27.10.2023
Graduiertenkolleg besucht den Sächsischen Landtag
Am 19.10.2023 hatte das Boysen-TU Dresden-Graduiertenkolleg die Möglichkeit eines (Gegen-)Besuchs im Sächsischen Landtag, nachdem Hennig Homann, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD in Sachsen, bereits im Juni diesen Jahres zu Gast beim Graduiertenkolleg war (das GRK berichtete). Der Gastgeber hatte außerdem Dr. Gerd Lippold, Staatssekretär für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft im SMEKUL sowie Karl Lötsch, Geschäftsführer der Sächsischen Kompetenzstelle Wasserstoff KH2 eingeladen.
Link dazu auch: https://www.spd-fraktion-sachsen.de/wasserstoff-als-energietraeger-der-zukunft/
Nach der Einleitung und Begrüßung eines interessierten und auf die Diskussion gespannten Henning Homann stellte Prof. Hurtado die Entwicklung des Graduiertenkollegs seit 2012 und sehr hintergründig auch die Themenentwicklung, die Zusammenarbeit mit der Friedrich und Elisabeth Boysen-Stiftung und die Vernetzung des Graduiertenkollegs vor. Dr. Lippold ging in der Vorstellung der Sächsischen Wasserstoffstrategie systematisch auf die vier Dimensionen der Strategie ein: die exekutive, die politische, die technische und die ökonomische.
In der exekutiven Dimension werden u. a. Standortfragen und -vorteile aufgegriffen, die drei Bundesländer übergreifend (Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen) betrachtet werden. In diesem Prozess spielen Stakeholderprozesse, Befragungen von Wissenschaftler:innen, Fachkräften und Netzbetreibern eine wesentliche Rolle. Als ein Ergebnis wurde die Sächsische Kompetenzstelle Wasserstoff KH2 als erste Ansprechstelle gegründet: https://hzwo.eu/project/kh2/
Die politische Dimension zeigt auf, dass es im Blick auf Wasserstoff zwei Grenzpositionen gibt: Wasserstoff als Element der Dekarbonisierung in der Energiewende ("Baustein") versus Wasserstoff als alternativer Ansatz zur Energiewende ("Allheilmittel"). In der Sächsischen Wasserstoffstrategie wird der kurzfristige Zeithorizont der Bedarfe 2030 gewählt, wobei Staatssekretär Lippold die größte Unsicherheit in den Pfadabhängigkeiten sieht.
In der technischen Dimension ist alles schon bekannt, jedoch die Skalierung und die Kostensenkung (ökonomische Dimension) sind die aktuellen Themen. Derzeit sind andere Lösungen günstiger als eine Lösung, die Wasserstoff einbezieht. Dr. Lippold betont, dass langfristig tragfähige Geschäftsmodelle hierbei ohne dauerhafte Förderung auskommen müssen. Angebot und Nachfrage sind derzeit ein dreidimensionales „Henne-Ei-Problem“: „Wer bewegt sich zuerst? Erzeuger, Abnehmer oder Netzbetreiber?“.
Zusammenfassend betont Dr. Lippold den bereits hohen Entwicklungsgrad des Forschungs- und Innovationsfeldes Wasserstoff. Es gelte nun insbesondere, hieraus skalierbare und effiziente Lösungen zu realisieren.
Karl Lötsch stellt anschließend näher die Kompetenzstelle Wasserstoff mit Sitz in Chemnitz vor, die 2022 gegründet wurde. Sie ist Vermittlerin im Energiedialog und im Beteiligungsprozess und eine Schlüsselstelle in der Kommunikation zwischen Forschung, Verwaltung (Ministerien/Referent:innen) und Unternehmen. Die Kompetenzstelle hilft bei der Orientierung, ist Kompass, Informations- und Ansprechstelle für Öffentlichkeit, Abgeordnete und dafür da, Fragen um das Thema Wasserstoff zu beantworten.
Bevor die Diskussions- und Fragerunde eingeläutet wurde, hatte ein Kollegiat aus jedem Cluster die Gelegenheit, in einem 3-minütigen Poster-Pitch das Cluster und dessen Beitrag zu den Zielen der Sächsischen Wasserstoffstrategie vorzustellen, was sehr interessiert aufgenommen wurde.
In der sich anschließenden Fragerunde kamen verschiedene Fragen auf, zum Beispiel zu zukünftigen Netzbetreibern, über die wirtschaftlichsten Transportmöglichkeiten von Wasserstoff, über Planungszeiträume, die oft zu lang sind (Zitat "2030 ist morgen"). Es wurde bestätigt, dass es keinen Widerspruch zwischen der sächsischen und der nationalen Wasserstoffstrategie gibt, Konflikte offen in Minister-Konferenzen diskutiert werden. Viele Themen sind europäisch. So ist die Wasserstoff-Produktion auch in Dänemark im Gigawatt-Bereich geplant.
Finanzielle Ressourcen sind begrenzt. Darum wurde von Dr. Lippold gefordert: Zitat: „Ehrlich rechnen!“ Dies wurde in der Vergangenheit bei anderen Technologien oft nicht getan. Momentan gibt es keinen wirtschaftlichen Transport des Wasserstoffs über Straße und Schienen. Flüssiger Wasserstoff ist wegen schlechter Wirkungsgrade derzeit keine Option, er ist zu teuer. Gleichzeitig werden politische Spielräume eher kleiner als größer, also sollten Chancen jetzt genutzt werden.
Auch das Thema gesellschaftliche Akzeptanz und die Angst der Bevölkerung vor Veränderung kam zur Sprache: Der „einfache“ Austausch von Gas mit Wasserstoff in den Leitungen, also „alles kann bleiben wie es ist“ trifft eher auf Zustimmung. Der Vorwurf der "Champagner-Energiewende" sollte ebenfalls kommunikativ bekämpft werden.
Das gesamte Boysen-TU Dresden-Graduiertenkolleg bedankt sich für die Möglichkeit des Besuches im Sächsischen Landtag, der mit einer interessanten Führung bis in den Plenarsaal endete.