen anspricht. Das heißt, wenn man Interesse hat, man muss sich das vormerken und alle zwei Monaten reinschauen.
Christina Schulz: Okay, also es lohnt sich da auch immer mal einen Blick drauf zu werfen, wenn man was sucht, genau. Aber man muss sich auch gut vorbereiten scheinbar!
Julian Jimenez-Krause: Mann muss sich gut vorbereiten, das kann man überhaupt nicht auf die leichte Schulter nehmen, weil die Fragen sind schon sehr…also es geht sehr sehr tief ins Wissen rein. Und da macht ein Punkt Differenz auch die Differenz, ob man angenommen wird oder jemand anderes von woanders, also das ist knallhart.
Ich glaube die Hauptmessage oder die Hauptbotschaft hier ist: solche Auswahlverfahren gibt es, die sind öffentlich, die sind offen, die sind transparent. Ich kannte niemanden in der Kommission, die Kommission war für mich eine Blackbox. Ich hatte null Ahnung was das hier ist und wie das hier funktioniert und ich habe mich auf dieses Auswahlverfahren dann beworben, vorbereitet und hab mitgemacht und bin ausgewählt worden und bin seit 2008 mittlerweile hier.
Christina Schulz: Super! Jetzt sind sie IT Portfolio and Innovation Manager bei der Generaldirektion Wettbewerb. Was kann man sich darunter vorstellen, was sind ihre Aufgaben?
Julian Jimenez-Krause: Ja also ich fange damit an, ein bisschen zu erklären was die Generaldirektion Wettbewerb ist. Die Kommission hat also ich glaube so um die 28 Generaldirektionen. Es gibt ein paar horizontale Generaldirektionen für Human Resources, es gibt eine Informatik Generaldirektion. Budget also Etat hat auch eine eigene Generation aber die anderen Generaldirektion sind thematisch.
Es gibt eine für Landwirtschaft, eine für Fischerei und es gibt nunmal auch eine für Wettbewerb. Die Wettbewerbspolitik der Union, der Europäischen Union, zielt darauf, dass auf dem europäischen Markt die Unternehmen fair unter fairen Bedingungen miteinander in Wettbewerb stehen, dass keine Monopole entstehen, dass keine Netzwerke von Unternehmen sichtbar sind, die Kundschaft untereinander aufteilen und die Preise diktieren. Das wird sehr stark aufgepasst und dafür zuständig ist die Generaldirektion Wettbewerb. Und die ist schon ziemlich groß, weil Europa ist auch sehr groß, also das sind um die 900 Rechtsanwälte die da arbeiten, ein paar Economists auch da drunter, aber die meisten sind schon Rechtsanwälte. Sind übrigens die Spitzen-Rechtsanwälte Europas, die da arbeiten und die sind natürlich auch extrem anspruchsvoll, auch gegenüber den Dienstleistern im Hause, also uns. Und wir haben eine eigene Informatik, die eingebettet ist in die große Informatik.
Mein Tätigkeitsfeld, also mein Portfolio, reicht von sehr grundsoliden Aufgaben, wie Infrastruktur und Support, also die Teams die Infrastruktur machen und die Teams sich Support machen, die sind unter mich gestellt. Ich habe aber auch zukunftsgewandte Themen und Projekte, wie Business Intelligence und Data and Artificial Intelligence, also künstliche Intelligenz. Wir haben vor drei Jahren angefangen, erst mal ganz vorsichtig: Was ist das überhaupt, was könnte das, wie könnten wir die Entwicklungen, dieser dritten Welle der künstlichen Intelligenz, nämlich Machine Learning und Deep Learning anwenden für unsere Arbeit? Und jetzt nach drei Jahren haben wir schon eine ganze Reihe von sehr konkreten Projekten, noch sehr bescheiden finanziert, weil… im öffentlichen Dienst, das war in Bonn auch nicht anders, es passiert alles in einem zwei-Jahres-Rhythmus, also man kriegt Geld, was man vor zwei Jahren bestellt hat und gerechtfertigt hat. Ist natürlich für Innovation nicht gerade optimal, ist aber so.
Wir sind da aber jetzt voll, würde ich sagen, am „richtig“ Arbeiten, nicht mehr Theorie und Reports schreiben und Präsentationen machen, sondern handfeste Aufgaben, handfeste Probleme lösen.
Christina Schulz: Gibt es so einen typischen Tagesablauf oder variiert das ganz stark?
Julian Jimenez-Krause: Ja, es variiert sicherlich, aber es gibt es gibt schon so ein Grundschema.
Es gibt viele Meetings, es gibt gleich zu viele Meetings für meinen Geschmack, aber es ist nunmal so. Es gibt kaum eine Person, die alle Entscheidungen alleine trifft. Die meisten, viele Entscheidungen, sind kollektiv getroffen und dann heißt es: In dem Meeting wurde entschieden, das, das und das wurde empfohlen und dann geht das eine Etage höher an Hierarchie, damit die Hierarchie das noch mal absegnet. Also Meetings nehmen sehr viel Zeit ein.
Jetzt mit der Corona-Zeit gab es noch mehr Meetings, aber die waren effizienter witzigerweise. Also ich glaube die Meetings jetzt zu Corona-Zeit, die hatten ganz klare Ziele, Abschluss, Ergebnis und wenn es einem ein bisschen zu langweilig wurde in dem Meeting, konnte man dann noch E-Mails beantworten währenddessen.
So das ist ein Teil der Arbeit, dann gibt es einen Teil der Arbeit…ich habe natürlich ein Portfolio, mein Portfolio hat Ziele, ich hab Ziele pro Quartal und auch am Ende des Jahres muss ich Ergebnisse zeigen. Und ich muss natürlich auch aufpassen, dass die Teams die Orientierung nicht verlieren und dass die Teams die Arbeit liefern, die wir als großes Team, also mein Portfolio Team, Ende des Jahres vorzeigen, die Ziele, die wir einfach liefern müssen. Und dazu habe ich dann Meetings mit den Team-Leaders von meinen Teams, ich habe wenn es sein muss, manchmal müssen technologische Entscheidungen getroffen werden, dann nehme ich auch an Meetings mit dem ganzen Team zusammen teil. So, das ist noch ein ganz wichtiger Teil der Arbeit, das ist eben die tägliche operative Arbeit.
Noch ein Teil Arbeit, was sehr sehr viel Zeit und Energie kostet, ist, dass wir hin und wieder irgendwelche Dokumente erstellen müssen. Zum Beispiel mussten wir im April einen „Modernization-Plan“ der Generaldirektion Wettbewerb [erstellen] und das ist im Grunde das offizielle Dokument, wie stellt sich die Generaldirektion vor, wie in fünf Jahren die Informatik aussehen soll. Das ist so ein Dokument, das kann man nicht irgendwie so auf die leichte Schulter nehmen, da muss man sehr viel denken und diskutieren und es ist ein iterativer Prozess, bis man ein solides Dokumente hat, was Kopf und Fuß hat, was auch eine Vision beinhaltet. Und dann muss das Dokument so geschrieben sein, dass auch die Hierarchie es versteht und absegnet. Und das ist auch noch ein Teil der Arbeit, der wie gesagt sehr viel Zeit und sehr viel Energie kostet, diese Dokumentenerstellung. Weil die Kommission, oder ich glaube das ist überall im öffentlichen Dienst so, mit diesen Papieren arbeitet. Man schreibt eine Note, man schreibt einen Bericht, man schreibt dies und das und das und die Qualität muss schon sehr hoch sein und man muss ziemlich viel Zeit und Energie da rein investieren.
Christina Schulz: Wie viel Mathematik ist noch in ihrem jetzigen Tätigkeitsfeld oder vielleicht auch anders gefragt, welche Kompetenzen, die Sie im Studium erworben haben, also ob das jetzt inhaltlicher Art ist oder anderer Art, benötigen Sie im heutigen Berufsleben?
Julian Jimenez-Krause: Also jetzt reine Mathematik…es gibt eine Vorlesung, die hab ich im vierten Studienjahr besucht, das war relationale Datenbanksysteme, die habe ich mein Leben lang angewendet. Weil meine Arbeit, sowohl in Kuba, dann später in Gatersleben, dann später in Bonn und im Grunde auch hier in meine Arbeit in Brüssel, immer mit Datenbanken und mit Daten, Datenverarbeitung, stark zusammenhängt. Und ich denke ich habe da einen großen Vorteil, dass ich Datenmodelle, Datentransformation usw. wirklich aus dem Stegreif begreife, verstehe und mir braucht keiner was zu erzählen. Also das ist ganz wichtig. Ansonsten thematisch nicht viel, aber ich denke die ganze naturwissenschaftliche Denkweise, ja…ich denke das war mein ganzes Leben und auch heute noch ganz besonders wichtig. Die Gründlichkeit, das Verstehen, die Fähigkeit neue Themen relativ schnell zu verstehen, einmal vielleicht erstmal ein bisschen oberflächlich und dann wenn es nötig ist tiefer zu verstehen. Und ich denke ein Studium der Mathematik an der TU Dresden hilft einem wirklich dabei, diese Herausforderung jeden Tag zu meistern, ja.
Christina Schulz: Gibt es was, was sie den Studierenden der Naturwissenschaften mit auf den Weg geben würden, aus ihrer heutigen Perspektive wenn sie so zurückblicken?
Julian Jimenez-Krause: Ich kann nur sagen, dass man das Studium ernst nehmen sollte, wirklich mit Herz und mit Liebe. Ich denke ein bisschen Liebe und Passion ist wichtig, also nicht nur studieren, weil man am Ende ein Stück Papier hat mit einem Titel drauf. Ein bisschen Spaß sollte man auch mal haben, so Spaß an der Sache auch mal suchen und finden und haben. Und ich glaube wenn man studiert, mit Hingabe, mit Liebe an der Sache, an der Mathematik oder andere an der Biologie oder an der Physik und mit einem Stück Humor, das kann nur gut werden. Ich denke das ist eine gute Mischung und ich kann auch weiter sagen: das Studium bewaffnet einen mit ganz tollen Instrumenten, Instrumenten der Denkweise, Instrumenten der Lernfähigkeit, die für ein späteres Leben absolut relevant und absolut notwendig sind.
Christina Schulz: Schön, das ist ein super Schlusswort! Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch Herr Jimenez-Krause.
Julian Jimenez-Krause: Frau Schulz, ich danke Ihnen auch ganz ganz herzlich für diese Möglichkeit, meine Erfahrungen darzustellen und auch zurückzudenken, an die fünf Jahre Studium an der TU Dresden .
~ Gesprächsende ~
[Outro-Musik spielt]
Folge 4: Als Psychologin in der Personal- und Unternehmensentwicklung
Julia Zepf ist Arbeitspsychologin und Beraterin und Trainerin bei der Dr. Ulla Nagel GmbH. Nach einem Bachelorabschluss in Psychologie an der TU Dresden absolviert sie berufsbegleitend ein Masterstudium. In unserem Gespräch berichtet Frau Zepf von ihrem spannenden Arbeitsalltag in einem Beratungsunternehmen.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: Hör rein, in die Praxis!
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften.
Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Heute spreche ich mit Julia Zepf. Sie ist Arbeitspsychologin und Beraterin und Trainerin bei der Dr. Ulla Nagel GmbH.
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Hallo Frau Zepf, ich freue mich sehr, dass wir heute miteinander sprechen!
Julia Zepf: Ja ich freue mich auch, vielen Dank für die Einladung!
Christina Schulz: Sie haben Psychologie an der TU Dresden studiert. Warum haben Sie sich denn für ein Psychologiestudium entschieden?
Julia Zepf: Die Entscheidung für mein Studium ist mir damals nicht leicht gefallen, ich habe mir da auch ziemlich viel Zeit dafür gelassen, also immer mal überlegt, mir verschiedene Sachen angeschaut. Ich wollte tatsächlich ganz lange Stadtplanung studieren und hab da immer sehr begeistert davon erzählt, bis mir irgendwann mal ein Freund gesagt hat: „Du, Julia, wenn du davon erzählst, erzählst du mehr von den Menschen in der Stadt als der Stadt an sich.” Und das hat mir dann so ein bisschen zu denken gegeben und mich letztendlich ein bisschen stärker in die Richtung der Psychologie auch gebracht, weil ich dann natürlich angefangen hatte zu überlegen, ja was kann man dann in die Richtung machen.
Psychologie wurde dann erst dann für mich so richtig interessant, als ich bemerkt hab man kann damit nicht nur Therapeutin werden, sondern auch ganz viele andere Sachen machen. Also von der Forschung, über eben die Arbeitspsychologie in der ich jetzt arbeite, bis hin zu Sachen in die IT-Richtung und das fand ich dann sehr spannend, sehr vielfältig und hab mich dann letztendlich eben für Psychologie entschieden und hab es auch nicht bereut.
Christina Schulz: Sie haben ja gerade gesagt der klinische Bereich war da nicht ganz so interessant für Sie. Woher kam denn dann die Entscheidung für die Arbeits- und Organisationspsychologie?
Julia Zepf: Also ich hab eigentlich schon immer mitgekriegt, dass psychologische Krankheiten sehr schwerwiegend sind, also wenn man einmal so eine Diagnose bekommt, dass man da sehr lange damit zu kämpfen hat und das war glaube ich auch das, was mich abgeschreckt hat. Gerade so als junger Mensch, was soll ich da jetzt tun?
Und mich hat aber der Gedanke begeistert, da vorher anzusetzen, also nicht erst dann, wenn die Leute krank sind, sondern schon in der Arbeitswelt, wo es denen noch gut geht, so ein bisschen präventiv wirksam zu werden. Was kann ich dafür tun, dass es denen auch weiterhin gut geht, dass sie gar nicht erst in die Klinik müssen, sondern eben vorher schon das Rüstzeug an die Hand bekommen, damit sie da weiterhin auch gesund sind. Denn die Arbeit ist ja ein großer Teil von unserem Leben und macht ja auch was mit uns als Person und dann kann man total viel auch ausrichten, das fand ich sehr spannend immer.
Christina Schulz: Sie haben dann also hier das Bachelorstudium abgeschlossen und sind danach, was vielleicht ein bisschen ungewöhnlich ist, direkt in das Berufsleben eingestiegen.
Wie ist es dazu gekommen ?
Julia Zepf: Ja auch das war tatsächlich eher ein Zufall bei mir, denn ich hatte eigentlich schon ganz fest vor den Master zu machen. Gefühlt war das auch so das Erste, was ich im Psychologiestudium gelernt habe, dass man den Master machen sollte. Und ich hab dann aber meinen Bachelor schön in Regelstudienzeit mit Nebenjobs und so weiter durchgezogen und hab dann aber gesagt, ok, danach will ich erst noch mal was anderes sehen. Und ich habe die Credits nicht gebraucht, aber bin trotzdem für ein halbes Jahr nochmal ins Ausland gegangen, nach Dänemark, hab dort also ein Auslandssemester gemacht, was auch ganz toll war und habe danach noch ein halbes Jahr ein längeres Praktikum in der Personalabteilung gemacht und wollte danach dann eigentlich mit dem Master weitermachen.
Und ich hab dann aber eben eines Tages den Anruf von einer ehemaligen Kollegin bekommen. Und zwar hatte ich in meiner jetzigen Firma während meines Studiums damals mein Pflichtpraktikum gemacht und die haben sich anscheinend ganz positiv an mich erinnert und mich gefragt, ob ich nicht mir vorstellen kann, dort zu arbeiten. Zu dem Zeitpunkt wurde eine Elternzeitvertretung gesucht und ich hab dann eben einige Gespräche geführt und fand sehr spannend, was die erzählt haben. Ich kannte ja durch mein Praktikum den Job so ein bisschen, wusste auch, dass ich die Kolleginnen nett fand und fand einfach diese Chance, mich da auszuprobieren, so viel machen zu dürfen, auch in die unterschiedlichen Projekte mit reinzugehen total spannend und habe mich dann letztendlich dafür entschieden, meinen Masterplatz abzugeben und eben Vollzeit zu arbeiten. Und habe es auch nicht bereut, weil es ist ein sehr sehr spannender Job finde ich.
Christina Schulz: Schön. Der Master ist dennoch nicht aus ihrem Leben gänzlich verschwunden, derzeit absolvieren sie ja berufsbegleitend ein Masterstudium.
Julia Zepf: Genau. Also ich wollte dann mein Ziel, diesen Abschluss noch zu bekommen, doch nicht ganz aufgeben und hab mich dann entschieden, quasi ein berufsbegleitendes Fernstudium zu machen und darüber noch den Master zu bekommen. Das ist für mich ganz praktisch, weil da wirklich das meiste so über Video-Vorlesungen läuft, sehr flexibel ist und ich mir das gut auch mit dem Berufsalltag verbinden kann. Ich muss aber auch sagen, dass ich ganz froh bin, dass ich jetzt so langsam mit der Masterarbeit anfangen kann, denn es ist natürlich schon immer eine Doppelbelastung neben dem 40-Stunden-Job noch. Aber so konnte ich dann eben quasi mein Ziel mit dem Abschluss verfolgen und trotzdem die ganze Berufserfahrung sammeln, in den Projekten arbeiten und natürlich einen Job haben, den ich mir gewünscht hatte, für eigentlich nach dem Master.
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Christina Schulz: Ist es ein allgemeinerer Master oder hat er direkt mit Ihren Berufsinhalten zu tun?
Julia Zepf: Also der Master an sich heißt auch einfach nur Psychologie, also ist ein normaler Master of Science, wie er jetzt auch an den verschiedensten Unis auch angeboten wird. Aber man hat da natürlich dann so Möglichkeiten, sich zu spezialisieren und da habe ich dann schon die Sachen genommen, die ich auch im Beruf mache. Also Personalpsychologie, Arbeitspsychologie, Gesundheitspsychologie und finde das auch ganz spannend, weil ich persönlich mir Inhalte besser merken kann, wenn ich einen praktischen Bezug habe. Also wenn ich irgendwie ein Projekt vor Augen habe oder einen Kunden, eine Person, auf die man das anwenden könnte oder ne Situation, wo mir sowas schon mal begegnet ist und von daher kann ich mit den Inhalten dann mehr anfangen als vielleicht im Bachelor der Fall gewesen ist, einfach weil ich diese konkrete Anwendung dann immer hab.
Christina Schulz: Ja Berufstätigkeit und noch ein Masterstudium, das ist ja bestimmt sehr herausfordernd. Wie empfinden Sie das?
Julia Zepf: Ja, ich glaube herausfordernd trifft tatsächlich ganz gut. Für mich ist eigentlich die größte Herausforderung, das alles unter einen Hut zu bringen, also das ganze Zeitmanagement was damit einhergeht. Auch so der Gedanke, wenn ich jetzt von der Arbeit nach Hause gehe, dann habe ich nicht Feierabend, sondern dann habe ich noch eine andere Arbeit, die ich auch erledigen muss. Ich bin dann vielleicht aber nicht mehr ganz so konzentriert und soll jetzt trotzdem eine Hausarbeit schreiben. Aber da gewöhnt man sich immer dran, es wird alles irgendwie. Letztendlich kommt es vor allen Dingen auf Selbstdisziplin an, auch darauf, so ein bisschen für sich einzustehen, sich auch bewusst Freizeit einzuplanen, also auch mal für Sport und für Freunde und nicht immer nur das schlechte Gewissen zu haben, dass man doch noch irgendwas tun sollte für den Job oder fürs Studium.
Und ich denke, das profitiert ja auch voneinander, also man kann ja auch das Wissen aus dem Studium dann direkt anwenden und sich umgekehrt die Sachen viel viel schneller merken, die im Studium gelernt werden, wenn man schon mal ein Projekt in die Richtung gemacht hat zum Beispiel. Also ich sehe das tatsächlich schon auch als Vorteil, das beides parallel laufen zu haben, auch wenn es natürlich vom Zeitlichen her nicht immer ganz einfach ist.
Christina Schulz: Dann kommen wir vielleicht mal zu den konkreteren Inhalten Ihres Berufslebens. Sie arbeiten als Trainerin und Beraterin bei der Dr. Ulla Nagel GmbH. Wie sieht ihr Berufsalltag aus und was sind typische Aufgaben?
Julia Zepf: Ah ja das ist eine Frage, die ich tatsächlich ziemlich oft bekomme, z.B. auch von Praktikanten, die sich bei uns bewerben und auf die es aber gar keine so kurze Antwort gibt. Denn das schöne an dem Job ist eigentlich, dass es keinen typischen Berufsalltag gibt. Also es kommt immer total drauf an, in welchen Projekten ich gerade bin, wie da also die Lage ist und an welchen Themen wir gerade arbeiten, weil wir ein sehr breites Spektrum abdecken. Also wir machen natürlich so klassische Trainings im Sinne von Weiterbildung im Unternehmen, machen aber auch Mitarbeiterbefragungen, wir machen Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen, machen so Teamworkshops oder auch Strategie- und Visionsentwicklung, unterstützen also die Kunden da bei verschiedenen Themen. Je nachdem was gerade anliegt kann es eben sein, dass ich mal eine Woche lang komplett unterwegs bin und verschiedene Workshops quasi moderiere, auch in verschiedenen Orten und in der nächsten Woche dann noch Seminare halte. Es kann aber genauso sein, dass ich eben mal ein, zwei Wochen komplett am Schreibtisch sitze und gerade eine Befragung auswerte. Das kommt immer ganz drauf an und das macht den Job auch so interessant und abwechslungsreich.
Christina Schulz: Und mit welchen Anliegen oder Problemstellungen kommen denn die Kunden auf sie zu, bzw. auf das Unternehmen zu, und erhoffen sich dann Unterstützung?
Julia Zepf: Ja also ich glaube unsere Herausforderung ist erstmal rauszufinden, was ist eigentlich genau die konkrete Herausforderung des Kunden. Denn oft kommen die Leute und haben eher so ein diffuses Problem, also im Sinne von: „Ich habe das Gefühl, bei uns im Team stimmt irgendetwas nicht, aber ich kann nicht so richtig fassen was.“ Oder: „Ich habe das Gefühl, bei uns sinkt die Produktivität, die Leute die haben mehr Krankheitstage als sonst, da müssen wir mal was machen!“ Oder aber auch sowas wie: „Ja meine Leute die sollen mal bitte besser kommunizieren!“
Und das sind jetzt natürlich sehr allgemeine Aussagen, wo ich noch nichts Konkretes machen kann. Das heißt mein erster Schritt ist dann immer erstmal rauszufinden, was ist denn wirklich das Problem. Und das kann ich rausfinden, indem ich da ganz viele Gespräche führe oder eben z.B. auch eine kleine Mitarbeiterbefragung oder auch eine Größere, je nachdem was da gewünscht ist, und komm da eben immer konkreter darauf: Ah ja, das Problem liegt im Bereich Informationsmanagement, also die Mitarbeitenden fühlen sich da nicht richtig abgeholt, denen fehlen wichtige Informationen, deswegen dauernd Prozesse viel länger als sie es eigentlich müssten, die Leute sind demotiviert oder Ähnliches.
Und dann habe ich natürlich identifiziert, wo ich ansetzen kann und kann dann eben ganz konkret mit dem Kunden, mit den Mitarbeitenden aber auch mit den Führungskräften dran arbeiten. Das kann dann beispielsweise ein Training für die Führungskräfte sein, wie sie ihre Leute mehr mit einbeziehen können. Das kann aber auch ein Workshop mit dem ganzen Team sein, wo die einfach zusammen sitzen und sich erstmal gegenseitig offenlegen, was ihre Wünsche an die Zusammenarbeit sind, wo man dann noch gemeinsam drüber sprechen kann, wie kann der ein oder andere Ablauf nochmal ein bisschen optimiert werden.
Also solche Dinge sind so relativ typisch von den Herausforderungen her, mit denen unsere Kunden kämpfen. Also so eine hohe Fluktuation beispielsweise, Krankenstand oder einfach das Gefühl, die Leute sind demotiviert und dann kommen sie eben zu uns.
Christina Schulz: Sie haben gerade angedeutet, dass es recht viel Vorbereitung bedarf. Können Sie kurz einen Einblick geben in den Ablauf in einer Beratung?
Julia Zepf: Genau, also der Kunde sieht ja vor allen Dingen die Gespräche die wir führen und da passiert natürlich ganz viel im Hintergrund. Also in Richtung Datenauswertung, in Richtung… wenn ich ein Seminar halte, dann bin ich natürlich einen Tag beim Kunden oder zwei und halte das Seminar, aber ich sitze nochmal mindestens ein bis zwei Tage am Schreibtisch und überlege mir, welche Übungen passen jetzt zu dieser konkreten Teilnehmergruppe. Welche Lernziele stecken dahinter, wie können die erreicht werden, was könnte ich da an Materialien noch erstellen?
Und dann natürlich auch nochmal die Nachbereitung, also dass ich nochmal Fragen beantworte die gekommen sind, dass ich ein Protokoll erstelle, dass ich vielleicht doch nochmal eine Nachbesprechung mit der Führungskraft mache: was entstanden ist, welche Themen aufgekommen sind, was auch gelernt wurde.
Und bei anderen Projekten ist das natürlich genauso, dass ich da eben nicht nur meinen Workshops durchführe, sondern mir auch vorher überlege: welche Befragung kann ich da vielleicht voran schieben, welche Methode eignet sich da gut oder weniger gut, mit wem muss ich das alles absprechen? Auch bei Mitarbeiterbefragungen ist das so, dass ich mir überlegen muss, das sind ja einzelne Interessengruppen auch im Unternehmen, das heißt der Betriebsrat muss z.B. einbezogen werden oder ähnliches, das heißt da ist man dann auch ganz viel mit E-Mails schreiben, Leute überzeugen, beschäftigt.
Und dann kommt natürlich noch dazu, dass ich in einem sehr kleinen Unternehmen arbeite, wo es bestimmte Position einfach nicht gibt. Das heißt neben der Arbeit als Trainerin und Beraterin betreue ich z.B. noch die Praktikanten, die Kollegin schreibt quasi nebenbei Rechnungen oder ähnliches, jemand muss sich natürlich auch drum kümmern, neue Kunden anzuwerben, also so ein bisschen die Website betreiben, Social Media oder ähnliches, das heißt da kommt dann schon auch einiges zusammen an verschiedenen Aufgaben. Und dann natürlich auch das ganze Organisatorische drumrum, das heißt wenn ich jetzt einen externen Termin habe muss ich natürlich auch Hotels buchen und solche Dinge mit absprechen.
Christina Schulz: Spannend fände ich jetzt noch zu erfahren, wie eigentlich die Kundenakquise abläuft. Läuft es eher über Empfehlungen oder ist das eine bewusste und aktive Akquise?
Julia Zepf: Ja letztendlich beides. Also wir versuchen natürlich schon präsent zu sein, jetzt z.B. wenn eine thematisch passende Messe oder ähnliches ist. Oder wir haben unsere Website dieses Jahr neu gemacht und hoffen natürlich auch, dass da die ein oder andere Person drauf klickt und ja da was findet, was vielleicht zu ihm oder ihr passt. Die meisten Sachen kommen aber, wie sie schon gesagt haben, eher über Empfehlungen. Das heißt entweder jemand kennt jemanden, der jemanden kennt und so weiter, der schon mal mit uns gearbeitet hat und diese Person hat uns dann also weiter empfohlen oder meine Chefin ist ganz viel in so Netzwerken unterwegs. Also beispielsweise dem Industrieclub, dem Marketingclub und so weiter und kennt dann dort wieder Menschen, kommt mit denen ins Gespräch und wenn man erzählt, dass man Psychologe ist, das kennen Sie vielleicht auch, dann fangen die Leute auch an, einem so das Herz auszuschütten. Was da gerade so Probleme sind und ob man da nicht mal so einen Ratschlag hat, wie man mit Mitarbeiter XY dann vielleicht noch umgehen könnte. Aus diesen Gesprächen ergibt sich auch im ein oder anderen Falle ein Projekt.
Christina Schulz: Wenn wir uns nicht gerade in einer Lockdown-Situation befinden wie derzeit, dann reisen Sie ja auch ganz viel zu Ihren Kunden.
Julia Zepf: Ja genau, also letztes Jahr um die Zeit z.B. da war ich richtig viel unterwegs, also hab dann auch viel Zeit in der Deutschen Bahn verbracht, weiß jetzt immer wo die besten Plätze sind, wo man gut arbeiten kann z.B. und an welchen Bahnhöfen es die besten Zimtschnecken gibt. Also da ist es immer ganz unterschiedlich, also teilweise haben wir Projekte, die ganz viel in Dresden sind und das ist dann natürlich entspannt und man kann einfach früh aufstehen wie sonst auch. Aber wenn wir jetzt Kunden haben, die in München sitzen oder in Bielefeld oder in Köln z.B., dann ist man da natürlich auch eine ganze Weile beschäftigt, um da erstmal hinzukommen und wäre dann natürlich auch erstmal mehrere Tage unterwegs oder auch die ganze Woche über nicht zu Hause.
Christina Schulz: Was würden Sie sagen, sind die größten Herausforderungen in Ihrem Berufsalltag?
Julia Zepf: Das tatsächlich eine spannende Frage, weil viele sagen ja das Reisen z.B., dieses ständig unterwegs sein, was Sie ja gerade angesprochen haben. Das ist schon ein Thema, jetzt nicht unbedingt für mich, sondern eher für die Kolleginnen, die dann schon Kinder haben. Das alles unter einen Hut zu bringen, ist ja gar nicht so einfach, denn in dem Job wird schon auch eine gewisse Flexibilität erwartet. Also wenn mich mein Kunde um 7 Uhr sehen möchte, dann bin ich natürlich um 7 Uhr da und wenn der mich erst abends sehen möchte, bin ich auch abends da. Also die Kollegin, die hat teilweise nachts um 2 Uhr zum Schichtwechsel Befragungsbögen verteilt oder ähnliches, das gehört dann auch manchmal dazu. Aber jetzt aktuell in meiner Lebensphase als Berufseinsteiger oder als Person, die jetzt erst zwei Jahre dabei ist, ist es jetzt noch nicht so tragisch. Ich kann mir aber vorstellen, dass das später wenn man mal Familie hat, auf jeden Fall ein Thema ist.
Für mich war es zu Beginn eher so dieses Thema, in die neue Rolle kommen. Also ich war ja als Student er die Zuhörerrolle gewohnt, im Sinne von der Professor hält die Vorlesung und ich schreibe vielleicht noch was mit, beantworte Fragen wenn sie gestellt werden, aber ansonsten sitze ich da. Halte vielleicht mal noch einen Vortrag in einem Seminar, aber auch da ist ja nicht so viel Interaktivität drin. Und plötzlich stehe ich dann vor einer Gruppe an berufserfahrenen Menschen, die ihren Job seit 20 Jahren machen und soll denen eben Tipps geben, wie sie den besser machen sollen. Da habe ich mich am Anfang so ein bisschen gefühlt, als würde ich da quasi so ein Schauspieler auf der Bühne sein und musste da erst reinwachsen, dass ich eben vor allen Dingen diese Methodenkompetenz mit reinbringe, den Leuten dabei zu helfen, ihr Problem selber zu lösen. Und diese Umstellung, die war am Anfang ziemlich herausfordernd für mich, da habe ich auch gut geschwitzt, wenn ich gerade so Seminare gehalten habe mit sehr erfahrenen Teilnehmen oder Ähnlichem und ja, das war glaube ich für mich die größte Herausforderung, da erstmal reinzuwachsen und auch das Selbstvertrauen zu bekommen. Ich kann ja auch was Wertvolles beitragen, ich kann den Leuten helfen, ich kann die Gruppe so moderieren, dass die sich vielleicht auch gegenseitig helfen. Ich kann auch mal eine schwierige Frage zurück ins Plenum geben und mir während der Diskussion erst überlegen, was ich dann antworten soll.
Also da lernt man dann so mit der Zeit seine Tipps und Tricks kennen, wie man damit souverän umgeht und ich denke, da hat sich dann auch in den zwei Jahren, die ich das schon mache, einiges getan.
Christina Schulz: Und was ist das Spannendste an ihrem Job?
Julia Zepf: Die Abwechslung, also es ist super spannend, weil man quasi jeden Tag einen anderen Teil, ein anderes Wissens-Puzzle bekommt, wie die Welt funktioniert. Also man weiß ja z.B. es gibt Menschen, die unseren Müll abholen oder es gibt Menschen, die stellen kleine Kits her, um medizinische Dinge zu testen. Aber man macht sich im Alltag nie Gedanken drüber, wie läuft eigentlich deren Arbeitsalltag ab, was machen die eigentlich die ganze Zeit?
Und mit jedem Projekt, was ich mache, lerne ich etwas Neues, also lerne ich was Neues über IT Unternehmen oder lerne ich was Neues über medizinisches Testen oder wie auch immer. Und ich finde das total spannend, man begegnet immer anderen Menschen, immer anderen Themenstellungen. Letztendlich sind es irgendwie doch immer die gleichen Themen, die die Leute bewegen und die haben dann ganz oft was mit Psychologie und Informationsmanagement zu tun, aber es sind eben doch sehr sehr unterschiedlichen Perspektiven und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich da so viele unterschiedliche Einblicke auch bekommen kann.
Christina Schulz: Jetzt ist ja so eine Stelle in der Unternehmensberatung nicht immer so ein klassischer Nine-to-Five-Job. Wie gehen Sie damit um?
Julia Zepf: Also am Anfang war das schon schwierig für mich, weil ich dann oft auch abends noch mal da saß und mich ins nächste Projekt eingelesen habe. Und ich bin auch so recht lange erreichbar und ich glaube es ist einfach eine Herausforderung in dem Job, da zu lernen sich abzugrenzen und auch für sich selber Grenzen zu setzen. Und ich habe das Glück, dass das bei mir in der Firma ganz gut funktioniert. Das heißt ich kann dann auch zu meiner Chefin gehen und sagen: „Hey du, letzte Woche da war ich irgendwie immer unterwegs, ich bin teilweise 5 Uhr aufgestanden um zum Bahnhof zu fahren und war erst um 24 Uhr wieder zu Hause und würde dafür gerne diese Woche eben ein paar von den Überstunden abbauen, für mein Studium zum Beispiel.“ Und das ist dann auch kein Problem, also da haben wir es bisher immer geschafft, uns zu einigen. Wir unterstützen uns auch im Team ganz gut, also wenn ich sehe, eine Kollegin hat ganz ganz viele Projekte gerade, dann schaue ich natürlich schon: was kann ich vorbereiten, kann ich vielleicht schonmal eine Präsentation fürs nächste Seminar vorbereiten oder ähnliches. Umgekehrt machen das auch die Kolleginnen bei mir und damit kann man da eigentlich sehr sehr viel abfedern.
Christina Schulz: Und wenn Sie jetzt nochmal auf Ihr Bachelor-Studium zurückschauen, bzw. auch mit Blick auf den Master den sie derzeit absolvieren, welche Inhalte aus dem Studium sind für Ihr derzeitiges Berufsleben besonders wichtig?
Julia Zepf: Ich würde das gar nicht so sehr an konkreten Inhalten festmachen, also es ist jetzt nicht so, dass ich mich an ein Modell erinnere, was ich besonders toll fand und immer anwende, sondern ich glaube es sind eher so diese Fähigkeiten, die man lernt. Also ich hab das Gefühl, dass man an der TU Dresden im Psychologiestudium kritisches Denken ganz gut lernt, also sich auch wirklich aktiv mit Studien, mit Literatur auseinanderzusetzen. Ergibt das jetzt Sinn, was da drin steht, kann man das so anwenden oder eher nicht? Und ich merke schon, dass mir das sehr sehr stark hilft in den Projekten, also einfach dieses Hinterfragen, aber auch dieses verschiedene Themen miteinander vernetzten, also die Sachen, die ich im Studium gelernt habe, aber auch die Praxiserfahrung von meinen Kolleginnen. Und da hilft es total, dass man da im Studium eben mit ganz vielen komplexen Themen auch konfrontiert war und dass ich da gut lernen konnte, auch irgendwie so einen roten Faden reinzubringen letztendlich.
Christina Schulz: Frau Zepf, haben Sie jetzt noch ein paar Tipps und Hinweise für die Studierenden, einmal generell was das Studium betrifft und andererseits für den Bereich der Unternehmensberatung?
