Bisherige Pflanzen der Woche - Der Stechende Mäusedorn
Ruscus aculeatus L.
Winterliche Blüten im Freiland des Botanischen Gartens finden meist viel Aufmerksamkeit und Bewunderung. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: Nur von Eingeweihten entdeckt, blüht derzeit vereinzelt und unscheinbar der Stechende Mäusedorn. Das immergrüne, 2002 zur „Arzneipflanze des Jahres“ gekürte Gewächs ist im Südeuropaquartier, im Staudensystem und in der Morphologischen Abteilung anzutreffen.
Die winzigen Blüten sind nur ca. 3 mm groß. Sechs grüne Blütenblätter umgeben sternförmig eine dunkel violette Röhre. Sie besteht aus den verbreiterten und verwachsenen Staubfäden, die den Fruchtknoten eiförmig umschließen. Manche Blüten tragen an der Spitze der Röhre Staubbeutel, während der Fruchtknoten verkümmert ist – es handelt sich um männliche Blüten. Bei anderen befindet sich oberhalb des Röhrenendes die scheibenförmige Narbe des voll entwickelten Fruchtknotens, während Staubbeutel fehlen – diese Blüten sind weiblich. Jede Einzelpflanze der zweihäusigen Art trägt immer nur Blüten eines Geschlechts.
Erstaunlich ist auch die Lage der Blüten: Entspringen sie tatsächlich mitten auf den Blättern? Der Schein trügt: Was als Blatt wahrgenommen wird, ist in Wirklichkeit ein Kurztrieb, der die Form eines Blattes angenommen hat und zum wichtigsten Fotosyntheseorgan des Mäusedorns geworden ist. Die Botanik nennt diese abgewandelten Sprosse „Phyllokladien“. Die zu trockenhäutigen Schuppen verkümmerten echten Blätter der Pflanze liegen unterhalb der Ansatzstellen der Phyllokladien und an der Basis der Blütenstiele.
Der Name „Mäusedorn“ leitet sich von der historischen Verwendung ab: Die Zweige mit den steifen, in eine stechende Spitze auslaufenden Phyllokladien wurden früher in Vorratsschränken ausgelegt, um Nahrungsmittel vor Mäusen und Ratten zu schützen. Nicht nur im Mittelmeergebiet, wo der Stechende Mäusedorn beheimatet ist, wird er in der Floristik und als Weihnachtsdekoration verwendet. Die Medizin nutzt Extrakte aus dem unterirdischen Rhizom u. a. gegen Venenleiden und bei Funktionsstörungen der Blase.
Eine nah verwandte Art, der Zungen-Mäusedorn (Ruscus hypoglossum L.), wächst im Orientquartier. Sie unterscheidet sich vom Stechenden Mäusedorn durch deutlich größere Phyllokladien ohne stachelige Spitze.
(KW 5/25)