Libanon‐Zeder: Der Herrscher
Die Libanon‐Zeder (Cedrus libani A. RICH.) gehört zu den in der Bibel am häufigsten erwähnten Bäumen. Ihr rötliches, aromatisch duftendes, witterungs-beständiges Holz diente im Alten Orient als geschätztes Baumaterial, besonders für repräsentative Gebäude. Die Ägypter importierten es auch für den Bau von Schiffen und Möbeln. Wie die Bibel berichtet, kaufte Salomo Zedernholz für den Bau des Tempels in Jerusalem (2Chr 2).
Ihre mächtige Gestalt ließ die Zeder zum Sinnbild für königliche Würde, höchste Macht und Herrschaft werden. Ihre Gegner in Fabeln sind kleine, dornige Sträucher (2Kön 14,9). Das Alte Testament verbindet mit Ehrfurcht einflößender Mächtigkeit in der Natur auch das besondere Wirken Gottes: Die Zedern-wälder werden zu Gottes eigener Pflanzung (Ps 104,16). Das Eindringen in den Wald und seine Plünderung galten als selbstüberheblicher Frevel an Gottes Besitz. So wirft Jesaja Sanherib, dem König von Assur, vor: „Durch deine Gesandten hast du den Herrn verhöhnt; du hast gesagt: Mit meinen zahlreichen Wagen fuhr ich auf die Höhen der Berge, in die fernsten Winkel des Libanon. Ich fällte seine hohen Zedern, seine schönsten Zypressen.“ (2Kön 19,23).
Göttliche und menschliche Macht stehen im Alten Testament oft im Spannungs-verhältnis zu einander. Die Bildreden der Propheten setzen die Zeder einer Herrschaft gleich, die sich mit Gottes Macht nicht verträgt und daher untergehen muss. So sprechen sie vom ägyptischen Pharao: „Auf dem Libanon stand eine Zeder. Hoch war ihr Wuchs, und in die Wolken ragte ihr Wipfel. Alle Vögel des Himmels hatten ihr Nest in den Zweigen. Alle wilden Tiere brachten unter den Ästen ihre Jungen zur Welt. All die vielen Völker wohnten in ihrem Schatten“. Jedoch spricht Gott: „Weil sie so hoch emporwuchs und mit ihrem Wipfel in die Wolken ragte und wegen ihrer Höhe überheblich wurde, deshalb liefere ich sie dem mächtigsten Herrscher der Völker aus. Fremde, die gewalttätigsten unter den Völkern, werden sie umhauen und hinwerfen. Alle Völker der Erde verlassen den Schatten der Zeder und lassen sie liegen.“ (Ez 31, 3.6.10-12).
In den Psalmen wird die Doppeldeutigkeit der Zeder besonders deutlich: „Der Gerechte [...] wächst wie die Zedern des Libanon. Gepflanzt im Hause des Herrn, gedeihen sie in den Vorhöfen unseres Gottes.“ (Ps 92,13f). Dem gegenüber steht die Zeder des Frevlers, die ohne Dauer ist: „Ich sah einen Frevler, bereit zu Gewalttat; er reckte sich hoch wie eine grünende Zeder. Wieder ging ich vorüber, und er war nicht mehr da; ich suchte ihn, doch er war nicht zu finden.“ (Ps 37,35f).
Text der Informationstafel im Botanischen Garten, © Professur für Biblische Theologie (katholisch) und Dr. Barbara Ditsch