Julia Zepf: Also ich würde grundsätzlich sagen, im Studium alles mitnehmen was geht. Also nicht unbedingt an Gegenständen, sondern eher an Erfahrungen, weil ich muss im Nachhinein sagen, dass ich mir gewünscht hätte, dass ich vielleicht noch ein bisschen mehr über den Tellerrand hinausschaue. Vielleicht noch mehr Sprachkurse gemacht hätte, das habe ich tatsächlich ein bisschen gemacht, aber auch mich in Hochschulgruppen mehr engagiert hätte oder auch mal geschaut hätte, was gibt's da noch so an Initiativen. Denn ich wusste z.B. von Anfang an, dass ich nicht in die klinische Psychologie gehen möchte aber es gibt bei uns eine Anamnesegruppe, die eben zu Patienten geht, auch mit denen spricht. Und ich denke das wäre schon auch sehr wertvolles Wissen gewesen, wenn man dann Psychologie im Titel hat, das einfach mal gemacht zu haben, das heißt da einfach mehr in diese Richtung auch ausprobiert zu haben und natürlich ganz viel Praxiserfahrung zu sammeln. Also ich muss im Nachhinein sagen, dass mich meine Praktika unglaublich bereichert haben, auch meine Nebenjobs, die ich in der Zeit hatte und dass ich das auf jeden Fall noch stärker forcieren würde glaube ich.
Und wenn man jetzt konkret in den Bereich gehen will, dann ja ist mein Tipp natürlich auch zu gucken, was kann ich so an praktischen Erfahrungen in dem Bereich sammeln. Also das muss gar nicht unbedingt in der Unternehmensberatung sein, wobei es z.B. an der TU auch eine studentische Unternehmensberatung gibt, bei der war ich auch, also das war auch total interessant und hilfreich.
Aber man kann genauso auch schauen, wo kann ich in meinen Lehrveranstaltungen vielleicht mal einen Vortrag halten anstatt eine Hausarbeit zu schreiben, wo kann ich andere Möglichkeiten finden, gerade dieses Sprechen vor größeren Menschenmengen zu üben und auch dieses „ich bekomme irgendwie einen guten roten Faden“ und vielleicht auch so einen Funken Interesse für ein eigentlich dröges wissenschaftliches Thema. Da kann man diesen Bereich der Beratung schon mal gut üben, also einfach zu gucken, wo kann ich hier möglichst viel Praxis bekommen, wo kann ich mich da mit meinen Kommilitonen austauschen und vernetzen und ich denke dann ist man da auf einem guten Weg, wenn man irgendeine Art von praktischer Erfahrung einfach in dem Bereich sammelt. Und dann nebenbei so ein paar kleine Projekte oder Nebenjobs macht.
Christina Schulz: Ja vielen Dank Frau Zepf, für die spannenden Einblicke in Ihren Berufsalltag!
Julia Zepf: Vielen Dank, dass ich da sein durfte, war auch sehr spannend mal in so einem Podcast zu sein!
~ Gesprächsende ~
[Outro-Musik spielt]
Christina Schulz: Weitere Informationen und Veranstaltungen findet ihr unter: www.tud.de/deinstudienerfolg/ofp
Folge 5: Interdisziplinäres Arbeiten im Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen IIS/Institutsteil EAS
Dr. Christoph Sohrmann, Gruppenleiter Virtuelle Systementwicklung in einem Fraunhofer Institut, nimmt uns mit in seinen spannenden Arbeitsalltag. Anschließend erläutert Sophie Prieß, Mitarbeiterin Personalmarketing und Personalentwicklung, Einstiegsmöglichkeiten für Studierende.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: Hör rein, in die Praxis!
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften.
Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Ich spreche heute mit Dr. Christoph Sohrmann und Sophie Priess.
Beide sind Mitarbeitende im Fraunhofer-Institut für integrierte Schaltungen: IIS, Institutsteil Entwicklung adaptiver Systeme, EAS.
Ich spreche mit Herrn Doktor Sohrmann über sein interdisziplinäres Studium, die Vorteile eines Auslandsaufenthaltes und seine Tätigkeit in einem Forschungsinstitut.
Anschließend gibt uns Sophie Priess, die im Personalmarketing und der Personalentwicklung arbeitet, einen Überblick über Möglichkeiten für Studierende, im Fraunhofer Institut praktische Erfahrungen zu sammeln.
~ Gesprächsbeginn Sohrmann ~
Christina Schulz: Hallo Herr Doktor Sohrmann, vielen Dank dass Sie sich Zeit nehmen für unser Gespräch.
Dr. Sohrmann: Hallo schönen guten Tag!
Christina Schulz: Ja, nehmen Sie uns doch mal kurz mit zurück in Ihr Studium. Was haben Sie studiert und wie haben sie das Studium empfunden?
Dr. Sohrmann: Ich habe einen Studiengang studiert der sich nannte „Computational Science Rechnergestützter Naturwissenschaften“. Das war damals, als ich 2000 damit angefangen habe, ein neuer Studiengang, wo versucht wurde, die Physik ein bisschen zu erweitern in die Richtung numerischer Simulationen. Also da wurde versucht, mehrere Disziplinen in einem Studiengang zu verheiraten, also die Mathematik, die Physik, die Chemie, die Informatik so ein bisschen zusammenzubringen. Und als dritte Säule eben die Simulationsmethoden mittels Rechentechnik zu lehren und das gab es schon an ein paar Unis. Ich habe ja an der TU Chemnitz studiert und dort war das damals neu. Wir waren auch der erste Durchgang, entsprechend auch nicht allzu groß von der Teilnehmerzahl her und ein bisschen experimentell alles noch. Aber wir hatten viel Einblick in die Kurse der anderen, also da gab es nicht explizite Vorlesungen für uns, sondern das war meistens zusammen mit den Physikern oder mit dem Mathematikern.
Christina Schulz: Und war das für Sie schon immer klar, dass es in Richtung Physik gehen soll?
Dr. Sohrmann: Das war mir schon immer klar, seltsamerweise hatte ich diesen Wunsch schon als kleines Kind. Wahrscheinlich beim Lesen verschiedene Bücher, hatte ich immer den Gedanken, ich müsste mal Physik studieren und dort vielleicht auch ein bisschen länger dabei bleiben, um so die Natur zu verstehen und irgendwie so die Hintergründe. Also ein bisschen eine romantische Forscher-Vorstellung und das habe ich dann auch soweit durchgezogen. Ich hab dann nicht die reine Physik studiert, sondern eben dieses Fach „Computational Science“, wobei das in der Physik angehangen war, also das war jetzt nicht so weit weg und dann später in meiner Promotion, war das dann eher die reine Physik, wobei dort auch wieder numerische Verfahren zum Einsatz kamen.
Christina Schulz: Und hatten Sie damals schon Vorstellungen von Ihrer beruflichen Tätigkeit oder war das Thema noch ganz weit weg?
Dr. Sohrmann: Es war damals relativ klar, ist dann aber doch nicht so gekommen.
Also ich wollte eigentlich immer an der Uni bleiben, das war ursprünglich so der Gedanke. Allerdings aus einer Perspektive, wo man nicht weiß, was der Uni Betrieb bedeutet und was was das dann alles mit sich bringt. Während meiner Promotion habe ich dann gemerkt, dass es vielleicht für mich doch nicht das Wahre ist, weil das ja auch nicht unbedingt immer so leicht ist, irgendwo eine feste Stelle zu bekommen, weil das ja vielleicht auch viel mit Umziehen zu tun hat und Wechseln der Unis und insbesondere aber der ausschlaggebende Punkt war der, dass der reine akademische Betrieb, der Wissenschaftsbetrieb, irgendwie mir am Ende nicht mehr so ganz gereicht hat.
Ich wollte gerne das Gelernte auf praktische Fragestellungen anwenden, aber ein Wechsel direkt in die Industrie war mir dann doch zu praxisnah, zu weit weg von der Forschung, von der Wissenschaft, von dem, was ich gelernt habe. An der Uni zu bleiben wiederum war mir zu theoretisch und da bot es sich an, zu diesem Fraunhofer zu wechseln, was ich damals über einen Bekannten kennengelernt hatte. Wo eben hier versucht wird, anwendungsnah zu Forschen, also eben eine art Transfer der akademischen Ideen, der wissenschaftlichen Arbeit, in die industrielle Anwendung zu bringen. Und das ist auch bis heute das, was wir hier machen und was mir auch wirklich großen Spaß macht. Ich kann mir mittlerweile durchaus auch vorstellen, in der Industrie zu arbeiten, aber eigentlich genau das, was hier so dazwischen liegt, ist für mich so das Richtige.
Christina Schulz: Lassen Sie uns nochmal ein Stück zurück springen, zu der Zeit nach ihrem Studium. Sie haben ja danach eine Zeit im Ausland verbracht. Wo war das und können Sie uns dazu ein bisschen was erzählen?
Dr. Sohrmann: Genau, ich habe nachdem ich den ersten Abschluss an der TU Chemnitz erlangt hatte den Wunsch verspürt, im englischsprachigen Ausland weiterzumachen. Ich hatte dann kurz mal die Schweiz in Erwägung gezogen, das habe ich dann allerdings wieder verworfen, einfach weil ich wirklich, mein Ziel war es wirklich Englisch zu lernen, weil man es so braucht in dem Gebiet und mich das auch schon immer interessiert hatte. Und ein Dozent ging dann glücklicherweise an die University of Warwick in Mittelengland und gab mir dort die Möglichkeit, mitzukommen mittels eines Stipendiums und einer Promotionsstelle.
Also ich hab quasi dort den Master übersprungen und bin direkt vom Bachelor in die Promotion eingestiegen und war dann dort vier Jahre und habe dort relativ frei meine Promotion schreiben dürfen. Das war durch das Stipendium eine sehr angenehme Zeit, auch eine sehr herausfordernde Zeit, weil es doch relativ schnell war nach den paar Jahren Grundstudium direkt in die Promotion einzusteigen. Deswegen war dort auch nicht viel neben dem Studium, also das waren wirklich doch intensive Jahre, was ich jetzt auch vielleicht in dieser Weise nicht noch mal machen würde.
Also meine Empfehlung wäre jetzt sicherlich, dass man das mit dem Grundstudium nicht übereilen sollte, da sollte man sich schon die Zeit nehmen. Nämlich nach dem Studium ist es dann zu spät, dann hat man keine Zeit mehr sich besonders zu vertiefen oder auch solche Sachen, was manche gerne machen, mal ein Auszeitjahr zu nehmen, das ist definitiv empfehlenswert, das während des Studiums zu machen. Das hatte ich so gesehen nicht, an sich war der Auslandsaufenthalt extrem interessant, es erweitert den Horizont immens und das würde ich definitiv immer empfehlen sowas zu machen, aber man sollte sich auch die Zeit lassen. Also ich weiß nicht, was mich damals getrieben hat, ich dachte aber möglichst schnell in die Anwendung reinzukommen, also über das Grundstudium hinwegzukommen. Mich haben halt die Themen auch interessiert, ich wollte schnell vorwärts kommen.
Da muss man sagen, dass da vielleicht doch ein paar Dinge gefehlt haben im Grundstudium, die ich mir dann hinterher hart erarbeiten musste, was ich dann wirklich auch gemerkt habe im Vergleich zu Kommilitonen, die wirklich die fünf Jahre gemacht haben bevor sie dann mit ihrer Promotion angefangen haben. Da war das schon zu spüren, das da vielleicht das ein oder andere ein bisschen zu kurz gekommen ist. Ich habe immer versucht, meine Kurse ein bisschen zu ergänzen, in dem ich auch in den Ferien ab und zu mal Vorlesungen besucht habe und dort ein bisschen also aufgeholt habe, aber in der Promotion ging's dann ins Thema Quantenmechanik, da hatte ich eigentlich laut meinem Lehrplan vorher überhaupt keinen Kontakt und das war also wirklich von Null an, das hat also auch entsprechend einfach ein bisschen länger gebraucht, bis ich da dort wirklich auch arbeiten konnte.
Christina Schulz: Da haben Sie sich sozusagen selbst ins kalte Wasser geworfen?
Dr. Sohrmann: Ja das war mir gar nicht so ganz klar, also das habe ich dann erst gemerkt, als es soweit war. Manchmal sollte man das auch vorher gar nicht so genau angucken, dann läuft das schon. Aber wie gesagt, ich hatte dann ein bisschen Zweifel, ob das eine gute Idee war, das so schnell zu machen. Es war natürlich ganz nett, dass man dann relativ schnell fertig war. Ich war dann quasi nach 7 Jahren Studium mit der Promotion durch, das hat auch Vorteile. Aber so wie es heute ist, mit der Position die ich hier am Fraunhofer Institut habe, hätte sicherlich ein bisschen mehr Grundlagen auch nicht geschadet.
Christina Schulz: Jetzt hatten Sie ja schon gesagt, dass das Fraunhofer Institut für Sie eine tolle Möglichkeit ist, so eine Mischung ist, zwischen Anwendung und Theorie. Nehmen Sie uns doch mal mit in Ihre aktuelle Tätigkeit. In welcher Position sind Sie tätig und was machen Sie genau?
Dr. Sohrmann: Im Moment habe ich eine Gruppenleiter-Position, nachdem ich viele Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter in verschiedenen Forschungsgruppen gearbeitet habe und auch wirklich viele verschiedene Themen kennengelernt habe. Ich bin also hier am Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen und da geht es also im Wesentlichen um mikroelektronische Systeme, Entwurf mikroelektronischer Systeme, Simulation, Modellierung und da kommt relativ viel wieder, was ich im Studium auch hatte. Halbleiterphysik, extrem viel Software Technologie, also das sind alles Themen, die sich nur rechentechnisch händeln lassen. Solche mikroelektronischen Schaltungen sind extrem groß, da kann man wenig mit analytischen Methoden machen, da kommt immer Software zum Einsatz, leistungsfähige Software die dort verwendet wird, um diese elektronischen Systeme zu entwickeln.
Und das ist im Kern das, was wir hier tun, diese Software zu entwickeln, die für den Entwurf verwendet wird, beziehungsweise mit Firmen gemeinsam neue Methodiken zu erarbeiten, für den Entwurf, für die Absicherung, für die Zuverlässigkeit, für die Sicherheit.
Christina Schulz: Hätten Sie ein Beispiel für diese Anwendung, wenn man jetzt nicht so fachlich drin steckt?
Dr. Sohrmann: Ja, Mikroelektronik ist ja vielleicht mehr oder weniger bekanntermaßen überall drinnen, also vom Handy, bis zum Fahrzeug, bis zum Flugzeug. Und das ist auch der Hintergrund, warum da so viel Forschung notwendig ist, weil es sehr sehr viele Systeme gibt, die sicherheitskritische Anwendungen ausführen und man sicherstellen muss bei der Entwicklung, dass im Betrieb einfach nichts schief geht.
Also schauen wir mal auf zukünftige Anwendungen wie autonomes Fahren, dann möchte ich einfach sicher ankommen, ich möchte auch nicht, dass das Fahrzeug irgendjemand im Straßenverkehr gefährdet. Das ist ein sehr sehr langer Weg, was da alles an Hardware und an Software dafür zu entwickeln ist. Und dort versuchen wir hier einen Beitrag zu leisten an der Stelle, dass es möglich ist, in Zukunft solche Anwendungen sicher zu fertigen. Das können aber auch Sachen sein einfacherer Art, z.B. automatisch öffnende Türen oder solche Sachen, die auch bestimmte Sicherheitsanforderungen haben, ich will ja dort nicht eingequetscht werden oder ich möchte, dass die Tür immer öffnet, wenn ich z.B. das Gebäude verlasse. Da gibt es eigentlich relativ viele Beispiele, wir arbeiten auch viel im Umfeld der Industrieautomation, also Roboter-Mensch-Maschine-Interaktion an irgendwelchen Fertigungsbändern wo Mitarbeiter gemeinsam mit einem Roboter an einer Fertigungsstraße arbeitet. Da muss auch sichergestellt werden, dass der Mensch nicht gefährdet wird durch die Arbeit des Roboters und dass es dort eine Interaktion gibt, die sicher funktioniert. Und solche Beispiele gibt es viele, also wenn man sich Luftfahrt anschaut, das ist natürlich mit eines der wichtigsten Gebiete, in der Luftfahrt dass die Flugzeuge immer wieder sicher runterkommen, dort steckt auch extrem viel Elektronik drin.
Christina Schulz: Das klingt ja sehr spannend! Was ist aus Ihrer Perspektive das Spannendste an Ihrer Tätigkeit?
Dr. Sohrmann: Das Spannende an der Tätigkeit ist im Prinzip die Abwechslung die da drin steckt. Also unsere Projekte die laufen im Normalfall zwischen einem und zwei, drei Jahren, manchmal auch etwas kürzer und es sind doch immer wieder neue Themen, man hat immer wieder mit neuen Partnern zu tun, mit denen man gemeinsam arbeitet, man hat hier Gestaltungs-möglichkeiten.
Ich kann mir also selbst überlegen, an welcher Stelle ich forschen will. Es gibt gewisse Randbedingungen, die von der Seite der Fraunhofer-Gesellschaft vorgegeben werden, aber an und für sich ist man hier doch relativ frei und wenn man als Gruppenleiter ein Team zur Verfügung hat, mit dem man arbeiten kann, kriegt man auch von dort relativ viel Input und kann mit denen im Grunde genommen beliebige Themen angehen. Es muss sich natürlich mit der Arbeit des Hauses decken, mit den Themen des Hauses, aber innerhalb dieses Raumes hat man da sehr viel Gestaltungsmöglichkeiten.
Und das ist eigentlich das Schöne hier, wenn ich jetzt in einer Industriefirma arbeiten würde, da bekäme ich die Themen, da müsste ich das machen, was mir dort zugewiesen wird und hier habe ich halt Möglichkeiten zu gestalten.
Christina Schulz: Gibt es einen typischen Tagesablauf oder variiert das ganz stark?
Dr. Sohrmann: Das variiert und jetzt im Moment ist es natürlich Corona bedingt ein bisschen anders. Wenn wir in die Zeit vor Corona blicken, da würde ich sagen gab es im Wesentlichen zwei Tagesabläufe. Das eine ist quasi „Innendienst“, wenn ich mich mit meinen Kollegen zusammenarbeite und viele interne Meetings abhalte, um mich abzustimmen, um inhaltlich weiterzukommen. Und die andere Art der Tätigkeit ist „Außendienst“, also insbesondere als Gruppen- oder Abteilungsleiter ist man dann doch relativ viel unterwegs und besucht Projekttreffen, man fährt zu Messen und Konferenzen oder man macht Projektakquise, wo man einfach versucht mit vielleicht bekannten oder noch nicht bekannten Projektpartnern gemeinsame Aktivitäten zu planen. Und ja, danach kann man vielleicht die Tage so ein bisschen einteilen.
Wenn ich Innendienst mache hier, dann besteht der Tag aus vielen Meetings, weil man ja irgendwie das, was man sozusagen vielleicht auf irgendeiner Dienstreise gehört/gelernt hat irgendwie weitertragen will oder man will den Arbeitsstand einsammeln, um den dann wieder zu einem Projektpartner zu transportieren. Also zumindest aus meiner Sicht sind das so die Unterschiede, also da gibt's schon eine große Variation. Wir haben auch öfter mal Weiterbildungen, wo man dann den ganzen Tag entweder weg ist oder die Weiterbildung hier im Haus hat. Solche Tage gibt es auch, also die Tage sind im Normalfall nicht monoton, alles andere als monoton. Es ist schon aus meiner Sicht sehr abwechslungsreich, aber es ist immer an einem selbst. Also ich kenne auch Kollegen, die gern einfach im Büro sitzen und programmieren, die haben dann meistens durchaus auch die Möglichkeit, mal mehrere Wochen am Stück an einer bestimmten Sache zu arbeiten. Das kommt sehr auf das Projekt an und auf die Position, in der Mann ist.
Christina Schulz: Welche Kompetenzen, die Sie vielleicht doch aus dem Studium mitgenommen haben, brauchen sie heute für ihre Tätigkeit?
Dr. Sohrmann: Also ich würde für mich sagen, dass im Wesentlichen die naturwissenschaftlich-mathematische Herangehensweise an Probleme was ist, was ich wirklich im Studium gelernt habe. Das hilft mir hier auch enorm und nicht nur bei mathematischen Problemen, sondern eigentlich bei allem, weil sich das doch so als Methode ganz gut verwenden lässt. Das hat was mit analytischer Herangehensweise zu tun, also ich kann das Problem ganz gut zerlegen und in Teile teilen und kann das vielleicht verteilen, wenn ich also Kollegen habe, mit denen ich das gemeinsam bearbeiten möchte. Das ist denke ich schon was, was ich aus dem Studium mitgebracht habe.
Was mir noch einfällt ist das Thema Durchhaltevermögen, also wie ich das vorhin schon erwähnt hatte, musste ich mich sehr reinarbeiten in mein Thema während des Studiums, zumindest während der Promotion und dort habe ich gelernt, dass man im Prinzip, wenn man das Durchhaltevermögen besitzt, man jedes Problem irgendwie verstehen kann und vielleicht auch zu einer Lösung beitragen kann. Das ist ja auch etwas, was einem hier sehr zugute kommt, dass man nicht so schnell aufgibt und das eben bis zu Ende durchhält, auch wenn es manchmal am Anfang ein bisschen aussichtslos aussieht.
Christina Schulz: Gibt es etwas, was Sie heutigen Studierenden der Mathematik und Naturwissenschaften gern mit auf den Weg geben möchten?
Dr. Sohrmann: Ich würde sagen gute Entscheidung, Naturwissenschaft zu studieren.
Die Zahlen sind ja nicht unbedingt… werden ja nicht unbedingt größer, ich denke, dass es eine sehr gute Idee ist, wenn ich technisch affin bin, auch in die Naturwissenschaften zu gehen. Vielleicht nicht nur unbedingt in die anwendungsnahen Ingenieurwissenschaften, sondern wirklich mal zu schauen, ob ob nicht vielleicht so ein etwas grundlegenderes Studium, wie Mathematik, Physik, Chemie, vielleicht auch was für einen wäre.
Man kann immer noch, so ist zumindest meine Erfahrung, dann in die anwendungsnähere Forschung oder anwendungsnähere Industrie wechseln. Das ist ohne Probleme möglich, klar immer mit ein bisschen Arbeit verbunden, aber dafür habe ich dort ein breites Fundament. Also ich würde das immer sehr unterstützen, wenn jemand Naturwissenschaften studiert. Was ich noch vorschlagen würde, ist mal ins Ausland zu gehen. Das ist definitiv immer eine Erfahrung, die mir viel bringt, insbesondere was die Sprache betrifft. Also egal wenn ich Naturwissenschaften studiere, egal wo ich dann lande, werde ich mit aller Wahrscheinlichkeit Englisch brauchen. Man kann doch da ganz gut kooperieren sozusagen, über Ländergrenzen hinweg und auch im internationalen Rahmen.
Und als letzten Tipp würde ich sagen, nach dem Auslandsaufenthalt wieder zurückkommen, das wäre günstig!
Christina Schulz: Herr Dr. Sohrmann, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Dr. Sohrmann: Vielen Dank Frau Schulz!
~ Gesprächsende Sohrmann ~
[Musik spielt]
~ Gesprächsbeginn Priess ~
Christina Schulz: Hallo Sophie!
Sophie Priess: Hallo von meiner Seite!
Christina Schulz: Für die Studierenden, die vielleicht noch nicht wissen was das Fraunhofer Institut so macht, würdest du uns das kurz mal vorstellen?
Sophie Priess: Ja gerne. Also die Fraunhofer-Gesellschaft ist ein eingetragener Verein, sie ist eine Organisation für anwendungsorientierte Forschung und in Deutschland haben wir 74 Institute. Vertragspartner sind zum Beispiel Industrieunternehmen, Dienstleistungsunternehmen aber auch die öffentliche Hand. Und grundsätzlich ist unser Institut, das Fraunhofer IIS für die integrierte Schaltung, quasi ein Teil der Fraunhofer-Gesellschaft mit ca. 1000 Mitarbeitern. Und unser Institutsteil hier in Dresden, für die Entwicklung adaptiver Systeme, wir haben ca. 110 Mitarbeiter und sind direkt in der Nähe der SLUB.
Christina Schulz: In welche Richtung geht denn die Forschung bei euch am Institut?
Sophie Priess: Ja unsere Forschungsthemen sind die Entwicklung adaptiver Systeme spezialisiert und dahingehend auch vielseitig. Ich würde jetzt einfach mal beispielsweise drei nennen: zum einen haben wir da z.B. die Funkvernetzte Automation, aber auch die Funktionale Sicherheit sowie das Energiemanagement.
Christina Schulz: Jetzt weiß ich, dass ihr Studierende aus der Elektrotechnik zum Beispiel sucht. Welche Fachbereiche sind denn noch für euch interessant?
Sophie Priess: Ja genau, also neben der Elektrotechnik suchen wir natürlich auch im naturwissenschaftlichen Bereich und da vor allen Dingen in den Studiengängen Mathematik und Physik. Aber wir sind natürlich auch für vergleichbare Studiengänge offen und freuen uns auf die Bewerbungen die kommen.
Christina Schulz: Und wenn ich mir jetzt als Studierender denke okay, das klingt jetzt total spannend, gibt es Möglichkeiten beim Fraunhofer-Institut mal reinzuschnuppern und falls ja welche Möglichkeiten sind das?
Sophie Priess: Also auf jeden Fall, ich finde das auch toll, wenn die Studierenden, ja, die Möglichkeit aufsuchen, sich da einzuarbeiten und Fraunhofer kennenzulernen. Also zum einen ist bei uns möglich, auch ein Praktikum zu absolvieren, aber auch eine Werkstudententätigkeit neben dem Studium. Das man halt einfach schaut, wie passt es von den Stunden her zu meinem Semesterplan und in den Semesterferien kann man dann auch ein bisschen mehr arbeiten. Und es ist aber auch die Möglichkeit, eine Abschlussarbeit bei uns zu schreiben oder letztlich auch zu promovieren und nach dem Abschluss des Studiums natürlich auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Mitarbeiterin bei uns einzusteigen.
Christina Schulz: Da gibt's ja viele Möglichkeiten. Wenn das jetzt jemanden interessiert, wo kann man sich da informieren?
Sophie Priess: Ja, also wir haben auch natürlich eine Webseite und dort findet man unter Jobs dann unsere Stellenangebote. Die sind zum einen aufgeteilt in Berufserfahrene und Berufseinsteiger, aber auch Studien- und Abschlussarbeiten sowie Stellenangebote für Studierende. Das heißt man kann sich da einfach durchklicken und dann schauen was passt und uns ist natürlich bewusst, dass häufig die Anforderung einige sind und daher soll man sich auch nicht scheuen, trotzdem zu bewerben, auch wenn man mal ein, zwei Punkte dafür nicht erfüllt. Einfach bewerben und dabei keine Angst haben.
Grundsätzlich zu den Stellenausschreibungen, die wir anbieten, gibt es aber auch die Möglichkeit, dass man sich initiativ bewirbt. Das heißt, man sieht jetzt ok, eine konkrete Stellenausschreibung passt nicht auf mein Profil, ich bin aber dennoch interessiert, dann da auch gerne einfach initiativ bewerben.
Christina Schulz: Und die aktuellen Stellenausschreibungen sind unter www.eas.iis.fraunhofer.de einzusehen. Für Studierende, die jetzt schon vor dem Studienabschluss stehen und sich überlegen, sich z.B. beim Fraunhofer Institut zu bewerben, welche Karrieremöglichkeiten stehen denn den Studierenden offen?
Sophie Priess: Zum einen gibt’s natürlich die Möglichkeit der Promotion, aber zum anderen auch der wissenschaftlichen Mitarbeit. Und da gibt's dann auch bei uns intern die Möglichkeit, eine interne Fachlaufbahn zu absolvieren, das heißt aufgrund der Fachexpertise bestimmte Titel zu erwerben. Das heißt z.B. Senior Scientist oder Chief Scientist und den Titel bekommt man dann eben auch verliehen.
Christina Schulz: Ja, gibt's denn was, was du Studierenden auch noch mit empfehlen würdest oder mit auf den Weg geben möchtest?
Sophie Priess: Also Studierenden würde ich auf jeden Fall empfehlen, auch praktische Erfahrung zu sammeln, z.B. eben auch in Form von einem Praktikum mal in einem Institut reinzuschauen: was machen die da eigentlich konkret, wo kann ich da unterstützen, ist es das was mir liegt? Und ja, dass man einfach eben schon im Studium schaut und rausfindet, ob das was für einen ist.
Christina Schulz: Sophie, ich danke dir sehr.
Sophie Priess: Ja vielen Dank Christina für das tolle Interview und ich wünsche dir noch einen schönen Tag!
Christina Schulz: Ebenfalls, tschüss!
~ Gesprächsende Priess ~
[Outro-Musik spielt]
Folge 6: Wie werden an der TU Dresden Studiengänge entwickelt?
Wie entsteht eigentlich ein Studiengang? Was wird neben dem Fachwissen an Kompetenzen und Fertigkeiten in den Studiengängen erwartet, damit Studierende auf den Berufseinstieg vorbereitet sind? Sandra Scherber ist Beraterin für Studiengangentwicklung an der TU Dresden und nimmt uns mit „hinter die Kulissen“ der Gestaltung von Studiengängen.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: Hör rein, in die Praxis!
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften.
Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Bei mir zu Gast ist heute Sandra Scherber. Sie ist Beraterin für Studiengangsentwicklung im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften. Ich spreche mit ihr darüber, wie Studiengänge eigentlich entstehen und entwickelt werden.
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Hallo Sandra!
Sandra Scherber: Hallo Christina!
Christina Schulz: Du bist Beraterin für Studiengangsentwicklung im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften. Welche Aufgabenbereiche umfasst denn eigentlich deine Tätigkeit?
Sandra Scherber: Genau, ich bin seit zwei Jahren im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften für die Studiengangsentwicklung zuständig. Das heißt ich berate die Fakultäten, wie sie ihre Studiengänge gestalten sollen, sag auch, was sie machen dürfen oder nicht machen dürfen. Wenn also die Fakultäten ihre Studiengänge umgestalten wollen, dann melden sie sich bei mir und dann setzen wir uns zusammen und überlegen, wie wir das umsetzen können. Hierbei gibt es zum einen rechtliche Rahmenbedingungen, die wir beachten müssen, aber auch die Anforderung aus dem Qualitätsmanagement.
Qualitätsmanagement meint hierbei, dass Studiengänge evaluiert werden und geschaut wird, ob die Studiengänge den eigenen Ansprüchen, den Qualitätsansprüchen, entsprechen. Zudem gehört es auch zu meinen Aufgaben, dass ich in den Studienkommissionen sitze und falls dann hier schon Punkte kommen oder Fragen auftauchen: Können wir das umsetzen, ist es was, was wir machen können? Dann kann ich schon hierbei erste Ratschläge geben oder im Zweifel, wenn es halt ein bisschen komplexer ist, kann ich dann auch nochmal Rücksprache halten mit der zentralen Universitätsverwaltung und kann dort im Zweifel auch Sachen vorher abklären, um zu schauen, ob wir die Sachen auch umsetzen können.
Christina Schulz: Du hattest ja gerade gesagt, dass die Fakultäten zu dir kommen, wenn sie ihre Studiendokumente ändern möchten. Was können das für Gründe sein, um so einen Studiengang anzupassen?
Sandra Scherber: Das kann sehr unterschiedliche Gründe haben. Beispielsweise kann es sein, dass die Fakultät einen Studiengang attraktiver gestalten möchte oder es kann auch ein Ziel sein, die Studierendenzahlen zu erhöhen. Wir hatten z.B. bei Mathematik in der Fakultät einen Bachelor Mathematik und darauf aufbauend drei Masterstudiengänge. Das heißt, die konnten sich erst im Master vertiefen, die Studiengänge oder die Studierenden und da war die Idee dann zu sagen ok, um mehr Studierende für den Master-Studiengang Wirtschaftsmathe zu bekommen, führen wir auch den Bachelor-Studiengang ein. Und dann wurde ein neuer Bachelor-Studiengang Wirtschaftsmathematik eingeführt, um da eben auch mehr Absolventen zu generieren. Genau, darüber hinaus kann auch von außerhalb eine Änderung initiiert werden. Es wäre ein Beispiel, dass wie schon angedeutet, das Qualitätsmanagement sagt, dass bestimmte Qualitätsanforderungen nicht ausreichend erfüllt sind. Da hatten wir im Bachelor Physik z.B. die Aussage erhalten, dass der Workload gleichmäßiger verteilt werden soll, insbesondere im ersten und im fünften Fachsemester. Hierbei gab es dann in der Fakultät viele Diskussionen, wie kann das denn umgesetzt werden und im Prinzip haben sie sich dann dafür entschieden, an manchen Stellen den Lehrstoff sozusagen zu reduzieren und auch Prüfungsleistungen zu streichen und das führte auch zu einer Umgestaltung in einigen Modulen.
Christina Schulz: Das ist ja spannend! Und es gab doch, glaube ich, auch ein paar Neuerungen im Bereich der Psychologie oder?
Sandra Scherber: Genau, in der Psychologie hatten wir auch von extern sozusagen eine Vorgabe. In dem Fall war es eine Gesetzesänderung des Psychotherapeutengesetzes und in diesem Gesetz wurde ganz klar gesagt, es müssen die und die Inhalte sozusagen Bestandteil des Studiengangs sein und das hat auch dazu geführt, dass wir die Module neu gestaltet haben, Inhalte nochmal ein bisschen verschoben haben und auch die Leistungspunkte angepasst haben. Für den Master aufbauend machen wir das gerade, aber für den Bachelor ist es jetzt gerade umgesetzt worden.
Christina Schulz: Aha okay, das ist ja interessant. Und wenn du dann mit den Fakultäten gemeinsam die neuen Studiendokumente erarbeitest, wie wird denn das dann konkret umgesetzt, also wie läuft sowas ab?
Sandra Scherber: Wie wir gerade schon gesagt haben, kommt die Fakultät ja zu mir. Dann ist der Grund natürlich auch eine Frage, also hat die Fakultät selbst schon konkrete Vorstellungen, was angepasst werden soll oder gibts eben aus dem Qualitätsmanagement konkrete Anlässe, was wir anpassen müssen. Aber in der Regel ist es dann so, dass wir innerhalb der Fakultät dann Diskussionen haben, meistens sind es Studienkommission und Fakultätsrat, aber wir hatten auch in der Chemie, eine Sonderkommission wurde dann eingerichtet, die wirklich damit beauftragt wurde, ein neues Konzept für den Bachelor, aber auch für den Master zu erstellen. Und da war auch das Ziel, eine hohe Akzeptanz zu erreichen. Das heißt es wurden viele Professoren hinzugezogen, aber auch die Studierenden, dass man wirklich einen Konsens findet sozusagen.
Und wenn diese Diskussionen abgeschlossen sind, also das Konzept sozusagen steht, dann schreibe ich die Studiendokumente. Diese gehen dann in eine rechtliche Prüfung, meistens kommt dann ein Feedback. Es ist in der Regel immer so, dass irgendwas kritisiert wird, das wird meistens auch mit Diskussionen dann eingearbeitet und das wird dann so lange quasi in die Rechtsprüfung gegeben, bis dort sozusagen keine Kritik mehr kommt. Dann folgen die Gremienbeschlüsse, die Veröffentlichung der Dokumente, so dass die Studierenden rechtssichere Dokumente haben, bevor sie überhaupt das Studium beginnen und sogar eigentlich vor der Bewerbung.
Christina Schulz: Jetzt gibt es ja auch zunehmend Studiengänge in anderen Sprachen, also vielleicht auch hauptsächlich auf Englisch. Welche Rolle spielt denn die Internationalität bei eurer Studiengangsgestaltung?
Sandra Scherber: Also das ist immer tatsächlich in den letzten Jahren auch wirklich angestiegen das Thema, also man hat es in jeder Diskussion in den Studienkommissionen, dass man überlegt, immer mehr englischsprachige Lehrveranstaltungen oder wenn dann sogar den Studiengang komplett in Englisch zu machen. Die Uni hat ja nun auch eine Internationalisierungsstrategie und wir hatten auch z.B. jetzt im Master Chemie die Diskussion, möchten wir auch den Master vielleicht nicht komplett in Englisch machen? Das hat aber nicht dann dem allgemeinen Konsens entsprochen, also nicht alle wollten das und dann hat man als Kompromiss eben gesagt: “Ja gut, dann machen wir eben beides möglich, sozusagen für die, die eben auch deutsche Module haben wollen, gibts deutsche und für die, die auch aus dem Ausland kommen, soll es auch möglich sein, dass man den Studiengang komplett in Englisch machen kann.” So hat man dann im Prinzip eine gute Lösung gefunden, für beide Varianten und in der Bio z.B., da soll jetzt der allgemeine Master Biologie ersetzt werden, durch zwei neue, spezialisierte und die auch beide komplett in Englisch sind. Und auch in den Diskussionen stelle ich schon immer wieder fest, dass das nicht nur von den Lehrenden kommt, sondern auch von den Studierenden, dass die also schon offen demgegenüber sind, was quasi diese Internationalität betrifft und Englischsprachigkeit. Da wird sogar sehr häufig selber angebracht: “Na die Wissenschaftssprache ist ja Englisch, wir brauchen das.” Also mir scheint schon so, dass den Studierenden bewusst ist, dass der Arbeitsmarkt immer internationaler und heterogener wird und dass sie deswegen sogar froh sind, wenn sie auch mal englischsprachige Lehrveranstaltungen haben, damit sie eben gut vorbereitet sind und auch wahrscheinlich mehr damit aufwachsen, als es vielleicht noch zu meiner Studienzeit der Fall war. Also man hat schon den Eindruck, dass das wirklich für alle Gruppen wichtiger wird und auch ein Bestandteil ist von der Studiengangsgestaltung, definitiv.
Christina Schulz: Zunehmend wichtig ist ja auch die Interdisziplinarität, also das Zusammenarbeiten von unterschiedlichen Fachrichtungen. Wie ist denn dieses Thema in die Studiengänge integriert und was denkst du, welche Relevanz hat das Thema auch nach dem Studium dann direkt für das Berufsleben?
Sandra Scherber: Es ist kommt erstmal auch darauf an, was man unter Interdisziplinarität versteht, weil es gerade schon ein eher längeres Konzept ist, dieses “Multidisziplinarität” im Sinne von verschiedene Disziplinen. Also das ist nichts Neues, dass man quasi neben seinem Hauptfach noch ein Nebenfach hat, das ist ganz typisch für die Magisterstudiengänge zum Beispiel gewesen und das sieht man auch in den jetzigen Studiengängen. Ein Nebenfach oder Studium Generale haben sehr viele Studiengänge enthalten oder dass man auch Mathe oder sowas wie Wirtschaftswissenschaften mit drin hat, das ist nichts Neues tatsächlich. Interdisziplinarität meint aber auch vor allen Dingen, wie du es gerade schon so ein bisschen angedeutet hast, dass man eben aus verschiedenen Perspektiven eine Disziplin sieht, dass man auch zusammen arbeitet, dass man nicht nur über den Tellerrand hinaus sieht, sondern dass man gemeinsam aus verschiedenen Perspektiven eben Lösungen erarbeitet.
Es geht aber auch darum, dass diese Komponente besonders wichtig für den Berufseinstieg ist, dass man also eben gemeinsam Lösungen findet und da eben auch verschiedene Fach-Perspektiven benötigt, dass man auch mal die Perspektive wechseln kann, dass es heterogene Arbeitsgruppen gibt. Man hat mit Menschen zu tun, die einen anderen Bildungsweg haben, aber auch ein anderes Fach studiert haben und viele werden dann im Berufsalltag damit zu tun haben, mit anderen Menschen zu arbeiten. Eben nicht nur mit Uni-Absolventen, sondern auch andere oder eben wenn man Chemie studiert hat, muss man vielleicht auch mit Biologen zusammenarbeiten oder mit Ingenieuren. Und daher ist es wichtig, dass die Studierenden durchaus auch lernen, eine andere Perspektive einzunehmen und mit diesen Leuten auch zusammenzuarbeiten.
Man sieht jetzt z.B. auch, das hatte ich vorhin schon mit dem Master Biologie angedeutet, dass diese Studiengänge sehr spezialisiert sind in einem Fach. Man sieht den Trend, dass es weniger allgemeine Master gibt. Es ist immer sicherlich auch vom Fach abhängig, aber auch z.B. haben wir jetzt seit zwei Jahren den Master “Biochemistry” an der TU Dresden und das zweite Jahr, wo es immatrikuliert wird oder auch der Master “Computational Modeling and Simulation”. Da sieht man schon, dass es Studiengänge gibt, die quasi verschiedene Disziplinen vereinen, weil das eben auch da eine Marktlücke sozusagen gibt. Und das ist dann schon für diese Leute vielleicht auch einfacher, in den Beruf einzusteigen, weil sie eben schon mal diese Perspektive einnehmen können. Darüber hinaus bietet das ZILL, also das Zentrum für interdisziplinäres Lernen und Lehren, sogenannte Flik-Module an. “Flik” steht dabei für Forschen und Lernen im interdisziplinären Kontext. Diese Flik-Module haben zwei Teile, der eine Teil besteht darin, dass man sich ein Thema, z.B. das Thema Risiko, aus verschiedenen Perspektiven anguckt. Also aus gesellschaftlichen, ingenieurwissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Aspekten und im zweiten Semester gehts eher dann in eine Projektphase, eine Seminarphase, wo die Studierenden an einem Thema zusammen, an einem Forschungsprojekt arbeiten.
Christina Schulz: Ja natürlich soll so ein Studium vor allem auch fachliche Expertise vermitteln, aber das ist nicht alles, sondern es gibt auch noch andere Kompetenzen, die für Studierende oder Absolvierende sehr wichtig sind. Was sind denn aus deiner Sicht, neben den Fachlichen, wichtige Kompetenzen?
Sandra Scherber: Das ist natürlich immer ein bisschen unterschiedlich, wo man danach arbeitet, welches Fach man studiert hat, was man dann natürlich braucht. Ich selber hatte in meiner letzten Tätigkeit auch viel mit studentischen Hilfskräften zu tun und dadurch mal so eine Perspektive, wo man so eine Art Vorgesetzten-Rolle hat und bei der Tätigkeit war es mir wichtig, dass vor allen Dingen die Studierenden auch eine gewisse Freude an der Arbeit haben und das auch ein gewisses Engagement da ist. Freude deswegen, weil umso mehr Spaß man sozusagen an der Arbeit hat, so produktiver ist man dann auch und Engagement auch deswegen, weil wir ja sehr viele Hochphasen zum Teil hatten, wo es dann mal wichtig war, über die normale Arbeitszeit hinaus zu arbeiten. Dann gab es natürlich auch wieder Tiefphasen, aber das war eigentlich wichtig, dass man dann wirklich die Arbeit sozusagen abarbeitet und dann aber wieder Zeit hat, fürs Selbststudium oder allgemein fürs Studium. Und dafür ist es natürlich genauso wichtig, dass man teamfähig ist, also dass man sich im Team auch abspricht, also auch Kommunikationsfähigkeit, dass man seine Arbeitszeit organisiert, dass man auch die Tätigkeiten aufeinander abstimmt. Darüber hinaus war es mir dann aber auch wichtig, dass die Studierenden selbständig arbeiten können und mal auch mitdenken, dass ich denen nicht immer alles sagen muss. Natürlich ist es klar, dass man wenn man erstmal mit etwas anfängt, nicht sofort alles kann. Man braucht eine gewisse Einarbeitungsphase, aber ich habe dann schon auch erwartet, dass man nach einer gewissen Zeit eben Aufgaben selbständig erledigen kann, ohne dass man die ständig kontrollieren muss. Was jetzt natürlich nicht heißen soll, dass man nicht auch mal Fehler machen kann. Fehler sind natürlich menschlich und nicht vermeidbar, da ist es dann eher wichtig, dass man über eine gewisse Problemlösungsfähigkeit verfügt. Also hier ist es wichtig, dass man guckt, wie kann man dieses Problem lösen, weil es bringt nichts, an den Schuldigen festzuhalten.
Christina Schulz: Und worauf kann ein Studium deiner Meinung nach gut vorbereiten und worauf vielleicht auch nicht?
Sandra Scherber: Was sehr typisch an Universitäten ist, dass man sich sehr viel Fachwissen aneignen kann. Ob das jetzt Interdisziplinarität ist oder das eigene Fachwissen, hier kann man eigentlich wunschlos glücklich sozusagen sein Fachwissen sich hinzufügen. Ich sehe Potenzial aber vor allen Dingen in dem Bereich, was “Soft Skills” betrifft. Da hat man typischerweise eher dieses, man arbeitet in einem Team zusammen an einem Referat und stellt das zusammen vor. Dort kann man natürlich auch noch viel viel mehr machen, also gerade so Kompetenzen was den Bereich Konfliktmanagement betrifft, also wie geht man in einer Konfliktsituation mit Menschen um, wie kann man dann richtig kommunizieren, aber auch Führungskompetenzen sind noch was, wo man durchaus ausbaufähig ist. Und gerade als Masterabsolventen ist es durchaus nicht unüblich, dass man eine Führungsposition hat und da ist es natürlich hilfreich, wenn man weiß, wie man diese am besten ausführt.
Da ist dann aber auch genau die nächste Frage: Was soll ein Absolvent nach seinem Studium können oder zu was soll das Studium ihn sozusagen befähigen? Viele haben durchaus noch die Vorstellung, dass ein Studium...dass man da forschen soll, dass man eine Promotion machen soll nach dem Studium. Hier ist also die Frage: Wofür soll ausgebildet werden? Was braucht man, was sollen die Absolventen auch können? Und nicht jeder, der ein Masterstudium hat, geht oder bleibt dann in der Forschung weiterhin tätig. Viele, also eigentlich sogar ein Großteil der Studierenden, bleibt eben gerade nicht in der Forschung, sondern geht eben in die Industrie oder in die Wirtschaft. Und da sind eben besonders solche Soft-Skills notwendig, wie wir auch schon vorhin besprochen haben, dass man eben mit unterschiedlichen Leuten zusammenarbeitet. Und solche Kompetenzen sind essentiell und die sollten durchaus auch mehr einen Fokus haben in den Studiengängen, wo ich also noch definitiv Potential sozusagen sehe.
Christina Schulz: Welche Empfehlung hast du persönlich für die Studierenden, für ich sage jetzt mal außercurriculare Aktivitäten, also Aktivitäten, die von der Studienordnung nicht direkt gefordert werden?
Sandra Scherber: Also wenn nicht so auf mein Studium auch zurückblicke würde ich sagen, dass insbesondere meine SHK-Tätigkeiten und auch meine Berufspraktika mir sehr geholfen haben. Daher würde ich Studierenden empfehlen, auch mal außerhalb der Uni praktische Erfahrungen zu sammeln, weil man eben zum einen die ganzen Theorie, die man gelernt hat, auch mal praktisch anwenden kann. Man kann was über Unternehmen auch erfahren und rauskriegen, wie ticken die so, aber es ist auch natürlich für einen persönlich wichtig, weil man daraus erstmal feststellt: Was will ich, was will ich nicht, gefällt mir diese Tätigkeit? Man lernt auch was über Schwächen und Stärken, weil jeder kann irgendwas besonders gut und es ist nicht immer einfach herauszufinden, was das ist. Und wenn man natürlich weiß, was man gerne macht und/oder was einem liegt, dann ist es auch leichter herauszufinden, welche Tätigkeit oder welcher Beruf dann für einen später wirklich richtig ist und Freude bereitet. Und das ist sicherlich auch für die Studierenden natürlich essentiell, dass man natürlich Freude an der Arbeit hat.
Genauso würde ich auch den Studierenden raten, einmal einen Auslandsaufenthalt zu machen. ich habe das auch in meinem Studium kurz vor meinem Diplom geschafft, da war ich ein halbes Jahr in Australien. Auch wenn es für meine berufliche Tätigkeit jetzt nicht essentiell war oder ich sehr viel dafür gelernt habe, es ist für einen persönlich bereichernd. Zum einen kommt man in neue Situation, die man meistern muss, man muss auch in einem fremden Land in einer fremden Sprache Dinge lösen und das sind natürlich auch wichtige Punkte, die man dann im Berufsalltag mal braucht. Also gerade dieses Herausforderungen zu meistern, das wird immer ein Gegenstand sein, das ist auch im Studium immer ein im Thema. Genau, daran anschließend ist es natürlich ein Punkt für dich den Studierenden zu raten, nicht bei jedem Problem gleich aufzugeben, sondern auch gut zu kämpfen und es zu probieren. Was aber natürlich nicht heißen soll, dass man nicht auch einmal getroffene Entscheidung revidieren kann, um auch aus meiner persönlichen Erfahrung zu reden. Ich habe nach der Schule mir kein Studium zugetraut und habe deswegen erstmal eine Berufsausbildung angefangen, die ich dann zwar nach einem Jahr abgebrochen habe, aber für mich war das damals definitiv die richtige Entscheidung das zu machen. Hier ist es dann auch sicherlich sinnvoll, die Beratungsangebote der TU Dresden zu nutzen, die da einen unterstützten, was ist jetzt die richtige Entscheidung. Es kann hilfreich sein, wirklich zu sagen ich breche das Studium ab, aber es kann auch sein, sich mal durchzukämpfen, vielleicht auch mit Kommilitonen zusammenzuarbeiten.
Und das ist auch, was ich in meiner Arbeit positiv hervorheben würde, dass man sieht, in allen fünf Fakultäten in denen ich arbeite, dass sich jede Fakultät darüber Gedanken macht: Wie kann man das Studium, die Lehre verbessern? Wie kann man noch was optimieren? Und dass auch alle wirklich ein offenes Ohr haben und auch daran interessiert sind, den Studierenden zu helfen und auch daran, dass die ihr Studium erfolgreich abschließen. Das heißt also wenn irgendwie auch ein Problem da ist , sollte man nicht zu lange warten, sondern wirklich dann auch mal fragen: “Hier ja, ich habe das und das Problem, wie können wir das lösen?” Und wenn man sich mal nicht traut, einen Professor anzusprechen, da kann man sich natürlich auch an den Fachschaftsrat wenden, die sind auch im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften super engagiert und hilfsbereit. Also da ist immer jemand da, der ein offenes Ohr hat!
Christina Schulz: Liebe Sandra, vielen Dank für die interessanten Einblicke in die Studiengangsentwicklung an der TU Dresden und für deine wertvollen Hinweise für die Studierenden!
Sandra Scherber: Ja, vielen Dank dir. Mir hat das echt Spaß gemacht, mit dir zu reden, also bis bald!
~ Gesprächsende ~
[Outro-Musik spielt]
Folge 7: Als Biologe im Hochsicherheitslabor des Robert-Koch Instituts
Dr. Andreas Kurth hat an der TU Dresden Biologie studiert. Heute leitet er das Hochsicherheitslabor des Robert Koch Instituts in Berlin. Christina Schulz spricht mit dem Virologen über sein Studium an der TU Dresden, Auslandsaufenthalte und seinen spannenden Arbeitsalltag.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: Hör rein, in die Praxis!
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften.
Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Dr. Andreas Kurth leitet das Hochsicherheitslabor am Robert-Koch-Institut in Berlin. Ich spreche mit dem Virologen über seinen Biologiestudium an der TU Dresden, Auslandsaufenthalte und seinen spannenden Arbeitsalltag.
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Herr Dr Kurt, ich freue mich sehr, dass Sie uns ein paar Einblicke geben möchten in Ihre bestimmt sehr sehr spannende Tätigkeit beim Robert-Koch-Institut in Berlin. Aber fangen wir vielleicht mal noch ein Stück eher an. Sie haben an der TU Dresden Biologie studiert, wie ist es denn dazu gekommen?
Dr. Andreas Kurth: Ich glaube ich hab mich beworben, damals war das noch ein NC Studiengang und Dresden war meine erste Wahl, Berlin die zweite und dann ist es Dresden geworden. Und dann war ich 95 im ersten Studiengang wieder dabei, nach der Wiedereröffnung der Dresdner Biologie.
Christina Schulz: Und war das für Sie von Anfang an klar, dass es Biologie werden soll oder gab es da noch ein paar andere Überlegung vorher?
Dr. Andreas Kurth: Es war nicht der ganz geradlinige Weg bis dahin. Ja also ich hab nach der zehnten Klasse eine Berufsausbildung gemacht, Berufsausbildung mit Abitur und das war eine technische Ausrichtung, wo mir eben während der Lehre quasi schon bewusst war, dass das nicht das ist, womit ich wahrscheinlich mein restliches Leben verbringen möchte. Ja und dann war natürlich die Frage, was tun? Und Uni war schon eher so klar, zu den Studiengängen bin ich dann eher durch die Zeit vor der Lehre gekommen, wo ich mich eher für die Naturwissenschaften interessiert hatte, Biologie, Chemie und und dann hatte ich mich für Biologie entschieden. Hatte eher ein bisschen geschwankt zwischen Medizin, Veterinärmedizin, Biologie und bin am Ende zur Biologie gekommen.
Christina Schulz: Und war das Studium so, wie Sie sich das vorgestellt haben oder welche Erwartung haben sie da dran geknüpft und wurden die erfüllt?
Dr. Andreas Kurth: Ich hatte glaube ich nicht wirklich so viele Erwartungen oder besser gesagt Ziele bevor ich angefangen habe zu studieren. Es war für mich eher das Interesse, was ich denn studieren wollen würde und nicht das danach oder auch nicht das während der Studienzeit, was dann so passiert im Konkreten. Am Anfang ist ja Biologie eher allgemein, sagen wir mal wahrscheinlich an allen Unis eher vergleichbar und man spezialisiert sich ja dann erst zur Mitte des Studiums. Von daher war das am Anfang sicherlich erst mal ein Gucken was so interessant ist und schon mit dem Bewusstsein, also Bio hat mich eben wie gesagt schon immer interessiert. Wobei das Studium selber jetzt nicht wirklich das widerspiegelt, was man sich wahrscheinlich in der Schulzeit unter Biologie vorstellt. Und das hat also heutzutage noch viel weniger, damals eben auch schon nicht so viel, mit klassischer Biologie zu tun, was man sich so vorstellt. Kescher und Schmetterlinge fangen und sowas das ist eher ja nicht mehr Biologie, das war das von vor hundert Jahren, aber so ist es halt nicht mehr. Es ist ganz viel Genetik und Zellbiologie und so weiter, wo man in der Schule glaube ich weniger jetzt Verbindung dazu findet. Ja, aber das war insgesamt okay, weil ich mich eher für Naturwissenschaften interessiert hatte. Die ersten zwei Jahre waren sehr breitgefächertes Grundstudium, da war Chemie dabei und Mathe und Physik und im Prinzip sind die Möglichkeiten danach hier sehr breit.
Christina Schulz: Daran hat sich ja eine Promotion angeschlossen. War das unmittelbar oder waren da noch Auslandsaufenthalte dazwischen?
Dr. Andreas Kurth: Ja, also der Weg bis da hin zur Promotion ist ja dann auch wieder mal nicht so geradlinig gelaufen. Die Promotion habe ich am Ende in der Virologie durchgeführt, wobei Virologie ja kein klassisches biologisches Fach ist im Studium. Und der Weg dahin war eher so dreimal um die Ecke, also da gehörten Auslandsaufenthalte auch dazu, in Form von Urlaub. Und im Laufe der Zeit gab es dann quasi für mich, das war das zweite Jahr des Studiums, wo ich quasi selber in Berührung gekommen bin mich mit Parasiten zu beschäftigen.
Man muss dazu sagen, ich habe ja den ersten Studiengang Biologie wieder mitgemacht sozusagen 1995 und das bedeutete, dass es ja keine älteren Studenten als uns gab. Das bedeutete auch, dass wir im Prinzip ab dem Jahr eins quasi Hiwi-Stellen kriegen konnten bei den einzelnen Professoren, das ging also sehr zeitig los und ab Jahr zwei konnten wir dann Praktika Betreuung mit machen und so weiter. Das heißt wir sind da schon relativ zeitig in diesen Lehr- und Forschungskreislauf mit einbezogen worden und wie gesagt ich hatte mich eben ab Jahr zwei mit Parasiten auseinandergesetzt, eher ganz persönlich sozusagen nach einer Reise. Also nach einer Auslandsreise war ich quasi für drei Monate im Krankenhaus und habe eine Parasiteninfektion ausgeheilt, eine tropische, und während der Zeit habe ich mich damit ziemlich intensiv dann beschäftigt und danach war das für mich eigentlich relativ klar, dass ich mich in Parasitologie spezialisieren will und das da weitermachen will. Und wir hatten an der Uni, da gab es eben in der Zoologie eine Spezialisierung Parasitologie, wo ich auch dann eine Hiwi-Stelle bekommen habe, also dann die Interessen weiterverfolgen konnte.
Und und das wollte ich eigentlich weiter machen, nur habe ich dann zur Diplomarbeit keine eben im Bereich Parasitologie bekommen. Das wollte ich dann außerhalb der Uni machen, um über den Tellerrand zu gucken, wie man das so schön sagt und dann hat sich das durch Zufall ergeben, dass ich in der Virologie gelandet bin. Und seitdem waren es dann eben nicht mehr die Parasiten, sondern die Viren, die mich gefesselt haben und dann habe ich dann so weiter gemacht. Also quasi nach der Diplomarbeit auch schon in der Virologie ging es für mich dann relativ klar geradlinig zur Promotion, auch auf dem Gebiet der Virologie.
Christina Schulz: Und war das für sie schon klar, dass sie promovieren möchten? War das für Sie so gesetzt und gegeben oder haben Sie da auch überlegt, ist das jetzt notwendig oder was ist mein Weg?
Dr. Andreas Kurth: Schon während des Studiums hatten wir ja so eine Art Betriebspraktikum, was wir außerhalb der Uni belegen mussten und durchführen mussten, auch eine Studienarbeit schreiben. Das waren sechs Wochen glaube ich und das habe ich dann schon in einem Institut gemacht, wo ich die Themen aufgreifen konnte, die ich aus diesen Hiwi-Stellen schon verarbeiten konnte. Also das war damals Elektronenmikroskopie und über die Elektronenmikroskopie bin ich zufälligerweise eben in diese virologische Arbeitsgruppe gekommen und hab da diese Themen bearbeitet. Und auch während der Diplomarbeit, was dann in der gleichen Arbeitsgruppe war, damals schon am Robert-Koch-Institut quasi. Also das war zu totaler Zufall, ich habe ganz viele verschiedene Stellen angeschrieben, wollte eigentlich schon für dieses Praktikum ins Ausland gehen und hatte da einfach Probleme, überhaupt irgendwas zu finden. Hab ganz viele angeschrieben, nur Absagen bekommen, hab mich dann in Deutschland umgehört und habe aus dieser Arbeitsgruppe am Robert-Koch-Institut eben eine Zusage bekommen. Und bin dann für die Studienarbeit dort gelandet und daraufhin dann auch für die Diplomarbeit, weil mir das ganz gut gefallen hat. Und wenn man dann in so einem wissenschaftlichen Betrieb sozusagen drin ist und das mal merkt, was dann die Möglichkeiten danach sind, dann ist es mehr oder weniger… es ist eine Notwendigkeit im wissenschaftlichen Lebenslauf, eine Doktorarbeit zu machen, also ohne dem geht es quasi nicht. Ja und von daher war das relativ selbstverständlich, nach der Diplomarbeit mich dann um eine Doktorarbeit zu kümmern. Und da gibt es ja dann wieder ganz viele Möglichkeiten, wie man was machen kann und ja, eins hat dann eben im Ausland dann auch funktioniert.
Christina Schulz: Jetzt haben wir schon kurz über Auslandsaufenthalte gesprochen. Manche private Natur oder vielleicht auch im Rahmen des Studiums oder von Programmen. Inwieweit würden Sie sagen hat das zu Ihrer persönlichen Entwicklung beigetragen?
Dr. Andreas Kurth: Ich sage mal aus der jetzigen Sicht, ich bin generell ein sehr Fremdsprachen fauler Typ, also das waren in meiner Schulzeit nicht gerade meine meine bevorzugten Fächer. Und gerade in der Wissenschaft ist es ja mittlerweile so, wir haben Kooperationen mit Kollegen im Ausland. Ich arbeite mittlerweile, habe Projekte in in Afrika, wo es französischsprachig ist, die Wissenschaftssprache ist nunmal Englisch. Also man muss schreiben können, man muss Vorträge halten auf Englisch und so weiter also man ist darauf angewiesen, das zu können. Und das war für mich glaube ich ein ganz wichtiger Teil, nicht nur fachlich, sondern auch sprachlich, zwischendurch ins Ausland zu gehen. Weil das in Deutschland nur mit Schule, wär das nicht so geworden, wie es jetzt ist. Und auch das ist schon was, was ich jetzt empfinde sozusagen, dass das ganz wichtig für mich war und auch mal aus dem sozusagen deutschen Forschungszirkel da mal rauszukommen und auch mal was anderes zu sehen. Weil im Nachhinein kann man das jetzt natürlich sagen, vorher wusste ich das ja nicht, dass auch die Arbeit, die Methoden und was man alles so macht, das ist natürlich überall gleich. Also das merkt man dann natürlich, wenn man mit anderen Laboren und Wissenschaftlern zusammenarbeitet, alle machen im Prinzip das Gleiche so von der Sache her, das ändert sich ja nicht. Aber die Art wie man arbeitet und wie man auch an Sachen herangeht und die Betreuung und das Teamgefüge, das ist in anderen Ländern schon unterschiedlich. Und wenn man das mal kennenlernt dann auf der einen Seite, kann man dann auch Dinge in Deutschland, wenn auch ganz viel kritisiert wird, kann man dann auch mal Dinge sozusagen würdigen, wie es ist. Genau und das einfach ein bisschen relativieren sozusagen gegenüber anderen.
Um mal ein Beispiel zu sagen, als ich meine Doktorarbeit gemacht habe, ich habe ein Stipendium bekommen vom Deutschen Akademischen Austauschdienst. War für die Zeit, für die praktische Bearbeitung meines Themas, zwei Jahre in den USA und habe dort natürlich andere quasi PhD-Studenten gesehen, die eben pro Semester ihren Semesterbeitrag aufbringen mussten. Und das sind nicht unsere paar 100 €, was bei uns so für die Studiengebühren anfallen, sondern eben 10, 20, 30 tausend Dollar pro Semester. Das heißt jeder, der da aus der Uni raus geht, wenn er kein Stipendium hat, geht natürlich mit einem riesen Schuldenberg da raus und muss das erstmal abarbeiten. Von daher würdigt man dann auch die halbe Doktorandenstelle, die man in Deutschland bekommt und dafür bezahlt wird, auch wenn man 100% der Arbeit macht und im Prinzip 100% der Zeit mit seiner Arbeit verbringt. Und das sind so Kleinigkeiten, die ich jetzt natürlich auch versuche, dann mal rüber zu bringen oder dann auch mal zu sagen, dass das woanders durchaus nicht besser ist. Und dass die Dinge, die wir in Deutschland haben, schon auf dem Bildungssektor sehr sehr gut sind in der Beziehung. Und das hat mir schon dabei geholfen, ins Ausland zu gehen, ungeachtet dessen, dass ich ganz toll finde andere Lebensweisen kennen zu lernen, um auch da mal seinen Horizont zu erweitern.
Finde ich also ganz wichtig, aber da ist nicht jeder so und man muss das sicherlich auch nicht machen. Das ist eine ganz persönliche Einstellung, ich fand das also ganz toll und finde das für mich wichtig, aber es gibt genügend, die auch in der Wissenschaft arbeiten, und die das nicht machen und die auch damit glücklich sind und damit auch erfolgreich sind und weiterkommen. Also das ist kein Muss, ja das muss man auch dazu sagen.
Christina Schulz: Wie hat sich dann konkret ihr Berufseinstieg gestaltet?
Dr. Andreas Kurth: Auch das, wie ganz oft im Leben, durch Zufall am richtigen Platz zur richtigen Zeit zu sein. Nach dem Stipendium oder mit dem Stipendium hatte ich meine Arbeit ja beendet und musste quasi aus den USA wieder ausreisen. Das war sozusagen Teil des Stipendiums, man muss dann also wieder raus. Ich hätte die Möglichkeit gehabt, da auch weiter zu arbeiten, hätte da eine andere Stelle bekommen, aber das wurde halt nicht erlaubt für dieses Stipendium. Also man musste dann nach Deutschland wieder zurück und das bedeutete für mich natürlich, ich muss irgendwo eine Stelle bekommen und musste noch meine Doktorarbeit fertig schreiben. Also die war noch nicht fertig geschrieben und da halfen die Kontakte zum Robert-Koch-Institut, die ich vorher hatte von der Diplomarbeit, um da eine Teilzeitstelle zu bekommen als Wissenschaftler. Ich hab dann da angefangen zu arbeiten und nebenbei, also quasi dann in meiner Freizeit, meine Doktorarbeit fertig geschrieben. Und so ist der erste Schritt wieder zurück nach Deutschland entstanden, aus dem sich dann weitere, wie das bei ganz vielen so ist, befristete Projektstellen angeschlossen haben und weitere angeschlossen haben. Und dann die Doktorarbeit abgeschlossen, dann weitere Projektstellen und irgendwann hat sich das dann entwickelt zu einer quasi soliden Stelle, mit der Wertschätzung sozusagen, die es dafür braucht und dann auch die Rechtfertigung, diese Stelle zu entfristen. Also das ist dann der quasi ein bisschen steinige Weg, was jetzt bei mir nicht der Klassische für den Wissenschaftler war sozusagen, Doktor, Doktorarbeit, quasi dann Postdoc-Stelle, vielleicht dann noch eine Postdoc-Stelle und dann Arbeitsgruppe. Am Robert-Koch-Institut ist es eben nicht so klassisch und dann ist man in einer Arbeitsgruppe als wissenschaftlicher Angestellter angestellt und bearbeitet dann seine Themen oder die Themen, die halt in der Gruppe bearbeitet werden.
Christina Schulz: Jetzt sind Sie Fachgebietsleiter im Hochsicherheitslabor, das klingt ja schonmal per se unglaublich spannend. Nehmen Sie uns doch vielleicht mal mit, in so ein Arbeitsalltag. Also wie können die Studierenden, die jetzt vielleicht zuhören, aber auch andere Interessierte, wie können wir uns das vorstellen?
Dr. Andreas Kurth: Dann fange ich mal an, nicht aus meiner jetzigen Sicht, sondern vielleicht noch ein paar Jahre vorher oder sozusagen jetzt aus der Sicht eines Postdocs oder eines Wissenschaftlers, der jetzt in meiner Gruppe z.B. arbeitet. Man braucht quasi eine möglichst solide Vorkenntnis sozusagen, in Virologie, infektiöses Arbeiten. Wir verlangen jetzt nicht unbedingt, dass man Erfahrung in niedrigeren Sicherheitsstufen hat. Hochsicherheitslabor bedeutet jetzt für uns Sicherheitsstufe 4, das ist also das Höchste was wir kennen und bearbeiten in dem Labor Erreger wie Ebola und Marburg-Virus, das was man so kennt. Das, ja, nicht unbedingt höchst ansteckende, aber die Erreger, wir nennen diese Gruppe 4 Erreger, da gibt es verschiedene Charakteristika, warum man diese Erreger in diese Stufe eingruppiert. Das hat was mit Ansteckung zu tun, mit Mortalität, also quasi wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man daran stirbt, Verfügbarkeit von Impfstoff, Therapeutika und so weiter. Wenn man in so einem Labor arbeiten möchte, ist es von Vorteil, wenn man das Prinzip des Personenschutzes oder infektiöses Arbeiten oder Sicherheitsstufen schon kennt, das ist klar. Wie gesagt ich habe vorher ja schon in der Diplomarbeit virologisch gearbeitet, auch danach während der Doktorarbeit und auch danach als wissenschaftlicher Angestellter virologisch gearbeitet, eher in Sicherheitsstufe 2 und dann Sicherheitsstufe 3. Und wenn man dann zum Hochsicherheitslabor Stufe 4 kommt, dann ändern sich noch mal einige Dinge.
Vielleicht das, was man so auch mal im Fernsehen sieht oder auf Bildern, ist, dass wir mit diesen Vollschutzanzügen in diesem Labor arbeiten, mit einer Fremdbelüftung. Das heißt wir laufen dann quasi wie Michelin-Männchen in diesem Labor rum und dieser Anzug ist für uns der wichtigste Personenschutz. Also die Luft, die diesen Anzug aufpumpt, die gewährleistet, dass quasi kein Erreger in diesen Anzug reinkommen, auch wenn dort mal ein Loch drinnen wäre und damit bewegen wir uns in dem Labor. Die Arbeitsmethoden sind identisch wie in anderen Labors auch, nur dass wir eben mit diesem Anzug, wir haben drei Paar Handschuhe an, mit diesem Gesichtsschutz sozusagen von dem Anzug, man sieht ein bisschen schlechter, also man muss ich an solche Sachen dran gewöhnen, man muss das ein bisschen trainieren. Die Arbeitsmethoden sind eher auf Sicherheit ausgelegt als auf Effektivität, das unterscheidet sich ganz häufig und wir müssen verschiedene Geräte oder Methoden auf Sicherheit überprüfen und entsprechend anpassen. Das heißt, dass man auch Leute, die jetzt schon jahrelange Erfahrung in anderen Laboren gesammelt haben und Methoden gelernt haben, dass man die gegebenenfalls quasi wieder neu lernen muss, mit diesen neuen Sicherheitskriterien. Was nicht immer einfach ist, aber das ist halt so.
Und und dann überlegt man sich seine Themen und hat Forschungsprojekte und muss dafür generell immer wesentlich mehr Zeit einplanen, als man das für andere Themen braucht. Die Vorbereitung ist länger, wir haben sehr viele Kontaktpunkte zu den regulierenden Behörden, wie wir so schön sagen. Und ganz viele Dinge müssen eben vorher immer beantragt werden, ausdiskutiert werden im Hinblick meistens der Sicherheit, Gentechnik arbeiten, arbeiten mit Tieren, das ist also immer sehr diskussionsintensiv. Und das heißt es geht ganz viel Zeit in die Planung von Versuchen und dann in die Vorbereitung. Die eigentliche Zeit, die wir im Labor selber verbringen, ist dann am Ende gar nicht so lang. Unsere Zeit wird dann auch noch natürlich damit gefüllt, dass wir längere Zeit zum Training brauchen und wir haben jedes Jahr wieder Auffrischungs-Trainings und so weiter. Also man beschäftigt sich sehr viel mit den Sachen drumrum, jetzt im Vergleich mit den Arbeiten selber, die man mit anderen Erregern in Sicherheitsstufe 2 z.B. machen würde, da würde man also viel mehr Zeit mit seinen Projekten, mit seinen Versuchen verbringen. Wir haben viel mehr Zeit, die wir benötigen für diese Sachen drumrum und die zu organisieren, das ist am Ende Stufe 4 Arbeiten.
Das Nette ist eigentlich, dass wir weltweit eine kleine Familie sind sozusagen, also man kennt sich und findet relativ einfach eine Forschungsnische. Man hat also nicht so viel Konkurrenz, wie das in anderen Gebieten der Infektiologie sozusagen ist und kann sich Dinge vielleicht auch überlegen oder aussuchen, die auch eher langfristig sind und eher komplizierter sind vielleicht, weil man eben kaum Konkurrenz hat. Das ist ein ganz netter Nebeneffekt sozusagen. Ansonsten ist es von der Forschung her nichts anderes als für andere Erreger, man beschäftigt sich damit und sucht sich was Interessantes aus und macht das am Ende, wenn man kann.
Christina Schulz: Wie sieht so ein Tagesablauf aus oder gibt es einen typischen Tagesablauf oder ist es sehr variabel?
Dr. Andreas Kurth: Ich hatte ja jetzt erzählt sozusagen für den Wissenschaftler, der in so einem Hochsicherheitslabor arbeitet, wie sieht es da aus also mit Versuch vorbereiten, planen. Dann konkret, wenn man jetzt z.B. einen Versuch im Hochsicherheitslabor durchführt, dann hat man Zellkultur-Versuche zum Beispiel. Dann bereitet man seine Zellen in einem normalen Labor außerhalb vor und holt sich dann alle Substanzen und Reagenzien und alles was man dafür braucht, versucht möglichst nichts zu vergessen, weil man ansonsten den ganzen Spaß halt wiederholt, weil man eben zwischendurch nicht mal schnell wieder raus und wieder rein kann. Und dann bereitet man sich auf das Labor vor, das heißt wir haben dann eine Umkleide, wo wir uns komplett ausziehen. Dann haben wir Labor-Unterwäsche, die wir anziehen und gehen dann mit der Labor-Unterwäsche in den quasi Anzug-Raum, wo wir uns diesen Vollschutzanzug anziehen. Der wird vorher mal getestet, dass der dicht ist, luftdicht ist und verkabeln uns mit Headset und so weiter. Also da gibt's noch ein bisschen Vorbereitung und dann ziehen wir uns den Anzug an und sind dann fertig quasi, um in das Labor reinzugehen. Das dauert dann ungefähr eine halbe Stunde oder 20 Minuten.
So und dann sind wir im Labor drin, da gibt es dann verschiedene Schleusen, wo wir durchlaufen müssen, um in das Labor zu kommen und sind dann im Labor. Das ist dann immer so die angenehmste Zeit, weil man weder Telefonanrufe bekommt noch irgendwie gestört wird. Also man kann sich dann eigentlich ganz gut auf seine Arbeit konzentrieren, ist dann in seiner kleinen Welt des Anzuges quasi eingeschlossen und bearbeitet dann seine Sachen. Man geht am Ende dann wieder aus dem Labor raus, über so eine Dekontaminationsdusche, wo man dann die Oberflächen des Anzuges, quasi alles was daran ist, inaktiviert. Auch die Schleuse, wo man dann da drinsteht, diese Dekontaminationsdusche, wird in dem Zyklus gleich mit inaktiviert, dekontaminiert. Dann verlässt man diese Dusche und zieht dann seinen Anzug wieder aus, geht sich dann normal mit Wasser duschen sozusagen, weil man in dem Anzug dann auch schon bisschen schwitzt und dann zieht man seine Sachen wieder an und geht wieder raus und hat seine Proben. Die kann man inaktivieren und ausschleusen und dann fängt man an, Analysen zu machen.
Christina Schulz: Also ein Forscheralltag, der sich relativ normal anhört, aber mit einer sehr speziellen Arbeitskleidung, vielleicht so?
Dr. Andreas Kurth: Genau und ein bisschen mehr Vorbereitung und Nachbereitung sozusagen, Zeit die man damit verbringen muss. Das ist so der normale Forscheralltag. Jetzt für mich speziell ist das jetzt eher seltener der Fall. Wie ganz viele, die eine Gruppenleitung dann übernehmen, den normalen Tag verbringe ich hier am Schreibtisch und bin neben der Versuchsplanung und Betreuung von den Mitarbeitern ganz viel mit einfach administrativen Dingen beschäftigt. Ein Hochsicherheitslabor verlangt unglaublich viel Administration mit den einzelnen Zulassungsbehörden, die die Aufsicht haben für diese Labore, wir haben jährlich Kontrollen, wir haben Wartungszyklen und so weiter. Also das klingt jetzt eher weniger spannend, ist auch nicht so spannend aus wissenschaftlicher Sicht, gehört aber einfach dazu, ja.
Und somit genieße ich dann die Zeiten, wenn ich Versuche wieder planen kann und mit meinen Mitarbeitern dann durchführen kann. Da hab ich dann im Endeffekt immer noch den Bonus mir auszusuchen, wo ich dann mal was wirklich wieder mitmache und kann mir dann Dinge rauspicken, wozu ich dann am meisten Spaß habe. Das ist dann auch ganz nett, natürlich.
Christina Schulz: Welche Kompetenzen sind besonders wichtig in ihrem Arbeitsalltag?
Dr. Andreas Kurth: Ich glaube Organisation ist das Wichtigste. Man kann also fachlich gesehen natürlich viele Dinge lernen, was dann dazu gehört und das ist sehr sehr vielfältig. Ich habe also bevor ich diese Stelle übernommen habe, auch natürlich noch kein Hochsicherheitslabor geleitet und konnte das nicht abschätzen, wie viel administrative Arbeit das bedeutet. Und das Fachwissen das ist also sehr breit gefächert. Man muss die Gesetzeslage von der Gentechnik verstehen, von dem Infektionsschutzgesetz, Tierschutzgesetz, bestimmte bauliche Dinge verstehen können, weil das Labor eben technisch sehr komplex ist und man auch das verstehen muss und das nicht nur den Technikern überlassen kann, weil daran eben auch Entscheidungen verknüpft sind, die ich jetzt treffen muss zum Beispiel. Also ich muss am Ende auch die technischen Dinge verstehen und am Ende geht es dann um ganz banale Dinge eigentlich: Wie bekomme ich eine Probe aus Afrika nach Deutschland? Wie kann ich Proben von uns nach sonst wohin? Oder zwischen den Hochsicherheitslaboren, wo wir auch eben Korporation haben. Wie kann ich eine Ebola Probe aus den USA nach Deutschland verschicken? Also es sind natürlich so Dinge, die ich jetzt vorher auch nicht wusste, die man dazu lernen kann und das lernt man dann auch über die Zeit. Aber durch die Komplexität der Tätigkeit ist die Organisation dessen eigentlich das Wichtigste, dass man irgendwann noch durchsieht, was man eigentlich wann machen muss, um dann nicht irgendwie im Hamsterrad zu landen. Das ist schon, glaube ich, das ist das Wichtigste, ja.
Christina Schulz: Hat sich ihr Arbeitsalltag aufgrund der aktuellen Pandemie-Situation verändert, also thematisch vielleicht aber vielleicht auch organisatorisch?
Dr. Andreas Kurth: Thematisch hat sich das für mich persönlich kaum geändert, eher organisatorisch, da sehr viel. Konkret heißt es, dass wir im Hochsicherheitslabor nicht mit Coronaviren arbeiten, weil Coronaviren Risikogruppe 3 Erreger sind und wir möglichst eben weiterhin unsere Kapazitäten für die Risikogruppe 4 Erreger nutzen wollen, aber Mitarbeiter zur Verfügung stellen, die dann in der Diagnostik z.B. für Corona aushelfen. Also da gibt es schon Verschiebung der Mitarbeiter, um die Arbeiten im Institut zu unterstützen, die notwendig sind, Corona-relevant. Und das heißt natürlich für uns jetzt oder für mich persönlich, dass wir unsere Arbeiten umorganisieren müssen, eben weniger Mitarbeiter zur Verfügung haben und natürlich trotzdem weiter in diesem Labor arbeiten müssen oder wollen, natürlich unsere Projekte weiter durchführen wollen. Und auch ganz banale Dinge, wenn wir eine Wartung z.B. des Labors durchführen, ist jetzt z.B. der Fall, dann müssen wir 40/50 Firmen organisieren, koordinieren, die dann nacheinander oder miteinander in das Institut kommen und ihre Anlagen entsprechend warten. Die sich dann wieder möglichst nicht treffen sollen und alles mit den Sicherheitsbarrieren usw. organisiert werden muss und die Firmen überhaupt kommen müssen, also überhaupt kommen können, auch mit den Restriktionen, die da sind. Also das sind dann organisatorische Dinge, die aufwendig sind. Ja auch unsere Projekte, z.B. in Afrika, liegen jetzt so vom Prinzip her seit einem Jahr brach, also das ist auf Standby. Weil wir einfach, es gibt z.B. kein Visum, also ganz banal. Die Botschaft in Berlin hat nicht mehr geöffnet und wir bekommen kein Visum und könnten auch, selbst wenn wir wöllten, im Moment nicht nach Afrika fliegen, wo wir unsere Kooperationspartner haben und wo wir eigentlich gerne unsere Projekte weiter bearbeiten wöllten. Ja also das sind die Sachen, womit wir uns jetzt auseinandersetzen müssen. Das wird sich sicherlich irgendwann ändern, aber das hat natürlich auch einen Einfluss auf unser alltägliches Forscher-Leben sozusagen.
Christina Schulz: Würden Sie heute nochmal Biologie studieren?
Dr. Andreas Kurth: Ich weiß nicht so richtig, wie momentan so die Studiengänge ablaufen, weil ich ja schon ein bisschen länger raus bin. Also ich würde mich wahrscheinlich genauso wie früher informieren erstmal, was eigentlich in den Studiengängen so gelehrt wird und wie die Bandbreite ist und dann wäre es sicherlich eine der engeren Auswahlmöglichkeiten. Auf jeden Fall würde ich jetzt nicht sagen, ich würde es nicht noch mal tun. Es ist auf jeden Fall eines der Top-Fächer, die ich wieder studieren wollen würde.
Christina Schulz: Wenn Sie sagen sollten, was das Wichtigste ist, was Sie während Ihres Studiums an der TU Dresden gelernt haben, mitgenommen haben, was wäre das?
Dr. Andreas Kurth: Ich glaube, zur Problemlösung den eigenen Kopf zu verwenden. Ich weiß nicht, aber man kann es vielleicht so simpel darstellen. Also das Studium, natürlich wird auch ganz konkret Wissen vermittelt und das wird auch konkret abgefragt, aber in der Biologie, was dann am Ende auch in der Wissenschaft ist, zum größten Teil wird man ja mit Problemen konfrontiert oder man sucht sich Probleme, offene Fragestellungen und die muss man in irgendeiner Weise versuchen zu lösen. Und dann kann man natürlich gucken, was andere machen und dann sowas ähnliches machen oder man löst sich eben davon und denkt selber drüber nach. Und ganz oft gibt es jetzt mittlerweile oder eben in meinem meiner jetzigen Position, gibt es ganz oft Situation, die gab es vorher noch nie. Also da kann ich niemanden fragen, wie man das lösen könnte. Und das heißt, ich muss mir möglichst selber Gedanken machen und andere fragen und Meinungen einholen und dann am Ende irgendeine Entscheidung treffen. Und das zu machen ist glaube ich auch ein Teil vom Studium, also da gab es dann Aufgaben, wurden Probleme erörtert und wir mussten uns Gedanken machen, wie wir das lösen. Und ich glaube das ist eins der wichtigsten Dinge, die ich von da glaube ich mitgenommen habe. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich das vorher schon hatte.
Aber das würde ich jetzt mal so im Nachhinein sagen, ist anders als vielleicht in anderen Studienfächern, wo es wirklich ganz konkrete sozusagen Lehrpläne gibt oder Wissensvermittlung. In der Biologie ist es wirklich eher Fragestellung-orientiert oder problemorientiert, wo man sich die Sachen erschließen muss.
Christina Schulz: Vielleicht eher so eine Methodenkompetenz, die Sie insgesamt mitgenommen haben aus dem Studium.
Dr. Andreas Kurth: Genau, also auch das. Die natürlich dann in den Jahren fortbesteht, es geht ja immer weiter immer weiter, man lernt ja nie aus quasi. Und man erweitert sein Portfolio, von den Dingen, die man so kennt und weiß und vielleicht vertieft und einiges natürlich wieder vergisst. Aber am Ende schöpft man natürlich aus den Dingen, die man im Laufe der Zeit irgendwo gelernt hat und verbindet die dann möglich so gut, um Probleme zu lösen.
Christina Schulz: Was möchten Sie heutigen Studierenden noch mit auf den Weg geben?
Dr. Andreas Kurth: Es gibt ja nicht den Studenten. Also die Erwartungen und die Voraussetzungen sind natürlich bei den Studenten ganz unterschiedlich. Und es gibt sowohl welche, die genau wissen, am Anfang vom Studium oder schon, wenn sie im Sandkasten gebuddelt haben, dass sie genau wussten: ich will genau das tun! Wenn man aber nicht zu denen gehört, dann sucht man im Prinzip und muss sich irgendwann überlegen, wie lange will man eigentlich suchen, nach dem was man machen will und welchen Weg man verfolgen will. Und ganz oft, das ist so das, was sich bei mir zumindest entwickelt hat, ist, dass sich die Dinge entlang des Weges entscheiden oder ergeben und man dann die Dinge am Schopf greifen muss. Und dann möglichst machen, wozu man Lust hat.
Ganz wichtig glaube ich ist, dass man die Dinge tut, zu denen man eine Verbindung spürt und wo man Interesse hat, also das Interesse ist ganz entscheidend. Wenn man jetzt mal an die Wissenschaft denkt oder auch an andere Bereiche, was man jetzt als Biologiestudent machen könnte, wir sind jetzt nicht in der in der Richtung, wo man sagen wir mal die hochpreisigen Jobs dann am Ende bekommt. Und von daher glaube ich ist es ganz wichtig, das Interesse an erster Stelle zu stellen und seinen Interessen zu folgen. Egal ob man eine Aussicht bekommt oder sieht, dass das irgendwie sinnvoll ist für irgendeinen Job später. Weil was sich in den nächsten Jahren oder 10 Jahren entwickelt, das weiß keiner. Und die Dinge entwickeln sich, auch in der Biologie entwickeln die sich, das heißt wir können das jetzt nicht wissen, was passiert in den nächsten Jahren.
Und das ist glaube ich ganz wichtig, offen zu bleiben, flexibel zu sein, seinen Interessen nachzugehen und seinen Weg zu finden entlang des Weges. Und möglichst die Augen offenhalten, Ohren offenhalten, Dinge zu tun, auch mal rechts und links vom Tellerrand zu gucken und auch Dinge zu probieren, einfach, ob einem die liegen. Weil eben die Biologie so so vielfältig ist, dass man das glaube ich nicht wissen kann, wenn man anfängt zu studieren.
Christina Schulz: Herr Doktor Kurth, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Dr. Andreas Kurth: Sehr gern, vielen Dank. Tschüss!
~ Gesprächsende ~
[Outro-Musik spielt]
Einspieler: Weitere Informationen und Veranstaltungen findet ihr unter: tud.de/deinstudienerfolg/ofp
Folge 8: IN A NUTSHELL with chemist Dr. Imge Namal
This episode is a cooperation with the Career Service of the TU Dresden.
Dr. Imge Namal is a chemist who works as Team Lead Process Support Engineer at Applied Materials (AMAT). The company supplies equipment and software for the manufacture of semiconductor chips. In this episode she will give a little insight into her working life.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: In a Nutshell.
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften. Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Here with me today is Dr. Imge Namal, Team Lead Process Engineer at Applied Materials.
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Hello Imge, nice to meet you!
Dr. Imge Namal: Hi Christina, nice to meet you. Thanks for having me here!
Christina Schulz: Okay so, let's get started! Office or home office?
Dr. Imge Namal: Normally I am for having the flexibility of both the office and home office in a week, but after this long period of working from home...well I miss my colleagues and and also my customers, so I will definitely say office.
Christina Schulz: Coffee or tea?
Dr. Imge Namal: Coffee, definitely! Because I like coffee and also I think it has a social aspect, it's like the coffee break, coffee talk, coffee corner, so yay for coffee!
Christina Schulz: Are you a morning person or a night owl?
Dr. Imge Namal: I'm a night owl and actually in the traditional work setting, being a morning bird is actually more advantageous. But I work in an international company, so we have people from different time zones, from different countries. I actually sort of benefited from being a night owl, when I was doing my 7 to 8 pm online meetings.
Christina Schulz: Ah, that's great! Teamwork or working alone?
Dr. Imge Namal: Definitely teamwork. So there is a saying: at the end you are only as successful as your team, so yeah, teamwork!
Christina Schulz: Phone call or E-Mail?
Dr. Imge Namal: Well actually, under normal circumstances, I would choose face to face conversation. But as we already mentioned, it's not possible due to different circumstances for a long time now and I would actually choose phone call in between these two, because you can actually miss or misread some information in E-Mails. On the phone, even with the tone of voice from your counterpart, you can have a feeling, or you can have some information in between the sentences and I would not like to miss that through E-Mail.
Christina Schulz: Can you describe your career path and did you always want to work in the semiconductor industry?
Dr. Imge Namal: Well my career path...my background is chemistry and I did my Bachelors in chemistry and then did my Master in electrochemistry. This was back in Turkey, then I received a Marie Curie scholarship from the European Union and moved from Turkey to Germany and did my PhD in the University of Würzburg, in physical chemistry. There I was building transistors and building solar cells from carbon nanotubes. And in my PhD I actually had the opportunity to have research stays, which were in the Imperial College London and in Belectric. There I focused more on the device properties of the solar cells or the field-effect transistors. And up until that point in my studies, I was doing both the material science, let's say the preparation of the thin-film material and optimisation of the surface interactions and also doing the device engineering, which involves the measurement of the film or measurement of the device properties. And I actually realised, that the device properties or the device engineering part is what I am more interested in and that I would like to focus more on the device engineering than the fundamental science that I actually had the background for.
So I started my job search mainly focusing on the semiconducting industry, because I also thought it’s a very exciting industry and as I also experienced it for myself, it's a fast moving industry. And the innovations in this industry have a great deal of impact on everyone's daily lives, let's say from computers to e-cars or cell phones. And I am actually very happy that I now work for one of the biggest tool suppliers for this industry and I work, as you said, as a team lead for the process support engineers for electrochemical deposition and chemical-mechanical polishing tools.
Christina Schulz: What is the most important thing you learned during your studies?
Dr. Imge Namal: The most important thing...well, actually we all mostly consider the university as a place where you get your background for what you are going to do in the future as an occupation. And depending on whether you decide to go for the dominant road, let's say from Bachelors to the end of PhD, the amount of detail or the depth of knowledge actually increases. Without a doubt, my background in physical chemistry or electro-chemistry, basically in chemistry, helps me a lot every day. Because of that I understand and control the phenomena, what's actually happening on my wafers day-to-day, and what I work on. But also my PhD gave me some skills that are actually beyond that. I learned how to systematically analyse data, the different aspects of a problem and where to search for some information, where to look at. Also how to design the experiments with this collected information and then collect the data, the summarising of the data and communicating that in a meaningful way that is understandable and digestible for the people that I am communicating with. And actually also finding the right audience to collaborate and get the best results. So these are actually the key aspects that I also use in my day-to-day job or throughout my life. And my studies taught me to be open-minded towards both data, not to be sided by the data that you had or the person that communicated the data and also being open-minded towards the people that you are interacting with. As I said it's lucky for me that I had this in my studies and I am able to use this information to succeed in my day-to-day job.
Thinking about that, probably because of this reason, we have in the company a lot of colleagues from different backgrounds, different educational backgrounds let’s say, either from chemistry, physics or maybe electrical engineering. And as I said, we have different theoretical backgrounds, but because we probably gained the information that I mentioned earlier being so important, we are able to work together in harmony. And I think one should not forget that during or after university, it is not only the theory of the topic you learn, it's more about the information that you get and how you use that information and how you communicate that. So that's the most important thing I think.
Christina Schulz: What does a typical workday look like for you?
Dr. Imge Namal: A typical workday as a team lead process support engineer has two aspects: as the name of it says, the process engineering and the team leading.
So with these two aspects, as a process support engineer in the first place, I am focused on the process performance of our tools. Let’s say it's the installation phase or further in production in a customer fab, I start from the time where our customer has an inquiry, has a need to buy one of our tools and is maybe not sure which type and which configuration. And we start with the conversation and asking our customer and determining what kind of tool would be perfect for them and for our customer and their purpose and for their needs of production. And then after having this decision and fast forwarding to the time that the tool is set in the customer fab, I come in again and I travel to the site of the customer, the fab of the customer, and design some tests, make some adjustments and make sure that the process specifications that we agreed on in the beginning are actually met. And that the customer is actually able to produce the product with the highest possible quality and highest possible efficiency with the technical specifications in mind and in the most effective way.
On the other side, as a team lead, I am actually more on the planning part of the whole process. I plan the upcoming projects for us, I plan our time and the availability of my team and communicate that plan to our team and also to our management. And also to our customer, so that we have.an understanding of what amount of time we have on hand and how long our project is going to go on and maybe what are the milestones and when the milestones are going to be reached. And I actually make sure that the information is flowing successfully through all the way to my team, to the management and to the customer and I lead my team in a sense through communicating and coordinating. And with these two aspects at the end my day is full of data collection, data analysis, communication through E-Mails, calls or meetings and I am in interaction with my colleagues and customers and management. And it is actually a technical job on one side and it is full of interactions with different people in very different settings and I actually love that for my job, that it's so multi-facetted, that I am able to switch gears throughout the day and that is the thing actually that I love about my job.
Christina Schulz: What is your favourite part of your job?
Dr. Imge Namal: Well I already mentioned a bit about it, the favourite part of my job is actually, as I said, that it has the two aspects and is multi-facetted. I have a good balance I think in those facets and in my job I can do both engineering and leading, coordinating and collaborating. This allows me to have a wide angle on either the technical subjects, the technical knowledge, because we are also, as Applied Materials, a company that is producing tools for almost every step of producing the microelectronic products. It's even metal deposition, polishing, edge or ion implantation to count some of the stations and we are actually proud to say that virtually almost every chip and every advanced display in the world were once produced using one of the Applied Materials tools.
Christina Schulz: Oh wow, impressive!
Dr. Imge Namal: I think so too and if you think about that, you have the ability to gain the knowledge about so many different aspects of this production and you also gain the wider angle for where it starts to when it's shipped out as a product. And this is why I love the job in the company that I am already in. It enables me to have this wide angle on technical knowledge and for the more human interactive part of my job, I also have a wide variety of customers. I am in contact with them sometimes on a daily basis, depending on the project and they may be from the biggest semiconductor manufacturing companies or from one of the most successful research institutions in Europe and they have different points of view in different projects. And adding the interactions with all my colleagues from Applied Materials, either from Sales or Marketing or Strategy or Mechanical Engineering, I can also develop myself through these interactions in my job. That is also a favourite part of my job for me.
Christina Schulz: So with your interesting background and all your experiences, what advice would you give students today?
Dr. Imge Namal: Well yeah, let me think. So in my studies, I mentioned it before, so I studies in Turkey for my Bachelor and during my Bachelor I had the opportunity to have an ERASMUS-exchange in my Bachelor studies and I actually traveled from Turkey to Germany, tio Bremen, for having a semester in a foreign country back then for me. And then after my Masters I won or I gained a Marie Curie scholarship for my PhD and I was again able to travel abroad, to Germany again, and study in a country which was actually back then foreign to me. And in all these experiences, I was faced with different cultures and different languages and different people from different backgrounds. Let's say it was a research stay or the various conferences that I was in, they all allowed me to meet a lot of different people, from Europe, North America or Asia and they all had different points of view that they brought in either daily live or at the study groups or in the work that I am in. And being faced with so many differences in how these people are learning or thinking or experimenting or communicating with you, you actually start to widen your view. It’s like you have a glimpse of the core of it while at the same time widening your own view about the world. What they all have in common also brought me empathy and understanding towards people in a more universal context. By being able to look from other people's perspective, no matter what their background is, is actually the most valuable tool in life I think and also for the workplace. So I would advise the students today, who may have just started their Bachelor or are maybe in the middle of it or doing their Masters or PhD, in any studies there are opportunities, and I would recommend them to leave their comfort zone. Maybe consider traveling or studying abroad and having interactions with different, maybe foreign, people for a period of time and try to widen their horizon in that sense.
Christina Schulz: Imge, it was nice talking to you, thanks for your time!
Dr. Imge Namal: Thank you very much Christina, it was really nice talking to you too!
~ Gesprächsende ~
[Outro-Musik spielt]
Einspieler: Weitere Informationen und Veranstaltungen findet ihr unter: tud.de/deinstudienerfolg/ofp
Folge 9: IN A NUTSHELL mit Lebensmittelchemikerin Dr. Gesche Schött
Diese Episode ist in Kooperation mit dem Career Service of the TU Dresden entstanden.
Dr. Gesche Schött hat an der TU Dresden Lebensmittelchemie studiert und ist heute Abteilungsleiterin bei der Eurofins GfA Lab Service GmbH, einem weltweit agierenden Dioxinlabor. Das Unternehmen Eurofins ist ein Anbieter von bioanalytischen Dienstleistungen u.a. von Analytik für Lebensmittel, Umwelt, pharmazeutische und kosmetische Produkte sowie von agrarwissenschaftlichen Auftragsforschungs-Dienstleistungen.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: In a Nutshell.
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften. Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Heute spreche ich mit Dr. Gesche Schött. Sie ist Abteilungsleiterin bei der Eurofins GfA Lab Service GmbH.
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Hallo Frau Dr Schött! Ich freue mich sehr, dass Sie uns heute Einblicke in Ihren Berufsalltag geben möchten.
Dr. Gesche Schött: Hallo, ja sehr gerne!
Christina Schulz: Dann starten wir mit unserer Schnellfragerunde. Kaffee oder lieber Tee?
Dr. Gesche Schött: Da ich überhaupt keinen Kaffee trinke, ganz klar Tee!
Christina Schulz: Home Office oder eher Büromensch?
Dr. Gesche Schött: Hm, die Mischung macht’s. Also ich bin sehr gerne im Büro mit den Menschen aktiv im Austausch, aber man kann auch konzentriert im Home Office sehr gut an Aufgaben arbeiten.
Christina Schulz: Urlaub am Meer oder lieber in den Bergen?
Dr. Gesche Schött: Meer! Das gute Wetter möchte ich gerne genießen.
Christina Schulz: Teamarbeit oder lieber Einzelarbeit?
Dr. Gesche Schött: Teamarbeit.
Christina Schulz: Und: Telefonat oder E-Mail?
Dr. Gesche Schött: Telefonat.
Christina Schulz: Wunderbar, vielen Dank! Sie haben an der TU Dresden Lebensmittelchemie studiert. Warum haben Sie sich damals für das Studium entschieden?
Dr. Gesche Schött: Ja, nach dem Abitur steht man ja vor der Vielzahl an Möglichkeiten, die man machen kann als junger Mensch und eigentlich wollte ich auch was ganz anderes studieren. Da hat das dann mit dem Studienplatz nicht so geklappt und ich bin dann erstmal zu Plan B übergegangen und ins Ausland. Ich war da ein halbes Jahr in der Ukraine und habe mir da dann auch Gedanken gemacht, wie geht es mit mir weiter? Und mir so die klassischen Fragen gestellt: Was kann ich eigentlich? Was macht mir Spaß? Und bin dann auf die Chemie gekommen, aber Chemie ist natürlich breit. Also es war für mich als junger Mensch auch total schwer zu fassen, was macht denn eigentlich ein Chemiker dann am Ende des Studiums und welcher Bereich ist da für mich der Richtige? Und ja, durch meine weiteren Recherchen bin ich dann auf die Lebensmittelchemie gestoßen und das hat mir super gut zugesagt, weil man eben doch irgendwie schon eine Spezialisierung vorweg hat. Es ist irgendwie eine greifbare Wissenschaft und die Probleme sind auch irgendwo real, also die betreffen uns alle, wir alle essen, wir alle trinken. Ja, das fand ich total spannend, diesen Zusammenhang und deswegen habe ich mich dann für die Lebensmittelchemie entschieden und bin auch mittlerweile ganz froh, dass das mit dem anderen Studiengang nicht geklappt hat, es hat sich alles ganz gut so gefügt.
Und dass ich dann in Dresden gelandet bin, das war tatsächlich eine spontane Entscheidung, ich kannte Dresden vorher nicht. Aber es war auch eine sehr gute, wie sich auch das am Ende herausgestellt hat. Ich fand es ganz super, es ist zwar für Lebensmittelchemie ein vergleichsweise großer Studiengang, aber es ist ja immer noch sehr überschaubar von den Kommilitonen her. Es ist eben klein genug, dass man nicht nur eine Nummer ist, sondern eine Person. Und man hat auch einen super guten Zusammenhalt im Studiengang gehabt. Also sowohl unter meinen Mitstudierenden, aber auch mit den Professoren und den Dozenten. Ein großer Vorteil war auch, dass es eben ein Diplomstudiengang war und man nicht zwangsläufig das Staatsexamen machen musste im Anschluss zum Studium. Ich habe auch das Staatsexamen nicht gemacht, habe mich dagegen entschieden. Ja und letztendlich ist auch Dresden eine ganz ganz tolle Stadt, wo ich immer noch gerne wieder hinfahre!
Christina Schulz: Welche Station in Ihrem Lebenslauf hat Ihnen vor der jetzigen Stelle am meisten Erfahrung gebracht?
Dr. Gesche Schött: Ich glaube grundsätzlich bringt jede Station, die man so in seinem Leben absolviert, irgendwas mit sich, man kann aus jedem was ziehen. Am meisten für meine jetzige Stelle sicherlich auch der Berufseinstieg dann bei Eurofins WEJ Contaminants. Dort bin ich gestartet nach der Promotion als Stabsstelle Forschung und Entwicklung, habe später dann auch ein Labor-Team mit übernommen und das war aber für mich so ein super gleitender Übergang aus der reinen Forschungsarbeit an der Universität in die Wirtschaft. Ich hab da super viele spannende Projekte betreut und auch mit gestaltet, klassisch im Bereich Methodenentwicklung aber auch viel im Bereich der Automatisierung. Also auch neue Themen, die vielleicht im reinen Studiengang Lebensmittelchemie gar nicht so Thema waren, auch in wechselnden Teams zusammengearbeitet. Und ich hatte zwar einen Einfluss auf die Produktion, klar man setzt natürlich Kundenanforderung um, man optimiert Prozesse, aber man ist eben nicht total direkt in der Produktion. Und ich fand es immer sehr spannend, auch diese Produktion zu sehen und das sind eben andere Aufgaben und andere Herausforderungen als in der Entwicklung. Ich habe dann im Rahmen dieser Position einen Exchange gemacht und zwar gibt es ein Nachwuchsführungskräfte-Programm bei der Eurofins, ich war da Mitglied in einem Jahrgang. Und da ist vorgesehen, dass man für einen Zeitraum X in eine andere Eurofins Unit wechselt und dort andere Aufgaben übernimmt. Und ich bin dann zur GfA Lab Service gewechselt und habe dort dann eben interimsweise eine Abteilungsleitung für den Bereich Dioxine und PCB in Umweltproben übernommen. Ja und das hat mir supergut gefallen und daraus hat sich dann auch unmittelbar der nächste Karriereschritt ergeben, dass ich dann eben auch dauerhafte zu GfA gewechselt bin und jetzt die Abteilungsleitung für den Bereich POPs und das Sonderlabor übernommen habe, dauerhaft.
Christina Schulz: Und welche Tätigkeiten umfasst Ihr derzeitiges Berufsbild?
Dr. Gesche Schött: Genau, also ich bin die Abteilungsleitung Bereich persistente organische Verbindungen, also alles ist da drunter gefasst, was eben nicht Dioxine und PCBs bei uns sind, die laufen in extra Abteilungen. Also PAHs, PFAs, Flammschutzmittel und ich habe auch noch das Sonderlabor unter mir. Das sind dann relativ selten gefragte Analyten, die aber eben auch zu unserem Angebot gehören. Und das heißt am Ende bin ich eben fachlich und disziplinarisch für drei Teams verantwortlich. Das ist einmal der Laborbereich, wo die Proben nasschemisch aufgearbeitet werden, aufgereinigt werden und die zweite Gruppe ist die Messtechnik, wo dann die Messung erfolgt, mit GC oder HPLC. Und das Sonderlabor ist dann eben auch noch mal angegliedert, da ist so beides ein bisschen zusammen, weil das eben auch ein kleineres Team ist. Ja, und diese drei Teams leite ich eben, bin also fachlich verantwortlich auch für das Handeln meines Teams, steh am Ende gerade für die Ergebnisse die wir berichten, befasse mich mit Themen wie Neueinstellungen, Personalentwicklung, Personalgespräche, alles was eben dazu gehört. Ich habe auch immer noch viel mit Projekten zu tun, muss mich auch mit der Weiterentwicklung bestehender Methoden befassen oder Implementierung auch neuer Methoden. Da gibt es natürlich diverse Kundenwünsche oder auch Rechtsanforderungen, die wir erfüllen müssen. Gerade im Sonderlabor haben wir sehr häufig Spezialprojekte, die wir betreuen. Ich optimiere aber natürlich auch Prozesse, unsere Abläufe, da muss ich ein Auge drauf haben und auch den Qualitätsstandard wollen wir natürlich stetig verbessern. Das sind alles so übergeordnete Begriffe, die mir so dann begegnen.
Christina Schulz: Mhm, das klingt sehr spannend und abwechslungsreich!
Dr. Gesche Schött: Ja, das ist es auch wirklich!
Christina Schulz: Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus, gibt es den?
Dr. Gesche Schött: Also den ganz typischen Arbeitsalltag gibt es eigentlich nicht, aber klar gibt es Themen, die mich immer wieder beschäftigen und die auch täglich wiederkommen. Da ist natürlich ganz als erstes unser Production Monitoring, das heißt wir schauen jeden Tag gemeinsam im Team unsere Kennzahlen an. Also was für Proben sind im Haus, wie bewegen sich die Proben, wo gibt es vielleicht Engpässe, wo müssen wir nachsteuern? Ja, da sind wir eben im Austausch, auch mit meinen Gruppenleitern und mit den anderen Abteilungen, um da eben den bestmöglichen Fluss hinzubekommen und Probleme dann frühzeitig zu erkennen und auch reagieren zu können. Da treffen wir uns wie gesagt jeden Tag, jeden Vormittag, einmal. Dann habe ich die Kostenstellen-Verantwortung, das heißt also am Ende wollen wir natürlich auch wirtschaftlich arbeiten und müssen da die Kosten im Blick haben. Da muss man sich auch immer mal wieder regelmäßig damit auseinandersetzen.
Dann gibt es ganz viele verschiedene Themen, also mich erreichen sehr viele diverse Anfragen aus verschiedensten Kanälen, Telefon, Mail, mittlerweile auch Teams, wo es eben um ganz unterschiedliche Sachen geht. Also zum einen aus meinem Team heraus, dass vielleicht Fragen kommen, wie man mit schwierigeren analytischen Proben umgeht, wo ich dann eben fachlich mit Rat und Tat zur Seite stehe. Aber auch von den Kundenbetreuern weitere Fragen, die vom Kunden fachlicher Seite kamen, und die dann weitergespielt werden, geht XY in Probe AB. Also diverse Sachen können einem da begegnen, das kann man gar nicht so pauschal vorhersagen. Ich bin aber auch jeden Tag irgendwie in dieser teambasierten Projektarbeit mit tätig. Wir wollen uns natürlich immer kontinuierlich verbessern und das betrifft dann alle Bereiche. Also sowohl natürlich die Analytik, also klassisch Methodenentwicklung, aber auch unsere Qualität wollen wir verbessern, unsere Prozesse wollen wir optimieren, da fließen auch IT-Themen mit ein. Und da bin ich immer involviert, es kann sein dass ich Projekte anstoße, dass ich einfach sage: „Ich brauche XY!“ Es kann aber auch sein, dass ich Projekte mitgestalte, also dass ich in einem interdisziplinären Team tätig bin und wir gemeinsam an Projekten arbeiten. Oder es kann auch sein, dass ich innerhalb Teams selber, neben der Routine, an gewissen Themen arbeite, Ressourcen dafür freisetze, die nächsten Schritte bespreche. Also auch dann eben nicht nur das Analytische betreffend, sondern auch andere Bereiche. Dann bin ich eigentlich auch täglich mit Personalthemen konfrontiert, also da geht es allgemein um Teamentwicklung, Mitarbeitergespräche, Recruiting, das kommt eben auch alles auf meinen Tisch. Wir haben auch wiederkehrende Aufgaben, Audit-Vorbereitung und die fachliche Begleitung von Audits wären da so ein Beispiel.
Und am Ende gibt es natürlich auch immer das Unvorhergesehene, da muss man unter Umständen auch mal schnell reagieren, wenn es ganz blöd läuft vielleicht auch Reklamationen fachlich bearbeiten. Das sind so die großen Themen, die mich jeden Tag so begleiten. Und man kann eigentlich davon ausgehen, was man sich morgens vorgenommen hat, das wird sich im Laufe des Tages nochmal ändern. Es bleibt spannend und wird einem definitiv nicht langweilig!
Christina Schulz: Und was machen sie in ihrem Job am liebsten?
Dr. Gesche Schött: Also ich mag diese Abwechslung und auch diese Herausforderung, also dieses wenn plötzlich was aufploppt, dass man da reagieren muss, ich finde das total spannend. Ich brauch das auch, dass für mich der Tag rum geht sozusagen. Ich mag eben nicht so gerne die Routineaufgaben, die sich immer wiederholen, das ist sicherlich auch eine Typfrage, das muss jeder für sich selber beantworten. Und was ich auch sehr gut finde ist, dass ich eben auch einen sehr großen Freiraum habe, Dinge zu gestalten. Klar, also das Ziel ist irgendwo vorgegeben, aber die Fahrtrichtung kann ich ganz frei vorgeben. Also so bildlich gesprochen, wir wollen nach Italien, aber ich kann selbst entscheiden, ob ich Fahrrad fahre, im Flugzeug fliege oder vielleicht das Boot nehme. Also das finde ich total gut, dass mir da auch der nötige Freiraum gegeben wird, die Ziele zu erreichen. Und ja, ich arbeite halt auch viel mit Menschen zusammen, ich sitze nicht in meinem Kämmerchen und mache reine Naturwissenschaft, sondern bin am Menschen, arbeite mit anderen Menschen, mit meinem Team. Das finde ich gut, das finde ich spannend.
Christina Schulz: Was möchten Sie heutigen Studierenden mit auf den Weg geben?
Dr. Gesche Schött: Also die Studienzeit fand ich eine super tolle Zeit. Die sollte man unbedingt genießen, das kommt dann so schnell nicht wieder, das darf man sich dann auch gönnen. Aber man muss natürlich auch sagen, manchmal muss man auch investieren, um die Früchte zu ernten. Man wird nicht von der Studentenparty im Chefsessel aufwachen. Da muss man glaube ich den spannenden Mittelweg finden.
Ja, ich finde die Arbeit im weltweiten Handelslabor super spannend, sehr vielfältig, da kann man viel Erfahrung sammeln, viele Sachen einsetzen. Und man kann auch was werden ohne Staatsexamen als Lebensmittelchemiker, das ist überhaupt gar kein Problem. Am Ende würde ich vielleicht auch nochmal mitgeben für die Frauen unter uns: Familie, Beruf und Erfolg, das geht alles zusammen. Sicherlich braucht man da auch den geeigneten Arbeitgeber, der eine gewisse Flexibilität einräumt, aber mit einem modernen Unternehmen ist das alles überhaupt kein Problem mehr.
Christina Schulz: Wunderbar! Frau Dr. Schött, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Dr. Gesche Schött: Vielen Dank auch, dass ich Teil dieses Podcasts sein durfte!
~ Gesprächsende ~
[Outro-Musik spielt]
Einspieler: Weitere Informationen und Veranstaltungen findet ihr unter: tud.de/deinstudienerfolg/ofp
Folge 10: Als Physiker in der Patentanwaltskanzlei
Dr. Sebastian Hermsdörfer ist promovierter Physiker. Er arbeitet als Patentanwalt, European Patent Attorney sowie als European Trademark and Design Attorney in einer Patentanwaltskanzlei in Dresden.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: Hör rein, in die Praxis!
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Natur-wissenschaften.
Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Mein heutiger Gast ist Dr. Sebastian Hermsdörfer. Der promovierte Physiker arbeitet heute als Patentanwalt.
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Hallo Herr Dr. Hermsdörfer! Schön, dass Sie uns heute Ihre interessante Berufstätigkeit als Patentanwalt vorstellen möchten.
Dr. Hermsdörfer: Ja, vielen Dank für die nette Einladung und freue mich natürlich auch auf das Gespräch!
Christina Schulz: Aber bevor wir dazu kommen, nehmen Sie uns doch bitte mit zurück in Ihre Studienzeit. Wann war für Sie klar, dass Sie Physik studieren möchten?
Dr. Hermsdörfer: Mhm, war bei mir gar nicht so früh klar. Mit meinem Abitur hatte ich mich so ein bisschen konzentriert auf zwei verschiedene Fächergruppen, das eine waren die alten Sprachen, das andere war dann schon so in Richtung Physik/Mathematik. Und damals gab es ja noch einen verpflichtenden Wehrdienst, also ich habe studiert oder hab mein Abitur gemacht 1999, das heißt ich fiel noch voll in die Wehrdienstzeit. Und da war auch schon damals ein bisschen bei mir im Hinterkopf die Überlegung, gehe ich jetzt eher Richtung alte Sprachen, alte Geschichte oder gehe ich eher in die naturwissenschaftlich-technische Richtung. Der Wehrdienst hat es natürlich nochmal so ein Jahr aufgeschoben, wobei ich dann auch beim Wehrdienst… also mir war relativ klar, dass ich mit den alten Sprachen da jetzt wenig Vorteile haben würde beim beim Wehrdienst. Ich hab dann aber geschaut, weil ich eben auch diese technische Ausrichtung von der Schule schon hatte, dass ich zu den technischen Truppen bei der Bundeswehr gekommen bin, was auch geklappt hat. Und letztlich während dieses Jahres hat sich dann so ein bisschen verfestigt, dass die alten Sprachen und die alte Geschichte so ein bisschen Interessensgebiet bleiben, ich mich aber beruflich dann doch stärker in Richtung Naturwissenschaften oder Ingenieurwissenschaften bewegen möchte.
Und da war ich mir auch am Anfang nicht so ganz sicher, welches Fach denn jetzt eigentlich für mich das Geeignete wäre. Wer mir da schon geholfen hat war mein Vater, der auch Physiker ist. Und da gab es zum Schluss, ja, paar
Sachen wurden einfach ausgeschlossen von vornherein, sei es weil… ich konnte zum Beispiel nie besonders gut zeichnen. Das hieß das technische Zeichnen beim Maschinenbaustudium, das wollte ich dann schon eher umgehen, so dass Maschinenbau dann alleine aus dem Grund letztlich rausfiel. Es lief zum Schluss auf die Entscheidung Physik oder Elektrotechnik raus und das war dann so eine “Hop oder Top” Entscheidung. Den Ausschlag gab da in der Tat der damalige Fachstudienberater an der Universität Kaiserslautern, für Physik muss man dazu sagen, der dann sagte das beides gut wäre, aber ich solle mir mal klarmachen, Elektrotechnik sei halt eher “einmal Transistor, immer Transistor”. Und der Satz ist irgendwie dann auch haften geblieben bei mir im Gedächtnis, so dass ich dann gesagt habe, Physik ist vielleicht so vom Gebiet her etwas breiter gestreut. Der Elektrotechnik bin ich aber verbunden geblieben und hab das als Nebenfach genommen.
Christina Schulz: Und wie haben Sie generell ihre Studienzeit empfunden?
Dr. Hermsdörfer: Ich muss sagen, am Anfang fand ich das Studium eigentlich relativ doof, muss ich mal ganz ehrlich sagen. Das hing damit zusammen, dass ich in der Schule halt schon ein sehr breites Interessenspektrum hatte und das in der Schule auch ausleben konnte, mit den verschiedenen Fächern. Ich fand es am Anfang ein bisschen blöd, was jetzt natürlich fachimmanent ist und wo jetzt auch die Hochschule nichts dafür konnte, es ging halt nur noch um Physik und Mathe. Das konnte man oder hätte man glaube ich auch schwer aufbrechen können, zumal dann ja auch grad bei den technischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen am Anfang, und ich glaube das ist auch heute noch so, es ist relativ schwierig, diesen Niveausprung erstmal von der Schule zur Universität zu bewerkstelligen. Und der Mathematikanteil ist natürlich relativ hoch, wobei es auch nicht unbedingt die Mathematik ist, die man aus der Schule unmittelbar gewohnt ist. Also der Anteil an Beweisen, die geführt werden müssen oder ähnliches, der ist dann an der Universität sicherlich deutlich höher, als man es von der Schule gewohnt war. Und da gab es dann natürlich auch so ein bisschen Umstellungsschwierigkeiten.
Das wurde dann letztlich besser, als so ein bisschen klarer wurde für mich, wohin die Reise eigentlich gehen soll, weil dann auch so das eigene Interesse stärker durch kam. Das heißt bei mir, für die Generation Bachelor/Master muss man das vielleicht nochmal erklären, früher im Diplomstudiengang gab es also typischerweise nach 4 Semestern das Vordiplom und dann ging das Hauptstudium los, wo man sich dann allmählich spezialisiert hat. Und da war in Physik im 5. Semester die Vorlesung Festkörperphysik verpflichtend, da war mir irgendwie von Anfang an klar, dass das das ist, was ich später mal machen möchte. Und auch vom Nebenfach konnte man dann so ein bisschen freier wählen, da bin ich dann der Elektro-Informationstechnik immer noch so ein bisschen verbunden geblieben, aber da gab es in Kaiserslautern die Möglichkeit, Medizinische Physik und Technik zu belegen, was dann auch wieder so ein bisschen diesem breiteren Interessenspektrum entgegenkam. Und da fand ich es dann schon so ein bisschen spannender alles, zumal ich dann noch angefangen habe als HiWi in der Arbeitsgruppe mitzuarbeiten.
Christina Schulz: Danach hat sich ja eine Promotion angeschlossen. Wie kam es zu der Entscheidung und was waren vielleicht auch so Besonderheiten von dieser Phase?
Dr. Hermsdörfer: Ich muss dazu sagen, und das Thema wird sich jetzt wahrscheinlich noch so ein paar Mal wiederholen, bei mir gab's immer einen grundsätzlichen Plan, wo ich mal hin möchte oder so eine Grundidee, was ich machen möchte. Die aber oftmals, weil die Umstände sich geändert haben, dann angepasst wurde oder verworfen. Salopp gesagt, es hat sich alles so ergeben. Ich hab das Studium in Kaiserslautern dann innerhalb der 5 Jahre, die damals vorgesehen waren für den Diplomabschluss, letzten Endes auch abgeschlossen. War zwischendurch noch ein Semester in Großbritannien, in Sheffield, was ich sehr angenehm fand oder auch sehr interessant. Und nach der Diplomarbeit... für mich war immer so ein bisschen Universität nicht das, wo ich mein Leben lang bleiben wollte, von daher war die Promotion auch nicht zwangsläufig vorhergesehen. Ich hatte damals mit meinem Diplom- und später auch Doktorvater ein Gespräch, wie es nach der Diplomarbeit weitergehen soll und hab dem halt auch von meinen Bedenken berichtet, wegen der dauerhaften Zeit oder noch mehr Zeit an der Universität zu verbringen, ob das sinnvoll ist. Zumal dann auch dazu kam, dass ich auch aus Kaiserslautern komme und dementsprechend auch überlegt habe, ob ich nicht nochmal was anderes machen möchte. Und mein Doktorvater hatte sich anscheinend schon was überlegt und sagte dann nämlich auch gleich: “Naja wir brauchen jemanden, der für ein halbes Jahr nach Japan geht, da entsteht jetzt gerade eine Kooperation.” Wir hatten damals auch einen japanischen Professor in der Arbeitsgruppe und da suchte man eben Leute, die Interesse daran hatten, das so ein bisschen voranzutreiben und diese Kooperation aufzubauen. Und das war dann sowas, wo mein ursprünglicher Plan mal wieder über den Haufen geworfen war und ich gesagt habe gut, in der Gruppe hat es mir gut gefallen und diese Aussicht da dann nochmal ein halbes Jahr im Ausland verbringen zu können, die war auch sehr schön, so dass ich da dann zugesagt habe und die Promotion auch mit dem Auslandsaufenthalt in Japan dann fertiggestellt habe.
Christina Schulz: Und wie erinnern Sie sich an Ihre Zeit in Japan?
Dr. Hermsdörfer: Ich fand das sehr schön, wobei ich sagen muss, ich habe auch die Zeit in Großbritannien in sehr guter Erinnerung. Wenn ich das auch als Tipp weitergeben darf, also ich mach’s jetzt einfach, ich würde das schon empfehlen, eine Zeit lang ins Ausland zu gehen. Weniger weil man da jetzt fachlich besonders viel noch mitnimmt, die Physik ist halt weltweit identisch. Das mag in anderen Fächern dann unterschiedlich sein und so gerade Jura, da sind die Rechtsordnungen ja schon stark unterschiedlich, so dass man da vielleicht eher etwas Neues lernt. In der Physik ist es letztlich immer das Gleiche, aber interessant war zu sehen, wie andere Nationen bestimmte Sachen anpacken. Da kann man glaube ich in jedweder Form was davon lernen, Japan war natürlich kulturell einfach von Deutschland noch ein gutes Stück weiter weg als es England war.
Wobei auch in England fand ich damals 2004 schon ganz interessant zu sehen, dass die, grad was organisatorisches angeht, an der Universität eigentlich ein gutes Stück weiter waren als wir in Deutschland. Also viele
Verwaltungsvorgänge, die bei uns wirklich relativ lange gedauert haben, das ging bei denen ziemlich schnell. Also ich hatte einen Studentenausweis mit einem Foto, ich glaube es hat noch nicht mal eine Stunde gedauert. Das waren so Sachen, da hat man in Deutschland halt problemlos einen Vormittag damit verbracht, da mal zu gucken wo man hin laufen muss und dann den jeweiligen Ansprechpartner zu finden oder ähnliches. In Japan war es natürlich noch mal krasser, wobei ich da nicht als Student eingebunden war, das heißt Vorlesungen im herkömmlichen Sinn habe ich da eigentlich keine besucht. Das Gruppenseminar habe ich natürlich mitgemacht, was eigentlich auch schon wieder ganz interessant war, weil da auch so ein etwas anderes Verhältnis, andere Umgangsformen herrschen. Also das berühmte Bild von den Studenten, die dann im Hörsaal liegen und erstmal Nickerchen machen, das stimmt schon. Da hat Japan kulturell einen ganz anderen Zugang dazu als wir, das wird auch nicht irgendwie als beleidigend empfunden. Da wird einfach davon ausgegangen, dass auf der anderen Seite die Leute, die dann schlafen müssen, auch entsprechend hart und lange arbeiten und so ein bisschen das eine das andere bedingt. Aber das sind so kulturelle Unterschiede, mit denen man dann erstmal klarkommen muss. Und auch vom Universitäts-Aufbau fand ich das eigentlich ganz interessant zu lernen, wie das funktioniert. Zumal man dann auch sagen muss, ich war in Japan an der Tohkou University in Sendai. Die waren auch damals schon auf dem Gebiet des Magnetismus, auf dem ich promoviert habe, deutlich breiter aufgestellt als es die TU Kaiserslautern damals war oder auch heute noch ist, so dass man da auch nochmal ein ganz anderes Spektrum an Forschungsgegenständen hatte, als ich es von zu Hause gewöhnt war.
Christina Schulz: Und wie hat sich dann Ihr Berufseinstieg gestaltet bis zu Ihrer heutigen Tätigkeit als Patentanwalt?
Dr. Hermsdörfer: Auch das hat sich mal wieder so ergeben, das war letzten Endes auch nicht geplant, dass ich Patentanwalt werde. Ich wusste, dass es den Beruf gibt, hatte mich damit aber im Studium jetzt nicht nicht übermäßig beschäftigt. Und als es dann so in die Endphase der Promotion ging, da war ich auch noch für die Arbeitsgruppen-Homepage zuständig und da gehörte auch dazu, Kontakte oder die Adressen von ehemaligen Arbeitsgruppen-Mitgliedern so ein bisschen zu verwalten. Und da rief ein ehemaliger Diplomand an, der mittlerweile Patentanwalt war, um zu sagen, dass er jetzt umgezogen sei und er möchte uns die neue Adresse geben. Und da hatten wir dann miteinander telefoniert, ich hatte dann auch mal gesagt, ich werde bald fertig und hab von dem Beruf schon mal gehört, wie das so ist. Und der lobte das wirklich in den höchsten Tönen und malte das in goldenen Farben, was man da als Patentanwalt alles macht, so dass ich dann gesagt habe, gut, das könnte ich mir mal überlegen. Da war jetzt allerdings noch keine Festlegungen dafür, die Entscheidung, dass ich das machen möchte, war da auch noch nicht endgültig gefallen.
Ich habe mich dann relativ breit beworben, unter anderem eben bei bei zwei Patentanwaltskanzleien. Die einen hatten im Physik Journal inseriert und die anderen, die hatten einfach so auf ihrer Website Vakanzen ausgeschrieben und da habe ich mich dann bei beiden beworben. Habe erstaunlicherweise bei beiden ziemlich schnell eine Einladung zum Vorstellungsgespräch bekommen, woraus ich dann geschlossen habe, dass
ich mit meinem Lebenslauf anscheinend da ganz gut zu dem Beruf passe. Und habe dann bei meiner jetzigen Kanzlei angefangen, bei Pfenning, Meinig & Partner. Die hatten mich als erstes eingeladen und ich bin dann damals nach Berlin gefahren zum Vorstellungsgespräch und hatte dann relativ schnell auch den Entwurf eines Arbeitsvertrags und die Zusage Briefkasten. Also das ging wirklich damals sehr schnell und ich hatte einfach ein gutes Bauchgefühl, so dass ich den Vertrag dann auch unterschrieben hab und zum zweiten Vorstellungsgespräch letztlich auch gar nicht mehr hingegangen bin. Das war aber wirklich eine Bauchentscheidung, weil ich mich da so wohl gefühlt habe und das auch so angenehm fand, dass ich da dann das erste Angebot quasi gleich angenommen habe. Insgesamt habe ich es auch nicht bereut, also ich bin dann damals nach Berlin umgezogen. Und als Patentanwaltskandidat, so wird das genannt, wenn man da noch in der Ausbildung steckt, fand ich also auch gerade die Berliner Zeit sehr schön, die ich da miterleben durfte.
Christina Schulz: Sie haben ja gerade schon die Ausbildung angesprochen. Was umfasst denn diese Ausbildung?
Dr. Hermsdörfer: Also das beruht im Endeffekt auf drei Säulen. Die wichtigste ist, dass man in der täglichen Arbeit mit schon fertig ausgebildeten Patentanwälten und Patentanwältinnen zusammenarbeitet, also so ein bisschen Training-on-the-Job. Das zweite ist, dass es in den größeren Städten so eine Art Seminar gibt. Also Berlin hat da ein eigenes, hier in Dresden gibt es übrigens auch ein eigenes, München, da ballen sich ja die verschiedenen Patentanwälte, die haben glaube sogar drei oder vier Gruppen. Da ist es dann so, dass man quasi unter Anleitung eines schon sehr erfahrenen Patentanwalts nochmal ausgewählte Themen, ja wirklich wie in so einer Art Seminar, sich gemeinsam dann erarbeiten muss. In Berlin war es so, dass das alle zwei Wochen stattfand und da muss ich ja sagen, das fand ich schon sehr gut gemacht, wie es in Berlin gehandhabt wurde. Die dritte Säule ist dann ein Studium, Recht für Patentanwälte, an der FernUniversität in Hagen, was über zwei Jahre angelegt ist und was dann, ja, verschiedene Rechtsgebiete umfasst. Also ein sehr großer Teil ist Zivilrecht erstmal, dann kommt noch so ein bisschen Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Wettbewerbsrecht, Zivilprozessordnung, also man geht da so ein bisschen im Schweinsgalopp durch einzelne Rechtsgebiete. Das ganze wird dann auch mit einer Prüfung abgeschlossen, bevor dann die Ausbildung bei den Patentbehörden in München beginnt.
Christina Schulz: Also eine sehr umfassende Ausbildung nochmal. Und was macht man denn eigentlich so täglich im täglichen Arbeitsalltag als Patentanwalt? Können Sie uns da ein bisschen einführen?
Dr. Hermsdörfer: Also generell gilt Patentanwälte sind keine Rechtsanwälte, weil wir kein vollständiges Jurastudium haben und auch weder 1. noch 2. Staatsexamen absolviert haben. Gibt natürlich ein paar Kollegen, die beide Zulassungen haben, die Patentanwalt und Rechtsanwalt sind, die Regel ist das allerdings nicht. Das heißt jeder Patentanwalt ist in irgendeiner Art und Weise erstmal Ingenieur oder Naturwissenschaftler von der Ausbildung her, denn ohne diesen Abschluss wird man erst gar nicht zur Ausbildung zugelassen. Und wir arbeiten dementsprechend auf verschiedenen sehr speziellen
Rechtsgebieten, vornweg natürlich das Patentrecht, von dem sich ja der Name “Patentanwalt” auch ableitet, aber auch Markenrecht, Designrecht, Arbeitnehmer- und Erfinderrecht, meistens ist es dann so. Das hängt noch so ein bisschen davon ab, in welcher Form man den Beruf ausübt, also ob man als Patentanwalt in der Industrie tätig ist, ob man in der Kanzlei arbeitet, in welcher Art von Kanzlei, in einer großen oder in einer kleinen. Da gibt es sehr vielfältige Ausgestaltungen des Berufs. Prinzipiell ist es natürlich so, dass man in erster Linie mit Patentrecht in jeglichen Formen zu tun hat.
Das heißt mein täglicher Tagesablauf bei Pfenning, Meinig & Partner der sieht eigentlich so aus, dass ich, ja, verschiedene Akten habe, die fristgebunden bearbeitet werden müssen und da dann in der Regel morgens erst mal gucke, welche Akten jetzt am dringendsten sind oder falls ich es schon vorsortiert hab, welche Akten ich jetzt demnächst bearbeiten muss. Und da ist es dann so, dass eben der normale Zyklus von so einer Patentanmeldung oder eines Patents sich da widerspiegelt. Also entweder, dass es Neuanmeldungen sind von Sachen, die jetzt zum Patent angemeldet werden sollen, bei denen die Unterlagen vorbereitet werden müssen. Oder dass es Akten sind, wo die Anmeldung selbst schon eingereicht ist und der Patentprüfer vom Patentamt jetzt schon recherchiert hat und seine Recherchen-Ergebnisse uns geschickt hat oder den Prüfungsbescheid schon geschickt hat, auf den wir jetzt antworten müssen. Das heißt ob man durch eine Änderung der Patentansprüche da vielleicht nochmal, ja, ein günstigeres Urteil erwarten kann oder ähnliches oder ob das sogar schon ein erteiltes Patent ist, gegen das jetzt eine andere Seite Einspruch erhoben hat. Das heißt wir sind dann im Einspruchsverfahren in einem zweiseitigen Verfahren, wo wir dann auch gucken müssen, wie man die Argumente der Gegenseite dann kontern kann.
Generell gilt, als Patentanwalt sollte man gern viel und schnell lesen, das ist halt eine Tätigkeit, bei der ich den Schreibtisch eigentlich maximal zu Verhandlungen verlasse und selbst das ist dank Videokonferenzen mittlerweile, ja, stark eingeschränkt, also auch die Verhandlungen werden mittlerweile teilweise online geführt. Richtig schrauben, also das, weswegen ja viele ursprünglich mal Ingenieur werden wollten oder Experimental-physiker, also ich komme eigentlich aus der Experimentalphysik, das mache ich eigentlich nur noch, wenn irgendwo bei uns die Technik spinnt. Also ja, wenn bei einem Computer irgendein Kabel gebrochen ist oder sonst was, solche Kleinigkeiten, aber wir haben hier keine Labors, was manche Leute anscheinend so als Vorteil mitführen. Hat übrigens auch das Patentamt nicht. Das heißt diese klassische Labortätigkeit, die führe ich letztlich gar nicht mehr aus. Es geht darum, hier wirklich viel zu lesen und das in entsprechender Geschwindigkeit. Man darf sich dann auch dabei nicht langweilen und dann kommt natürlich noch dazu diese Rechtssprache, also auch die Patent-Rechtssprache, die ist so ein bisschen ungewohnt, unterscheidet sich vom herkömmlichen Deutsch. Auch das muss man dann natürlich also so ein bisschen mögen, sich damit zu befassen. Aber letzten Endes gilt halt, Patentanwälte, wir drücken in irgendeiner Art und Weise Technik in Sprache aus, was natürlich was ist, was im Studium sehr selten geleert wird. Da ist es eigentlich eher umgekehrt, man möchte technische oder naturwissenschaftliche Sachverhalte nach Möglichkeit in irgendeiner
Form mathematisch beschreiben, was für uns letztlich von untergeordneter Bedeutung ist.
Christina Schulz: Mhm, und was ist das spannendste an Ihrem Job?
Dr. Hermsdörfer: Das Schöne ist eigentlich, dass man sehr viele verschiedene Sachen sieht, zumal man auch sagen muss, viele Ideen sind eben wirklich gut. Also zum einen ist es, dass man hier Sachen zu sehen bekommt, wo ich schon weiß die Markteinführung, die ist in drei, vier, fünf Jahren. Das heißt es ist jetzt erstmal die initiale Idee, die hier später mal zum Produkt führen soll, was dann in irgendeiner Art und Weise käuflich erworben werden kann. Dann ist halt auch die Tatsache, dass man da wirklich immer wieder neue Sachen kriegt, auf den Tisch zum bearbeiten bekommt und man sagen muss, das ist jetzt, ja, wirklich gut durchdacht, das ist wirklich schön. Auch technisch gedacht, was man damit machen kann, wie dieser Effekt hervorgerufen wird. Das ist dann, ja, so ein bisschen... ich will jetzt nicht sagen der ästhetische Effekt, aber gerade wenn man aus einem naturwissenschaftlich-technischen Studium kommt, freut man sich natürlich schon so ein bisschen, wenn man erkennt, hier steckt wirklich ein kluger Gedanke dahinter. Das genauso zu machen, um damit wirklich einen signifikanten Vorteil erreichen zu können. Das ist jetzt natürlich nicht bei jeder Anmeldung so, aber es gibt schon immer wieder Sachen wo man auch sagen muss, das ist einfach wirklich gut durchdacht und gut überlegt, wie man dieses Problem mit technischen Mitteln lösen kann.
Christina Schulz: Und was würden Sie sagen ist das Wichtigste, was Sie während Ihres Studiums für Ihren jetzigen Job gelernt haben?
Dr. Hermsdörfer: Das Wichtigste ist wahrscheinlich, dass man so ein breites naturwissenschaftlich-technisches Grundverständnis vermittelt bekommt. Das ist so ein bisschen auch der Vorteil einem Physikstudium, dass da wirklich sehr stark in die Breite gegangen wird, was natürlich ein bisschen auf Kosten der Tiefe geht. Aber gerade für meinen Beruf eigentlich, würde ich das schon als vorteilhaft ansehen. Denn so in der Tiefe ausgebildet, dass man dann genau dieses Gebiet, auf das die jeweilige Akte abzielt, beherrscht, das ist ein reiner Zufall, falls das wirklich mal der Fall sein sollte. Also man kann sich natürlich schon ein bisschen darauf spezialisieren, ich habe ja jetzt gesagt, ich komme eigentlich aus dem Magnetismus. Selbst da gilt, das was ich in der Promotion gemacht habe, dass ich mal eine Anmeldung oder eine Akte auf den Tisch kriege, die sich genau mit diesem Thema befasst, ja das ist wirklich reiner Zufall. Aber der Vorteil ist, dass man sich in viele Sachen relativ schnell einarbeiten kann, einfach weil die Grundlagen da sind. Und in der Regel ist ja auch so, die Erfinder stehen als Fachleute sowieso zum Diskutieren zur Verfügung, das tiefergehende Fachwissen haben die sowieso. Das heißt da geht es im Wesentlichen darum, dass ich verstehe, was die machen wollen und da greift dann halt wieder das, was ich vorhin gesagt habe. Die Physik ist Gottseidank weltweit gleich, die physikalischen Gesetze gelten halt so oder so. Wenn der Anwalt da einmal das hoffentlich verstanden hat, wie das System funktioniert, dann ist die Akte eigentlich händelbar oder beherrschbar. Das Wichtigste ist da wirklich, dass man bedingt durch dieses breite technische und naturwissenschaftliche Grundwissen da auch schnell sich rein denken kann.
Was natürlich in einem normalen naturwissenschaftlichen und Ingenieur-Studium nicht vermittelt wird, ist sprachliche Ausdrucksfähigkeit oder auch juristische Denkweise. Für die juristische Denkweise gibt's ja dann dieses Kurzstudium an der Fernuniversität Hagen, mit dem sprachlichen Ausdrucksvermögen das ist natürlich was, was man so ein bisschen von Zuhause aus mitbringen sollte. Von daher, auch jetzt so ein bisschen als Tipp wer sich dafür interessiert, bei unserer Bewerbung, wir fragen eigentlich immer nach dem Abiturzeugnis. Das machen wir jetzt nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil das letzten Endes die einzige Möglichkeit ist, ja, nochmal was über die sprachlichen Ausdrucksfähigkeiten des Bewerbers oder der Bewerberin rauszufinden. Im Studium taucht das ja praktisch nicht mehr auf, das heißt ob da jetzt die Deutsch-, Englisch-, Französisch-, Latein-, was auch immer Note, die gibt dann halt schon nochmal so ein bisschen Aufschluss darüber, wie man mit Sprache umgehen kann. Das Technische deckt dann natürlich das Bachelor-, Master-, Diplom-, was auch immer Zeugnis ab.
Christina Schulz: Was möchten Sie heutigen Studierenden gerne mit auf den Weg geben?
Dr. Hermsdörfer: Also als Tipp, gerade für Physiker, würde ich sagen: erstens man sollte nach Neigung studieren, auch bei der Festlegung der Vertiefungsrichtungen im Studium. Also es bringt nichts, sich komplett gegen die eigenen Interessen zu zwingen etwas zu machen, was vermeintlich irgendwie erfolg-versprechender sein soll. Das heißt erstmal ausschließen, was einen nicht interessiert und dann gucken, was davon übrig bleibt. Da würde ich dann vielleicht eher sagen, was ist davon am ehesten erfolgversprechend.
Das Zweite, hatte ich jetzt schon mal gesagt, Auslandsaufenthalte finde ich sehr sinnvoll. Weniger weil man da jetzt noch groß was über die Physik lernen würde, aber weil es so ein bisschen den eigenen Horizont erweitert. Dass man dann lernt, man kann das gleiche Problem eigentlich auf ganz unterschiedliche Art und Weise lösen, dass man auch sieht, was sind die Vorteile oder Nachteile davon, dass man eine fremde Kultur nochmal kennenlernt. Und da ist es glaube ich auch nicht mal so entscheidend, wo man hingeht, sicher je nachdem was man machen möchte, ist das eine Land interessanter als das andere. Für diese diese kulturelle Erfahrung ist es letzten Endes glaube ich egal, da kommt es einfach darauf an, dass man ein paar Monate in einem fremden Land mit einer fremden Sprache sich zurechtfinden muss und einfach mal sieht, wie es dort funktioniert.
Das Dritte, was ich jetzt noch nicht angesprochen hatte, allerdings was ich gerade für Physiker sehr wichtig finde, ist, dass man mal Praktika macht, also mal in Betriebe reinschnuppert. Einfach vor dem Hintergrund es gibt keine Pflichtpraktika im Studium, gab es zumindest damals nicht, ich glaube es gibt auch heute keine und man muss da auch mal sich selbst austesten. Also ich würde noch nicht mal sagen, das Praktikum muss ein voller Erfolg sein. Wenn zum Schluss da steht, ich bin nicht der Typ, um in einem Großunternehmen zu arbeiten, ist das auch eine wichtige Erkenntnis. Da spart man sich vielleicht dann Frust in den ersten Berufsjahren, weil man dann doch meint man muss irgendwie zu einem Dax-Konzern und ist dort kreuzunglücklich. Es gibt da verschiedene Typen von Menschen und jeder muss dann so ein bisschen schauen, was für ihn selbst passend ist. Also es gibt Leute, die sind total glücklich in kleinen, inhabergeführten Firmen, weil die mit dem Chef quasi auf du und du sind. Es gibt Leute die sind bei sowas
kreuzunglücklich, weil die sagen Arbeit ist Arbeit und ich möchte halt irgendwann wirklich einen harten Schnitt machen und das ist dann privat. Das ist vielleicht in kleinen Unternehmen nicht ganz so möglich, wie es jetzt in einem etwas anonymeren Großkonzern der Fall sein würde. Da muss einfach jeder für sich schauen, was er am besten kann. Und sowas zu testen, da sind eigentlich Praktika ganz gut. Oder auch mal um zu schauen, für Physiker, welche Tätigkeitsfelder gibt's da eigentlich, wo könnte ich dann zum Schluss mal landen? Da ist, was einerseits ein Vorteil der Physik ist, dass man halt relativ viel und relativ breit studiert. Ist dann umgekehrt natürlich auch ein bisschen Nachteil. Jetzt salopp gesagt: die Chemiker wissen alle, dass sie später bei der BASF landen und die E-Techniker bei Siemens oder was auch immer. Für die Physiker ist es halt weit weniger klar, wenn sie nicht gerade Optik machen und Carl Zeiss im Hinterkopf haben, sind die da so ein bisschen befangener, wo es eigentlich später mal hingehen könnte. Und auch da sind eigentlich Praktika eine schöne Möglichkeit um mal zu schauen, was eventuell in Frage kommen könnte.
Christina Schulz: Herr Dr. Hermsdörfer, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Dr. Hermsdörfer: Sehr gerne!
~ Gesprächsende ~
[Outro-Musik spielt]
Einspieler: Weitere Informationen und Veranstaltungen findet ihr unter: tud.de/deinstudienerfolg/ofp
Folge 11: IN A NUTSHELL mit Chemikerin Dr. Juliane Garz - Vakuumtechnologie
Diese Episode ist in Kooperation mit dem Career Service of the TU Dresden entstanden.
Dr. Juliane Garz ist Chemikerin und arbeitet als industrial Market Sector Manager bei der Edwards GmbH, einem Hersteller für Vakuumtechnologie und Abgasreinigung.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: In a Nutshell.
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften. Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Mein heutiger Gast ist Dr. Juliane Garz. Die Chemikerin ist Industrial Market Sector Manager bei der Edwards GmbH.
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Hallo Frau Dr. Garz. Vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit für ein OFP Podcast Interview nehmen!
Dr. Juliane Garz: Ja Hallo, freut mich hier zu sein!
Christina Schulz: Wir steigen direkt ein mit unserer Schnellfragerunde. Homeoffice oder Büromensch?
Dr. Juliane Garz: Ja ganz klar für mich Home Office. Ich habe das kennen und lieben gelernt über die letzten Jahre und möchte das eigentlich nicht mehr missen. Es ist einfach die Flexibilität, die habe ich lieben gelernt, die Arbeitszeit auch ein Stück weit frei einteilen zu können. Das ist einfach, auch wenn man Familie hat, für mich die bessere Alternative.
Christina Schulz: Frühaufsteher oder Nachtmensch?
Dr. Juliane Garz: Ja, ist schwer. Ich bin eigentlich vom Naturell her ein absoluter Nachtmensch, also eher die Eule, hab auch z.B. meine Promotion eher so nachmittags angefangen und dann bis nachts reingeschrieben. Das hat sich leider geändert, oder “leider” hat sich geändert einfach mit den Kindern, die Kinder sind jetzt Frühaufsteher und von daher geht der Tag spätestens um 7 Uhr los. Ich hab mich dran gewöhnt, vielleicht kommen auch wieder andere Zeiten.
Christina Schulz: Buch oder Hörbuch?
Dr. Juliane Garz: Hörbuch muss ich ganz klar im Moment sagen, auch wieder dadurch bedingt, dass mir einfach die Zeit zum Lesen fehlt. Und dann finde ich es z.B. auf Autofahrten oder auch wenn ich unterwegs bin auf Dienstreise, im Auto, Flugzeug, Zug, sehr schön, einfach ein Hörbuch zu hören, das entspannt mich und strengt die Augen dann nicht so an. Oder auch wenn die Kinder schon im Bett liegen und ich irgendwie noch Händchen halten muss bei der Kleinen, mache ich mir dazu ein Hörbuch ins Ohr und kann dann ein bisschen vor mich hin entspannen.
Christina Schulz: Sommer oder lieber Winter?
Dr. Juliane Garz: Sommer, ganz klar. Ich liebe die Wärme, wenn es kalt und dunkel ist, dann schlägt mir das schon manchmal aufs Gemüt.
Christina Schulz: Mhm. Stift und Papier oder Tablet?
Dr. Juliane Garz: Da bin ich auch wieder ganz oldschool, Stift und Papier. Ich habe immer bei meiner Arbeit ein Notizheft zu liegen, wo ich mir Notizen rein mache. Dann ärger ich mich zwar hinterher oft, dass ich ewig blättern muss, um die Notizen wiederzufinden und würde mir wünschen, das wäre alles schon irgendwo digitalisiert. Aber für mich gehört das irgendwie zum Denkprozess mit dazu, Sachen tatsächlich aufzuschreiben.
Christina Schulz: Vielen Dank! Sie sind Chemikerin. Warum haben Sie sich für ein Studium der Chemie entschieden?
Dr. Juliane Garz: Ja, das ist gar nicht so einfach zu sagen. Ich habe nie wirklich einen festen Plan gehabt, für mich war das lange nicht klar, dass ich Chemie studiere bzw. es kam relativ überraschend. Nach der Schule wusste ich eigentlich erstmal gar nicht, was ich machen will und hatte mir dann verschiedene Sachen rausgesucht. Und habe mich dann aber entschieden, erstmal noch ein Wartesemester zu machen, hab damals ein Praktikum in Spanien dann gemacht in dieser Zeit. Als ich dann danach wieder gekommen bin, wollte ich ursprünglich Kommunikationspsychologie studieren, weil mir das, ja, sehr interessant erschien. Da hatte aber mein NC auch nach dem Warte-semester dann nicht gereicht und dann habe ich überlegt, was liegt mir noch, was verbindet Kreativität mit irgendetwas, was trotzdem Hand und Fuß hat. Und natürlich habe ich auch geguckt, wo hat man später vielleicht bessere Berufschancen, das ist ja bei den kreativen Studiengängen oft nicht so der Fall.
Und da kam ich auf Chemie, weil mir das in der Schule schon gelegen hatte. Ich hatte zwar Kunst/Englisch Leistungskurs und Physik abgewählt, aber Chemie hat mir eigentlich immer Spaß gemacht und dann dachte ich mir, probierst du das einfach aus. Und so bin ich dann zur Chemie gekommen. Ich habe dann in der ersten Zeit, gerade mit den ersten ein, zwei Klausuren, festgestellt, dass es doch nicht so einfach ist und man das nicht so eben nebenbei macht. Und habe mir dann überlegt, ja, ganz oder gar nicht, hab die Ärmel hochgekrempelt und das durchgezogen und habe es nie bereut.
Christina Schulz: Und was ist das Wichtigste, was Sie aus dem Studium oder der darauf folgenden Promotionszeit mitgenommen haben?
Dr. Juliane Garz: Also klar, im Studium kriegt man natürlich viel, viel Fachwissen vermittelt. Das ist aber meiner Meinung nach gar nicht das Entscheidende, sondern so ein Studium und gerade dann die Promotionszeit ist für mich eher so ein Prozess für die Persönlichkeit. Wo man auf der einen Seite analytisches Denken lernt und auch die die systematische Herangehensweise an Problemstellungen oder an Aufgabenstellungen und wo man, gerade in der Promotion, dann eben auch lernt, irgendeinen Sachverhalt eigenständig systematisch zu bearbeiten. Und das ist eigentlich das, was ich mitnehmen würde.
Und natürlich, gerade wenn man auf die Promotion guckt, ist es so, dass die Frust-Toleranz doch sehr ausgeschöpft, manchmal sogar überschritten wird. Das ist auch was, was denke ich die Persönlichkeit prägt. Man lernt einfach, mit diesem Frust umzugehen und in den meisten Fällen lernt man auch, dass man aus so einem Tief wieder raus kommt und am Ende irgendwas Gutes dabei rauskommt.
Christina Schulz: Was ist Ihre Position bei der Edwards GmbH und welche Aufgaben umfasst Ihre Tätigkeit?
Dr. Juliane Garz: Ja, also ich bin seit zweieinhalb Jahren in dieser Position, bin hierher gekommen zur Edwards GmbH vor sieben Jahren etwa, also direkt nach meiner Promotion. Bin damals im Vertrieb eingestiegen, für Nordost-Deutschland und war damals zuständig für Unis und öffentliche Einrichtungen, hab die also betreut als Kunden. Und bin jetzt dann vor zweieinhalb Jahren gewechselt, nicht nur was die Region betrifft, also raus aus Deutschland im Prinzip in den EMEA-Bereich, aber auch was die Kunden betrifft. Von den wissenschaftlichen Kunden bin ich weg zu den Industrie- und auch Chemiekunden, das heißt der Bezug zum Studium ist hier jetzt für mich ein bisschen mehr gegeben wieder.
In dieser Position, als sogenannter Market Sector Manager, unterstütze ich jetzt im Prinzip unser Vertriebsteam und auch unsere Handelspartner in den verschiedenen Ländern und Regionen bei der Auswahl der Vakuumpumpen. Das heißt der Kunde hat einen bestimmten Prozess, der Vakuum involviert, das kann aus den unterschiedlichsten Industrie-segmenten sein und braucht da einfach eine Vakuumpumpe. Und ich schaue mir den Prozess an, welche Prozessgase sind da, welcher Druckbereich ist gewünscht und empfehle dann eine Vakuumpumpe bzw. mache auch Kalkulationen etc. für den Kunden.
Christina Schulz: Wo werden diese Vakuumpumpen vor allem eingesetzt?
Dr. Juliane Garz: Das ist ein sehr breites Feld und im Prinzip, fast jeder Industrieprozess hat an irgendeiner Stelle Vakuum. Wenn wir jetzt auf die Chemie gucken, dann sind das im Prinzip alle Herstellungsprozesse, wo man komplizierte oder längere Moleküle herstellt. An irgendeiner Stelle muss destilliert werden, das wird oft unter Vakuum gemacht oder getrocknet oder ähnliche Verfahren. Und wenn wir dann weiter gucken, der Halbleiterbereich ist gerade für Edwards sehr sehr wichtig. Also alle alle Halbleiterchips, Handys, Leiterplatten, Elektronik, das wird alles unter Vakuum gefertigt, weil es eben sauber und staubfrei sein muss. Dann wird es auch noch beschichtet mit bestimmten Sachen, das muss unter Vakuum passieren. Die Autoindustrie verwendet haufenweise Vakuum, da werden viele Teile unter Vakuum gefertigt, Stahlindustrie, überhaupt metallverarbeitende Bereiche, da gibt es viel Vakuum. Dann geht's weiter mit Verpackungsindustrie, viel wird unter Vakuum verpackt, Medizin, Lebensmittel, alles mögliche. Lebensmittel werden auch unter Vakuum oft nochmal behandelt, um störende Gase zu entfernen, Sauerstoff oder ähnliches, einfach um sie länger haltbar zu machen oder Gefriertrocknung z.B. wird unter Vakuum gemacht. Ja, also die Palette ist breit, da könnte man noch sehr sehr lange weiterführen denke ich.
Christina Schulz: Wie sieht so ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Dr. Juliane Garz: Ja, den typischen Arbeitstag gibt's bei mir gar nicht so, weil ich sehr projektbezogen arbeite. Das heißt es kommt immer darauf an, was für Projekte werden über unseren Vertrieb oder über unsere Handelspartner an mich herangetragen und an denen arbeite ich dann eben. Typischerweise morgens gucke ich in meinen Outlook-Kalender, was steht da drin für den Tag. Das können dann Meetings mit unserem Vertrieb sein, um irgendwas zu besprechen. Oder ich präsentiere dann was, in einem Meeting mit dem Kunden direkt. Manchmal, z.B. diese Woche, habe ich auch schon Trainings gegeben, wo ich dann unseren Vertrieb oder unsere Handelspartner schule auf bestimmte Vakuumpumpen, Produkte oder auch Applikationen.
Manchmal ist es für mich auch reine Schreibarbeit, nenne ich es jetzt mal, z.B. wenn ich an irgendeinem Marketing Material arbeite. Zum Beispiel haben wir einen Vakuum-Guide für die chemische Industrie entwickelt, an dem ich gearbeitet habe. Das war ein bisschen so wie eine kleine Diplomarbeit von der Art, wo einfach noch mal alles drin steht. Oder ich verfasse irgendwelche Case Studies, wo wir an einem bestimmten Beispiel für einen Prozess zeigen, welche Vakuumpumpe da passt und das trage ich dann zusammen. Also meine Arbeit ist sehr vielfältig und das ist für mich auch genau der Teil, der es so reizvoll für mich macht und warum mir die Arbeit so viel Spaß macht.
Christina Schulz: Gibt es etwas, was Sie heutigen Studierenden gerne mit auf den Weg geben möchten?
Dr. Juliane Garz: Was würde ich ihnen gerne mit auf den Weg geben? Ich denke das Wichtigste ist eigentlich, dass man über den Tellerrand schaut und sich nicht nur auf das, wenn es jetzt das Chemiestudium ist, auf das Fachwissen der Chemie dabei konzentriert. Und dass man vor allem die Zeit im Studium auch nutzt, um um andere Sachen auszuprobieren. Also ich weiß nicht wie das jetzt aktuell ist, es gibt ja keine Diplomstudiengänge mehr. Bei mir war das damals noch Diplom, da war die Freiheit relativ groß, dass man auch nochmal andere Kurse belegen konnte. Ich hab zum Beispiel einen Chinesisch-Kurs belegt oder Philosophie noch nebenbei, einfach dass man diese Zeit nutzt, um um nochmal zu gucken, was macht einem Spaß und was liegt einem.
Wenn es dann in Richtung geht, was was mache ich mit meinem Studium, dann sollte man sich da nicht abschrecken lassen von irgendwelchen Stellenbeschreibungen. Die klingen ja oft sehr sehr abgehoben und man liest die und weiß überhaupt nicht, was bedeutet das überhaupt und kann sich schon gar nicht vorstellen, dass man selbst dafür dann geeignet ist. Und bei mir war es damals so, ich bin zur Edwards [GmbH] gekommen, einfach über die DPG-Tagungen, einfach indem ich da am Stand mich bei verschiedenen Firmen informiert hatte über Berufseinstiegsmöglichkeiten. Und da bin ich bei Edwards hängen geblieben und hab mich da mit einem Kollegen aus dem Vertrieb unterhalten, der mir auch ein Stück weit dann die Skepsis genommen hat, die man ja so allgemein hat. Vertrieb ist für die meisten eher sowas, wo sie sagen: “Nee, auf gar keinen Fall!” Und ich muss sagen, oft ist aber gerade Vertrieb ein super Einstieg in interessante Firmen, wo man sonst eigentlich gar nicht reinkommen könnte. Und es ist einfach für viele auch, auch für viele promovierte Naturwissenschaftler, ein Sprungbrett dann vom Vertrieb in irgendeine andere Tätigkeit, wie es bei mir ja auch der Fall war.
Und da würde ich einfach sagen, nicht zu engstirnig da ran gehen. Ein Chemiestudium bedeutet z.B. nicht immer, dass man später Laborleiter werden muss, sondern die Möglichkeiten sind da doch auch sehr vielfältig. Ja, da würde ich auch eben sagen, frühzeitig gucken, dass man mal informell mit den Firmen in Kontakt tritt, zum Beispiel auf Messen und Tagungen. Oder auch wenn es die Möglichkeit gibt, bei Edwards z.B. kann man auch als Praktikant oder als Werkstudent schon mal reinschnuppern. Und dann merkt man ja, was erwartet einen in der Firma überhaupt und kann sich dann später auch mehr darunter vorstellen, was man überhaupt macht in bestimmten Firmen oder Berufsfeldern.
Für mich persönlich ist denke ich auch wichtig oder das würde ich jedem ans Herz legen, Auslandserfahrungen mitzunehmen in der Zeit. Entweder im Studium oder bei mir war es so, ich habe es schon vor dem Studium gemacht. Ich war in der elften Klasse in den USA und dann, wie gesagt, nach der Schule auch noch mal ein halbes Jahr in Spanien und ich denke, das ist für die Persönlichkeit doch ein sehr sehr wichtiger Schritt. Zum einen eine andere Kultur zu erleben und zum anderen auch zu merken, dass man alleine in einer fremden Umgebung sehr gut zurechtkommt. Und natürlich das A und O sind auch die Englischkenntnisse, die man dann mitbringt. In der heutigen Berufswelt ist es, ja, fast obligatorisch, dass man Englisch kann und gerade bei mir, habe ich ja schon gesagt, meine Alltagssprache ist Englisch. Und da habe ich einfach früh die Voraussetzungen schon geschafft und das kann ich auch jedem nur empfehlen, das zu machen an irgendeinem Punkt. Wenn nicht in der Schule oder zwischen Schule und Studium, dann eben im Studium oder auch in der Promotion, da geht das ja auch noch.
Christina Schulz: Ich danke Ihnen ganz herzlich für das interessante Gespräch Frau Dr. Garz!
Dr. Juliane Garz: Ja, ich bedanke mich auch!
~ Gesprächsende ~
[Outro-Musik spielt]
Einspieler: Weitere Informationen und Veranstaltungen findet ihr unter: tud.de/deinstudienerfolg/ofp
Folge 12: Als Mathematiker bei einem mittelständischen Softwareunternehmen
Jakob Wagner hat Mathematik studiert und arbeitet jetzt bei Qoniac, einem Softwareunternehmen für die Halbleiterindustrie. Was seine Aufgaben als "Product Owner" und "Requirements Engineer" sind, erzählt er uns in dieser Podcast-Folge.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: Hör rein, in die Praxis!
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Natur-wissenschaften.
Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Mein heutiger Gast ist Jakob Wagner, er hat Mathematik studiert und arbeitet jetzt bei Qoniac, einem Softwareunternehmen für die Halbleiterindustrie.
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Hallo Herr Wagner! Ich freue mich sehr, heute mit Ihnen zu sprechen.
Jakob Wagner: Hallo Frau Schulz, ich freue mich sehr, hier zu sein.
Christina Schulz: Herr Wagner, Sie haben an der TU Bergakademie Freiberg angewandte Mathematik studiert. Wann war denn für Sie klar, dass das für sie das richtige Studienfach ist?
Jakob Wagner: Mathematik und Naturwissenschaften haben mich eigentlich schon mein ganzes Leben über fasziniert. Ich hab in der Schule gerne Mathematik gemacht. Ich war bei der Mathematikolympiade mit dabei, jetzt natürlich nicht weit oben, aber ich hab immer mit teilgenommen und es hat mir immer großen Spaß gemacht. Deswegen war mir auch ziemlich zeitig klar, dass ich auch was in die Richtung studieren möchte. Dann in der so 11./12. Klasse, in der Sekundarstufe 2, hat unsere Schule damals so… die wollten uns auf das Studium vorbereiten und haben deswegen so einen Workshop angeboten, wo sich dann verschiedene Universitäten vorgestellt haben. Und auch vorgestellt haben, was die da so machen, was man da studieren kann und wie es dann so ungefähr aussieht. Und da war mir dann schon klar, das könnte es dann so sein. Ich weiß nicht, ob ich mich da wirklich zu 100 Prozent auf Mathe schon festgelegt hatte, aber ich weiß noch, dass ich da so eine Art Schlüsselerlebnis hatte. Ein paar Wochen später, als ich einfach im Matheunterricht saß und unser Lehrer hatte irgendwas vorgerechnet und aus dem Nichts hat mich dann einfach so ein Gedanke überfallen: “Wenn du nicht Mathe studierst, dann wirst du sowas hier vermutlich nicht mehr haben. Ist denn das, was du willst?” Und ab dem Punkt war einfach klar, es muss Mathe sein.
Christina Schulz: Mhm. Was hat Ihnen denn am Mathematikstudium besonders gefallen und was hat Ihnen vielleicht dann auch nicht so gefallen?
Jakob Wagner: Also am Mathematikstudium war die erste Zeit die Schwierigste, rein vom Fach her. Das Grundstudium fand ich und finden die meisten viel, viel schwieriger als das Hauptstudium., weil dort wird ausgesiebt. Im Hauptstudium macht man dann auch das, was tatsächlich richtig Spaß macht. Was mir richtig Spaß gemacht hat, war der Fachbereich Optimierung, weil ich da einfach den Bezug zur echten Welt am meisten gesehen habe. Macht ja Sinn, jeder will irgendwas optimieren. Das hat mir dann besonders Spaß gemacht.
Was mir am Studium selber, jetzt unabhängig von der Fachrichtung, was mir am Studium selber besonders gefallen hat, das war die Freiheit. Einfach so, dass man das erste Mal so auf eigenen Beinen steht, dass man völlig, also fast konsequenzlos, tun kann, was man will. Ich meine ja klar, man sollte jetzt nicht in Schwierigkeiten mit dem Gesetz kommen, das ist nicht konsequenzlos. Aber ob man jetzt vier, fünf, sechs Mal hintereinander Nudeln ist, weil die so super geil sind, was man zu Hause vermutlich nicht getan hätte, da kann man es tun. Ich habe mich abends mit irgendwelchen Freunden getroffen und um 2 Uhr nachts haben wir dann gesagt: “Schauen wir jetzt noch einen Film? Na klar schauen wir jetzt noch einen Film, morgen geht es später in die Uni!” Machst du dann, aber machst du in der Schulzeit definitiv nicht. Sowas hat mir gefallen, einfach dieses frei sein. Ebenfalls an der Uni, in der ich war, das war eine sehr… also in praktisch jeder Uni ist es viel internationaler, als noch in der Schule. Diese verschiedenen Leute kennenlernen, ich hab mit Indern Cricket gespielt, also Sachen passieren, die dir in der Schule nie passieren und es war alles super interessant. Es hat mir sehr gefallen.
Christina Schulz: Und gab es so Momente, wo Sie Zweifel oder Bedenken hatten während Ihres Studiums?
Jakob Wagner: Ich musste mich erstmal einpegeln. Das erste Semester, das haben wir damals, meine Studienfreunde und ich, das haben wir sehr, sehr, sehr ernst genommen und haben genau das gemacht, was die Professoren gesagt haben. Zu jeder Vorlesung kommen, die dann nacharbeiten und ihre kommenden Vorlesungen vorarbeiten. Und wir haben Wochen vor den Prüfungen angefangen zu lernen. Ich sag jetzt nicht, dass das das Falsche ist. Es ist definitiv das, was man machen sollte, versteht mich nicht falsch. Aber wir haben uns aufgerieben und da haben wir am Ende gute Noten gekriegt und waren uns dann aber auch sicher, wir kriegen keine sehr guten Noten. Also ich zumindest wusste, ich krieg keine sehr guten Noten, weil das gibt es bei mir einfach nicht her. Und gute Noten hätte ich vermutlich auch mit weniger Aufwand gekriegt. Man muss halt diese Pareto Regel, diese 80/20 Regel befolgen.
Mein zweites Semester war das andere Extrem, da hab ich zu wenig gemacht und am Ende habe ich dann halt auch den Preis gezahlt. So bin ich durch meine erste, ich wusste damals nicht, dass es meine einzige Prüfung sein würde, aber ich bin durch meine erste Prüfung durchgefallen. Und in den anderen Prüfungen, die ich gemacht hab, naja, das war nicht meinen Fähigkeiten, sondern eher der Wohlgesonnenheit der Korrekteure geschuldet, dass ich da nicht durchgefallen bin. Aber in dem Moment war mir auch klar, unabhängig der Noten ist es halt das, was ich gerne mache.
Deswegen war mir eigentlich klar, das ist es, da werde ich jetzt nicht von abweichen oder so.
Christina Schulz: Und so sind Sie dann auch durch diese schwierigen ersten Semester, durch das Grundstudium ganz gut letztendlich durchgekommen?
Jakob Wagner: Ja, so gut wie es mir möglich war auf jeden Fall. Das Hauptstudium, das war dann anders, da hatte ich dann viel mehr Spaß und auch bessere Noten. Aber ja, das Grundstudium, da hab ich mich durchgebissen und man muss sich da auch durchbeißen. Ich hab bis jetzt noch keinen Menschen erlebt, dem das Grundstudium leicht gefallen ist.
Christina Schulz: Mhm, ja. Und jetzt entwickelt man ja auch während der fortschreitenden Semester vielleicht so eine Vorstellung von der späteren Berufstätigkeit oder wird auch immer mehr damit konfrontiert, was möchte man dann eben damit auch mal machen.
Welche Vorstellungen hatten Sie denn von der Berufstätigkeit während Ihres Studiums?
Jakob Wagner: Also mir ist es ziemlich schwer gefallen, eine Vorstellung des Berufslebens dann am Ende zu haben, weil Mathe ist einfach so ein sehr, sehr breit gefächerter Bereich. Man kann wirklich verschiedenste Sachen machen. Man kann Numerik, Optimierung, Stochastik, man kann in der Analysis irgendwelche Differenzialgleichung lösen, es ist super breit gefächert. Und deswegen kann man auch super variabel sich spezialisieren, wenn das denn Sinn macht. Was unsere Professoren uns damals gesagt haben, wie es denn für uns im Berufsleben aussehen würde, war auch breit gefächert. Du kannst natürlich, wenn du in der Stochastik gut bist, kannst du am Ende irgendwelche Risikoberechnungen machen für Versicherungen oder du kannst bei Banken anfangen. Du kannst, wenn dir die Analysis gut liegt… also unser Professor hat uns damals gesagt: “Es wird nicht die Aufgabe des Mathematikers sein, selber Differenzialgleichungen zu lösen. Sondern der Physiker in einem Unternehmen löst die Differenzialgleichungen und kommt am Ende zum Mathematiker, um die Lösung auf ihre Güte überprüfen zu lassen.” Davon hab ich völlig die Finger gelassen. Optimierung war so das, was man sich so unter dem vorstellt, dass man die bestmögliche Lösung für irgendein Problem finden möchte.
Am Ende hatten zumindest in meinem Fall alle Unrecht, speziell bei mir, wo ich die Optimierung so präferiert hatte. Wir haben verschiedene Algorithmen kennengelernt, verschiedene Herangehensweisen, wie man Lösungen finden kann. Aber Algorithmen, die gibt es schon seit Jahren und wenn es die seit Jahren gibt, dann haben andere kluge Leute die schon implementiert und in Code gegossen. Und wenn man dann tatsächlich eine Firma hat und ein Optimierungsproblem lösen möchte, dann kann man entweder einen Optimierer einstellen, der es für viel Geld macht und viel Zeit braucht oder man holt sich dann einfach, in den verschiedensten Programmiersprachen gibts da Bibliotheken zu, man holt sich dann einfach so eine Bibliothek davon. Und sagt: “Programm rechne mal, find mir mal die Lösung.” Und das Programm rechnet, findet die Lösung, viel billiger, viel schneller und vermutlich auch exakter, als es der Optimierer könnte. Das heißt die eigentliche Fähigkeit, die man im Mathestudium kriegt und sich erarbeitet und die dann tatsächlich auch im Beruf gebraucht wird, das ist
einerseits dieses kritische Denken, andererseits dieses, dass man sich in einem Problem festbeißen kann und nicht loslässt und es so lange beackert, bis es gelöst ist. Und ganz besonders wichtig: dieses Aufbrechen von einem großen Problem in viele kleine Teilprobleme, die dann leicht gelöst werden können. Das ist eigentlich das, worauf es in der Mathematik mit am meisten ankommt: Wie isst man einen Elefanten, Bissen für Bissen.
Christina Schulz: Und wie hat sich dann konkret nach Abschluss Ihres Studiums Ihr Berufseinstieg gestaltet?
Jakob Wagner: Also als sich mein Studium so dem Ende entgegen geneigt hat, war mir schon klar ok, ich möchte unbedingt diese Situation vermeiden: Das Studium ist zu Ende und ich weiß nicht was zu tun ist. Ich stehe irgendwie auf der Straße, habe keinen Job, kann die Wohnung nicht bezahlen, alles Mist.
Christina Schulz: Das ist ja ein Horrorszenario! [beide lachen]
Jakob Wagner: [noch lachend] War es damals für mich, wirklich!
Und auch rückblickend, es wäre der Horror gewesen. Deswegen habe ich mich relativ zeitig schon umgeguckt, nach irgendwie, ja, Stellenangeboten, was da so angeboten wird für Leute wie mich. Und gefunden hab ich am Ende eine Stellenausschreibung vom Fraunhofer Institut, dem Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen. Ich hab die Stellenausschreibung davon gesehen und hab gesagt ja, das das hört sich eigentlich sehr, sehr vernünftig an, da bewerbe ich mich mal drauf. Das Problem war, dass ich das am 31. Oktober gesehen hab und genau der Tag war Abgabefrist, also praktisch Einstellungsschluss für das Fraunhofer Institut. Deswegen habe ich in Windeseile, so schnell ich konnte, irgendwie mir einen Lebenslauf, ein Bewerbungsschreiben zusammengezimmert. Und es wirklich spät abends am 31. Oktober dann noch abgeschickt, gerade noch so rechtzeitig. Wie dem auch sei, ich wurde zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Ich hab mich mit dem Andre Lange, der mich dort interviewt hat, habe ich mich sehr gut verstanden und am Ende wurde ich halt auch eingestellt. Und das war ein Glück für mich, weil es war, ja, es war am Ende eine sehr, sehr schöne Zeit im Fraunhofer Institut.
Christina Schulz: Und wie sind Sie dann zu ihrem jetzigen Arbeitgeber Qoniac gekommen?
Jakob Wagner: Die Sache beim Fraunhofer Institut ist, dass die nur befristete Verträge anbieten. Natürlich haben die ein Kontingent, also für verschiedene Leute, die sie unbefristet einstellen können. Aber um beim Fraunhofer unbefristet eingestellt zu werden, muss man es halt schon ziemlich drauf haben. Und das hatte ich nicht, das habe ich nicht, also da gibt es wirklich, wirklich, wirklich kluge Menschen. Ich hatte einen Dreijahresvertrag und hatte praktisch die Aussicht, diesen Dreijahresvertrag um drei weitere Jahre zu verlängern. Wären diese sechs Jahre am Ende abgelaufen, wäre ich in genau der gleichen Situation gewesen, wie direkt nach dem Studium. Dieses du stehst auf der Straße und ja, hm, was machst du jetzt? Deswegen wollte ich dem auch vorbeugen und hab einfach immer mal wieder so nach irgendwelchen Stellenausschreibungen geguckt und habe am Ende auch die Stellenausschreibung von meinem jetzigen Arbeitgeber Qoniac gefunden. Hab mir die durchgelesen und dachte mir: “Oh verdammt, diese Stellenausschreibung, die sieht jetzt nicht so aus, als ob sie jemanden wie mich suchen, sondern sie sieht so aus, als ob die tatsächlich genau mich suchen.” Also habe ich mich da mal beworben und ich bin da mit verschiedenen Leuten von Qoniac in Kontakt gekommen. Und es war wirklich, obwohl es so eine - ich mein jedes Bewerbungsgespräch ist eine Stresssituation - obwohl es so eine Stresssituation war, war es wirklich angenehm, einfach der Umgang mit den Leuten. Geholfen hat mir dabei natürlich, dass ich halt diesen weiteren Dreijahresvertrag beim Fraunhofer Institut in Aussicht hatte. Das heißt, es es war jetzt keine “friss oder stirb” Situation bei mir. Ich hatte halt so noch Möglichkeiten und das hat bei mir für eine ganze Menge Entspannung gesorgt. Und insofern hatte es die Möglichkeit, angenehme Gespräche zu werden und es waren am Ende angenehme Gespräche und ja, am Ende haben sie mich sogar genommen.
Christina Schulz: Ja, was macht denn Qoniac eigentlich?
Jakob Wagner: Also wir machen Software, speziell machen wir Optimierungssoftware für den Lithografieprozess von FABs [Semiconductor Fabrication Plants - Halbleiterwerke]. Das wird jetzt natürlich wenigen Leuten was sagen, also FABs sind die Mikrochip-herstellenden Fabriken praktisch. Weil gerade eine so dermaßen große Mikrochip-Knappheit herrscht in der Welt, also jeder hat Mikrochip-Knappheit, laufen die FABs voll auf Anschlag und können deswegen jedes bisschen Optimierung in ihrem Fertigungsprozess gut vertragen. Und da steigen wir ein, wir machen Software, damit gerade dieser Prozess optimiert wird. Als ich bei Qoniac angefangen hab, wurden mir erstmal zwei Mentoren zugewiesen. Das Erste, was wir da gemacht haben, ist, dass ich so ein bisschen das Programmieren gelernt hab. Programmiert hab ich schon vorher beim Fraunhofer Institut, aber nicht in der Programmiersprache, in der wir es jetzt gerade machen. Deswegen, die erste Phase war reine Einarbeitungsphase, also wie programmieren wir hier, was sind die Programmierstandards. Was genau machen wir überhaupt, wie sieht unser Programm aus und was läuft unter der Haube. Was passiert, wenn ich hier die diese Checkbox zum Beispiel anklicke? Es ist ein sehr komplexes Programm, deswegen hat das auch einiges an Hirnschmalz und Zeit gekostet, bis man da erstmal so ein bisschen durchgestiegen ist.
Nach einer Weile sind dann Leute zu mir gekommen und haben gefragt: “Hey, hier, du würdest dich doch eigentlich gut in der Rolle als Requirements Engineer eignen?” Und dann bin ich Requirements Engineer geworden. Was ist ein Requirements Engineer? Das ist ein bisschen schwer zu erklären. Es ist, im Kern seines Wesens, ein Übersetzer. Wir haben nämlich verschiedene Parteien bei uns in der in der Firma. Wir haben die Partei, die direkt mit dem Kunden im Kontakt steht, also halt der Beauftragte der FABs. Der Kunde kennt das Programm und weiß, was in diesem Programm vielleicht noch fehlen würde, damit es für ihn perfekt wäre und geht dann an seinen Beauftragten von unserer Firma. Und sagt hier, wir hätten gern Folgendes noch in diesem Programm drinne. Wenn jetzt derjenige, der mit dem Kunden in Kontakt ist, direkt zu den Programmierern gehen würde - ich meine, das wurde schon bevor es Qoniac gab, wurde das schon so ausprobiert. Es klappt einfach nicht, weil die in zwei völlig verschiedenen Welten leben. Der Programmierer, der kann nicht den Überblick über das gesamte Programm haben, der muss den Überblick über das Programmieren haben. Und der, der mit dem Kunden in Kontakt ist, der hat den Überblick über das Programm, kann aber wenig Ahnung vom Programmieren als solches haben. Das heißt, man braucht einen Übersetzer zwischen diesen beiden Welten und das bin ich. Jemand, der so ein bisschen Ahnung vom Programmieren hat und der hier ziemlich den Überblick vom Programm hat. Und das mache ich, genau. Das heißt, ich war dann bei Qoniac, hab ne ganze Weile Requirements Engineer gemacht und irgendwann ist von unserem Team der Product Owner befördert worden und dann war praktisch der Job als Product Owner frei. Dann sind sie zu mir gekommen und haben gefragt: “Ey, hier Jacob, wie wärs? Wär das was für dich?” Und ich habe überlegt, eine Weile, und hab gesagt: “Ja, ich kanns ja mal versuchen!” Und seitdem bin ich Product Owner.
Christina Schulz: Und was macht man als Product Owner?
Jakob Wagner: Das ist eine sehr vielfältige Arbeit. Man kann es sich praktisch als Teamleiter vorstellen, obwohl die Hierarchie-Stufe ist sehr gering. Das heißt ich bin nicht deren Boss oder so. Ich bin derjenige, der so ein bisschen administrative Aufgaben hat im Team und ich sorge dafür, dass sogenannte “Bottlenecks” nicht entstehen. Also praktisch versuche ich vorherzusehen, wo es in Zukunft Engstellen geben könnte und diese schon von vornherein nicht entstehen zu lassen oder wenn sie entstanden sind zu beseitigen. Ich bin derjenige, der so ein bisschen den strategischen Überblick hat, in welche Richtung sich das Team entwickeln soll und versuche einfach dem Team zu helfen, wo es geht. Meine Arbeit jetzt im selber programmieren ist arg zurückgefahren, weil ich jetzt Hälfte Requirements Engineer mache und Hälfte Product Owner. Aber ja, generell gilt auch, wer bei uns im Team irgendwie ein Problem hat, der kann zu mir kommen. Sei es fachlicher oder persönlicher Natur, das spielt keine Rolle, die können jederzeit zu mir kommen. Ich kann nicht garantieren, dass ich da irgendwie helfen kann, aber normalerweise kenne ich denjenigen, der helfen kann. Und so kann am Ende jedem geholfen werden.
Christina Schulz: Ja, super! Und gibt es so einen typischen Tagesablauf bei Ihnen und falls ja, wie sieht der aus?
Jakob Wagner: Es gibt jetzt keinen typischen Tag, keinen typischen Tagesplan, den wir Tag für Tag einhalten. Es gibt eine Sache, die jeden Tag passiert, und das ist unser Daily. Wie der Name schon sagt, das machen wir täglich. Das ist ein viertelstündiges Treffen, das wir jeden Morgen praktisch machen. Und in dem Daily erzählt jeder davon, welche Aufgabe er so gerade macht, wie es darin steht. Wenn gerade irgendwie Sand im Getriebe ist, kann er dort um Hilfe fragen. Er kann jederzeit um Hilfe fragen natürlich, aber im Daily das ist natürlich so ein toller Anlass. Und wir diskutieren den Stand unseres Sprints da, so wie wir nämlich arbeiten, ist unsere Arbeit in Sprints aufgeteilt. Das sind zweiwöchige Arbeitsphasen, praktisch, die dann auch jeweils ein Ziel haben, also ein Sprintziel. Und wir versuchen dann natürlich jedes Daily zu diskutieren, wie steht es jetzt gerade. Sind wir unserem Sprintziel ein wenig näher gekommen, haben wir es am Ende schon erreicht oder keine Ahnung? Es ist auf jeden Fall ein Treffen, um sich generell vom Team mal zu sehen und insgesamt abzustimmen. Das ist das, was wir jeden Tag machen.
Abgesehen davon gibt es immer mal wieder irgendwelche Meetings, aber nichts, was jeden Tag gleich ist.
Generell, es ist eigentlich nie ein Tag gleich, es ist alles ziemlich variabel und das macht Spaß so!
Christina Schulz: Mhm, und welches sind so die Kompetenzen, die Sie in Ihrem Beruf heute vor allem brauchen?
Jakob Wagner: Es ist wie gesagt das Administrative, praktisch nicht den Überblick zu verlieren. Und dann hat man auch den zwischenmenschlichen Faktor, der ist nicht zu unterschätzen. Wenn man mit den Leuten nicht kann, ist man jetzt nicht bloß als Product Owner aufgeschmissen, sondern vermutlich insgesamt in so einer Firma. Weil es kommt super viel einfach auf die Kommunikation als solches an.
Dann um zu verstehen, was unsere Software macht, brauchte ich natürlich gewissermaßen die mathematischen Fähigkeiten. Es ist eine mathematische Software, also zumindest das, was unter der Haube passiert ist viel Mathematik. Deswegen haben mir die Kenntnisse aus unserem Studium da gut weitergeholfen. Aber beim Lernen, was dort überhaupt passiert, brauchte ich auch eine ganze Menge Durchhaltevermögen. Man muss, ich musste mich halt drin festbeißen, also auch das lernt man im Mathestudium.
Christina Schulz: Worin sehen Sie die Vorteile, vielleicht auch Nachteile, der Arbeit in einem mittelständischen oder kleineren Unternehmen?
Jakob Wagner: Also Nachteile von einem kleineren Unternehmen, nehme ich mal an, ist, dass man im Durchschnitt schlechter bezahlt wird als bei einem richtig großen Unternehmen. Leute, die bei Volkswagen oder Google oder irgendwie arbeiten, die werden im Durchschnitt besser bezahlt als wir. Was jetzt nicht heißt, dass wir schlecht bezahlt werden, aber ja. Was das Arbeiten hier sehr angenehm macht, ist - abseits davon, dass das Arbeiten hier einfach sehr angenehm ist - der zwischenmenschliche Faktor. Dieses man kennt sich halt, man geht morgens, wenn man im Büro ist, geht man die Büros ab und sagt überall “Hallo”. Man kann im Prinzip jetzt nicht einplanen, ich geh mal schnell mir einen Kaffee holen, weil das wird sehr selten was, mit “sich mal schnell einen Kaffee holen”. Man trifft halt jemanden, man kennt sich, man quatsch ne Weile und auf einmal ist eine Viertelstunde, 20 Minuten, vielleicht länger schon rum, weil man einfach im Gespräch hängen geblieben ist. Das ist manchmal sogar ziemlich ziemlich gut und hilfreich, weil nicht immer quatscht man über private Angelegenheiten, sondern manchmal ergeben sich da ungeahnte Möglichkeiten am Kaffeeautomaten. Das ist auch etwas, was ich erst lernen musste. Das ist auf jeden Fall etwas sehr Angenehmes. Donnerstags haben wir Brettspielabend, wenn das Büro offen ist. Jetzt gerade erlaubt das wie gesagt Corona nicht so wirklich. Aber ja, man kennt sich, es sind alles nette Leute und das macht das Arbeiten sehr, sehr angenehm.
Ich hab mir schon in der Schule, hab mir auch im Studium immer gewünscht: “Ey hier, gib dir Mühe, damit du gute Noten kriegst, damit du dir am Ende eine Arbeit aussuchen kannst.” Weil am Ende willst du irgendwo arbeiten, wo es Spaß macht zu arbeiten, wo du dich nicht morgens zwingen
musst. Und genau diesen Punkt habe ich jetzt erreicht und es ist einfach schön.
Christina Schulz: Wunderbar! Und welche Entwicklungsmöglichkeiten gibt es denn bei Qoniac?
Jakob Wagner: Es gibt hier keine Karriereleiter, die völlig in Stein gemeißelt ist. Wir sehen uns selbst als agiles Unternehmen und damit ist halt auch die Aufstiegsmöglichkeit relativ agil. Insgesamt ist natürlich das Ziel, wenn jemand aufsteigt, die Stärken desjenigen zu maximieren und seine Schwächen zu minimieren. Also praktisch wenn hier ein wirklich wirklich guter Coder ist, der kann dann aufsteigen und Tech Lead werden. Also praktisch der “Meister-Coder” werden, zu dem die Leute kommen, wenn sie Coding-Fragen haben. Wenn jemand so auf zwischenmenschlicher Ebene, wie gesagt, hier den Überblick hat, das Administrative gut kann, dann kann der Product Owner werden oder halt Requirements Ingenieur.
Jeder, der irgendwie aufsteigen möchte und der die Qualifikation dafür hat, für den wird sich etwas finden. Aber ja, wie gesagt, es ist nichts in Stein gegossen. Ich nehme an, auch ich als Product Owner könnte noch aufsteigen, aber ich bin wirklich erst seit kurzem Product Owner. Ich guck erstmal, dass ich meine Aufgabe gut machen kann.
Christina Schulz: Herr Wagner, was möchten Sie den heutigen Studierenden gerne mit auf den Weg geben?
Jakob Wagner: Also das Wichtigste ist, dass man überzeugt davon ist, dass man das Richtige studiert, dass man das Richtige macht. Es ist keine Schande, irgendwann nochmal sein Studienfach zu wechseln. Ganz im Gegenteil, man erspart sich damit potentiell eine ganze Menge Leid und man ermöglicht sich potenziell große, große Chancen. Ich hab mit jemandem studiert, der hat sein Studium mit 27 angefangen und der ist happy geworden. Es gibt in der Sache im Prinzip kein zu spät.
Ein Problem kann viele Lösungen haben, wenn man sich in irgendein Problem verrennt, dann muss man auch abwägen können. Zwischen ich bin jetzt fleißig - weil Fleiß ist auch wirklich wirklich wichtig, Fleiß ist wichtiger als Talent. Man muss aber abwägen können: Lohnt es sich jetzt, nochmal eine Stunde oder zwei oder drei oder die ganze Nacht dran zu hängen? Nach dem Motto: “Ich will das jetzt aber unbedingt fertig kriegen!” Oder man sagt: “Ok, Moment, an diesem Problem beiße ich mir jetzt gerade die Zähne aus, ich mach jetzt einfach mal 20 Minuten Spaziergang oder ich trinke eine Tasse Tee und denke bewusst an was ganz anderes.” Das hat mir zum Beispiel schon oft richtig den Hintern gerettet, weil am Ende sieht man: Oh verdammt, es gibt hier eine völlig andere Herangehensweise an dieses Problem und das ist im Nachhinein super offensichtlich. Und hätte ich dann da die ganze Nacht rein investiert, um da irgendwie weiterzukommen, dann wäre ich überhaupt nicht weitergekommen und ich hätte mir bloß die Nacht und den nächsten Tag ruiniert.
Und was vielleicht unterschätzt wird, aber trotzdem super wichtig ist: Wenn du das nächste Mal deine Lieblingsserie auf Netflix guckst - und ich weiß, dass du die schon drei-, vier-, fünfmal durchgeguckt hast - wenn du sie zum sechsten Mal guckst, überleg mal, ob du die vielleicht auf Englisch guckst. Was mir besonders gut hilft ist Englisch mit englischen Untertiteln. Super
hilfreich, man kommt super in die Sprache rein und ein gutes Verständnis, ein gutes Feeling für die englische Sprache ist mittlerweile Gold wert. Ich rede auf Arbeit viel mehr Englisch, als dass ich Deutsch rede. Und dieses Netflix-Zeug-auf-Englisch-gucken hat mir vermutlich mindestens genauso viel geholfen wie der Englischunterricht in der Schule.
Christina Schulz: Mhm. Herr Wagner, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Jakob Wagner: Ich danke sehr, dass ich hier sein durfte!
~ Gesprächsende ~
[Outro-Musik spielt]
Einspieler: Weitere Informationen und Veranstaltungen findet ihr unter: tud.de/deinstudienerfolg/ofp
Folge 13: Im Gespräch mit dem Career Service: Bewerbungen und Schlüsselkompetenzen
Katharina Maier (Leiterin des Career Service der TU Dresden) und Dr. Kathy Küchenmeister (stellv. Leiterin) geben wertvolle Tipps zum Schreiben von Bewerbungen, zu Vorstellungsgesprächen und zum Thema Schlüsselkompetenzen.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: Hör rein, in die Praxis!
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Natur-wissenschaften.
Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Heute spreche ich mit meinen Kolleginnen vom Career Service der TU Dresden. Der Career Service unterstützt Studierende bei allen Fragen rund um den Berufseinstieg. Katharina Maier und Dr. Kathy Küchenmeister haben in dieser Folge für euch praktische Tipps zum Thema Bewerbungen und Schlüsselkompetenzen vorbereitet
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Hallo Katharina, stell dich doch kurz mal den Studierenden vor.
Katharina Maier: Ja, hallo mein Name ist Katharina Maier, ich bin die Leiterin des Career Service hier an der TU Dresden und bin im Rahmen des Career Service neben der Leitung auch noch zuständig für die Beratung. Und ich berate Studierende bei der Berufsorientierung und dem Berufseinstieg und ich führe die offene Sprechzeit, wo ich also Studierende, die können zweimal die Woche jederzeit kommen zu uns, Fragen zu allen möglichen Themen rund um den Berufseinstieg stellen und wir sind da und beantworten die gerne. Das ist auch meine Funktion unter anderem im Career Service.
Christina Schulz: Mhm, du bist Expertin für den Bereich Bewerbungen, welche aktuellen Trends gibt´s denn da?
Katharina Maier: Ja, also generell lässt sich feststellen und das ist ja sicherlich auch keine Überraschung, dass der Bewerbungsprozess insgesamt immer digitaler wird, also über den ganzen Prozess hin. Das geht von der Stellensuche los, der Onlinebewerbung, bis hin zum Bewerbermanagement. Viele Unternehmen nutzten da ja die Bewerberdatenbanken, also machen das mit Hilfe technischer Unterstützung und das endet dann bei den digitalen Bewerbungsgesprächen, die – das haben wir jetzt auch in der Coronazeit gemerkt – immer häufiger auch durchgeführt wurden, also dieser ganze Prozess wird digitalisiert. Mittlerweile fordert die Mehrheit der Unternehmen eine digitale Bewerbung, also Papierbewerbungen, wie man das von früher kannte, sind völlig aus der Mode gekommen und ein Auslaufmodell. Was, das ist das Schöne daran, insgesamt zwar mit weniger Aufwand verbunden ist ne, weil man als Studierender ganz schnell die Unterlagen parat hat, als PDF auch flott verschicken kann oder hochladen kann. Ist mit weniger Aufwand verbunden, es fällt kein Porto und keine Druckkosten fallen an. Aber die Kehrseite ist natürlich auch, dass man schneller mal eine Bewerbung losschickt, das heißt es werden auch insgesamt mehr Bewerbungen versandt, das heißt die Personalverantwortlichen haben dann ihrerseits wieder größere Probleme dann auch entsprechend die ganzen Unterlagen zu sichten und da die passenden BewerberInnen irgendwie rauszufiltern. Also das ist so, so beides. Das Aufkommen an Bewerbungen – so schildern uns das die Personalverantwortlichen – ist dann natürlich auch ein bisschen größer.
Und deswegen ist es eben auch sehr wichtig, dass die Bewerbungsunterlagen, weil die sind nach wie vor in ganz ganz vielen Fällen immer noch Standard und das Mittel der Wahl für die Unternehmen, auch wenn die Kontakte, der Kontakt bei LinkedIn und XING zustande kommt, ist es sehr wichtig, dass die Bewerbungsunterlagen möglichst aussagekräftig und up to date sind. Also da sollte man in jedem Fall sehr viel Sorgfalt reinlegen, man sollte versuchen die Bewerbungsunterlagen aktuell zu halten und die auch dann entsprechend immer der jeweiligen Stellenausschreibung anzupassen. Und das ist egal ob das jetzt eine Bewerbung für ein Praktikum ist oder eine Bewerbung für eine Stelle dann später im Berufsleben oder für eine Diplomarbeit, eine Masterarbeit, also diese Sorgfalt wirklich quasi immer an den Tag legen und einfach auch um diese Passfähigkeit zur Stelle herzustellen und um mich auch ein bisschen vom Bewerberumfeld abzusetzen oder zu unterscheiden, einfach was macht nicht besonders, was sind meine Kompetenzen.
Christina Schulz: Mhm, welches sind denn so Fettnäpfchen oder Fehler, die unterlaufen können und wie kann man die vermeiden?
Katharina Maier: Ein Fehler, wenn wir jetzt zum Beispiel auf das Anschreiben und den Lebenslauf zu sprechen kommen ist, das gilt ja immer als so eine erste Arbeitsprobe auch, wie, wie kann ich mich ausdrücken, wie bringe ich Dinge auf den Punkt. Da ist es sehr wichtig, dass möglichst individuell zu gestalten. Also ganz viele Studierende – das bekomme ich in der Beratung mit – tun sich sehr schwer mit dem ersten Satz im Anschreiben zum Beispiel. Also den einfach irgendwie, ja so knackig und schön und ansprechend zu gestalten, dass man irgendwie auch Lust hat, das Anschreiben weiterzulesen und nicht in so Standardsätzen feststeckt, die irgendwie keinen Aussagegehalt haben. Also sich da besondere Gedanken zu machen: Was kann ich? Was ist meine konkrete Motivation für den Job? Was reizt mich an dem Unternehmen? Am Portfolio? An der Tätigkeit auf die ich mich bewerbe? Also mal zu überlegen, was genau macht die Stelle für mich attraktiv und das versuchen in Worte zu fassen. Also ein Fehler der häufig gemacht wird ist so ein bisschen Copy und Paste mit den Anschreiben umzugehen, also wirklich nur die Adresse zu ersetzen, den Firmennamen zu ersetzen und sonst alles beizubehalten. Das sieht man den Bewerbungen dann auch an, dass die sehr von der Stange sind, gleichförmig gehalten sind, also man sollte auch versuchen, wirklich das Anschreiben immer auf das jeweilige Unternehmen, die jeweilige Institution zuzuschneiden. Man sollte versuchen, in kurzen klaren Sätzen zu kommunizieren, Dinge auf den Punkt zu kriegen, also nicht redundant immer wieder dasselbe zu erzählen, sondern sich vorher Gedanken machen: Was sind meine fachlichen Kompetenzen? Was sind meine überfachlichen Kompetenzen? Worin zeigen sich meine Arbeitserfahrungen? Und das dann versuchen in einem Guss niederzuschreiben.
Ein weiterer Fehler, der sehr häufig passiert ist, dass man seine Qualifikationen nicht ausreichend benennt oder dass man wichtige Bedingungen aus der Stellenausschreibung ignoriert. Also wenn man nicht auf die Dinge eingeht, die auch in der Ausschreibung stehen und die entsprechend illustriert und belegt, ist es einfach schwer einzuschätzen, ob man zu der Stelle passt oder nicht. Genau das wäre sehr wichtig oder auch eine falsche Motivation für die Stelle zu äußern, weil man gerne in Berlin leben möchte, bewirbt man sich für die Stelle, das wäre auch ein bisschen ungünstig. Und man neigt auch immer dazu, die aktuelle Situation überzubetonen, also genau dezidiert zu beschreiben, was man jetzt in der Endphase des Studiums alles macht, dabei ist es sehr wichtig auch insgesamt auf den ganzen Werdegang zu schauen. Also habe ich ehrenamtliche Engagements neben dem Studium gehabt, habe ich vielleicht ein soziales Jahr gemacht, habe ich eine Berufsausbildung im Vorfeld gehabt oder schon mal einen Bachelor studiert, also was hat der mir an Wissen, an Kompetenzen gebracht und auch das mit reinzubringen.
Christina Schulz: Mhm.
Katharina Maier: Das wären so inhaltliche Punkte und dann sollte man natürlich auch auf die äußere Form achten. Entsprechend keine Rechtschreibfehler haben, das Unternehmen beim falschen Namen nennen, also dass man vergisst, das ursprüngliche Unternehmen rauszunehmen und das neue Unternehmen reinzusetzen. Das man Floskeln und abgedroschene Sätze verwendet kommt auch nicht gut, weil der Mehrwert gleich Null ist, das sagt nichts über einen selber und die eigenen Voraussetzungen aus. Und man sollte auch versuchen – das ist immer so ein Balanceakt – eben nicht zu umgangssprachlich zu schreiben, aber auch nicht so stark im verquasten hochtrabenden Beamtendeutsch mit Schachtelsätzen, das hatten wir ja vorhin schon mal kurz. Also möglichst einfache Sätze, aktiv, man ist die aktive Person, man kann was, man will was zeigen. Also das wären so Punkte, die es zu beachten gibt.
Christina Schulz: Mhm, zu den Unterlagen gehört ja auch ein Lebenslauf. Welche Angaben gehören denn da heutzutage rein und welche vielleicht auch nicht mehr?
Katharina Maier: Mhm, also der Lebenslauf sollte ja insgesamt zwei Seiten bei Berufsanfänger höchstens umfassen, eine Seite ist auch noch okay, aber man sollte sich versuchen wirklich auf zwei Seiten zu beschränken. Und da kommt – zu Beginn kommen die persönlichen Daten also Name, Anschrift, die Kontaktdaten werden auf jeden Fall genannt, Geburtsdatum und Geburtsort. Bei dem Foto ist es schon so, dass es einem selber überlassen bleibt, das ist eine optionale Angabe, ob man ein Foto beifügen möchte. Es gibt ja das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, nach dem man aufgrund des Fotos oder bestimmter äußerer Merkmale nicht benachteiligt werden soll. Also man kann selber entscheiden, ob man eins beifügen möchte und in der Regel ist das gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen nach wie vor schon auch sehr wichtig, einen guten Eindruck zu hinterlassen, also einfach eine Impression von sich selbst irgendwie zu zeigen. Also deswegen empfehlen wir trotzdem es keine Pflicht dazu gibt, ein Foto mit beizufügen, auf jeden Fall ein gut gemachtes Bewerbungsfoto, so man eins hat und das aussagekräftig ist und es einfach einen sympathischen, guten Eindruck der Person hinterlässt. Und wenn das, was man auch sagt und schreibt nochmal unterstreicht, das dann auf jeden Fall beizufügen.
Was auch wichtig ist und in den Lebenslauf reingehört sind natürlich die Stationen im Leben, also das ist zum einen die Ausbildung, da gehört ja das Studium dazu, eventuell eine Berufsausbildung und eine Schulausbildung. Was mit reingehört sind die berufspraktischen Erfahrungen, also wenn ich ein freiwilliges Jahr gemacht habe zum Beispiel, meine Praktika und Berufserfahrungen, meine Erfahrungen aus Nebenjobs oder SHK-Anstellungen würde ich da mit aufführen. Und des Weiteren beschließen den Lebenslauf noch Zusatzinformationen wie Zusatzqualifikationen, Fortbildungen, besondere Interessen, die ich habe, Sprachkenntnisse und EDV-Kenntnisse. Und da ist es auch immer wichtig, dass man kurz beschreibt, wie gut man eine Sprache zum Beispiel spricht oder wie gut man ein bestimmtes Programm beherrscht. Also da bei allen Angaben ist auch immer wichtig, dass Sie die Nachweise dann am Start haben, also dass man die beifügt der Bewerbung, dass alles das was man im Lebenslauf erwähnt, belegt wird. Und was sehr üblich ist bei Lebensläufen aktuell, dass man umgekehrt chronologisch die Angaben macht, das heißt man beginnt immer mit dem aktuellsten Datum, mit dem Aktuellsten, der aktuellsten Aktivität und umgekehrt chronologisch listet man die dann auf. Das wäre so kurz und knapp das Wichtigste zum Lebenslauf.
Bei der Form, also man muss nicht auf Krampf sehr kreativ und toll sein und alle möglichen Schriftarten ausprobieren und grafische Elemente, sondern eigentlich ist – der Schwerpunkt liegt darauf, dass der Lebenslauf sehr übersichtlich ist, also das ganz schnell erfasst werden kann: Was hat die Person gemacht? Von wann bis wann? Wo? Welche Tätigkeiten? Also da das Hauptproblem drauflegen, das wirklich eine gute Struktur drin ist. Und dass das durch eine spezielle Gliederung oder eine grafische Gestaltung unterstützt wird.
Christina Schulz: Mhm, in welchem Fall sind denn Initiativbewerbungen eine Option?
Katharina Maier: Also, wenn man bei der Stellenrecherche feststellt, dass es nur sehr wenig ausgeschriebene Stellen für das angestrebte Tätigkeitsfeld gibt, in dem man gern arbeiten möchte oder wenn man in eine bestimmte Region möchte, wenn man eine Hand voll Unternehmen bereits im Blick hat, wo man gerne arbeiten möchte, dann ist eine Initiativbewerbung eine sehr sinnvolle Option, die es auszuprobieren gilt. Ein anderer Fall ist, wenn ich einen Quereinstieg in ein Arbeitsfeld plane, wo ich vielleicht nicht die richtigen Voraussetzungen, also nicht die richtige Qualifikation mitbringe, wo es einfach vielleicht ein bisschen schwerer oder mühsamer ist zu erklären, warum ich genau in das Arbeitsfeld passe und was ich dafür mitbringe, auch dann lohnt sich eine Initiativbewerbung. Weil man dann klassisch bei einer Stelle, auf die man sich bewirbt vielleicht rausfallen würde, weil man die Voraussetzungen nicht erfüllt, kann man es auf dem Wege probieren.
Das heißt, man schreibt eine Bewerbung an ein Unternehmen, eine Institution, ohne dass es dort eine Ausschreibung gibt. Vielleicht hat man gehört, dass eine Stelle frei wird, dass ein neues Projekt genehmigt wurde, also im Forschungsbereich kann das ja manchmal sein, dass eine Stiftung ein Programm ausschreibt und umsetzt, dass in einer Behörde vielleicht zeitnah jemand in Elternzeit gehen wird, das kann man über Bekannte, über sein Netzwerk erfahren oder von Leuten aus dem beruflichen Netzwerk den Tipp bekommen. Dann lohnt es sich nachzufragen. Eine andere Option, wenn ich jetzt zum Beispiel eine Diplomarbeit schreiben will, eine Abschlussarbeit plane oder ein Praktikum suche, auch da kann es sehr sinnvoll sein, eine Initiativbewerbung zu verfassen und mich nicht nur auf die Stellen zu bewerben oder darauf zu verlassen, was grade ausgeschrieben ist. Das hat den Vorteil für mich, dass ich mir sehr gezielt aussuchen kann, wo ich hinmöchte, dass ich vielleicht auch schon eine Vorstellung entwickelt habe, von dem was ich ausprobieren will, was ich lernen will und ich kann dann so bisschen mein eigenes Bildungsziel, also das was ich mir vorgenommen hab, was ich im Praktikum erreichen will, worüber ich gern eine Masterarbeit schreiben will. Da habe ich dann besser die Möglichkeit, das auch gezielt umzusetzen mithilfe des Unternehmens oder einer Einrichtung, wo ich mich bewerbe.
Und wenn man jetzt eine Initiativbewerbung verfolgt, ist es sehr wichtig, dass auch gut vorzubereiten und sorgfältig umzusetzen. Also es ist nicht so sinnvoll nach dem Gießkannenprinzip sehr viele Bewerbungen zu schreiben und die zu streuen, sondern man sollte wenige Bewerbungen schreiben oder aufsetzen und sich dann aber sehr genau über das Unternehmen im Vorfeld informieren. Also ich sollte mir zum einen Gedanken machen, zum Unternehmen, zum Unternehmensprofil, zum Portfolio oder zu den aktuellen Projekten, die das Unternehmen durchführt, damit ich einen Überblick habe, worauf ich mich einlasse. Dabei helfen zum Beispiel die Unternehmenswebsites, die Selbstdarstellungen in den sozialen Medien oder auch die Mitteilungen aus der Presse oder ich könnte gegebenenfalls auch Bekannte fragen, aus meinem Netzwerk, die aktuell in dem Unternehmen tätig sind. Also erstmal eine Vorstellung zu bekommen, was die machen und man sollte auch eine Idee davon haben, in welcher Position oder Abteilungen man tätig sein will. Also man sollte auch ein bisschen die Strukturen recherchieren. Wenn ich im Personalbereich arbeiten möchte als Psycholog*in zum Beispiel, sollte ich mir angucken, wie ist der aufgestellt, welche Einheiten gibt es dort, welche Personen werden da vorgestellt, welche Aktivitäten planen und machen die, dass ich mich auch gegebenenfalls eben konkret auf bestimmte Projekte – auf das Gesundheitsmanagement, auf ein Mitarbeiterprogramm das es vielleicht im Unternehmen gibt – dass ich mich darauf beziehen kann. Also das wäre sehr gut und wenn ich jetzt nicht weiß, wie die Stelle heißt, was ich dort konkret mache, hilft vielleicht auch – jetzt um bei dem Beispiel Personalentwicklung zu bleiben – dass man sich vielleicht eine Stellenausschreibungen aus einem anderen Bereich, einer anderen Branche raussucht oder einer anderen Region, die gerade im Netz zur Verfügung ist und anhand dieser Stellenausschreibung versuche, das anzupassen. Zu schauen, bezogen auf die Firma wo ich gern hinmöchte, was heißt das dann, welche Anforderungen gibt’s an die Stelle und dann überlege ich mir im Umkehrschluss, was bring ich mit, welche Erfahrungen habe ich gemacht und dann fängt man an im Prinzip ein Anschreiben auch aufzusetzen, wie das bei den Stellenausschreibungen auch üblich ist.
Bei einer Initiativbewerbung ist es ganz wichtig, dass man insbesondere zu Beginn die Motivation sehr gut darlegt, also was reizt mich gerade, mich für die Firma zu bewerben, wo es ja keine Stelle gibt? Welchen Anknüpfungspunkt habe ich? Warum finde ich das interessant? Also das ist da besonders wichtig. Vielleicht auch den Rahmen, die Rahmenbedingungen zu beschreiben, den roten Faden der eigenen Bildungsbiografie und wie ich auf das Unternehmen gestoßen bin. Vielleicht hat es mir jemand empfohlen, vielleicht habe ich ein Tool schon verwendet, im Rahmen einer Forschungsarbeit, was dort entwickelt wird. Also auf jeden Fall versuchen, einen Anknüpfungspunkt zu finden. Und was ich bei Initiativbewerbungen auch immer sehr empfehle ist im Vorfeld schon mal Kontakt aufzunehmen zu dem Unternehmen. Also in irgendeiner Form auch anzufragen, ist es gewünscht, dass man dort eine Initiativbewerbung hinschickt? Können die vielleicht im Moment überhaupt niemanden einstellen? Dann kann man sich die Mühe dann auch sparen. Auch dafür lohnt es sich so einen Dreizeiler so über die eigene Person im Hinterkopf zu haben oder vorzubereiten, den man dann vielleicht am Telefon eben auch sagen kann oder in der Mail kurz was zu sich schreibt, sein Anliegen umreißt, um dann so ein bisschen Rückmeldung zu bekommen: Ist es gewünscht? Ist es gewollt? Es gibt Unternehmen, die haben entsprechende Datenbanken, wo man sich immer initiativ bewerben kann. Was natürlich damit einhergeht, dass sich sehr viele bewerben und die Wahrscheinlichkeit dann auch wieder sinkt, entsprechend darüber einen Job zu finden. Also das wären so die Punkte, die es da zu beachten gilt, da sollte man vielleicht auch nochmal ein bisschen mehr Sorgfalt reinlegen.
Christina Schulz: Wenn jetzt die erste Hürde genommen wurde und es gibt eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, wie können die Studierenden sich dann am besten darauf vorbereiten?
Katharina Maier: Beim Vorstellungsgespräch wird ja geprüft, ob Arbeitgeber*in und Bewerber*in zueinander passen, ob die Voraussetzungen gegeben sind, dort entsprechend auch zu – zu arbeiten und deswegen ist es sehr wichtig, dass man als Bewerber*in auch sehr authentisch ist. Also es bringt nichts, sich für das Gespräch zu verstellen, sich als jemand anders darzustellen der man normalerweise ist. Also man sollte sich im Vorfeld Gedanken machen, was sind so meine Kernbotschaften, auch nochmal überlegen: Was sind meine Stärken und Schwächen? Was bringe ich für den Job mit? Wo habe ich schon ähnliche Tätigkeiten mal durchgeführt und es hat gut geklappt? Was kann ich als Beleg anbringen für meine Eignung? Also sich da nochmal Gedanken zu machen. Auch zu überlegen, wie will ich arbeiten, also was sind die – die Arbeitsbedingungen, die mir vorschweben, also das kann man dann nämlich auch gut abgleichen mit dem was mit der Stelle angeboten wird. Man sollte sich auf alle Fälle die eigene Motivation bewusst machen, also nochmal was reizt mich an der Stelle, was reizt mich an der Arbeit im Unternehmen, das hat man ja im Idealfall im Anschreiben auch schon mal mit verwortet, aber einfach nochmal zu überlegen, was ist es genau. Und das ist immer sehr hilfreich, ich rate den Studierenden so eine kleine kurze Selbstpräsentation auch einzustudieren, also drei bis fünf Sätze zur eigenen Person, zum Werdegang, zur Motivation, warum die Stelle, ein paar Beispiele nennen. Also wenn man das einfach schon mal im Hinterkopf hat, wird man auch sicherer, man hat auf alle Fälle was, was man erstmal erzählen kann und über die drei bis fünf Sätze – ja kommt man auch gut ins Reden und Erzählen rein. Und dann geht das Gespräch einfach dann nochmal ein bisschen anders von Statten, ein bisschen natürlicher. Also das kann man gut im Vorfeld auch im Spiegel mal üben. Es hilft auch auf jeden Fall, sich die Stellenausschreibung nochmal anzuschauen, zum Unternehmen zu recherchieren: Also ist es ein großes, ein mittleres Unternehmen? Wie viele Abteilungen hat es? Was sind aktuell die Herausforderungen? Waren die jetzt mal in der Presse – positiv oder negativ? Was ist mir dazu aufgefallen? Was produzieren die? Also dass man so grob ein paar Dinge auch wiedergeben kann, wenn man gefragt wird, insbesondere vielleicht Themen, die auch mit dem Arbeitsfeld zu tun haben, wo man sich bewirbt. Möchte ich eben gern in die Personalabteilung, kann ich mal schauen, gibt es ein Gesundheitsmanagement, gibt es spezielle Maßnahmen für Mitarbeiter, die ich auf der Webseite lesen kann, wie ist es mit der Work-Life-Balance. Also da bezogen auf das eigene Tätigkeitsfeld auch schon mal gezielt zu recherchieren, dass man so ein bisschen was zum Unternehmen weiß und man auch dann das Gefühl vermitteln kann, ich will hier auch wirklich arbeiten, ich habe mich vorbereitet, die Stelle bedeutet mir was. Das ist dann glaube ich auch wichtig an der Stelle zu zeigen.
Und natürlich dann auch nochmal so ein bisschen zu überlegen, was sind meine Fragen, also was möchte ich gerne im Gespräch klären, sich auch vorher die Fragen aufzuschreiben, wenn man sichergehen möchte. Also zu den Arbeitsaufgaben, zu Vorgesetzten, zur Arbeitsteilung, zu Weiterbildungsmöglichkeiten. Da gibt’s ja eine Reihe von Fragen. Manche Dinge sind ja auch noch offen, weil sie nicht in der Stellenausschreibung stehen. Gehalt ist natürlich auf jeden Fall ein wichtiges Thema, organisatorische Arbeitsbedingungen. Also solche Sachen sollte man auf alle Fälle fragen und in Petto haben. Dass man zum einen für sich selber klären kann, kommt der Job überhaupt für mich in Frage, zum anderen ist es auch wenn viele Fragen im Gespräch schon geklärt sind trotzdem wichtig oder gut, Interesse zu zeigen und nochmal die eine oder andere Frage in jedem Fall auch in Petto zu haben. Also das macht auch was mit dem Gesprächsfluss und mit der Art, wie das Gespräch geführt wird, wie man sich selber auch so ein bisschen darstellen kann und das schafft auch immer so ein bisschen eine gute Atmosphäre, wenn man sich dann selber auch wohlfühlt. Weil das ist ja oftmals so ein bisschen ein Problem, dass man sehr sehr nervös ist, wenn man von einer Gruppe von Menschen steht und das Gefühl hat, man kann sich nicht so zeigen, wie man sonst ist. Also da auch wichtig im Vorfeld immer zu sagen, Ruhe zu bewahren, es ist eine Übungssituation, ich muss den Job vielleicht gar nicht so unbedingt haben, es gibt auch andere Jobs da draußen. Wenn jetzt hier alles schiefläuft, wars für mich eine gute Übung, ich weiß beim nächsten Mal was ich anders und besser machen kann. Also auch das ist ein Lernprozess und das funktioniert nicht gleich beim ersten Mal supergut, sondern man merkt da auch, dass es von Mal zu Mal besser wird. Also da – ja da kann ich auch nur raten, insgesamt die Ruhe zu bewahren und das auch – soweit das möglich ist –entspannt anzugehen.
Christina Schulz: Mhm, Katharina ich danke dir sehr für das Gespräch und für deine wertvollen Tipps!
Katharina Maier: Gern geschehen!
[Musik spielt]
Christina Schulz: Hallo Kathi, stell dich doch kurz mal vor.
Kathy Küchenmeister: Ich bin Kathy und bin hier im Career Service verantwortlich zum einen für das Veranstaltungsprogramm und außerdem koordiniere ich noch das Studienerfolgsprojekt Schlüsselkompetenzen@TUD.
Christina Schulz: Man hört ja oft von den benötigten Schlüsselkompetenzen, was ist denn damit gemeint?
Kathy Küchenmeister: Schlüsselkompetenzen, wenn man so ganz grundlegend mal schaut, würde ich sagen sind das Kenntnisse und Fertigkeiten die über das Fachwissen was man in der Schule, in der Ausbildung oder hier bei uns im Studium erwirbt, hinausgehen und diese Kompetenzen sind unter anderem dafür verantwortlich, wie wir uns verhalten, wie wir Wissen erlernen, wie wir das Wissen dann anwenden oder auch wie wir uns an veränderte Umstände, zum Beispiel jetzt auch im Zusammenhang mit Corona, anpassen können.
Die Schlüsselkompetenzen werden meist unterteilt in vier Bereiche, nämlich einmal Sozialkompetenzen, dann die Selbstkompetenzen, die Methodenkompetenzen und die Sachkompetenzen.
Und wenn man da nochmal ein bisschen genauer hinschaut, verbergen sich hinter den Sozialkompetenzen so Dinge wie Teamfähigkeit, Kritik- und Problemlösefähigkeit, Führungskompetenzen, also alles Dinge, wie gehe ich mit anderen Menschen um, wie kommuniziere ich angemessen, wie gehe ich mit Konflikten um, wie kritikfähig bin ich. Hinter den Selbstkompetenzen stecken eher Dinge, wie Zuverlässigkeit, Stressresistenz, Leistungsbereitschaft, also Kompetenzen, die darauf abzielen, sich in seiner eigenen Entwicklung zu reflektieren, zu schauen welche wertbezogenen Einstellungen habe ich eigentlich zu mir selbst, zu meiner Welt, zur Umwelt. Hinter Methodenkompetenzen verbergen sich Lern- und Arbeitstechniken, Zeitmanagementkompetenzen, Problemlösekompetenzen, aber auch sowas wie Moderations- und Präsentationstechniken. Also eher sowas wie gehe ich jetzt mit Aufgaben um, wie selbstständig kann ich Aufgaben bewältigen, wie eigne ich mir eigentlich Wissen an, wie gut kann ich Fachwissen, was ich in meinem Studium erworben habe, in erforderlichen Situationen anwenden, wie kann ich mich strukturieren und solche Sachen. Und der vierte Bereich das wären dann eher die Sachkompetenzen, also sowas wie Allgemeinbildung, aber vielleicht auch so ein journalistisches Handwerkszeug, Beratungswissen verbergen sich dahinter, wissenschaftliche Methoden, betriebswirtschaftliche Grundlagen, juristische Grundlagen, also eher so fachlich-inhaltliche Kenntnisse, die sich aber in fachübergreifenden Zusammenhängen einsetzen lassen und die damit nicht an jetzt eine bestimmte Disziplin oder an ein bestimmtes Fach gebunden sind.
Christina Schulz: Und welche Rolle spielen die Schlüsselkompetenzen beim Berufseinstieg?
Kathy Küchenmeister: Also Schlüsselkompetenzen gleich ganz grundsätzlich, sind sowohl fürs Studium als auch für den Berufseinstieg wichtig. Wenn man auf den Berufseinstieg schaut, geht man ja davon aus, dass man sagt “okay der Absolvent soll ja in der Lage sein, erfolgreich ins Erwerbsleben einzutreten und dann dort auch einer adäquaten Beschäftigung nachzugehen” und neben den jeweiligen Fachkenntnissen, die man in seinem Studium erwirbt, sind halt auch diese Schlüsselkompetenzen wichtige Faktoren für beruflichen und persönlichen Erfolg. Und interessant ist hier wenn man sich mal Arbeitgeberumfragen anschaut und prüft, ja welche Anforderungen stellen eigentlich Unternehmen an Bewerber*innen, dann zeigt sich, dass vor allem personale und soziale Kompetenzen ganz wichtige Kriterien bei der Einstellung sind, also Team- und Kommunikationsfähigkeit sind Sachen die von Hochschulabsolvent*innen verlangt werden. Die sollen möglichst selbstständig arbeiten können, sie sollen Einsatzbereitschaft zeigen, sie sollen gut kommunizieren können. Also man sieht auf der Wunschliste ganz oben finden sich in der Regel vor allem Schlüsselkompetenzen. Das Fachwissen aus dem Fachstudium wird in aller Regel als selbstverständlich vorausgesetzt von Unternehmensvertreter*innen. Konkret bedeutet das also, wenn sich zwei fachlich gute Absolvent*innen bewerben, bekommt derjenige mit mehr oder besseren Schlüsselkompetenzen den Zuschlag. Andererseits zeigt sich auch, dass es wichtig ist, sich über diese eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten auch im Klaren zu sein, denn was wir auch immer wieder zurückgemeldet bekommen von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, ist, dass sie feststellen, dass das auch zu einem höheren Selbstvertrauen führt in Vorstellungsgesprächen und dass Bewerber*innen sich realistischer einschätzen können und dass das damit auch zum Erfolg von Vorstellungsgesprächen beitragen kann.
Christina Schulz: Mhm, und wie können denn Studierende an der TU Dresden jetzt z.B. auch mithilfe des Career Service Schlüsselkompetenzen entwickeln oder weiterentwickeln?
Kathy Küchenmeister: Mit Hilfe des Career Service ist das möglich ja zum einen über unser Projekt Schlüsselkompetenzen@TUDresden. Was wir hier machen ist, wir bieten für Studierende eine recht große Bandbreite an verschiedenen Workshops, die in kleinen Gruppen stattfinden mit maximal zwölf Teilnehmenden in aller Regel und die verschiedene Schlüsselkompetenz-Themen behandeln, die für den Studienalltag zunächst mal vor allem relevant sind. Denn das ist vielleicht die Besonderheit hier noch bei uns, dass das Projekt sozusagen von Anfang an – also von Studienbeginn an über den gesamten Student-Lifecycle – die Studierenden begleiten will. Und die Besonderheit ist dabei auch noch, dass ein großer Teil unserer Workshops auch von studentischen Peer-Tutor*innen durchgeführt wird. Das heißt also, das sind Studierende, die von uns vorab qualifiziert werden und die dann selbstständig Workshops zu verschiedenen Schlüsselkompetenz-Themen geben können und das hat nochmal den Vorteil, dass man zum einen ja in der kleinen Gruppe sich leichter vielleicht öffnen kann, dass die Tutoren ja auch aus dem Studienalltag kommen und die Herausforderungen kennen. Die Gruppen bei uns sind gemischt, das heißt, es sind also Studierende aus verschiedenen Studiengängen, das heißt man kann noch mal über den Tellerrand des eigenen Studiums hinausschauen und kann mal hören, wie machen das Studierende aus anderen Studiengängen, vielleicht gibt's da noch Tipps und Tricks, die man sich abschauen kann. Und so entsteht dann ein ganz guter Austausch und das was wir so in den Evaluationen auch zurückgemeldet bekommen, ist das auch sehr hilfreich für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Ja und neben den Workshops haben wir auch noch ein breites Angebot an Podcasts und Video-Tutorials zu verschiedenen Themen, mit denen man sich sozusagen zeit- und ortsunabhängig zu verschiedenen Themen weiterbilden kann, wenn man das möchte.
Christina Schulz: Welche Schlüsselkompetenzen kann man denn in euren Angeboten oder Workshops eigentlich trainieren?
Kathy Küchenmeister: Also wir haben ein sehr breites Angebot an Workshops, Podcasts und Tutorials, z.B. zum Thema den Studienalltag organisieren, also wie plane ich mein Semester, wie plane ich meine Studienwoche, meinen Studientag. Wir haben Angebote zum Beispiel zum Thema Lern- und Arbeitstechniken, aber auch zum Thema Stress, also wie kann ich gut mit Stress umgehen. Wir haben Angebote zum Thema präsentieren und moderieren, also wie kann ich gut ein Referat halten, wie kann ich meine Abschlussarbeit wirkungsvoll präsentieren. Wir haben Angebote zum Thema Körpersprache, zum Thema Kommunikation im Team, aber auch mit Dozent*innen, mit Professor*innen. Ja darüber hinaus noch viele andere und wer sich dafür interessiert, kann gern auf unserer Webseite nachschauen und sich natürlich anmelden und vorbeikommen.
Christina Schulz: Kathy, vielen Dank für das Gespräch.
Kathy Küchenmeister: Ja ich bedanke mich auch für das nette Gespräch.
~ Gesprächsende ~
[Outro-Musik spielt]
Einspieler: Weitere Informationen und Veranstaltungen findet ihr unter: tud.de/deinstudienerfolg/ofp
Folge 14: Im Gespräch mit dem Career Service: Der Arbeitsmarkt in Sachsen
Wie sieht der Arbeitsmarkt in Sachsen für Studierende der Mathematik, Chemie, Physik, Biologie oder Psychologie aus? Susan Wildenhain vom Career Service der TU Dresden gibt einen Einblick in verschiedene Branchen und gibt Tipps für eine erfolgreiche Stellenrecherche.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: Hör rein, in die Praxis!
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Natur-wissenschaften.
Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Hallo Susan, stell dich uns doch kurz mal vor!
Susan Wildenhain: Na, hallo Christina. Ich bin seit 2009 auch schon im Career-Service und betreue dort die Arbeitgeber, die Studierende der TU Dresden suchen. Das macht extrem viel Spaß und ich weiß daher ungefähr, in welchen Branchen welche Studierende welcher Studiengänge gesucht werden und ich freu mich, dazu heute mehr zu erzählen.
Christina Schulz: Schön. Wie gut sind denn so insgesamt die Jobchancen in Sachsen?
Susan Wildenhain: Ja, die sind eigentlich mega super. Die Statistiken sagen, dass Studierende oder Graduierte der TU Dresden maximal sechs Monate brauchen, um eine adäquate Stelle zu finden, aber das kommt ja auch darauf an, wann man eben mit den Bewerbungen startet. Wir haben eben in Sachsen eine starke Forschung, also Grundlagenforschung wie auch angewandte Forschung, die einfach gute Impulse in die Hightech-Branchen geben. Und der langfristige Fachkräftebedarf an Akademiker:innen, der wird stark bleiben, auch wenn wir grade mit Herausforderungen, wie den Lieferkettenproblemen oder auch den steigenden Energiepreisen kämpfen. Genau und was den Arbeitsmarkt in Sachsen wirklich vielseitig macht, das sind die vielen kleinen und mittleren Unternehmen, macht´s aber auch etwas herausfordernder den Arbeitsmarkt zu erschließen und dazu gebe ich gleich ein paar Tipps zu Recherchetools.
Christina Schulz: Mhm, welche Branchen und Arbeitgeberinnen/Arbeitgeber sind denn für die jeweiligen Studienrichtungen jetzt in MatNat interessant und wo können sich die Studierenden denn darüber informieren?
Susan Wildenhain: Genau, also es gibt erst einmal die großen Branchen in Sachsen, die ihr bestimmt kennt, auch die Mikroelektronik und IT, Auto, Maschinenbau und dazu gibt’s ganz wichtige Wachstumskerne, das sind Energie und Umwelttechnik, Lifesciences, Logistik, Handel und E-Commerce und dort können diese Studiengänge eigentlich im Prinzip einsteigen.
Die Stärke von Mathematikerinnen und Mathematikern ist es ja zum Beispiel Prozesse zu modellieren, zu simulieren und das kann man auf die verschiedenen Branchen übertragen oder das ist dort gefragt. Zum Beispiel in der Logistik, im Chip-Design, in der Mobilität, ja oder zu neuen Materialien, zum Datenmanagement. Und Beispielarbeitgeber sind hier Advanced Mask Technology Center oder Fabmatics, zwei Unternehmen aus der Halbleiterei oder aber auch HIGHVOLT, Hochspannungsprüf- und Messtechnik. Aber auch im Bereich Versicherungen, Finanzen, in der Software, Automatisierung oder in IT-Consulting oder in einer Unternehmensberatung wie KPMG sind Mathematiker gesucht.
Die Biolog:innen haben natürlich eher ihren Schwerpunkt in der Biotechnologiebranche zum Beispiel. Die ist auch ganz spannend, da sieht man bei biosaxony schöne Unternehmen aus Spezialanalytik, Diagnostik, Gen- oder Zelltherapien, Radiopharmazie in Dresden und um Leipzig, das sind ja so die größeren Cluster. Vielleicht kennt ihr schon das Auftragslabor CUP Radeberg oder das Unternehmen Lipotype, die immer auf der Suche nach Graduierten sind oder auch ja Mitarbeitern. Weniger bekannt ist vielleicht der Lieferant für wissenschaftliche Anwendungen Thermo Fisher Scientific, die sind nicht direkt in Sachsen, eher im Harz und bei Berlin, aber trotzdem spannend. Aber es gibt auch so dieses Chemielieferantunternehmen ROSEN-Group, das auch Biolog:innen sucht und ich weiß auch von einem Unternehmen aus der Mikroelektronik Branche des heißt DERU Planungsgesellschaft für Energie-, Reinraum- und Umwelttechnik, wo ihr Biolog:innen mit ja gesucht seid.
Die Chemikerinnen und Chemiker sind natürlich eher in Laboratorien zu Hause in der chemischen, pharmazeutischen und Nahrungsmittelindustrie und BASF Schwarzheide ist glaube ich jedem bekannt. Ein Verband der aber auch zu versteckten kleineren Unternehmen informieren kann, also wo ihr auch euch melden könnt, das ist Nordostchemie, da könnt ihr mal schauen, welche Mitglieder gibt es denn dort. Ich weiß noch, dass die folgenden Arbeitgeber auch Chemikerinnen und Chemiker suchen. Das ist zum einen JENOPTIK, die bauen einen neuen Reinraum, das ist Qoniac, die entwickeln Software für Halbleiter und man muss bei einer Halbleiterei ja auch die chemischen Prozesse gut verstehen können, um die Software entsprechend zu erstellen. Genau oder auch HiperScan, das ist ein Spezialist für Nahinfrarot-Spektroskopie.
Ja und zu den Physikerinnen und Physikern, die kommen ja gern in der Entwicklungs- und/oder Produktionsabteilung in der Industrie oder der Forschung zum Einsatz und allein das eröffnet riesige Einsatzfelder. Optoelektronik kann interessant sein aber auch Messzellen, Sensorik. Da gibt es den Arbeitgeber Sensor-Technik Wiedemann in Chemnitz beispielsweise. Oder auch Anlagen in der Halbleiterindustrie können Physiker:innen oder müssen sie mitgestalten, eben auch wieder wegen des Produktionsverständnisses und da kennt ihr vielleicht Applied Materials, die Physiker:innen suchen. Ein anderes Maschinenbauunternehmen das ist Beschichtungsanlagen HR Ottendorf.
Ja, wo kann man sich informieren? Zum einen beim Verband der Mikroelektronik und IT, Silicon Saxony, aber auch die europäische Forschungsgemeinschaft Dünne Schichten clustert sozusagen Material naher Unternehmen und auch das Innovationsnetzwerk Organic Electronics Saxony, OES, kann interessant sein. Also ich weiß noch natürlich Unternehmen aus der IT-Branche, je IT- und programmieraffiner man ist, desto mehr kommt man dann auch im Bereich Digitalisierungssoftware natürlich zum Einsatz. Körber Supply Chain Software wäre hier ein Arbeitgeber. TraceTronic, AES aber auch SIGNON Deutschland, in Dresden sitzend, gehört aber zur Deutschen Bahn, entwickelt neue Bahnsysteme sucht Physikerinnen oder SAW COMPONENTS.
Christina Schulz: Am Bereich gibt's ja auch die Psychologinnen und Psychologen, die interessieren sich ja bestimmt auch für andere Branchen. Wie sieht es denn da aus Susan?
Susan Wildenhain: Ja genau, also man kann natürlich in diese Industriezweige quereinsteigen im Bereich, ja also prädestiniert ist natürlich Human Ressources Management, Marketing, Public Relations, Training, Weiterbildung. Aber Psychologinnen und Psychologen bringen auch ein gutes Nutzerverständnis mit. Verhalten von Nutzer:innen oder Kund:innen und sozusagen customer insights und das dient in vielen Branchen als Grundlage für strategische Produktentscheidungen, wie zum Beispiel im E-Commerce, im E-Learning oder auch eben in der Digitalisierung und IT. Und Beispielarbeitgeber sind Cyberport und T-Systems MMS. Natürlich genau Changemanagement, betriebliches Eingliederungsmanagement sind weitere wichtige Arbeitsfelder für Psycholog:innen oder auch die Beratung zu Kommunikations- oder Konfliktmanagement in Unternehmen und zur Betriebsgesundheit da gibt es als Beispiel die ias Gruppe mit 15 Standorten in Sachsen. Und ja der Bereich Erwachsenenbildung, Weiterbildung, Personalentwicklung, hier gibt es TÜV SÜD die sehr viel in dem Bereich auch für Unternehmen anbieten.
Christina Schulz: Ja super! Und darüber hinaus natürlich noch der gesamte klinische Bereich für Psychologinnen und Psychologen und ja auch Möglichkeiten z.B. sich selbständig zu machen.
Susan Wildenhain: Absolut, absolut, ja. Genau ich habe noch einen Input für die Studierenden und Absolvent:innen, die eine Geschäftsidee haben oder selber gründen möchten. Da unterstützt die Initiative dresden exists und man findet auch Stellen auf, also wer jetzt einfach bei einem Startup mitmachen möchte und wollte schon immer ein eigenes Unternehmen mehr oder weniger mitgestalten, da findet man Stellen auf stellenticket-startups.de.
Christina Schulz: Super. Jetzt haben wir ja viel über Stellen auch in der Wirtschaft gesprochen, was bietet denn der öffentliche Dienst oder auch der Nonprofit-Bereich?
Susan Wildenhain: Ja da starte ich gerne mal mit dem Nonprofit-Bereich. Wir haben ja nicht so große Nonprofit- oder Nichtregierungsorganisationen in Sachsen, aber einige spannende, schöne Vereine und wenn man sich mit Fördermittelmanagement auskennt und für einen Vereinsstil brennt, dann ist es theoretisch auch möglich, seine eigene Stelle in so einem Verein zu schaffen. Setzt natürlich auch bisher eine gewisse ehrenamtliche Mitarbeit voraus. Aber auch die Parteien und der Landtag suchen oder beschäftigen Akademiker:innen der MatNat, auch Erwachsenenbildung. Der Bereich Gesundheit und Soziales hier kann man schauen, wenn man sich beispielsweise für die Arbeit beim DRK oder ja in der Wohlfahrtspflege interessiert, dann gibt die Webseite des Paritätischen Wohlfahrtsverband so eine kleine Jobdatenbank her. Für die Kultur- und Kreativwirtschaft kann man sich auf der Webseite kreatives-sachsen.de schlau machen, zu Teilbranchen wie z.B. eben dem Fachjournalismus oder der Gaming-Industrie.
Ja und der öffentliche Dienst der hat hier gerade in Dresden ja eine ganz große Bedeutung mit der Landesverwaltung, Stadtverwaltung also gerade das Statistische Landesamt in Kamenz ist für Mathematiker:innen super interessant. Vielleicht auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, das in Freital aufgebaut wird, neben natürlich der universitären und außeruniversitären Forschung, also grad Mathematiker:innen können ja auch im Medizinbereich ganz wichtige Dinge voranbringen, in der Krebsforschung beispielsweise. Und dort findet ihr auf der Webseite von dresden-concept z.B. die Stellen des Wissenschaftsverbunds, wo die ganzen Forschungsinstitute Mitglied sind. Max Planck, Leibniz, das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, die 12 Fraunhofer-Institute. Dort seht ihr die Jobchancen auch auf einen Blick, die gerade die Forschung in Sachsen bietet. Die Biologinnen/Biologen sind eher in natur- und naturschutznahen Einrichtungen, zum Beispiel wie dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Geologie – langer Name – vielleicht gut untergebracht, wenn es dort eben Vakanzen gibt. Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Elbe hatte vor kurzem Biolog:innen gesucht. Ja für die Psychologinnen/Psychologen eignen sich öffentliche Beratungsstellen, aber auch Stellen in der Personalentwicklung z.B. der Polizei oder der Stadt, der Ministerien. Darüber hinaus einfach die Berufsgenossenschaften, von denen es einige gibt in Dresden, suchen für beispielsweise eben auch Betriebsgesundheit und -prävention Psycholog:innen und aktuell ist auf unserem Jobportal tud.stellenticket.de auch eine Stelle der Agentur für Arbeit für den berufspsychologischen Dienst ausgeschrieben.
Christina Schulz: Mhm, hast du noch Karriere-Tipps für Mathematiker:innen oder Naturwissenschaftler:innen?
Susan Wildenhain: Ja gerne! Ja also ich empfehle oder wir als Career-Service empfehlen denen schon im Studium die Möglichkeiten wahrzunehmen, Arbeitgeber kennenzulernen. Am besten ihr bereitet euch schon mal, bevor ihr auf eine Karrieremesse geht oder bei einem Arbeitgeber-Workshop mitmacht, so eine Art Pitch vor, indem ihr schon mal ganz kurz in drei, vier Sätzen fasst, wer seid ihr, was könnt ihr und wo wollt ihr hin. Und dann nutzt fleißig auch Karriereveranstaltungen, stellt euch vor, fragt nach Einstiegsmöglichkeiten und nutzt auch während des Studiums bereits Praktika und Werksstudierendennstellen, so habt ihr einfach frühzeitig eine Orientierung. Denn ihr könnt ja mit eurem Abschluss meistens ganz viel machen und ihr habt beim Wunscharbeitgeber schon einen Fuß in der Tür. Mein zweiter Karrieretipp geht in den Bereich Recherche. Ihr könnt auf unserem Stellenportal, wie gesagt, Stellen finden von Arbeitgebern die explizit Studierende der TU Dresden suchen. Damit habt ihr einfach einen Vorteil bei der Bewerbung, wenn ihr euch auf solche Stellen bewerbt und die URL ist tud.stellenticket.de. Stellen im öffentlichen Dienst findet ihr auf der Website service.bund.de, da bekommt ihr alle öffentlichen Stellen sozusagen in Sachsen auch nach der Filterung angezeigt.
Mein dritter Tipp ist, dass ihr wirklich auch euch traut, euch initiativ zu bewerben. Zunächst einmal bei einem Traumarbeitgeber der euch aufgefallen, ist anzurufen, euch vorzustellen und zu fragen, ob es sich lohnt, euch zu bewerben. Nach vier Wochen noch einmal nachzufragen eventuell, wenn ihr die Bewerbung geschickt habt. Und der vierte Tipp ist, nutzt doch den Career-Service an der TU Dresden, lasst euch individuell zu Fragen, die ihr jeweils habt, beraten von uns, nutzt auch Workshops rund um das Thema Karriere aber auch zum Schlüsselkompetenzaufbau wie z.B. Führungstrainings, könnt ihr da auch nutzen. Und dort findet ihr natürlich sehr, sehr viele Kontakte zu Arbeitgebern.
Christina Schulz: Mhm, ja, liebe Susan, vielen Dank für das Gespräch und für deine Tipps!
Susan Wildenhain: Aber sehr gerne, ich danke dir Christina für den Podcast! Und euch Zuhörerinnen und Zuhörern wünsche ich das allerbeste fürs Studium und für den Berufseinstieg.
~ Gesprächsende ~
Folge 15: Als promovierte Lebensmittelchemikerin Geschäftsführung der ersten Universitätsbrauerei Deutschlands
Dr. Sophia Vatterodt war nach ihrem Studium der Lebensmittelchemie Teil der Ausgründung von Lohrmanns, der ersten Universitätsbrauerei Deutschlands und arbeitet dort heute als Geschäftsführerin und Biersommelière.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: Hör rein, in die Praxis!
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften.
Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Heute ist Frau Dr. Vatterodt bei mir zu Gast. Nach ihrem Studium der Lebensmittelchemie war sie Teil der Ausgründung von Lohrmanns, der ersten Universitätsbrauerei Deutschlands und arbeitet dort heute als Geschäftsführerin und Biersommelière.
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Hallo Frau Dr. Vatterodt. Ich freue mich sehr, dass Sie sich heut die Zeit genommen haben für unser Podcastinterview.
Dr. Sophia Vatterodt: Hallo Frau Schulz, sehr gerne! Ich freu mich über die Anfrage.
Christina Schulz: Sie haben an der TU Dresden Lebensmittelchemie studiert. Wann war denn
für Sie klar, dass das das richtige Studienfach für Sie ist?
Dr. Sophia Vatterodt: Hmmm… Eigentlich schon ziemlich schnell, beziehungsweise schon bei der
Auswahl vom Studienfach wollte ich was haben, was Praxisbezug hat, wo man Sachen im Alltag auch wiederfinden kann. Und da war Lebensmittelchemie für mich ein guter Punkt und ein gutes Maß, um eben Alltagsfragen auch besser verstehen zu können und… ja, das hat sich im Studium dann schnell bewahrheitet, sag ich mal so.
Christina Schulz: Und jetzt gibt’s ja die Vorstellung von einem Studium und dann tatsächlich das Studium an sich… Was hat Ihnen denn da besonders gefallen und was vielleicht auch nicht?
Dr. Sophia Vatterodt: Ja, genau. Also der Anfang war bei uns ein bisschen schwierig, weil unter Lebensmittelchemie stellt man sich natürlich vor, dass man mit Lebensmitteln arbeitet, aber die ersten zwei Jahre, also Grundstudium, war sehr, sehr viel Theorie. Viel Physik, Mathe, viel drumherum, und eigentlich ging es dann erst im Hauptstudium los mit der Lebensmittelchemie. Von daher war das erstmal ein bisschen ne kleine Enttäuschung, um es mal so zu sagen.
Aber dann, als die Fächer wirklich kamen, wie Lebensmitteltechnologie: wie sind die Herstellungsprozesse der verschiedenen Produkte und Lebensmittel, sei es Nudeln, Bier, alle möglichen Sachen und… genau, Lebensmittelanalytik: Wie viel wovon ist in dem Lebensmittel drin? Wenn man in der Lage ist, das alles selbst bestimmen zu können, das sind dann die Sachen, die einem richtig gut gefallen und wo man sich dann wiederfindet und merkt „Jawoll, so hab ich mir das vorgestellt, in die Richtung soll das mal gehen.“
Christina Schulz: Also lohnt sich dann das Durchhalten auch an der Stelle.
Dr. Sophia Vatterodt: Ja, ja, unbedingt, unbedingt. Genau, natürlich müssen erstmal die Grundlagen rübergebracht werden. Und da muss man sich erstmal durchkämpfen, aber dann kommt dann schon das richtige Studienfach.
Christina Schulz: Ein großer Teil der Chemikerinnen und Chemiker promoviert ja auch nach dem Studium. Sie haben auch promoviert, und auch ganz passend zu ihrem späteren Werdegang zum Thema Bier. Wann und wie fiel denn die Entscheidung zur Promotion?
Dr. Sophia Vatterodt: Mmmh, ja, also in der Lebensmittelchemie ist es noch nicht ganz so… naja, also, es ist schon üblich, dass man promoviert, aber nicht – ich würde jetzt nicht sagen Pflicht, wie es so eher bei den Chemikern wirklich ist – dass man da eigentlich erwartet, dass promoviert wird. Bei uns war das noch ein bisschen freiwilliger. Und während der Diplomarbeit hab ich dann gemerkt, dass mir dieses selbstständige Arbeiten gut Spaß macht, eigene Fragestellungen entwickeln, eigene Forschungsprojekte und Fragen nachgehen…
Und das war eigentlich so der Punkt, wo man merkt „Ja, das gefällt mir.“ Es ist zwar anstrengend und viel zu tun, man braucht gutes Durchhaltevermögen, aber das lohnt sich dann. Und da kam dann die Frage auf: „Mensch, mit der Promotion, das ist schon der richtige Weg.“ Also bei uns – die andere Möglichkeit wäre das zweite Staatsexamen am Lebensmittelüberwachungsamt, dort nochmal ein Jahr dranzuhängen. Ja, ich hab mich dann dagegen entschieden und hab dann gesagt, mein Weg ist der der Promotion, weil ich da nochmal ein paar Fragestellungen klären möchte.
Christina Schulz: Sie waren ja 2019 eine von vier Doktorand*innen, die bei der Ausgründung von Lohrmanns dabei waren. Wie ist es denn dazu gekommen?
Dr. Sophia Vatterodt: Ja, mit Lohrmanns, das ist auch so ne ganz spannende Geschichte. Also Lohrmanns ist ja die erste Universitätsbrauerei Deutschlands. Und, ja, eigentlich ging es schon 2015 los. Da haben wir aus einem Praktikumsversuch für die Studenten – also den konnten wir entwickeln, es musste etwas ersetzt werden, ein Versuch der technischen Chemie, und die beiden Professoren – Professor Henle und Professor Weigand, Chemiker und Lebensmittelchemiker – haben dann gesagt, wir machen jetzt was Sinnvolles. Die Wasseraufbereitung machen wir in einem ordentlichen Maß und zwar brauen wir Bier daraus. Und genau, wir haben dann ein Labor als Lebensmittelbereich deklariert, haben eine Brauanlage gekauft, 50 Liter, eine Forschungsanlage… und ich durfte mir dann Praktika für die Studenten ausdenken, die dann im 7. Semester Chemie und Lebensmittelchemie bei uns Bier gebraut haben, und später im Labor analytisch untersucht haben. Und das war quasi so erfolgreich, dass wir irgendwann die Idee hatten: „Mensch, das könnten wir doch ausgründen. Das könnte doch wirklich ne eigene Firma sein.“
Wir waren dann bei dresden|exists, haben dort auch wieder mit Studenten einen Businessplan geschrieben, das ganze Konzept dahinter, einfach mal in nem Gedankenprojekt geguckt, ob es denn überhaupt möglich wäre. Und da kam das erste Mal die Idee, das kann tatsächlich so stattfinden. Und ja, aber aus dieser Idee dann ist es erstmal ein bisschen wieder abgeflacht, bis es dann wirklich hieß, nee, wir gehen diesen Schritt, wir sind mutig. Genau, und die beiden Professoren sind dann zu TUDAG gegangen, zur Ausgründungsgesellschaft der TU Dresden, haben sich dort Unterstützung gesucht, dort das ganze Projekt nochmal vorgestellt. Und so ist es eigentlich dazu gekommen, dass wir mit der Unterstützung der TUDAG und den beiden Professoren dann gesagt haben, wir wagen das. Und sind damit auch quasi vor Berlin und München, die ja ihre Brauereitechnologien haben, die erste Uni, die ihre eigene Brauerei ausgegründet hat.
Christina Schulz: Sehr cool. [beide lachen] Das ist ja jetzt eine tolle Erfolgsgeschichte und auch sehr konkret zum Thema Bierbrauerei. Welche Vorstellungen hatten Sie denn während Ihres Studiums von so ner späteren Tätigkeit? War das schon sehr konkret, in welche Richtung das gehen soll oder war das noch sehr offen?
Dr. Sophia Vatterodt: Ja, also dass ich jetzt da lande, wo ich heute bin, das hatte ich überhaupt nicht gedacht. Ich hätte eher gedacht so Richtung Qualitätssicherung, Qualitätsmanagement, wo unser Studium auch gut drauf abzielt. Das war so das, mit dem ich mich gut identifizieren konnte. Bis dann eben die Anfrage kam, ob ich nicht die Geschäftsführerin einer neugegründeten Brauerei werden möchte. Unter diesem Jobangebot kann man sich auch nichts vorstellen, und weil man aber so begeistert ist von diesem Projekt und es irgendwo das Herzensprojekt ist und irgendwie auch ein Lebensprojekt, sagt man da ja.
So, und dann lässt man einfach mal alles auf sich zukommen, weil man hat eigentlich überhaupt keine Ahnung, was da kommen kann und kommen wird. Und wie das quasi ist, vom Labor in die freie Wirtschaft geschmissen zu werden, und dann, genau, in dem Haifischbecken versuchen zu überleben… Ja, sehr spannende Zeit auf jeden Fall.
Christina Schulz: Ja, und in diesem Haifischbecken sozusagen, was macht man denn als Geschäftsführerin einer Universitätsbrauerei?
Dr. Sophia Vatterodt: [seufzt] Ja, alles quasi, alles, was anfällt. Also wir sind als Geschäftsführung immer dabei, den ganzen Tag Brände zu löschen. Wo ist das Schlimmste, wo müssen wir jetzt wirklich erstmal agieren, was hat am meisten Priorität. Genau, dann natürlich ganz wichtig: Jahresplanungen, Zukunftspläne, quasi die nächsten 3-4 Jahre, 3-5 Jahre... Was als Wissenschaftler natürlich schwierig ist, da genau zu sagen: „Mensch, in welchem Monat verkaufe ich wie viel Bier, wohin, zu welchem Preis“ – Umsatzvorhersagen und sowas alles.
Also das ist schon… ja, gehört viel Fantasie und planungstechnisches Können dazu, überhaupt die ganzen Finanzen im Blick zu haben, die Umsatzzeiten, die Absätze, die Abkommen, die ganze Produktion muss geplant werden, Qualitätssicherung dahinter, Neukunden anwerben… Also ja, alles, was irgendwie förderlich ist, um Bier zu verkaufen oder neues zu entwickeln. Marketingsachen mal mit unterstützen, Ideen anbringen... Ja, wir sind jetzt 9 Mitarbeiter, das ist jetzt auch ein bisschen Organisation. Angefangen haben wir mit quasi anderthalb, also ich war die einzige Vollzeitangestellte. Noch nen Kollegen, der die wirtschaftlichen und Finanzsachen macht und ja, da haben wir uns jetzt ganz gut vergrößert. Und ja, also immer das, was anfällt und wo man gerade gebraucht wird, da geht’s los.
Christina Schulz: Und wie sieht so ein typischer Tagesablauf oder eine typische Arbeitswoche aus – oder gibt’s die überhaupt?
Dr. Sophia Vatterodt: Nee. Ne, bei uns ist wirklich jeder Tag, jede Woche unterschiedlich. Also häufig haben wir viele Veranstaltungen dann abends, dass man bei irgendwelchen, ja, Events noch präsent ist. Wir haben viele Meetings mit Kunden, mit Zwischenhändlern, untereinander viele Absprachen. Events müssen geplant werden, die wir auch selbst organisieren quasi...
Ja, also mein liebstes, wenn ich‘s mal machen kann, sind dann auch Bierseminare, weil ich ja auch Biersommelière bin. Und dass man da den Leuten eben beibringt, was alles hinter dem Bier steckt. Und dass es eben nicht nur das Feierabendbier ist, sondern das auch ganz viel mit Genuss zu tun hat und es viel, viel vielfältiger ist, als man eigentlich so erwartet oder man es kennt. Und es eben nicht nur das Pils gibt, sondern Bier noch viel mehr kann. Und wenn man da ne gute Rückmeldung von den Leuten bekommt und so einen Aha-Effekt sieht, dann hat man das Ziel erreicht und das ist dann ne kleine Genugtuung. Genau.
Christina Schulz: Und welche Verbindung haben Sie sozusagen als Wirtschaftsunternehmen heute noch zur TU Dresden?
Dr. Sophia Vatterodt: Dadurch, dass unsere Gesellschafter, die Professoren, ja an der Uni sind, haben wir eine sehr enge Verbindung. Zum einen natürlich über Veranstaltungen, die wir an der Uni ausrichten, oder wenn Professoren uns anfragen, dass wir dort mit Beerbike zum Beispiel oder dem Bierwagen stehen können. Aber auch zu unseren Chemieprofessoren natürlich über die Forschung. Dass wir dort Forschungsprojekte unterstützen, dass wir Praktika betreuen für die – also nicht betreuen, das nicht mehr, aber Ideen geben, was man denn mal untersuchen könnte zum Thema Bier. Genau, und unser Bier eben auch untersuchen lassen: Sind es die Qualitätsansprüche, die wir haben, wie sind die Bittereinheiten, die Farbe und so weiter. Also, dass eben die ganze Analytik für unser Bier aus der Uni auch noch kommt und das ist halt wirklich super, weil man da ganz viel auch neue Rezeptentwicklung machen kann und so. Und da ist eine sehr enge Zusammenarbeit auf jeden Fall noch da. Und das ist gut so, weil so kann man auch selbst immer mal wieder in die Uni gehen, in seine alte Wirkungsstelle, wo man so viel Zeit verbracht hat, und das ist immer wieder schön.
Christina Schulz: Und welche Kompetenzen oder Elemente aus Ihren Studien sind auch heute für Ihre Tätigkeit wichtig?
Dr. Sophia Vatterodt: Hmm, also am allerwichtigsten ist glaube ich das Durchhaltevermögen und dass man sich nicht unterkriegen lässt, sondern immer dranbleibt, auch wenn es mal schwierig ist. Und wir hatten ja immer sehr lange Labortage und viel Analytik und viel, ja, Sachen, wo man wirklich geprüft wird, ob man da durchhält. Und das kommt einem heute sehr zu Gute. Auch Thema Genauigkeit und Präzision, das ist schon, schon wichtig. Und das – ich glaub einfach, so ein Studium samt Promotion wirklich durchzuziehen – das ist eigentlich so das Wichtigste. Mit allen Höhen und Tiefen, die es überall gibt, und ich glaub, das schult einen dann sehr. Es ist dann gar nicht so wichtig, ob das jetzt genau was damit zu tun hat, oder ob es ein anderes Themengebiet war, aber das hilft ungemein.
Christina Schulz: Sie haben schon Praktika angesprochen. Welche Möglichkeiten gibt es denn bei Lohrmanns für Studierende oder auch für fertige Lebensmittelchemiker*innen?
Dr. Sophia Vatterodt: Also bei uns aktuell noch bisschen schwierig, weil wir noch so klein sind und auch im Aufbau der eigenen Brauerei. Was bei uns immer geht, ist, dass wir Leute brauchen, die mit bei Veranstaltungen ausschenken und mit am Bierwagen stehen, zapfen, den Leuten die Geschichte von Lohrmanns erklären, was hinter den Biersorten steckt. Genau, Servicepersonal dann genauso für die eigene Gasthausbrauerei, die wir im Kraftwerk Mitte eröffnen. Ja, das sind so die Sachen. Ansonsten ist es bisher noch ein bisschen schwierig, aber wenn sich dann auch gerade das Kraftwerk Mitte ein bisschen etabliert hat, dann haben wir zum Beispiel auch die Möglichkeit, Auszubildende auch anzunehmen. Und dann ist bestimmt auch ein Praktikum möglich, wenn die Brauerei denn bei uns tatsächlich in Betrieb ist und der Braumeister dann dort Studenten und Auszubildende betreuen kann, genau.
Christina Schulz: Letztes Jahr haben Sie eine Craftbeer-Tour durch ganz Amerika gemacht. Wie ist es denn dazu gekommen und was haben Sie da denn vielleicht auch mitgenommen?
Dr. Sophia Vatterodt: Oh, das ist eine sehr lange Geschichte. Ja genau, also Craft-Beer Tour, das war eine Weltreise, quasi ein Auszeitjahr, ein Sabbatical. Und es ging durch Nord- und Südamerika – und für mich als bierbegeisterter Mensch muss man da natürlich gerade in den USA ganz viele Brauereien besuchen. Und es war natürlich auch sehr gut im Hinblick auf die eigene Brauerei im Kraftwerk Mitte, dass man ganz viele Ideen hat. Wie machen das andere, wie ist die Preisstruktur, wie sehen Bierkarten aus, wie sehen Tasting Trays aus. Ja, wie machen das eigentlich die Amerikaner, weil die sind so eher Vorreiter und alles, was dort passiert, nach 5 bis 10 Jahren kommt das dann auch bei uns an. Überhaupt die ganze Craft-Beer Szene ist ja dort entstanden und das war schon super interessant.
Christina Schulz: Und welches Bier trinken Sie persönlich am liebsten?
Dr. Sophia Vatterodt: [beide lachen] Hmmm, also ja, das ist eine gute Frage. Ich mag sehr gerne ein gutes Pale Ale, was schön ausgewogen ist, nicht so bitter, und gut süffig, ne, also drinkability ist ja immer ein ganz wichtiger Faktor. Aber was ich tatsächlich auch gerne trinke, ist mal so ein gutes Bockbier.
Christina Schulz: Wenn Sie zurückschauen, würden Sie heute nochmal Lebensmittelchemie studieren?
Dr. Sophia Vatterodt: Ja, also, ja würd ich schon. Ich würd es eigentlich nochmal so machen. Allerdings hab ich auch überlegt – oder ist mir dann später, als ich unseren jetzigen Braumeister nämlich kennengelernt hab, so auch in den Sinn gekommen – Mensch, Brauereitechnologie wäre tatsächlich auch eine Option gewesen, die ich damals überhaupt nicht im Sinn hatte. Und die, wo ich quasi gar nicht wirklich wusste, dass es das gibt, dass man das studieren kann. Für mich war Brauer und Braumeister immer ein Ausbildungsberuf und nichts mit, was ich mit einem Studium verbunden hab. Das ist ein bisschen schade, weil ich glaub, das wäre auch nochmal ne Option gewesen. Aber ansonsten bin ich super zufrieden mit dem Lebensmittelchemiestudium.
Christina Schulz: Was möchten Sie denn heute den Studierenden mit auf den Weg geben?
Dr. Sophia Vatterodt: Ja, also, Punkt eins: Nicht unterkriegen lassen, auch wenn es mal nicht so läuft! Es gibt immer Höhen und Tiefen. Und dass man eigentlich viel mehr kann, als man sich zutraut und was man so denkt, was man schaffen kann. Es ist gut, immer Chancen zu ergreifen und mal mutig zu sein. Ja, also quasi nach dem Motto „Einfach mal machen, könnte ja gut werden.“ Das sollte man sich wirklich bewahren oder sich erarbeiten. Und dann wird das schon alles werden.
Christina Schulz: Und wo in Dresden kann man dann Lohrmanns Brew genießen?
Dr. Sophia Vatterodt: Ja, also wir sind eigentlich in allen Konsum-Filialen – Konsum und Fristo – vertreten. Rewe und Edeka wird jetzt auch mehr, da ist es immer ein bisschen schwierig reinzukommen. Ja, und vom Hahn, es wird langsam. Also in der Neustadt sind wir jetzt im Hostel Mondpalast am Hahn. Ja, aber vor allem gerade noch als Flaschenbier im Supermarkt. Genau, bis wir dann endlich im Herbst unser eigenes, unsere eigene Braugaststätte im Kraftwerk Mitte eröffnen und ab dann 16 Lohrmannssorten vom Fass haben, Vielfalt pur. Und dann bitte alle gerne dort hingehen und super Bier verkosten. [lacht]
Christina Schulz: Vielen Dank an Sie, Frau Dr. Vatterodt, für das schöne Gespräch.
Dr. Sophia Vatterodt: Sehr gerne, hat mir auch Spaß gemacht.
~ Gesprächsende ~
[Outro-Musik spielt]
Einspieler: Weitere Informationen und Veranstaltungen findet ihr unter: tud.de/deinstudienerfolg/ofp